Kostenaufhebung oder –teilung, wenn nur eine Partei
anwaltlich vertreten ist ?
LG Köln, Beschluss vom 01.02.2018
- 11 T 97/17 -
Kurze Inhaltsangabe:
Vor dem Amtsgericht können sich Parteien auch ohne anwaltlichen Beistand selbst vertreten. Davon wird häufig Gebrauch gemacht, sei es, dass die Kosten eines Anwalts gespart werden sollen,
sei es aus anderen Gründen (z.B. eigene Rechtskenntnisse). Ist eine Partei anwaltlich vertreten, die andere Partei nicht und wird dem Kläger nur die Hälfte von dem zugesprochen, was er mit seiner
Klage begehrt, stellt sich die Frage, ob hier die Kosten gegeneinander aufgehoben werden sollen (jeder trägt seine eigenen außergerichtlichen Kosten, die anwaltlich vertretene Partei also die
eigenen Anwaltskosten) oder die Kosten zu je 50% gequotelt werden sollen (was dazu führt, dass sich die nicht anwaltlich vertretene Partei an den Anwaltskosten der anwaltlich vertretenen Partei
zu 50% zu beteiligen hätte). In beiden Fällen werden die Gerichtskosten zu je 50% geteilt.
Das LG Köln hat nun in einem Beschwerdeverfahren entschieden, dass in diesen Fällen keine Kostenaufhebung auszusprechen ist, sondern eine Quotelung. Damit weicht das LG von teilweise in der
Literatur und Rechtsprechung vertretener Ansicht ab, nach der eine Kostenaufhebung auszusprechen sei, da die nicht anwaltlich vertretene Partei letztlich dafür bestraft würde, dass sie keinen
Anwalt beauftragt habe.
Ausgangspunkt der Überlegung des LG ist § 92 ZPO. Danach sind die Kosten des Verfahrens entweder gegeneinander aufzuheben oder nach der Gewinn- und Verlustquote zu teilen. Die Kostenquotelung, so
das LG, stelle aber keine Bestrafung der „sparsamen“, auf einen Anwalt verzichtenden Partei dar, da sie auch der nicht anwaltlich obsiegenden Partei insoweit zum Vorteil gereiche, als sie von den
insgesamt niedrigeren Prozesskosten profitiere. Ein solches Ergebnis entspräche dem Ziel des § 92 ZPO. Die gegenteilige Ansicht würde systemwidrig die unabhängigen Aspekte der Kosten
einerseits und der Kostentragungspflicht andererseits vermischen. Die Möglichkeit der Kostenaufhebung dürfte nach Ansicht des LG nur bezwecken, in signifikanten Fällen das
Kostenfestsetzungsverfahren zu erleichtern indem Rechtsfrieden ohne mögliche Streitpunkte über einzelne Kostenpositionen schneller eintritt.
Bei der Kostenaufhebung in diesen Fällen, in denen nur eine Partei anwaltlich vertreten würde, würde diese letztlich für ihre Anwaltsbeauftragung bestraft werden, obwohl jedre Partei eine
anwaltliche Vertretung zustehen würde. Es könne nicht dme Zufall überlassen werden, ob die gegnerische Partei ebenfalls anwaltlich vertreten sei, zumal einer juristisch unbewanderten Person
dadurch der Weg zu einem Anwalt verbaut werden könnte und dies der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzgleichheit zuwiderlaufen würde (LG Oldenburg, Urteil vom 29.09.2011 - 1 S 189/11 -).
Im übrigen könnte die Lösung der Kostenaufhebung zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, insoweit die anwaltlich vertretene Partei bei einem Obsiegen zu nur 40% wirtschaftlich besser stehen
könnte als bei einem Obsiegen mit 50%. Derartige unbillige Ergebnisse könnten ohne Verstoß gegen den Wortlaut des § 92 ZPO oder Systembrüche durch die Lösung einer Kostenaufhebung nicht
verhindert werden.
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der
Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 13.06.2017 (147 C 34/17) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Kosten des Rechtsstreits
tragen die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte.
Die Kosten des
Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Gründe
Die gem. § 91a Abs. 2
ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.
Die Kosten des Rechtsstreits
waren nicht gegeneinander aufzuheben sondern nach der Gewinn- und Verlustquote zu teilen. Die Kammer teilt nicht die Ansicht des Vordergerichts, dass in Fällen, in denen nur eine Partei
anwaltlich vertreten ist, eine Kostenaufhebung geboten sei. Die für diese Rechtsansicht von Teilen der Literatur und Rechtsprechung vorgebrachten Argumente hält die Kammer nicht für überzeugend.
Im Gegenteil führt diese Ansicht zu zufallsabhängigen und systemwidrigen Ergebnissen.
Zunächst erscheint das für eine
Kostenaufhebung vorgebrachte Hauptargument, dass bei einer Kostenteilung die nicht anwaltlich vertretene Partei für ihre sparsame Prozessführung bestraft würde, nicht haltbar. Eine "Bestrafung"
findet bei einer Kostenquotelung gerade nicht statt, da bei einer solchen auch die nicht anwaltlich vertretene Partei von den insoweit niedrigeren Kosten des Rechtsstreits profitiert. Sie tut
dies nur eben nicht in vollem Maße, sondern nur in dem Maße, wie es ihrem Obsiegensanteil entspricht. Ein solches Ergebnis entspricht aber gerade dem von § 92 ZPO grundsätzlich gewünschten
Ziel. Die gegenteilige Ansicht vermischt systemwidrig die beiden grundsätzlich voneinander unabhängigen Aspekte der Höhe der Kosten des Rechtsstreits einerseits und der Kostentragungspflicht dem
Grunde nach andererseits (vgl. auch Gemmer, NJW 2012, 3479, 3481). Etwas anderes kann auch nicht der in § 92 Abs. 1 ZPO vorgesehene Möglichkeit einer Kostenquotelung entnommen werden
(vgl. auch LG Hamburg, Beschluss vom 03.01.1985, 2 T 55/85). Diese dürfte vielmehr allein bezwecken, das Kostenfestsetzungsverfahren in geeigneten Fällen signifikant zu erleichtern und damit
Rechtsfrieden herbeizuführen, indem den Parteien weitere potentielle Streitpunkte - etwa hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit einzelner Positionen - erspart bleiben.
Umgekehrt würde demgegenüber
eine Kostenquotelung gerade die anwaltliche vertretene Partei dafür bestrafen, dass sie - wie es ihr zweifelsohne zusteht - eine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen hat. Die
Erstattungsfähigkeit eines Teils dieser Kosten würde allein von dem Zufall abhängig gemacht, ob die gegnerische Partei ebenfalls anwaltlich vertreten ist. Ein solche Gefahr könnte einer
juristisch unbewanderten Partei aber den Weg zu einem Rechtsanwalt verbauen und damit der verfassungsrechtlich gewollten Rechtsschutzgleichheit zuwiderlaufen (vgl. LG Oldenburg, Urteil vom
29.09.2011, 1 S 189/11).
Schließlich ist darauf
abzustellen, dass die Aufhebungslösung in einer Vielzahl von Fällen zu widersprüchlichen Ergebnissen führen würde. So wäre es möglich, dass eine nicht anwaltlich vertretene Partei wirtschaftlich
besser gestellt würde, wenn sie zu 50% unterliegt, als sie es wäre, wenn sie zu 60% unterliegt. Solche unbilligen Ergebnisse können ohne Verstoß gegen des Wortlaut des § 92 Abs. 1 ZPO
oder eklatante und kaum praktikable Systembrüche von der Aufhebungslösung nicht verhindert werden (vgl. hierzu ausführlich Gemmer, NJW 2012, 3479).