§ 902 ZPO: Welche Frist gilt in Altfällen ?

Schuldnerschutz oder Gläubigerinteresse - Wie der Gesetzgeber durch unsaubere Arbeit Probleme bereitet

Mit dem 1.1.2013 trat das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung in Kraft. Ziel dieses Gesetzes ist, den Interessen des Gläubigers an einer umfassenden Feststellung der Vermögensverhältnisse des Schuldners zu entsprechen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Sperrfrist des § 802d ZPO, der zufolge die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zur Offenlegung der Vermögensverhältnisse (Vermögensauskunft) von bisher drei Jahren auf zwei Jahre verkürzt.

 

Obwohl im Justizministerium eine Stelle existiert, die Vereinbarkeit von Gesetzesvorhaben mit bestehenden Gesetzen prüfen muss, obwohl die technischen Hilfsmittel über Suchmaschinen Dank der EDV so ausgereift sind, um auch ohne weiteres Querverbindungen von Gesetzen oder beabsichtigten gesetzlichen Regelungen feststellen zu können, ist doch der heutige Gesetzgeber nicht in der Lage, relativ kleine Gesetzesanpassungen korrekt vorzunehmen. Bedenkt man, dass der historische Gesetzgeber ohne entsprechende Hilfsmittel Werke wie das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und die Zivilprozessordnung (ZPO) widerspruchsfrei schaffen konnte, ist dies ein Beweis für unglaubliches Unvermögen.

 

Es stellt sich heute die Frage, ob für sogen. Altfälle die ursprüngliche 3-Jahresfrist oder aber die neue 2-Jahresfrist des § 802d ZPO gilt. Hat der Schuldner also die eidesstattloche Versicherung zuletzt im Januar 2011 abgegeben, kann dann deren Abgabe nach Januar 2013 erneut gefordert werden oder muss der Gläubiger bis Februar 2014 warten ? Die dazu bisher ergangene Rechtsprechung ist uneinheitlich.

 

§ 39 EGZPO enthält eine Übergangsregelung. In dessen Nr. 4 wird eine Gleichstellung der neuen Regelung mit dem bisherigen § 807 ZPO bestimmt. Dann heißt es:

Kann der Gläubiger aus diesem Grund keine Vermögensauskunft verlangen, ist er nach Maßgabe des § 299 Abs. 1 ZPO dazu befugt, dass beim Vollstreckungsgericht verwahrte Vermögensverzeichnis einzusehen…“

 

In Nr. 1 von § 39 EGZPO ist weiterhin geregelt, dass bei Vollstreckungsanträgen vor dem .1.2013 statt § 802d ZPO die alte Regelung des ehemaligen § 903 ZPO gilt.

Im Rückschluss aus Nummern 1. und 4. ließe sich schließen, dass bei Anträgen ab dem 1.1.2013 nicht mehr § 903 ZPO a.F., sondern § 902d ZPO n.F. zu beachten ist (so auch Backhaus in MDR 2013, 631, 632). Viele Gerichte wollen hier aber dem Vertrauensschutz des Schuldners Vorrang geben (so z.B. AG Charlottenburg vom 28.3.2013 – 38 M 8030/13 -). Es wird damit argumentiert, i § 39 Nr. 4 wäre das Recht auf Einsichtnahme geregelt, nicht aber die Verkürzung der Frist bei Altfällen. § 39 Nr. 1 ZPO behandelt lediglich Altanträge bis zum 31.12.2012. Der Vertrauensschutz verbiete eine Verkürzung der Frist.

 

Dem AG Charlottenburg ist insoweit Recht zu geben, dass der Gesetzgeber verabsäumte hier definitiv eine Aussage zu machen. An anderer Stelle, nämlich in Nr. 604 KV-GvKostG wird die Fehlerhaftigkeit des gesetzgeberischen Arbeit noch deutlicher. Danach ist „die Gebühr für die nicht abgenommene Vermögensauskunft nicht zu erheben, wenn diese deshalb nicht abgenommen wird, weil der Schuldner sie innerhalb der letzten drei Jahre bereits abgegeben hat (§ 802d Abs. 1 Satz 1 ZPO)“. Bezeichnend ist, dass die Änderung von Nr. 604 KV-GvKostG erfolgte, ehe im Entwurf des § 802d ZPO die Frist von drei auf zwei Jahre geändert wurde; hier verabsäumte der Gesetzgeber die (notwendige) Anpassung (was wohl in Zukunft auch zu Gebührenstreitigkeiten in Bezug auf die Neuregelung zur 2-Jahresfrist des § 802d ZPO führen kann, da die Gebührenbefreiung gerade dafür nicht bestimmt ist). Jedenfalls aber lässt sich aus der Gesetzeshistorie nicht herleiten, dass mit der Gebührenorm die Ansicht untermauert wäre, für die Übergangsfrist könnte die Vermögensauskunft nur verlangt werden, wenn bei Altfällen die 3-Jahresfrist bereits abgelaufen ist.

 

Das Argument des Vertrauensschutzes kann auch nicht greifen. Zwar ist ein Rückwirkungsverbot zu beachten (vgl. auch BVerfGE 76, 256, 348) . Dieses greift aber allenfalls bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die gesetzliche Regelung verabschiedet wird. Dies erfolgte durch den Bundestag bereits am 18.6.2009 mit Zustimmung des Bundesrates am 10.7.2009; die Veröffentlichung erfolgte am 31.7.2009 im Bundesgesetzblatt. In keinen der Altfälle lag mithin sogar die Veröffentlichung des Gesetzes nach dem Ablauf der Frist von drei Jahren.

 

Nur die ungenaue Arbeit des Gesetzgebers erfordert hier juristisches Fingerspitzengefühl und bietet - auch die den Schuldner - eine illustre juristische Spielwiese zur Verzögerung einer Vollstreckungsmaßnahme.