Kostenrecht


Beweiserhebung: Eigene Kosten der Vor- und Nachbereitung in der Kostenfestsetzung

BGH, Beschluss vom 24.01.2021 - VII ZB 55/18 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Im Rahmen einer Werklohnklage kam es zu Ortsterminen, die zu Vor- und Nachbereitungen durch von der Beklagten beauftragte Handwerker führten. Dies kommt z.B. dann vor, wenn der beauftragte Bausachverständige Bauteil e geöffnet haben will, dies nicht selbst durchführt sondern den Parteien überlässt. Dann wird die Partei die entsprechenden Bauteile durch einen vor ihr beauftragten Handwerker öffnen und nach der Besichtigung durch den Sachverständigen wieder schließen lassen. Aber was ist mit den Kosten für diesen Handwerker ?

 

Das Verfahren kam im konkreten Fall durch einen Vergleich zum Abschluss, bei dem die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben wurden. Vergeblich versuchte die Beklagte die ihr entstandenen Kosten für den Handwerker in Höhe von € 2.293,97 im Rahmen der Ausgleichung der Gerichtskosten mit festsetzen zu lassen. Das Landgericht glich nur die Gerichtskosten einschl. der vom Gericht an den Sachverständigen zu erstattenden Kosten aus, berücksichtigte aber den eigenen Aufwand der Beklagten nicht. Auf die Beschwerde der Beklagten berücksichtigte das OLG 50% der geltend gemachten Aufwendungen der Beklagten und setzte diese gegen die Klägerin fest. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hob der BGH die ergänzende Kostenfestsetzung des OLG wieder auf.

 

 

Der BGH stellte darauf ab, dass Grundlage die vereinbarte Kostenaufhebung sei. Welche Bedeutung dies für die in Streitbefindlichen Kosten habe, sei durch Auslegung festzustellen. Zu berücksichtigen sei dabei, dass es sich bei dem Kostenfestsetzungsverfahren um ein auf die formale Prüfung von Kostentatbeständen ausgerichtetes Verfahren sei, welches auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und daher dem Rechtspfleger übertragen worden sei. Es sei daher eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung notwendig, weshalb ein bestimmter Parteiwille zumindest andeutungsweise in dem Wortlaut des Vergleichs zum Ausdruck gekommen sein müsste.  Danach beurteilt würde Kostenaufhebung bedeuten, jede Partei trage ihre Kosen alleine und nur die Gerichtskosten sollen hälftig geteilt werden. Zu den Gerichtskosten würden die Gerichtsgebühren und Auslagen des Gerichts zählen. Zu den Auslagen des Gerichts würden die von dem Sachverständigen nach dem JVEG geltend gemachten Entschädigungsansprüche und Aufwendungen gehören, wobei es sich bei den Aufwendungen des Sachverständigen gem. § 12 JVEG (und Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) auch um Handwerkerkosten handeln könnte, die er als Hilfskraft zur Durchführung des Beweisbeschlusses bezahlt habe. Nicht dazu würden aber Aufwendungen einer Partei gehören, da es sich dabei um deren außergerichtliche Kosten handele. Dies gelte unabhängig davon, welchen Zweck die Partei mit den Aufwendungen bezweckte. Beauftragte nicht der Sachverständige den Handwerker für die Vor- und Nacharbeiten, verbliebe es bei den Handwerkerkosten um außergerichtliche Kosten der Partei und würden diese nicht durch die Zweckbestimmung zu Gerichtskosten werden.

 

Praxistipp: Hätten die Parteien vorliegend nicht Kostenaufhebung vereinbart, sondern eine Kostenquotelung von 50%  zu 50%, so hätte die Beklagte 50% ihrer eigenen Aufwendungen gegen die Klägerin festsetzen lassen können. An der Verteilung der Gerichtskosten hätte sich nichts geändert. Allerdings ist zu beachten, dass  - unabhängig von den benannten Aufwendungen - die außergerichtlichen Kosten der Parteien schon in Bezug auf Anwaltsgebühren durch möglicherweise anfallende Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder unterschiedlich hoch ausfallen können, weshalb in Höhe der Differenz bei einer Quotelung die zu Lasten der Partei geht, die geringere Kosten hat. 

 

Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. Juli 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.

 

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bielefeld vom 22. Januar 2018 wird insgesamt zurückgewiesen.

 

Die Kosten der Beschwerdeverfahren werden der Beklagten auferlegt.

 

Der Gegenstandswert wird auf 1.150,47 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beklagte begehrt von der Klägerin im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens die hälftige Erstattung der Handwerkerkosten, die sie zur Vor- und Nachbereitung von Ortsterminen im Rahmen der gerichtlich angeordneten Begutachtung durch einen Sachverständigen aufgewendet hat.

Die Klägerin nahm die Beklagte auf Zahlung restlichen Werklohns für Bauleistungen in Anspruch; widerklagend machte die Beklagte Mängelbeseitigungskosten geltend. Das Landgericht erhob Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Parteien beendeten das Verfahren durch Abschluss eines Vergleichs, in dem sie unter anderem vereinbarten, dass die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden.

Die Beklagte hat im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens unter anderem Kosten für die Vor- und Nachbereitung der Ortstermine mit dem gerichtlichen Sachverständigen in Höhe von insgesamt 2.393,37 € angemeldet. Das Landgericht hat am 22. Januar 2018 einen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen, mit dem es die von der Klägerin an die Beklagte aufgrund des geschlossenen Vergleichs zu erstattenden Gerichtskosten auf 14.152,52 € festgesetzt hat. Die bei der Beklagten angefallenen Kosten für die Vor- und Nachbereitung der Ortstermine mit dem gerichtlichen Sachverständigen hat es dabei nicht berücksichtigt, weil es sich um außergerichtliche Kosten der Partei handele, die nach der Kostenregelung im Vergleich nicht auszugleichen seien. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Beschwerdegericht den Beschluss dahingehend abgeändert, dass von der Klägerin 15.302,99 € an die Beklagte zu erstatten sind. Die weitergehende sofortige Beschwerde und den weitergehenden Kostenausgleichungsantrag der Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin in der Sache Aufhebung dieses Beschlusses und Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Beklagten.

 

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, bei den von der Beklagten angemeldeten Kosten zur Vor- und Nachbereitung der Ortstermine im Rahmen der gerichtlich angeordneten Begutachtung durch den Sachverständigen handele es sich um notwendige Kosten des Rechtsstreits, die aufgrund der vergleichsweise getroffenen Kostenregelung der Parteien von diesen jeweils zur Hälfte zu tragen seien.

Zwar handele es sich bei diesen Kosten - formal gesehen - nicht um Gerichtskosten, sondern um Kosten, die von einer Partei für den Rechtsstreit verauslagt worden seien. Dennoch seien auch diese Kosten bei der hier vereinbarten Kostenaufhebung von den Parteien jeweils zur Hälfte zu tragen.

Der formale Ansatz sei nicht überzeugend, da er kostentechnisch ohne triftigen Grund zu einer unterschiedlichen Behandlung von gleich zu bewertenden Sachverhalten führe. Es sei nicht gerechtfertigt, die Festsetzung der Kosten für die Vor- und Nachbereitung von Ortsterminen davon abhängig zu machen, ob der Sachverständige - ggf. auf Weisung des Gerichts nach § 404a ZPO - selbst oder mittels von ihm beauftragter Hilfskräfte Bauteilöffnungen und die Beseitigung hierdurch verursachter Schäden vornehme oder ob der Sachverständige dies - wie vorliegend - der beweisbelasteten Partei aufgebe. Ferner führe der formale Ansatz zu der Gefahr einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Fällen, in denen die Parteien - wie hier - die Kostenverteilung vergleichsweise und damit unter Wahrnehmung eines entsprechenden Gestaltungsspielraums regelten, und solchen Fällen, in denen das Gericht, dem diese Kosten in aller Regel nicht bekannt seien, über die Kostenverteilung entscheide.

Daher seien notwendige Aufwendungen, die eine Prozesspartei zur Vor- oder Nachbereitung von Ortsterminen mit einem gerichtlichen Sachverständigen gehabt habe, bei einer vereinbarten Kostenaufhebung hälftig zu erstatten, wenn diese Leistungen anderenfalls von Hilfskräften des Sachverständigen hätten erbracht werden müssen. Denn bei Ausführung dieser Leistungen durch den Sachverständigen wären dessen Aufwendungen für die Hilfskräfte in Höhe des üblichen Werklohns gemäß § 12 JVEG in Verbindung mit KV 9005 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG im Kostenfestsetzungsverfahren als Gerichtskosten zu berücksichtigen und von beiden Parteien hälftig zu tragen gewesen.

2. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Nach der Kostenregelung im Vergleich haben die Parteien die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.

Die Bedeutung dieser Regelung für die hier im Streit stehenden Kosten, die die Beklagte zur Vor- und Nachbereitung der Ortstermine mit dem Sachverständigen aufgewendet hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Bei der Bestimmung des Auslegungsmaßstabs ist zu berücksichtigen, dass das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und infolgedessen dem Rechtspfleger übertragen ist. Die Klärung komplizierter materiell-rechtlicher Fragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich (vgl. BAG, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 10 AZB 17/15NJW 2015, 2606, juris Rn. 8BGH, Beschluss vom 14. Mai 2014 - XII ZB 539/11 Rn. 7 m.w.N., NJW 2014, 2287). Aus diesem Grund ist im Kostenfestsetzungsverfahren eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung geboten. Der Parteiwille muss danach zumindest andeutungsweise im Wortlaut der vergleichsweise getroffenen Kostenregelung zum Ausdruck gekommen sein (vgl. MünchKommZPO/Schulz, 6. Aufl., § 98 Rn. 14, § 103 Rn. 1, § 104 Rn. 62; OLG Koblenz, Beschluss vom 21. September 2015 - 14 W 585/15NJW-RR 2016, 448, juris Rn. 3OLG Hamm, Beschluss vom 28. April 1989 - 23 W 152/89JurBüro 1989, 1421, juris Rn. 3). Dies führt in den formalisierten, auf vereinfachte Prüfung zugeschnittenen Masseverfahren zu einer praktikablen Handhabung und verlässlichen Ergebnissen.

Nach diesen Maßstäben bedeutet eine Regelung, mit der die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden, dass jede Partei ihre eigenen Kosten allein und die Gerichtskosten je zur Hälfte trägt. Dies entspricht dem allgemeinen Verständnis in Rechtsprechung und Literatur, das der Rechtstradition folgt und auch in § 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO Eingang gefunden hat (vgl. näher dazu BGH, Beschluss vom 3. April 2003 - V ZB 44/02BGHZ 154, 351, juris Rn. 12 ff.; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 92 Rn. 1; MünchKommZPO/Schulz, 6. Aufl., § 92 Rn. 13). Zu den Gerichtskosten zählen nach allgemeiner Meinung - unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 Satz 1 GKG - die Gerichtsgebühren und die Auslagen des Gerichts. Auslagen des Gerichts sind auch das von einem gerichtlichen Sach-verständigen geltend gemachte Honorar nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz sowie dessen gemäß § 12 JVEG zu erstattenden besonderen Aufwendungen, wie zum Beispiel notwendige Aufwendungen für Hilfskräfte, zu denen auch vom Sachverständigen beauftragte Handwerker gehören (vgl. KV 9005 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Dagegen zählen sonstige Aufwendungen, die eine Partei für den Rechtsstreit macht, zu den außergerichtlichen Kosten der Partei (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., vor § 91 Rn. 1; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 17. Aufl., vor § 91 Rn. 4 f.; MünchKommZPO/Schulz, 6. Aufl., § 92 Rn. 13). Dies gilt unabhängig davon, welchen Zweck die Partei mit den Aufwendungen verfolgt und ob diese notwendig sind. Danach sind Kosten, die einer Partei durch die Beauftragung von Handwerkern zwecks Vor- und Nachbereitung von Ortsterminen mit dem gerichtlichen Sachverständigen entstanden sind, nicht den Gerichtskosten, sondern den außergerichtlichen Kosten der Partei zuzuordnen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Mai 2004 - 14 W 356/04, MDR 2004, 1025, Rn. 4 f., sowie Beschluss vom 28. Juni 2004 - 5 W 397/04NZBau 2004, 556, 556 f.; MünchKommZPO/Schulz, 6. Aufl., § 91 Rn. 149).

Diese streng am Wortlaut orientierte Auslegung der Kostenregelung, die nach formalen Kriterien unterscheidet, ob es sich um Gerichtskosten oder um Kosten der Partei handelt, ist im Kostenfestsetzungsverfahren zutreffend. Eine hiervon abweichende Interpretation der Kostenregelung lässt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts auch nicht auf den Gesichtspunkt der Kostengerechtigkeit stützen. Die Erwägungen zur Gleichbehandlung der Fälle, in denen die Aufwendungen für die Vor- und Nachbereitung der Ortstermine von dem gerichtlichen Sachverständigen erbracht werden, und der Fälle, in denen diese von der Partei erbracht werden, überzeugen nicht. Für eine sachgerechte Kostenverteilung bedarf es einer solchen Gleichbehandlung nicht. Vielmehr würde mit der vom Beschwerdegericht befürworteten generellen Zuordnung der zur Vor- und Nachbereitung der Ortstermine mit dem gerichtlichen Sachverständigen entstandenen Kosten der Partei zu den Gerichtskosten der Inhalt einer nach allgemeinem Verständnis eindeutigen Kostenregelung geändert, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit besteht. Denn die Parteien eines Vergleichs haben es selbst in der Hand, die Kostentragung ihren Interessen gemäß zu regeln und beispielsweise die Verteilung bestimmter Parteikosten je zur Hälfte zu vereinbaren, wenn ihnen dies sachgerecht erscheint. Der Hinweis des Beschwerdegerichts auf eine nicht der Gestaltungsfreiheit der Parteien unterliegende gerichtliche Kostengrundentscheidung rechtfertigt ebenfalls kein anderes Ergebnis. Denn auch insoweit haben es die Parteien in der Hand, das Gericht auf Umstände hinzuweisen, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können. Es besteht damit letztlich kein Grund, von dem am Wortlaut orientierten allgemeinen Verständnis der getroffenen Kostenregelung abzuweichen.

Danach sind die Kosten, die der Beklagten im Streitfall durch die Beauftragung von Handwerkern zwecks Vor- und Nachbereitung von Ortsterminen mit dem gerichtlichen Sachverständigen entstanden sind, nicht den Gerichtskosten zuzuordnen. Es handelt sich vielmehr um außergerichtliche Kosten der Beklagten, die auf der Grundlage der vereinbarten Kostenaufhebung nicht zu erstatten sind.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien die im Vergleich getroffene Kostenregelung - abweichend von dem allgemeinen Verständnis - übereinstimmend dahin verstanden haben, dass die hier im Streit stehenden Kosten der Beklagten als Gerichtskosten einzuordnen und von den Parteien je zur Hälfte zu teilen seien, oder dass der Vergleich hinsichtlich dieser Kosten eine planwidrige Lücke enthält, die in dieser Weise zu schließen sei, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Es kann daher dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen ein nicht im Wortlaut des Vergleichs zum Ausdruck kommender Parteiwille durch (ergänzende) Auslegung im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens überhaupt zu ermitteln wäre (vgl. dazu BAG, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 10 AZB 17/15NJW 2015, 2606, juris Rn. 8).

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.