Zwangsvollstreckung / Zwangsversteigerung


Tritt mit Zahlung an den Gerichtsvollzieher Erfüllung ein ?

LG Memmingen, Beschluss vom 27.10.2017 - 44 T 1289/17 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Es ist der alltägliche Fall einer Prozesskanzlei: Die Vollstreckung aus Titeln. Hier kommt es häufig zu Verzögerungen durch eine lange Bearbeitungsdauer bei einem beauftragten Gerichtsvollzieher. Und auch nicht selten werden (auch höhere) Beträge nicht unverzüglich nach Geldeingang beim Gerichtsvollzieher von diesem ausgezahlt, wie auch möglicherweise der Gerichtsvollzieher die Vollstreckungsunterlagen mit dem Vermögensverzeichnis zurückgibt, danach z.B. vom Gläubiger (-Vertreter) ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt wird, aber zwischenzeitlich der ursprünglich von Gerichtsvollzieher einzutreibende Betrag bei diesem eingeht und dann nach Beantragung des Pfändungs. Und Überweisungsbeschlusses von dem eingehend bei dem Gläubiger (-Vertreter) gezahlt wird. Es stellt sich stets die Frage, ob die Erfüllung der Zahlungspflicht des Schuldners aus dem Titel bereits mit Eingang des Betrages bei dem Gerichtsvollzieher oder erst bei dem /Gläubiger-) Vertreter eintritt. Gerichtsvollzieher, die bei sich eingehende Beträge nicht umgehend weiterleiten, wollen wegen offener Zinsdifferenzen häufig nicht (weiter) vollstrecken mit der Begründung, durch Zahlung an sie sei erfüllt, wie auch Schuldner weitere bei dem Gläubiger entstehende Kosten für ergänzende Vollstreckungsmaßnahmen mit dem Hinweis der Erfüllung durch Zahlung eingehend bei dem Gerichtsvollzieher nicht leisten wollen.  

 

In seinem Beschluss vom 29.01.2009 – III ZR 105/08 – hat der BGH darauf verwiesen, § 815 Abs. 3 ZPO sehe vor, dass die Wegnahme des Geldes durch den Gerichtsvollzieher als Zahlung des Schuldners gelte. Daraus würde überwiegend eine Gefahrtragung nach § 270 BGB entnommen mit der Folge, dass, komme dem Gerichtsvollzieher vor einer Auszahlung desselben an den Gläubiger abhanden, dieser den Schuldner insoweit nicht mehr in Anspruch nehmen könne (so z.B. BGH, Urteil vom 30.01.1987 – V ZR 220/85 -).  In der Entscheidung vom 29.01.2009 konnte der BGH die Streitfrage offen lassen (a.A. z.B.  BGH in BGHZ 140, 391, 394).

 

 

Das LG Memmingen nimmt Bezug auf den Beschluss des BGH vom 29.02.2009 und führt aus, dass die Erfüllungswirkung der Zahlung des Schuldners erst mit Geldeingang bei dem Gläubiger eintrete. § 815 Ans. 3 ZPO stelle sich lediglich als eine Gefahrtragungsregelung dar. In seiner Entscheidung verweist das LG Memmingen darauf, dass der historische Gesetzgeber den Gerichtsvollzieher als privatrechtlichen Vertreter des Gläubigers behandelt habe, demgegenüber er nach den heutigen Regelungen hoheitlich tätig würde und von daher nicht als Vertreter des Gläubigers angesehen werden könne. Auch sei zu beachten, dass der Gerichtsvollzieher beauftragt werde, da der Schuldner nicht zeitgerecht geleistet habe. Käme es zu systemimmanenten Verzögerungen der Weiterleitung der Zahlung durch den Gerichtsvollzieher an den Gläubiger, sei der dadurch bedingte Verzögerungsschaden nicht dem Gläubiger, sondern dem Schuldner anzulasten.

Aus den Gründen:             

            Entgegen der Auffassung des AG in der angegriffenen Entscheidung führt nicht bereits der Eingang des Geldes beim Gerichtsvollzieher zur Erfüllung und damit zur Verzugsbeendigung, sondern erst der Eingang des Geldes bei dem Gläubiger. Zwar gilt die Regelung des §  bei freiwilligen Zahlungen des Schuldners entsprechend (vgl. Becker in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 815 Rz. 5). Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei dieser Regelung um eine reine Gefahrtragungsregelung handelt. Die Erfüllungswirkung richtet sich allein nach materiellem Recht und tritt demzufolge nicht vor Ablieferung des Geldes an die Gläubigerin ein (vgl. Becker, a.a.O., Rz. 4; Gruber in MünchKomm/ZPO, 5. Aufl. 2016, § 815 Rz. 16;Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 754 Rz. 7; Olzen in Staudinger, BGB, Neubearb. 2016, § 362 Rz. 9; Kerwer in Juris PK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 362 Rz. 51). In diese Richtung tendiert auch der BGH (, juris Rz. 9 = , ...). Auch wenn der BGH in der vorgenannten Entscheidung keine endgültige Festlegung getroffen hat, ist gleichwohl der Tendenz zu entsprechen. Im Gegensatz zu der ursprünglichen Vorstellung des historischen Gesetzgebers, nach der der Gerichtsvollzieher als privatrechtlicher Vertreter des Gläubigers handelt, ist der Gerichtsvollzieher nach der heutigen gesetzlichen Regelung hoheitlich tätig und kann daher nicht als Vertreter der Gläubigerin angesehen werden. Weiter gilt es zu beachten, dass der Schuldner offensichtlich aufgrund des rechtskräftigen Versäumnisurteils geschuldete Beträge nicht zeitgerecht geleistet hat, so dass die Inanspruchnahme des Gerichtsvollziehers erforderlich war. Dieser Gesichtspunkt spricht ebenfalls dafür, die für die Weiterleitung des Geldes erforderliche, systemimmanente Verzögerung innerhalb des Ablaufs beim Gerichtsvollzieher hinsichtlich des Verzögerungsschadens nicht der Gläubigerin, sondern vielmehr dem Schuldner anzulasten. Die angegriffene Entscheidung war nach alledem aufzuheben und der Gerichtsvollzieher war zur entsprechenden Fortsetzung der Zwangsvollstreckung anzuweisen. ...