Kostenrecht


Wann kommt eine Kostenerstattung für zwei Anwälte in Betracht ?

OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.08.2020 - 8 W 143/20 -

Kurze Inhaltsanagbe:

 

Der Kläger verklagte den Beklagten nach einen Verkehrsunfall auf Schadensersatz. In der Folge erhob der Beklagte gegen den Kläger Widerklage. Während sich der Kläger im Rahmen der Klage von den Rechtsanwälten W vertreten ließ, wurde er im Rahmen der Widerklage von den Rechtsanwälten F vertreten. Im Rahmen der Kostenfestsetzung versagte der Rechtspfleger einen Kostenerstattungsanspruch für zwei Anwälte, da such nach seiner Ansicht der Kläger bei Klage und Widerklage vom gleichen Anwalt hätte vertreten lassen können (was auch kostenmäßig günstiger gewesen wäre).  Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde war begründet.

 

Allerdings, so das OLG, sei es vom Grundsatz her richtig, dass in dem Fall, dass (wie hier) der beklagte eine Widerklage erhebt, der Kläger nicht deshalb einen Anspruch auf Erstattung von Mehrkosten habe, da er mit der Verteidigung gegen die Widerklage einen anderen Anwalt betraut. Grundsätzlich seien in einem solchen Fall leidglich die fiktiven Kosten eines Anwalts erstattungsfähig.  Dies würde grundsätzlich auch dann gelten, wenn der Kläger nach den Versicherungsbedingungen mit seinem Haftpflichtversicherer im Falle eines gegen ihn gerichteten Rechtsstreits die Führung desselben dem Versicherer überlassen müsse und dem von diesem beauftragten Rechtsanwalt Vollmacht erteilen müsse.

 

Die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten durch Beauftragung von zwei Anwälten im Falle eines „normalen Verkehrsunfalls“ scheide aus. Anders verhalte es sich aber bei dem Vorwurf eines manipulierten Unfalls (vgl. BGH, Beschluss vom 20.01.2004 - VI ZB 76/03 -), bei dem eine Interessenskollision bestünde. Zur Begründung des Erstattungsanspruchs könne deshalb nicht auf ein Prozessführungsrecht des Haftpflichtversicherers oder ein besonderes Vertrauensverhältnisses verwiesen werden, um derartige Mehrkosten gegen den Gegner festsetzen zu lassen.

 

 

Vorliegend sei als Besonderheit zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Haftpflichtversicherer des Klägers auch um den Haftpflichtversicherer des Beklagten handelte, den der Kläger bei seiner Klage auch aus dem Haftpflichtverhältnis zum Beklagten mitverklagt hatte.  Daraus resultiere eine Interessenskollision: Der vom Kläger beauftragte Anwalt würde den Kläger mitvertreten bei der Klage gegen den eigenen Haftpflichtversicherer in dessen Eigenschaft als Versicherer des Beklagtenfahrzeuges. Würde er nun den Kläger im Rahmen der Widerklage mitvertreten, müsste er Ansprüche abwehren, die Wiederum vom Haftpflichtversicherer des Klägers als Haftpflichtversicherer auch des Beklagten zu tragen hätte. Da er damit auch in der Abwehrrolle zugunsten des verklagten Haftpflichtversicherers wäre, würde er im gleichen Verfahren sowohl auf Seiten Versicherers als auch gegen diesen stehen. In diesen Fällen sei bei einer Streitgenossenschaft von Fahrer/Halter und Versicherer ausnahmsweise die Beauftragung verschiedener Anwälte gerechtfertigt.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss 1 der Rechtspflegerin des Landgerichts Heilbronn vom 23.01.2020, Az. Aß 2 O 74/19,

 

abgeändert:



Auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Heilbronn vom 31.10.2019 sind von den Beklagten Ziff. 1 und 2 als Gesamtschuldnern an den Kläger zu erstatten:

€ 2.053,89

nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus € 910,35 seit dem 12.11.2019 und aus weiteren € 1.143,54 seit dem 03.12.2019.

 

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen tragen die Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: € 1.037,15

 

Gründe

 

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache Erfolg. Der Kläger hat im vorliegenden Fall ausnahmsweise Anspruch auf Erstattung der Kosten zweier Rechtsanwälte, die in Bezug auf verschiedene Gegenstände für ihn tätig waren, nämlich die Rechtsanwälte W. … & Kollegen in Bezug auf die Klage und die Rechtsanwälte F. … & Partner in Bezug auf die Widerklage.

 

Im Ausgangspunkt ist es allerdings zutreffend, dass dann, wenn wie hier der Beklagte Widerklage erhebt, der Kläger grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung von Mehrkosten hat, die dadurch entstanden sind, dass er - und sei es auf Weisung eines Haftpflichtversicherers - zur Verteidigung gegen die Widerklage einen anderen als den im Klageverfahren tätigen Rechtsanwalt betraut hat (OLG Nürnberg MDR 2011, 1284; OLG Stuttgart/Senat, Beschluss vom 07.03.2014, Az. 8 W 93/14, Beschluss vom 27.11.2017, Az. 8 W 386/16 sowie Beschluss vom 17.10.2019 Az. 8 W 14/19 [jeweils nicht veröffentlicht]). Erstattungsfähig sind insoweit grundsätzlich nur die fiktiven Kosten eines Rechtsanwalts.

 

Der Umstand, dass nach den im Innenverhältnis zwischen dem Kläger und seiner Haftpflichtversicherung geltenden Versicherungsbedingungen der Versicherungsnehmer im Falle eines Rechtsstreits dessen Führung dem Versicherer zu überlassen und dem Rechtsanwalt, den der Versicherer bestellt hat, Vollmacht zu erteilen hat, rechtfertigt es nicht, dem Gegner die hierdurch entstehenden Mehrkosten aufzuerlegen. Vielmehr erfordert die Erstattungsfähigkeit solcher Mehrkosten das Vorliegen eines besonderen sachlichen Grundes für die Einschaltung von zwei Rechtsanwälten, der im Falle eines „normalen“ Verkehrsunfalls nicht gegeben ist, da eine Interessenkollision nicht besteht wie etwa bei einem manipulierten Unfall (BGH NJW-RR 2004, 536 m.w.N.; vgl. ebenso OLG Stuttgart/Senat, Beschluss vom 07.03.2014, Az. 8 W 93/14, Beschluss vom 27.11.2017, Az. 8 W 386/16, sowie Beschluss vom 17.10.2019, Az. 8 W 14/19, alle mit Widerklage und Drittwiderklage [jeweils nicht veröffentlicht]).

 

Kostenerstattungsrechtlich ist es deshalb verfehlt, allein auf ein Prozessführungsrecht des Haftpflichtversicherers - oder gar ein besonderes Vertrauensverhältnis - zu verweisen, um solche Mehrkosten zur Festsetzung zu bringen (OLG Köln, Beschluss vom 19.12.2006, Az. 17 W 255-261/06, zitiert nach JURIS, m.w.N.).

 

Im hier vorliegenden Einzelfall besteht jedoch die Besonderheit, dass der Kläger und der Beklagte Ziff. 1 bei derselben Haftpflichtversicherung versichert sind, nämlich bei der … (der Beklagten Ziff. 2). Hieraus resultiert eine Interessenkollision, auf die der Kläger in seiner Beschwerde zu Recht hingewiesen hat: Der mit der Klage gegen die Beklagten Ziff. 1 und 2 beauftragte Rechtsanwalt muss den Kläger in dieser Rolle unter anderem gegen die … (Beklagte Ziff. 2) vertreten. Neben dieser in Bezug auf die Bekl. Ziff. 2 gegnerischen Rolle müsste er darüber hinaus, wenn er den Kläger auch hinsichtlich der Widerklage verträte, Ansprüche des widerklagenden Beklagten Ziff. 1 abwehren, die die Bekl. Ziff. 2 als zugleich eigener Haftpflichtversicherer des Klägers zu bedienen hätte. Er wäre daher insofern in einer Abwehrrolle zugunsten der Bekl. Ziff. 2. Der Anwalt stünde daher in ein und demselben Rechtsstreit zugleich in Gegnerschaft zum Haftpflichtversicherer und an seiner Seite. Der Interessengegensatz in Fällen, in denen Kläger und Beklagter bei demselben Versicherer haftpflichtversichert sind, rechtfertigt im Falle der Streitgenossenschaft von Fahrer/Halter und Versicherer kostenrechtlich ausnahmsweise die Beauftragung verschiedener Anwälte (vgl. Schulz in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 6. Auflage 2020, § 100 ZPO, Rdnr. 23; vgl. dazu auch LG Mainz, AGS 2019, 149 [Widerklage nur erwogen]). Dies muss auch dann gelten, wenn es wie hier um die Vertretung des Klägers hinsichtlich der Klage einerseits und hinsichtlich der Widerklage andererseits geht. In dieser besonderen Konstellation ist die Vertretung durch zwei Rechtsanwälte geboten und daher auch kostenrechtlich ausnahmsweise nicht zu beanstanden.

 

Es ergeben sich damit auf Seiten des Klägers außergerichtliche Kosten in Höhe von insgesamt € 4.107,77, von denen die Beklagten Ziff. 1 und 2 als Gesamtschuldner die Hälfte - mithin € 2.053,89 - zu tragen haben. Die angegriffene Kostenfestsetzung war entsprechend abzuändern.

 

 

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, Nr. 1812 KV GKG.