Tierhalter- und Tierhüterhaftung


Haustier nach § 833 S. 2 BGB (Tierhalterhaftung): Fällt das Kamel darunter ?

Besprechung zu OLG Stuttgart, Urteil vom 07.06.2018 - 13 U 194/17 -

Besprechung:

 

Das OLG Stuttgart (13. Zivilsenat) nahm einen Rechtsstreit zum Anlass, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Kamel ein Haustier iSv. § 833 S. 2 BGB ist und damit dem Tierhalter die Exkulpationsmöglichkeit gegeben ist. Es hat die Haustiereigenschaft abgelehnt, allerdings darauf das Urteile nicht bezogen sondern (vorsorglich) ergänzend angemerkt, dass sich der beklagte Tierhalter nicht exkulpiert habe. Allerdings ist die Begründung, mit der das OLG die Haustiereigenschaft von Kamelen negierte, in der Sache fehlerhaft und beruht auf einer Verkennung grundlegender Auslegungskriterien für die Bestimmung eines Haustieres iSv. § 833 S. 2 BGB.

 

Das OLG geht (zutreffend) davon aus, dass der Gegensatz zum Haustier das wilde Tier sei, auch wenn es gezähmt wurde (§ 960 BGB). Die Abgrenzung richte sich nach der inländischen Verkehrsauffassung, weshalb nach der Ansicht des OLG in Deutschland (sic.) Kamele nicht als Haustiere anzusehen seien, obwohl sie andernorts als solche zu qualifizieren sein mögen. Zwar könne sich diese Auffassung „in Bezug auf einzelne Gattungen im Laufe der Zeit durch Fortschritte der Tierzucht und Änderungen der Gewohnheiten und Bedürfnisse ändern“, doch könne bei Kamelen (anders als bei Meerschweinchen) davon nicht ausgegangen werden. Die Kamelhaltung in Deutschland sei sehr selten, „weshalb … nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch in Deutschland (das Kamel) nicht als Haustier angesehen werden kann und insbesondere nicht als solches im Sinne von § 833 S. 2 BGB.“

 

Dieser Ansatz des OLG ist falsch, da gerade nicht auf den Sprachgebrauch abzustellen ist.

 

Bei den Kamelen handelt es sich um Haustiere iSv. § 833 S. 2 BGB. Da es sich um  zahme Tiere, die vom Menschen zu seinen Nutzen in seinem Haushalt oder seinem Betrieb gezogen und gehalten werden handelt und dadurch durch Erziehung und Gewöhnung der Aufsicht und dem beherrschenden Einfluss des Menschen unterstehen. So heißt es auch schon in der Entscheidung Reichsgerichts vom 17.04.1912 (RGZ 79, 246, 248), die nach Einfügung von § 833 S. 2 durch Gesetz vom 30.05.2008 (RGBl S. 313) erging:

 

"Das findet darin seinen Ausdruck, dass es die mildere Haftung nur eintreten läßt, wenn es sich um Haustiere handelt, d.h. um zahme Tiere, die von dem Menschen in seiner Wirtschaft zu seinem Nutzen gezogen und gehalten zu werden pflegen."

 

Weiter wird in der Entscheidung dann eine Abgrenzung von Nutztieren zu z.B. Versuchstieren vorgenommen, die nicht als Haustiere nach S. 2 zu bewerten sind.

 

In einer späteren Entscheidung des Reichsgerichts vom 19.11.1938 (RGZ 158, 388, 391), setzt sich das Reichsgericht mit der Frage auseinander, ob Bienen Haustiere sind, was verneint wird. Dabei verweist das Reichsgericht darauf, dass in den Beratungen zur Gesetzesnovelle vom 30.05.2008 eine Aufnahme der Bienen als Haustiere verneint worden wäre (siehe Stenographische Berichte des Reichstags Band 232, 5139ff: Der Antrag erfolgte in Ansehung von § 961 BGB) und führt weiter aus:

 

"Da hiernach das Gesetz den Begriff des Haustieres nicht bestimmt, so ist der gewöhnliche Sprachgebrauch entscheidend. Hiernach versteht man unter Haustier diejenigen Gattungen von zahmen Tieren, die in der Hauswirtschaft zur dauernder Nutzung oder Dienstleistung gezüchtet und gehalten zu werden pflegen und dabei auf Grund von Erziehung und Gewöhnung der Beaufsichtigung und dem beherrschenden Einfluß des Halters unterstehen. Bei den Bienen fehlt es vor allem an der Möglichkeit einer derartigen Beaufsichtigung und Beherrschung, wie sie bei Haustieren gegeben sind...."

 

Das Reichsgericht hatte also zum Einen auf den „gewöhnlichen Sprachgebrauch“, zum Anderen darauf abgestellt, darauf, dass nach diesem „gewöhnlichen Sprachgebrauch“ nur „zahme Tiere“ zählen würden, die zur dauernden Nutzung oder Dienstleistung gezüchtet und gehalten würden und letztlich dem „beherrschenden Einfluss des Halters unterstehen würden“. Damit grenzte das Reichsgericht einen „gewöhnlichen Sprachgebrauch“ ein, indem es diesen darauf bezog, dass die Tiergattung zahm sein müsse und dem Menschen untersteht.  

 

Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass es bei der Regelung, wie sie in Satz 2 von § 833 BGB ihren Niederschlag fand, um Beschwerden von Lohnfuhrunternehmen in Ansehung ihrer erweiterten Haftung nach der allgemeinen Gefährdungsnorm des § 833 S. 1 BGB ging, denen abgeholfen werden sollte, da die allgemeine Gefährdungsnorm in Satz als existenzbedrohendes und –vernichtendes Gefahrenpotential für Lohnfuhrunternehmen gesehen wurde (vgl. Petition des Verbandes Deutscher Lohnfuhr-Unternehmer an das Reichsjustizministerium im Bundesarchiv Berlin R 3001/1217, 84).

 

Für die hier problematisierte Frage des Haustierbegriffs darf zunächst angemerkt werden, dass bereits die Vorkommission des Reichsjustizministeriums, die sich 1892 mit der Tierhalterhaftung befasste, zwischen Schäden unterscheiden wollte, die sich durch Haustiere oder andere Tiere ereignen (Entwurf I Reichsjustizministerium § 734 Satz 2). Der Begriff Haustier wurde dabei nicht erörtert oder gar definiert. Die (im Wortlaut mehrfach geänderte) Regierungsvorlage (die für Haustiere allgemein eine Exkulpationsmöglichkeit vorsah) wurde in der Sitzung des Reichstags vom 05.06.1896 abgelehnt (46. Sitzung in Horst-Heinrich Jakobs, Werner Schubert, in: Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung unveröffentlichter Quellen, Berlin 1983, S. 968). Nach der Verabschiedung des BGB in 1896 und dessen Inkrafttreten am 01.01.1900 kam sehr schnell die Frage der Halterbegrenzung erneut hoch, wobei Anstoß die Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 54, 73 war (Stenographische Berichte des Reichstags 1905 Band V, 3779).

 

In der Reichstagssitzung vom 04.03.1905 wurde erneut einen Antrag zur Begrenzung der Tierhalterhaftung in Form der Ergänzung des § 833 BGB durch einen Satz  2 eingebracht. In der zuständigen Kommission, die die Vorberatung zu diesem Antrag vornehmen sollte, wurde nunmehr erstmals darüber diskutiert, welche Tiere unter den Begriff des Haustiers subsumiert werden können. In einem Vorschlag war vorgesehen, dass allgemein aufgenommen würde, dass es sich um Tiere handeln soll, die in einem Haushalt, ob landwirtschaftlich oder städtisch, gebraucht würden, wobei eine Unterscheidung zwischen Haus- und Luxustier erfolgen sollte und von S. 2 nur Haus- und nicht Luxustiere erfasst werden sollten  (Stenographische Berichte des Reichstags 1903-1905, 7. Anlagenband S. 4119f). Eine Umsetzung durch Aufnahme dieser Definition in den Gesetzesentwurf erfolgte aber nicht.

 

Der Gesetzesentwurf mit der Ergänzung des Satzes 2 zu § 833 BGB wurde vom Reichskanzler von Bülow am 21.12.1905 des Bundesrat vorgelegt (Fn 6). Am 25.04.1906 fand die erste Beratung im Reichstag statt. Die Reichstagsvorlage scheiterte letztlich mit der Reichstagsauflösung am 13.12.1906. Doch schon kurz nach den Neuwahlen wurde  erneut ein Gesetzesentwurf zur Änderung des § 833 BGB im Reichstag eingebracht. Der 2. Satz sollte danach lauten:

 

"Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Berufe, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalte zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde." (Stenographische Berichte des Reichstags Band 232, 5142ff). Der Gesetzesentwurf wurde angenommen (Stenographische Berichte des Reichstags Band 232, 5146).

 

Wie dargelegt, hatte bereits die zuständige Kommission des Reichstags 1905 den Versuch unternommen, den Haustierbegriff näher zu definieren. Danach sollten Haustiere diejenigen Tiere sein, die sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Stadt in den Haushaltungen gebraucht würden. Aber es gab zur praktischen Durchführbarkeit Zweifel, ob Haus- und Luxustiere gegeneinander abgegrenzt werden könnten.   es bestanden aber Zweifel, ob der praktischen Durchführbarkeit der Abgrenzung von Haus und Luxustieren,  weshalb eine gesetzliche Definition nicht stattfand und dies der Rechtsprechung vorbehalten bleiben sollte (Stenographische Berichte des Reichstags 1903 - 1905, 7. Anlagenband S. 4120f; Stenographische Berichte des Reichstags Band 247, 5246).

 

Vor diesem Hintergrund gewinnt mithin die Definition des Reichsgerichts, wie sie bereits oben zitiert wurde, an Bedeutung. Zu beachten ist dabei auch der Umstand, dass in der Gesetzesberatung an sich Einigkeit über die Tragweite des Haustierbegriffs bestand, aber die Abgrenzung zum Luxustier als problematisch angesehen wurde.

 

 

In einem Lehrbuch von Ennecerus (Ludwig Ennecerus, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 1. Band 2. Abt., 4. und 5. Aufl. 1910, § 466 IV 4 Fußnote 15) verwies dieser darauf, dass der Haustierbegriff kein rechtlicher, sondern ein rein tatsächlicher sei und zu den Haustieren diejenigen Tierarten gehören würden, die in langdauernder Kulturentwicklung dauernd gezähmt und dem menschlichen Haushalt verbunden wären. Ebenso stellt von Reichel (Leopold von Reichel, Wie haftet man für Tiere nach dem neuen Gesetz vom 30.05.1908, Berlin 1910, S. 19 und 23) darauf ab, dass es auf die Zähmung ankäme (und darauf, wie die Tiere wirtschaftlich genutzt würden). Josef (Eugen Josef in Gruchot`s Beiträge 53, Die praktische Anwendung der Tierhalternovelle, 28ff) wollte unter Haustieren diejenigen Tiere verstehen, die sich durch Beherrschbarkeit, Benutzbarkeit und Aufzucht der Gattung durch Menschen hervorheben.

 

Das Reichsgericht hat (vgl. z.B. RGZ 146, 406) die Biene nicht als Haustier angesehen. Es hat dabei die Argumentation übernommen, die in der Literatur (wie oben dargestellt) unter Bezugnahme auf die Diskussion in der zuständigen Kommission vertreten wurde, um damit „wilde Tiere“ von "zahmen" Tieren (und damit Haustieren) zu unterscheiden und mithin den Begriff „Tier“ als Oberbegriff zu verwenden und „Haustier“ als gesonderte Gruppe zu definieren.  Es wurde also nicht für jedes Tier gesondert jeweils bestimmt, ob es ein Haustier ist, sondern es wurden allgemeine Kriterien entwickelt und angewandt, nach denen dies zu bestimmen ist.

 

Wenn in der heutigen Literatur bestimmte Tierarten (wie z.B. Kamele bei Eberl-Borges in Staudinger zu § 833 Rn. 119, Wagner in MuKo-BGB § 833 Rn. 39, Bocianik in VersR 2011, 1981, 984f u.a.) nicht als Haustiere bezeichnet werden, erfolgt dies letztlich ohne jegliche Begründung oder mit einer nicht zutreffenden Begründung. Wenn als Begründung die "inländische Verkehrsauffassung" (so z.B. Eberl-Borges aaO., so auch das OLG Stuttgart) zugrunde gelegt wird, entspricht dies nicht der gesetzgeberischen Intention und wurde auch so vom Reichsgericht erkennbar nicht übernommen. Es wäre auch nicht nachvollziehbar, weshalb ein den Anforderungen des Gesetzes und Gesetzesmaterialien, wie auch vom Reichsgericht übernommen (gezähmt, zur dauernden Dienstbarkeit oder Nutzung gezüchtet und gehalten, auf Grund von Erziehung und Gewöhnung der Beaufsichtigung und dem beherrschenden Einfluss des Halters unterstehend) genügendes Tier alleine deshalb nicht mehr Haustier sein sollte, da es "ins Inland verbracht" wurde (so aber z.B. Eberl-Borges aaO.). Was soll sich durch die Verbringung ins Inland an diesen Tieren geändert haben ? Sie werden dadurch nicht zu "Wildtieren", sondern bleiben gezähmt, gezüchtet und beherrschbar. Weder in der Diskussion bei den Reichstagsdebatten ging es um die Herkunft der Tiere noch in den Entscheidungen des Reichsgerichts, die sich mit dem Terminus des Haustiers auseinandergesetzt haben (eine einschlägige Entscheidung des BGH existiert nicht). Im Gegenteil: Die abstrakte Darstellung in den Entscheidungen des Reichsgerichts (gerade auch zu den Bienen) verdeutlicht, das es nicht darauf ankommt, wo nun das Tier herkommt, sondern welche Eigenschaften es im Hinblick auf die Haustierqualifizierung besitzt.

 

In Wikipedia heißt es zur Domestizierung:

 

"Domestizierung oder Domestikation (zu lateinisch domesticus „häuslich“) ist ein innerartlicher Veränderungsprozess von Wildtieren oder Wildpflanzen, bei dem diese durch den Menschen über Generationen hinweg von der Wildform genetisch isoliert werden. Wildtiere werden durch Domestikation zu Haustieren, Wildpflanzen werden zu Kulturpflanzen. Dadurch und durch die weitere Züchtung wird eine Nutzung durch den Menschen oft erst möglich oder die Nutzbarkeit kann enorm verbessert werden (siehe Nutztier und Nutzpflanze)." (https://de.wikipedia.org/wiki/Domestizierung)

 

Die Domestikation ist die Grundlage der Unterscheidung von Haustieren zu Tieren allgemein. Zu den Kamelen heißt es auf Wikipedia:

 

"Sowohl Altwelt- als auch Neuweltkamele sind bereits seit dem letzten vorchristlichen Jahrtausend domestiziert worden. Sie wurden vorrangig als Last- und Zugtiere, daneben aber auch als Woll-, Milch- und Fleischlieferanten (Kamelfleisch) verwendet und werden vielfach bis heute zu diesen Zwecken gehalten. Die militärische Nutzung von Kamelen ist zumindest seit dem 9. Jahrhundert vor Christus belegt. Seitdem werden die Tiere bis heute für diesen Zweck eingesetzt (siehe Kamelreiter)." (https://de.wikipedia.org/wiki/kamele)

 

Damit sind Kamele jedenfalls ebenso lange (sogar länger) domestiziert als z.B. Pferde (die als domestiziert angesehen werden, also den benannten Kriterien des Reichsgerichts (so RGZ 70, 246, 248 und RGZ 150, 388, 391 und der Diskussion in der zuständigen Reichstagskommission für Haustiere entsprechen).

 

Es kann also nicht auf einen „inländischen Sprachgebrauch“ abgestellt werden zur Feststellung, ob eine Tiergattung als Haustier anzusehen ist oder nicht. Entscheidend ist ob nach dem Sprachgebrauch die für die rechtlich zu bewertende Haustiereigenschaft  notwendigen Kriterien vorliegen. Entscheidend ist mithin für das Haustier (unabhängig davon, ob es ein Nutz- oder Luxustier ist), dass die Tiergattung in einem Haushalt, ob landwirtschaftlich oder städtisch, gebraucht wird und dem Menschen untergeordnet ist, also sich dem Willen des Halters fügen muss. Die Gesetzesmaterialien sind zur Auslegung des Willens des Gesetzgebers heranzuziehen, wenn der Gesetzestext selbst die Definition (hier: Haustier) nicht wiedergibt und der Begriff nicht selbst ein feststehender Rechtsbegriff zur Zeit seiner Aufnahme im Gesetz (wie hier) ist. Es handelt sich um eine historische Auslegung, bei dem den Gesetzesmaterialien entscheidendes Gewicht zukommt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 09.12.2004 – 3 C 7.04 –, Rn. 24).

 

 

Da das Kamel weltweit domestiziert ist, auch in Deutschland, ist es entgegen der Auffassung des OLG Stuttgart als Haustier anzusehen.  

 

Aus den Gründen des besprochenen Urteils:

 

Tenor

 

1. Auf die Berufung des Beklagten und auf die Anschlussberufung der Klägerin und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hechingen vom 23.11.2017 in Ziff. 1 des Tenors dahin abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 20.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.12.2012, weitere 50.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.09.2013, weitere 13.453,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.10.2016, weitere 7.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 300,00 € ab dem jeweiligen Monatsersten, beginnend mit dem 01.07.2013 und endend mit dem 01.07.2015 sowie weitere 1.698,07 € und weitere 1.023,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus diesen beiden Beträgen seit 14.09.2017 zu bezahlen.

 

2. Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung sowie die der Streithelferin im Berufungsverfahren entstandenen Kosten.

 

3. Dieses und das angefochtene Urteil, soweit die Berufung zurückgewiesen wurde, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Die Vollstreckung kann abgewendet werden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet wird.

 

Streitwert des Berufungsverfahrens: 102.785,89 €

 

Gründe

 

I.

 

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Hechingen die Klage insgesamt abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen

 

und im Wege der Anschlussberufung

 

den Beklagten über die erstinstanzlich erfolgte Verurteilung hinaus zur Zahlung weiterer 20.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.09.2013 zu verurteilen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

 

Die Streithelferin schließt sich den Anträgen der Klägerin an.

 

II.

 

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig. Die Anschlussberufung hat in vollem Umfang Erfolg, die Berufung nur zu einem kleinen Teil.

 

1.

 

Die Klage ist zulässig. Die landgerichtlichen Überlegungen zur klägerischen Antragstellung sind nicht zu beanstanden. Letztlich kommt es jedoch nicht darauf an, ob sie zutreffend sind. Entscheidend ist, dass die Zulässigkeit auf jeden Fall jetzt dadurch gegeben ist, dass die Klägerin sich im Berufungsverfahren die landgerichtlichen Überlegungen ausdrücklich zu eigen macht, also jedenfalls jetzt den Antrag so stellt, wie das Landgericht es für die I. Instanz annahm, was für die Zulässigkeit der Klage genügt, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die Zulässigkeit der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung ist.

 

2.

 

Der Beklagte bestreitet seine Einstandspflicht für die Folgen des Reitunfalls der Klägerin vom 23.09.2012 ohne Erfolg. Er haftet aus den im Senatsurteil vom 12.01.2017 - 13 U 123/16, das im Verfahren der Mutter der Klägerin gegen den Beklagten erging, dargelegten Gründen nach § 833 S. 1 BGB.

2.1

 

Der Senat führte in jener Entscheidung aus:

 

„Der Beklagte haftet der Klägerin für den entstandenen Schaden nach § 833 S. 1 BGB. Er kann sich nicht nach § 833 S. 2 BGB exkulpieren.

 

a)

 

Die Voraussetzungen von § 833 S. 1, wonach, wenn ein Mensch durch ein Tier getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird, derjenige zum Schadensersatz verpflichtet ist, welcher das Tier hält, sind unstreitig erfüllt.

 

b)

 

Zu Recht ging das Landgericht davon aus, dass dem Beklagten die Exkulpation nach § 833 S. 2, wonach die Ersatzpflicht nicht eintritt, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wurde, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde, nicht gelungen ist. Darüber hinaus ist festzustellen, dass dem Beklagten die Exkulpationsmöglichkeit nach § 833 S. 2 gar nicht eröffnet ist, weil es sich bei einem Kamel nicht um ein Haustier im Sinne von § 833 S. 2 handelt.

 

aa)

 

Das Privileg des Tierhalters, sich durch Nachweis pflichtgemäßen Verhaltens von der Haftung zu befreien, hängt davon ab, dass es sich bei dem schadensstiftenden Tier zugleich um ein Haustier und um ein Nutztier handelt (Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 833 Rn. 38), was bei einem Kamel nicht der Fall ist. Haustiere sind nach einer Definition des Reichsgerichts diejenigen Gattungen von zahmen Tieren, die in der Hauswirtschaft zu dauernder Nutzung oder Dienstleistung gezüchtet und gehalten zu werden pflegen und dabei aufgrund von Erziehung und Gewöhnung der Beaufsichtigung und dem beherrschenden Einfluss des Halters unterstehen. Der Gegensatz zum Haustier ist das wilde Tier, auch wenn es gezähmt wurde (§ 960 BGB). Für die Abgrenzung maßgebend ist stets die inländische Verkehrsauffassung, sodass Kamele in Deutschland nicht als Haustiere anzusehen sind, obwohl sie andernorts als solche zu qualifizieren sein mögen (Wagner a.a.O. Rn. 39; Eberl-Borges in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 833 Rn. 119; Spickhoff in beck-online.GROßKOMMENTAR, Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer, Stand 01.11.2016, § 833 Rn. 109; Bocianiak VersR 2011, 981, 984, 985; Werner NJW 2012, 1048, 1049 ebenso ohne ausdrückliche Nennung des Kamels Spindler in Beck'scher Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth, 40. Edition, Stand 01.05.2016, § 833 Rn. 26). Zwar kann sich die Auffassung und damit der Haustierbegriff in Bezug auf einzelne Gattungen im Laufe der Zeit durch Fortschritte der Tierzucht und Änderungen der Gewohnheiten und Bedürfnisse ändern. So ist das Meerschweinchen heute als Haustier anzusehen (Eberl-Borges a.a.O.; a.A. Wagner a.a.O.; Werner a.a.O.).

 

Von einer solchen Änderung der Anschauung kann jedoch in Bezug auf Kamele mangels deren Verbreitung in Deutschland nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig unterfiel das Kamel, wie der Beklagte meint, entgegen der in der Literatur vertretenen zutreffenden Auffassung schon immer dem Begriff des Haustiers im Sinne von § 833 S. 2 BGB. Die Kamelhaltung in Deutschland ist sehr selten, weshalb das Kamel nach dem auch nach Ansicht des Beklagten maßgeblichen gewöhnlichen Sprachgebrauch in Deutschland nicht als Haustier angesehen werden kann und insbesondere nicht als solches im Sinne von § 833 S. 2. Demgemäß ist der vom Beklagten vertretenen Auffassung, dass Kamele Haustiere im Sinne von § 833 S. 2 seien, bislang in Literatur und Rechtsprechung niemand beigetreten. Zu Unrecht bestreitet der Beklagte, dass die inländische Verkehrsauffassung maßgeblich sei und verweist darauf, dass die Haustierdefinition des RG die inländische Verkehrsauffassung nicht erwähne und es keine inländische Verkehrsauffassung dahin gebe, dass Kamele wilde Tiere seien. Doch kann dem nicht gefolgt werden. Zwar erwähnt das RG die inländische Verkehrsauffassung nicht. Doch versteht es sich von selbst, dass diese gemeint ist, zumal es keine gemeinsame internationale gibt, sondern nur verschiedene nationale. Das Reichsgericht hatte nicht zu entscheiden, welche Tierarten weltweit als Haustiere gelten können. Es hatte aufgrund konkreter Einzelfälle darüber zu befinden, ob bestimmte Tiere Haustiere im Sinne von § 833 S. 2 sind. Zu Zeiten des RG konzentrierte sich die Haustiernutzung auf haus-, land- und ernährungswirtschaftliche Zwecke. Heute ist der Sprachgebrauch weiter und umfasst auch in der Wohnung (zu Liebhaberzwecken) gehaltene zahme Tiere (Eberl-Borges a.a.O. Rn. 118 m.w.N.). Das ändert aber nichts daran, dass nach dem maßgeblichen gewöhnlichen Sprachgebrauch (Eberl-Borges a.a.O.) mit Haustieren im Inland als solche angesehene gemeint sind. Nach der deutschen Verkehrsauffassung sind Kamele jedenfalls nicht als inländische Haustiere anerkannt. Es kann lediglich davon ausgegangen werden, dass Kamele in anderen Ländern als Haustiere gelten können, was nicht genügt.

 

Der Einholung des vom Beklagten angebotenen Gutachtensbeweises dafür, dass Kamele ebenso lange domestiziert seien wie Pferde und den vom Reichsgericht für Haustiere benannten Kriterien entsprechen, bedurfte es ebenso wenig wie der Einholung des ebenfalls angebotenen Gutachtensbeweises dafür, dass Kamele in Deutschland als Haustiere angesehen werden. Dass das Kamel domestiziert wurde, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass dies nicht in Deutschland geschah, weshalb es in Deutschland nicht als Haustier angesehen wird. Unerheblich ist auch, ob die deutsche Bevölkerung das Kamel in anderen Ländern als Haustier ansieht. Entscheidend ist, dass es in Deutschland nicht als Haustier gilt, was der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen kann.

 

bb)

 

Richtig ging das Landgericht weitergehend davon aus, dass der Beklagte sich nicht exkulpieren kann, weil er die bei der Beaufsichtigung der Kamele erforderliche Sorgfalt nicht beobachtete.

 

Da § 833 S. 2 wie § 276 Abs. 1 S. 2 BGB auf die im Verkehr erforderliche Sorgfalt abstellt, ist der Begriff entsprechend dem der Fahrlässigkeit auszulegen. Abzustellen ist daher auf das Maß an Sorgfalt, das von einem besonnenen und umsichtigen Tierhalter in der jeweiligen Situation verlangt werden muss (Eberl-Borges a.a.O. Rn. 147 m.w.N.). Inhaltlich sind die Sorgfaltspflichten des Tierhalters vor allem darauf gerichtet, zu verhindern, dass das Tier außer Kontrolle gerät. Für Umfang und Intensität der Sorgfaltspflichten sind die allgemeingültigen Kriterien maßgeblich, also Art und Größe des drohenden Schadens sowie die Wahrscheinlichkeit seines Eintritts, wobei die Eintrittswahrscheinlichkeit vor allem von der Gefährlichkeit des konkreten Tiers abhängt. So sind verschärfte Sicherheitsmaßnahmen zu beachten, wenn ein Tier bereits in der Vergangenheit auffiel. Absolute Sicherheit kann aber auch im Rahmen des § 833 nicht verlangt werden, sondern die Sorgfaltspflichten des Tierhalters sind auf zumutbare Anstrengungen begrenzt (Wagner a.a.O. Rn. 47 m.w.N.).

 

Selbst wenn man davon ausgeht, dass das unfallursächliche Kamel sich bislang nicht besonders schreckhaft zeigte und entgegen der Annahme des Landgerichts kein Fluchttier ist, musste der Beklagte damit rechnen, dass es sich gleichwohl einmal schreckhaft verhalten könnte und insoweit Vorsorge treffen, auch wenn beide Kamele zunächst nicht schreckhaft auf das Hundegebell reagiert hatten. Von vornherein auszuschließen war eine Schreckreaktion jedenfalls nicht. Dies zeigt auch das vorsichtige Agieren des Beklagten, selbst wenn man daraus nichts Weiteres zu seinen Ungunsten ableitet. Der das Kamel führende Beklagte war, einem Fahrzeuglenker, der andere Personen mitnimmt, vergleichbar, für die Sicherheit der Reiterin, die das Kamel nicht selbst lenkte, verantwortlich.

 

Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht ausreichend, dass der Beklagte alleine beide Kamele mit Führkette am Strick führte, als die Klägerin und ihre Tochter am 23.09.2012 ihren Ausritt machten. Dadurch konnte der Beklagte nicht so gut auf die beiden Tiere einwirken und die Reiterinnen vor Gefahren durch Schreckreaktionen der Kamele schützen, wie wenn er nur eines an einer kurzen Leine geführt hätte. Der Beklagte verhielt sich zwar grundsätzlich richtig, indem er anhielt, als die Hunde bellten. Er konnte aber nicht davon ausgehen, dass es nicht erneut zu einer solchen Reaktion der Hunde kommen würde, nachdem er das Grundstück, auf dem sich die Hunde befanden, passiert hatte, ohne dass diese bellten. Zudem musste er mit einer Schreckreaktion der Kamele aufgrund eines erneuten Bellens rechnen, weil die Kamele die Hunde nach dem Passieren des Grundstücks nicht mehr sehen konnten und ein Erschrecken dadurch wegen der Gefahr des Verfolgtwerdens sogar noch wahrscheinlicher ist als bei sich im Sichtbereich aufhaltenden und damit besser einschätzbaren bellenden Hunden.

 

Der Einholung eines Gutachtens zum Naturell der Kamele und über die vom Beklagten in Betracht zu ziehenden Gefahren und seine Reaktionsmöglichkeiten bedarf es nicht. Die Schreckreaktion der Tiere war nicht derart ungewöhnlich, dass damit auf keinen Fall gerechnet werden musste. Solches behauptet der Beklagte nicht konkret und ausdrücklich. Er behauptet lediglich pauschal unter Gutachtensbeweisantritt, dass er die erforderliche Sorgfalt beobachtet habe und der Unfall nicht verhinderbar gewesen sei, was so pauschal dem Gutachtensbeweis nicht zugänglich ist. Der Nachweis einer allgemeinen Friedfertigkeit genügt ohnehin nicht (Spindler a.a.O. Rn. 32 m.w.N.). Sie muss in der konkreten Situation allgemein gegeben sein.

 

Ebenso wenig bedarf es der Einholung des vom Beklagten angebotenen Gutachtens dafür, dass Kamele regelmäßig träger als Pferde seien, was ihre Führung gegenüber Pferden vereinfache, weshalb es nicht verfehlt sei, wenn eine Person gleichzeitig zwei Kamele führe, weil diese beherrschbar seien. Es ist offensichtlich, dass der Führer ein einziges Kamel, dem er seine ungeteilte Aufmerksamkeit widmen kann, besser beherrscht als zwei gleichzeitig geführte Kamele, weil er nicht jedem der beiden seine ungeteilte Aufmerksamkeit zuwenden kann. Hinzu kommt, dass er bei der Führung eines einzigen Kamels ohne weiteres eine kurze Leine wählen kann, was die Beherrschbarkeit weiter erhöht.

 

Ebenso wenig bedarf es der Einholung des vom Beklagten angebotenen Gutachtens dafür, dass ein anderes Verhalten von ihm und dem Kamel nicht möglich gewesen wäre, wenn der Beklagte nur ein Kamel geführt hätte, weil der Beklagte die Kamele habe halten können und diese nur in einem 1/4-Kreisbogen nach links wendeten. Hätte der Beklagte ein einziges Kamel an einem kurzen Strick geführt, hätte es keinen großen Kreisbogen gehen und die Klägerin nicht nach außen herunterschleudern können.“

 

2.2

 

Das hiesige Berufungsvorbringen des Beklagten rechtfertigt keine andere Entscheidung. Sämtliche Argumente sind bereits berücksichtigt. Ergänzend kann allerdings noch hervorgehoben werden, dass eine Exkulpation des Beklagten nach § 833 S. 2 BGB auch deswegen nicht in Betracht kommt, weil er der Klägerin das Tragen eines Helms nicht nur nicht empfahl, sondern letztlich davon mehr oder weniger abriet, wie er selbst in der landgerichtlichen mündlichen Verhandlung vom 16.07.2014 darlegte. Ausweislich S. 2 des Protokolls (Bl. 133) erklärte er: „Ich habe auch darauf hingewiesen, dass wir Helme haben, dass aber bisher noch nie etwas passiert ist und dass die meisten Kunden keinen Helm tragen.“ Dieses quasi Abraten war angesichts der Absturzgefahr aus einer Sitzhöhe von 1,87 m, die der Sachverständige Fauser ausweislich S. 6 seines Gutachtens (Bl. 188) ermittelte, nicht richtig und fahrlässig, was zur Haftung des Beklagten führt.

 

Nach § 833 S. 2 BGB entfällt die Ersatzpflicht zwar nicht nur, wenn der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat, sondern ebenso, wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. Von der Schadensentstehung trotz Tragens eines Helms kann allerdings nicht ausgegangen werden. Abgesehen davon, dass der Beklagte mit seinem Vorbringen zum Mitverschulden der Klägerin wegen des Nichttragens eines Helms das gerade in Abrede stellt, da er die Schadensursächlichkeit des Nichttragens eines Helms behauptet, kann nicht angenommen werden, das der Schaden bei Tragen eines Helms in gleicher Weise entstanden wäre, weil Zweifel zu Lasten des Beklagten gehen und nicht sicher beweisbar ist, dass der Schaden im Falle des Tragens eines Helms in gleicher Weise entstanden wäre wie geschehen.

 

3.

 

Ein Mitverschulden der Klägerin ist nicht gegeben. Wegen des Nichttragens eines Helms ist an ein solches angesichts des quasi Abratens des Beklagten vom Tragen eines Helms, wie es im vorliegenden Verfahren durch die oben zitierten Angaben des Beklagten im Termin vom 16.07.2014 bekannt wurde, von vornherein nicht zu denken. Zudem ist, wie das eingeholte Gutachten ergab, nicht nachweisbar, dass die Klägerin durch das Tragen eines Helms weniger schwer verletzt worden wäre.

 

Auch aus anderen Gründen kommt ein Mitverschulden der Klägerin nicht in Betracht. Der Mitverschuldenseinwand kann nicht damit begründet werden, dass die Klägerin sich nicht festgehalten habe. Der Vortrag des Beklagten, er habe die Klägerin und deren Mutter auf die zudem gut sichtbaren Griffe hingewiesen und auch darauf, dass sie sich an den Griffen oder den Höckern festhalten könnten, wenn die Kamele einmal schneller laufen sollten, vermag ihn nicht zu entlasten bzw. die Klägerin nicht zu belasten. Der Beklagte trägt nicht vor, die Klägerin in der konkreten Situation zum Festhalten aufgefordert zu haben. Ebenso wenig legt er dar, dass es der Klägerin, als das Kamel die Schreckreaktion zeigte, überhaupt noch möglich war, den Sturz durch ein Festhalten zu verhindern. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin aufmerksam wurde und vielleicht auch erschrak, als die Kamele die Schreckreaktion zeigten. In dieser Situation wäre ihr ein Fehlverhalten aber nur vorzuwerfen, wenn es grob fehlerhaft gewesen wäre, was in keiner Weise erkennbar oder dargelegt ist.

 

4.

 

Der Klägerin steht ein Schmerzensgeld von 70.000,00 € und nicht nur das vom Landgericht zugesprochene von 50.000,00 € zu. Zu Unrecht beanstandet die Berufung den Schmerzensgeldausspruch dem Grunde und der Höhe nach. Hingegen fordert die Anschlussberufung zu Recht weitere 20.000,00 €.

 

a)

 

Die Berufung macht ohne Erfolg geltend, die tatsächlichen Grundlagen des Schmerzensgeldausspruchs stünden nicht fest.

 

aa)

 

Zu Recht war das Landgericht davon überzeugt, dass die Klägerin unfallursächlich auf neurologischem Fachgebiet die nachfolgenden Verletzungen erlitten hat:

 

- Ein schweres Schädel-Hirn-Trauma

 

- Eine Schädigung der distalen Cochlea (Hörschnecke) am rechten Ohr

 

- Eine Fraktur des 12. Brustwirbelkörpers, welche die Implantation einer Klammer in der Wirbelsäule und deren Herausoperation am 19.11. 2013 erforderlich machte.

 

Diese Verletzungen hatten nach nicht zu beanstandender und damit nach § 529 ZPO bindender Überzeugung des Landgerichts zur Folge, dass die Klägerin folgende weitere Verletzungsfolgen erlitt:

 

- Substanzverluste am Schädeldach bei einem Zustand nach einer einseitigen Entfernung des Schädeldaches links mit der Folge einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 vom Hundert

 

- Eine strukturelle Epilepsie, welche im Hinblick auf die fortbestehende Gefahr erneuter Anfallsleiden eine erhebliche Einschränkung in der Lebensführung in beruflicher und sozialer Hinsicht mit sich bringt und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 vom Hundert zur Folge hat, wobei das Landgericht zu Recht zudem aufgrund der glaubhaften Schilderungen der Klägerin in deren informatorischer Anhörung und der vorgelegten medizinischen Unterlagen (insbesondere K 8 und K 9) auch davon überzeugt war, dass die Klägerin die von ihr aufgeführten epileptischen Anfälle erlitten hat

 

- Eine unvollständige Halbseitenlähmung rechts mit fazialer Mundastschwäche, die sich in der Folge indes vollständig zurückgebildet hat

 

- Eine Hörminderung rechts durch die Schädigung an der Hörschnecke bezüglich akustisch evozierter Hirnstammpotenziale, welche nach wie vor besteht und zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vom Hundert führt

 

- In neuropsychologischer Hinsicht auf kognitiven Gebiet bis zuletzt bestehende Einschränkungen jeweils in leichtem bis mäßigem Grade in Gestalt von Wortfindungsstörungen, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen sowie einer Dyslexie, also Schwierigkeiten beim Lesen und Verstehen von Wörtern, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin berufsbedingt überdurchschnittlichen Anforderungen an das geistige Leistungsvermögen unterliegt und diese Einschränkungen sich noch aktuell in der Lebensgestaltung der Klägerin - aufgrund einer erhöhten Kompensationsleistung - gering auswirken und sekundäre psychische Symptome wie eine depressive Stimmungslage und eine erhöhte Zwanghaftigkeit zur Folge hatten, ohne dass diese Symptome gegenwärtig Krankheitswert erreicht haben, während in den ersten Monaten nach dem Unfallgeschehen diese Einschränkungen, insbesondere was das Sprechen anbelangt, noch sehr viel stärker ausgeprägt waren, weswegen die Klägerin nach dem Unfall überhaupt erst wieder das Sprechen neu erlernen und sich insoweit in eine sprachtherapeutische Behandlung begeben musste und die nach wie vor vorhandenen Einschränkungen zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 vom Hundert führen.

 

Vom Vorhandensein der genannten und beklagtenseits bestrittenen Verletzungen und Verletzungsfolgen sowie deren Unfallursächlichkeit war das Landgericht zu Recht aufgrund der nachvollziehbaren und in sich stimmigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. in dessen schriftlichen Gutachten vom 22. Januar 2016 (BI. 294) sowie vom 3. August 2016 (Bl. 352) und - hinsichtlich der in neuropsychologischer Hinsicht bestehenden Einschränkungen ergänzend - des Sachverständigen Dr. vom 6. Juni 2017 (Bl. 403) überzeugt. Zur Erstellung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. wurde die Klägerin am 27. Oktober 2015 klinisch-neurologisch sowie apparativ (elektroenzephalografisch) untersucht. Dem Sachverständigen Prof. Dr. standen für die Begutachtung des Weiteren die vollständigen bis zur Begutachtung angefallenen Aktenbestandteile einschließlich der vorhandenen Behandlungsunterlagen zur Verfügung. Nachvollziehbar konstatierte der Sachverständige in seinen Gutachten vom 22. Januar 2016 (BI. 294) und vom 3. August 2016 (BI. 352) auf neurologischem Gebiet aufgrund der Aktenlage und der durchgeführten Untersuchungen als Folge des Unfallgeschehens die noch vorhandenen, im oben genannten Umfang dargestellten Verletzungen und Verletzungsfolgen. Insbesondere legte er nachvollziehbar dar, dass sich die strukturelle Epilepsie als posttraumatische Frontallappenepilepsie aufgrund des Unfallgeschehens ausgebildet hat. Er gelangte darüber hinaus - ebenso schlüssig wie nachvollziehbar - zu der Bewertung hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit. Es konnten in der klinischen Untersuchung zudem noch einzelne Wortfindungsstörungen bei der Klägerin diagnostiziert werden, bei welchen eine Aggravation in emotionalen und stressbehafteten Situationen wie der Exploration nicht auszuschließen sind. Der Sachverständige Dr. , welcher die Klägerin am 30. Mai 2017 vierstündig - unter anderem in verschiedenen anerkannten Verfahren testpsychologisch - untersucht hat und welchem ebenfalls vollumfänglich die bis dahin angefallenen Aktenbestandteile zur Verfügung standen, stellte in seinem ausführlichen, sorgfältig aufbereiteten und nachvollziehbaren Gutachten vom 6. Juni 2017 (BI. 453) im beschriebenen Umfang die noch vorhandenen Einschränkungen auf neuropsychologischem Gebiet fest. Das Landgericht schloss sich zu Recht aufgrund eigener Überzeugungsbildung nach mehrfacher persönlicher Anhörung der Klägerin den plausiblen und einleuchtenden Ausführungen der Sachverständigen an, wie der Senat aufgrund der von ihm in der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2018 durchgeführten persönlichen Anhörung der Klägerin aus eigener Anschauung bestätigen kann. Nach dem Eindruck, der bei der Anhörung von der Klägerin zu gewinnen war, bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Klägerin zu den erlittenen Unfallfolgen und den entsprechenden Feststellungen der Sachverständigen.

 

bb)

 

Die Berufung macht ohne Erfolg geltend, die landgerichtliche Annahme, der Sachverständige Dr. habe die unfallbedingten Einschränkungen der Klägerin auf neuropsychologischem Gebiet festgestellt, sei falsch. Nirgends finde sich ein Hinweis des Sachverständigen Dr., dass die von ihm getätigten Feststellungen kausal auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführen seien. Im Beweisbeschluss habe es das Landgericht auch versäumt, den Sachverständigenauftrag auf kausale Unfallfolgen einzuschränken. Auf diesen Umstand habe der Beklagte mit Schriftsatz vom 05.07.2017 hingewiesen, was vom Landgericht nicht zur Kenntnis genommen worden sei.

 

Das verkennt, dass der Sachverständige Dr. wie jeder andere psychologische Sachverständige, da er die Klägerin vor dem Unfall nicht explorierte, die Unfallursächlichkeit von Beeinträchtigungen nicht sicher feststellen kann, sondern nur deren vom Beklagten bestrittenes Vorhandensein. Das Landgericht konnte sich die Überzeugung von der Unfallursächlichkeit jedoch wie geschehen fehlerfrei und damit in nach § 529 ZPO bindender Weise bilden aufgrund des Unfalls und der unstreitigen Verletzungen sowie der glaubhaften Schilderungen der Klägerin, den vorliegenden Attesten und Arztbriefen und dem überzeugenden Ergebnis aller eingeholten Gutachten.

 

cc)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, im Schriftsatz vom 05.07.2017 sei darauf hingewiesen worden, dass der Sachverständige keine tiefenpsychologische Aufbereitung vornahm, sondern eine verhaltensbedingte. Das heiße, dass er nicht ergründete, was psychische Ursache ist, sondern schlicht die Angaben der Klägerin als richtig unterstellte.

 

Der Sachverständige überprüfte auftragsgemäß, ob die vorgetragenen Beeinträchtigungen vorhanden sind. Das Landgericht konnte sich aber wie oben erwähnt die Überzeugung von der Unfallursächlichkeit wie geschehen fehlerfrei und damit in nach § 529 ZPO bindender Weise bilden aufgrund des Unfalls und der unstreitigen Verletzungen sowie der glaubhaften Schilderungen der Klägerin, den vorliegenden Attesten und Arztbriefen und dem überzeugenden Ergebnis aller eingeholten Gutachten.

 

dd)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, Testergebnisse sollen in einem „internationalen Standardverfahren“ erhoben worden sein, welches nicht dargelegt worden sei, womit sich nicht klären lasse, ob und inwieweit Verfälschungen der Ergebnisse durch bewusstes Verhalten der Klägerin (Ärztin) ermöglicht worden seien, weswegen bestritten werde, dass die Testergebnisse neutral waren und nicht auf (bewussten oder unbewussten) Verzerrungen durch die Klägerin beruhen.

 

Das verkennt, dass der Sachverständige, wie sich aus S. 9 und 10 seines Gutachtens ergibt, sich dieser Problematik bewusst war, aber aufgrund der von ihm angewandten anerkannten Überprüfungsverfahren keine Anhaltspunkte für Verfälschungen hatte.

 

ee)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, die Testergebnisse, die teilweise überdurchschnittliche, teilweise durchschnittliche und teilweise unterdurchschnittliche Werte ergaben, seien nicht nachvollziehbar, da Angaben zu Werten vor dem Vorfall nicht benannt wurden.

 

Das verkennt, dass Maßstab für den Durchschnitt nicht frühere Testergebnisse der Klägerin sind, sondern die Ergebnisse einer Vielzahl Untersuchter.

 

ff)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, weshalb eine Wortschöpfungsstörung als Störung angesehen werde, könne sie doch auch auf einer ohnehin fehlenden Merkfähigkeit beruhen, werde nicht dargelegt. Es sei keine Prüfung durch den Sachverständigen vorgenommen worden.

 

Die Feststellung der Ursächlichkeit war vom Sachverständigen nicht verlangt. Sie erfolgte aufgrund einer Gesamtschau.

 

gg)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, bezeichnend sei die Behauptung der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen, ihre Englischkenntnisse seien „weg“, sie könne Englisch zwar verstehen, aber nicht sprechen. Gleichwohl habe sie nach dem Gutachten einen Satz problemlos ins Englische übersetzt.

 

Das verkennt, dass einen Satz übersetzen und sprechen nicht dasselbe sind.

 

hh)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, wie der Sachverständige (mit welchem Test) festgestellt haben wolle, dass die Wortflüssigkeit und die Lesefähigkeit als Bestandteil des divergenten Denkens unterdurchschnittlich sei, werde nicht mitgeteilt. Damit aber lasse sich eine mögliche Beeinflussung durch die Klägerin auch nicht feststellen.

 

Das verkennt, dass der Sachverständige sich, wie sich aus S. 9 und 10 seines Gutachtens ergibt, dieser Problematik bewusst war, aber aufgrund der von ihm angewandten anerkannten Überprüfungsverfahren keine Anhaltspunkte für Verfälschungen hatte.

 

ii)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, es lasse sich in beiden Fällen keine Kausalität feststellen.

 

 

Das verkennt, dass die Kausalität nicht durch den Sachverständigen Dr. festgestellt werden sollte, sondern dies aufgrund einer Gesamtschau geschah.

 

jj)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, das Landgericht habe den Antrag des Beklagten auf mündliche Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. im Schriftsatz vom 24.02.2016, S. 1, auf den nach dem Ergänzungsgutachten vom 03.08.2016 mit Schriftsatz vom 31.08.2016, S. 2 verwiesen worden sei, übergangen, womit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliege. Der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen zur Erläuterung seiner Gutachten werde ausdrücklich wiederholt.

 

Das verkennt, dass von einem konkludent erklärten Verzicht auf den Anhörungsantrag auszugehen war, nachdem das Landgericht nach Einholung des weiteren Gutachtens bei Dr. , das unter dem 06.06.2017 erstattet wurde, am 13.09.2017 mündlich verhandelte und in dieser Verhandlung der Anhörungsantrag nicht wiederholt, sondern nur der Klagabweisungsantrag gestellt wurde, weswegen die (erst) nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und in der Berufung erfolgte Wiederholung des Anhörungsantrags nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO wegen unentschuldigter Nachlässigkeit unbeachtlich ist.

 

kk)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, im neurologischen Gutachten von Prof. Dr. werde davon ausgegangen, dass durch bei dem Unfall erlittene Kalotten- bzw. Hirnschädigungen Substanzverluste am knöchernen Schädel und eine strukturelle Epilepsie zu konstatieren sein. Weshalb dies in der Zusammenschau der Aktenlage, der klinisch-neurologischen Befunde und der apparativen Zusatzuntersuchungen der Fall sein soll, erschließe sich allerdings nicht.

 

Das verkennt die Sachkunde des Sachverständigen und dass das Vorhandensein der Epilepsie und ihre Unfallbedingtheit nach den gesamten Umständen plausibel und zudem schon mit den Angaben der Klägerin und den vorliegenden Unterlagen bewiesen ist.

 

ll)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, es werde auch ausdrücklich bestritten. dass bei der Klägerin eine cochleäre Schädigung rechts vorläge, darüber hinaus einzelne Wortfindungsstörungen vorlägen, ferner dass die Wortfindungsstörungen eine Aggravation in emotionalen und stressbehafteten Situationen erfahren und dass alles unfallbedingt sei.

 

Das verkennt, das Vorhandensein von Unterlagen früherer Untersuchungen und von gutachterlichen Feststellungen und dass insoweit die gutachterliche Kompetenz Aussagen gestattet und das Vorhandensein der Beeinträchtigungen und ihre Unfallbedingtheit nach den gesamten Umständen, insbesondere den vorliegenden Arztberichten und dem Ergebnis der Anhörung der Klägerin plausibel ist.

 

mm)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, der Beklagte habe die Unfallbedingtheit im Gutachten festgestellter Verletzungen bestritten.

 

Das verkennt die Bedeutung der Angaben der Klägerin und dass die gutachterlichen Feststellungen nach den gesamten Umständen plausibel sind, weshalb das Landgericht zu Recht von der Unfallbedingtheit ausging.

 

nn)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, es wäre hier zumindest ein Zustand vor dem Unfallereignis objektivierbar festzustellen, was nicht erfolgte.

 

Das verkennt, dass die Auswertung der gesamten Unterlagen und der Angaben der Klägerin zulässig ist.

 

oo)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, die Angaben zur MdE und zum Grad der Behinderung seien nicht begründet worden.

 

Das verkennt, dass es sich um eine ärztliche Bewertung aufgrund der Schwere der Verletzungen handelt.

 

pp)

 

Die Berufung macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, Prof. Dr. ... haben das von ihm mit unterschriebene Gutachten nicht erstattet.

 

Ein Verstoß gegen § 407 Abs. 3 a ZPO liegt nicht vor. Der Sachverständige ist nicht verpflichtet, alle für die Begutachtung notwendigen Arbeiten persönlich vorzunehmen. Es ist ihm gestattet, auch Hilfskräfte und Mitarbeiter zu einzelnen Untersuchungen und einzelnen Wertungen heranzuziehen, die Eignung und Zuverlässigkeit dieser Kräfte vorausgesetzt. Dabei ist die Mitwirkung allerdings so zu gestalten, dass sie die persönliche Verantwortung des vom Gericht ausgewählten Sachverständigen nicht ausschließt (BGH, Urteil vom 28. Juni 1972 - IV ZR 51/71, juris).

 

Prof. Dr. ... untersuchte die Klägerin zwar nicht selbst, bewertete aber die Ergebnisse, und erklärte sich nicht nur einverstanden, worin angesichts der Vorbefunde und der Angaben der Klägerin eine dem Auftrag genügende gutachterliche Tätigkeit zu sehen ist, da es hier vor allem um die Bewertung der vorhandenen Befunde und der Angaben der Klägerin ging und die Untersuchung durch Prof. Dr. ... persönlich hier nicht zwingend notwendig war.

 

b)

 

Die Berufung macht ohne Erfolg geltend, das zugesprochene Schmerzensgeld sei zu hoch.

 

Die vom Landgericht und dem Beklagten herangezogenen Entscheidungen treffen den vorliegenden Fall nicht ganz richtig. Auch gibt es keine genau passende Entscheidung. Keinesfalls erscheint aber ein Schmerzendgeld von 50.000,00 €, wie es das Landgericht zusprach, unangemessen hoch. Vielmehr ist, wie von der Klägerin im Wege der Anschlussberufung gefordert, ein Schmerzensgeld von 70.000,00 € angemessen. Der Betrag von 50.000,00 € berücksichtigt nicht ausreichend die dauerhaften Beeinträchtigungen der Klägerin in Form der Gefahr epileptischer Anfälle, wenn sie die entsprechenden Medikamente reduziert oder absetzt, worunter sie aktuell nicht zuletzt mit Blick auf eine angedachte Schwangerschaft leidet. Hinzu kommt, dass die Einnahme der Medikamente keine Gewissheit gibt, dass es nicht wieder zu epileptischen Anfällen kommen wird, was sich unter anderem im alltäglichen Leben der Klägerin dadurch auswirkt, dass ihr ärztlicherseits empfohlen wurde, nicht mehr Auto zu fahren, woran sie sich im Wesentlichen hält, was aber zur Folge hat, dass sie in ihrer Lebensgestaltung nicht unerheblichen Einschränkungen und Erschwernissen unterliegt. Hinzu kommen die psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin, die ihr besonders im Berufsalltag zu schaffen machen, wie sie anlässlich ihrer Anhörung vor dem Senat nochmals glaubhaft darlegte und die Hörminderung, die ihr nachvollziehbar privat wie beruflich zu schaffen macht.

 

5.

 

Die Verurteilung zur Zahlung von Verdienstausfall ist geringfügig abzuändern.

a)

 

Die Verurteilung dem Grunde nach ist nicht zu beanstanden. Die Berufung macht ohne Erfolg geltend, dass der vorgelegte Arbeitsvertrag vom 17.09.2012 von der Klägerin nicht unterschrieben war. Nachdem der Unfall sich am 23.09.2012 ereignete, ist es offensichtlich, dass es unfallbedingt nicht zum Vertragsschluss kam.

 

b)

 

Der Beklagte macht zu Recht geltend, dass für November 2012 bis April 2013 bei Berechnung der Abzüge nach den einschlägigen Tabellen und von 3 % für ersparte Eigenaufwendungen nicht ein Betrag von 13.587,82 €, sondern von nur 13.453,51 € zuzusprechen sei.

 

Die Differenz von 134,31 € steht der Klägerin nicht zu. Insoweit ist das Urteil abzuändern. Die Klägerin bestreitet die Zahlen nicht, sondern meint nur, aber zu Unrecht, die Anforderungen an die Schätzung nach § 287 ZPO würden vom Beklagten überspannt.

 

6.

 

Die Verurteilung in die Kosten des Hörgeräts ist nicht zu beanstanden.

 

7.

 

Vorgerichtliche Kosten kann die Klägerin, wie vom Landgericht zugesprochen, in Höhe von 1.023,16 € vom Beklagten ersetzt verlangen und nicht, wie vom Beklagten auf S. 20 und 21 der Berufungsbegründung im Einzelnen dargelegt, nur in Höhe von 775,64 €, weil die Klägervertreter vorgerichtlich nur 10.000,00 € Schmerzensgeld gefordert hätten und nicht, wie der erstinstanzlichen Verurteilung zugrunde gelegt, 20.000,00 €. Entscheidend ist, dass die Klägervertreter ausweislich ihres Schreibens vom 22.10.2012 (K 2, Bl. 29) nicht nur 10.000,00 € Schmerzensgeld verlangten, sondern den Schaden anzeigten und zur Anerkennung der vollen „Haftung dem Grunde nach“ aufforderten und neben dem Anerkenntnis auf den Schaden der Klägerin „einen Vorschuss in Höhe von 10.000,00 €“ verlangten. Die Klägervertreter waren folglich wegen einer Forderung von mindestens 20.000,00 € vorgerichtlich beauftragt und tätig.

 

8.

 

Die Zinsentscheidung war, soweit nicht aus anderen Gründen ein früherer Zinsbeginn anzunehmen war, teilweise minimal zu korrigieren. Verzug tritt nicht mit der Zustellung bzw. der Fälligkeit ein, sondern nach § 187 Abs. 1 BGB erst am Folgetag (Repgen in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 187 Rn. 6 m.w.N.).

 

III.

 

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97, 91, 92, 101 ZPO, wobei wegen der erheblichen Zuvielforderung an materiellem Schaden kein Anlass zur Abänderung des erstinstanzlichen Kostenausspruchs bestand. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

 

Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen auch mit Blick auf den Haustier- bzw. Nutztierbegriff mangels Exkulpationsmöglichkeit des Beklagten wegen vorliegendem Verschulden, weswegen es nicht darauf ankommt, ob ein Kamel § 833 S. 2 BGB unterfällt, nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).