Fitnessstudiovertragsrecht


Wohnortwechsel rechtfertigt keine fristlose Kündigung des Fitnessstudiovertrages

Grundsatzentscheidung des BGH

BGH, Urteil vom 04.05.2016 – XII ZR 62/15 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Lange Zeit wurde in Rechtsprechung und Literatur darum gestritten, ob der Umzug eines Nutzers in Ansehung der Entfernung des neuen Wohnortes zum Fitnessstudio eine fristlose Kündigung des Nutzungsvertrages rechtfertigt. Immer mehr Gerichte haben sich der von uns vertretenen Auffassung angeschlossen, ein Umzug, egal ob privat oder berufliche veranlasst, rechtfertige nicht die fristlose Kündigung. Dies hat nun der BGH bestätigt.

 

Maßgebliches Kriterium der Betrachtung eines möglichen Kündigungsrechts des Nutzers ist, in wessen Sphäre der Kündigungsgrund liegt. Grundsätzlich ist eine fristlose Kündigung nach §§ 314, 626 BGB nur möglich, wenn der Kündigungsgrund in der Sphäre des Kündigungsgegners liegt. Dies sei bei einem Wohnortwechsel nicht der Fall.

 

 

Der BGH verweist auf seine DSL-Entscheidung vom 11.11.2010 - III ZR 57/10 -, die auch bisher schon häufig in den untergerichtlichen Entscheidungen zur Negation des Kündigungsrechts benannt wurde. Dort hatte der DSL-Anschlussteilnehmer sein Kündigungsbegehren mit der Begründung verfolgt, an seinem neuen Wohnort keinen DSL-Anschluss zu haben. In der Kritik dieser Entscheidungen wurde darauf verwiesen, der BGH habe einen Sonderfall aus dem Telekommunikationsbereich geregelt. Vorliegend stellt der BGH klar, dass er dort allgemein auf die zu beachtenden Sphären verwiesen habe. Soweit der Gesetzgeber in Ansehung seiner damaligen Entscheidung eines Änderung des Telekommunikationsrechts (Sonderkündigungsrecht nach § 46 Abs. 8 S. 3 TKG) vorgenommen habe, sei diese Norm nicht analog heranzuziehen. Für eine Analogie bedürfte es einer planwidrigen Regelungslücke. Diese sei nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber habe durch § 46 Abs. 8 S. 3 TKG lediglich den Verbraucherbeschwerden und den damit einhergehenden wettbewerbsmindernden Effekten im Bereich der Telekommunikation Rechnung tragen wollen (so BT-Drucks. 17/5707, S. 70). 

Aus den Gründen:

 

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 27. April 2015 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin verlangt als Betreiberin eines Fitnessstudios von dem Beklagten restliches Nutzungsentgelt für die Zeit von Oktober 2013 bis einschließlich Juli 2014.

Die Parteien schlossen im Jahr 2010 einen Vertrag über die Nutzung eines in Hannover gelegenen Fitnessstudios für einen Zeitraum von 24 Monaten (Fitnessstudiovertrag). Sie vereinbarten ein monatliches Nutzungsentgelt von 65 € zuzüglich einer - zweimal im Jahr fälligen - Pauschale von 69,90 € für ein "Trainingspaket". Ferner enthält der Vertrag in Ziffer 4 eine Verlängerungsklausel um jeweils zwölf Monate für den Fall, dass er nicht mindestens drei Monate vor Ablauf gekündigt wird, und in Ziffer 8 eine Vorfälligkeitsklausel, wonach bei einem Zahlungsverzug von mehr als zwei Monatsraten sämtliche Entgelte für die Restlaufzeit sofort zur Zahlung fällig werden. Der Vertrag verlängerte sich mangels Kündigung bis zum 31. Juli 2014.

Im Oktober 2013 wurde der - bis dahin in Hannover lebende - Beklagte zum Soldaten auf Zeit ernannt; gleichzeitig stellte er die Zahlung der Mitgliedsbeiträge ein. Anschließend wurde er für die Zeit von Oktober bis Dezember 2013 nach Köln und für die Zeit von Januar bis Mai 2014 nach Kiel abkommandiert. Seit Juni 2014 ist der Beklagte in Rostock stationiert. Am 5. November 2013 kündigte der Beklagte seine Mitgliedschaft bei der Klägerin.

Das Amtsgericht hat die Klage, mit der die Klägerin ein restliches Nutzungsentgelt von 719,90 € nebst Zinsen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrt hat, im Wesentlichen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht der Klage in der Hauptsache in vollem Umfang stattgegeben. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

 

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Fitnessstudiovertrag durch die Kündigung des Beklagten nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden sei. Der vom Beklagten vorgetragene Wohnortwechsel stelle keinen außerordentlichen Kündigungsgrund dar. Ein wichtiger Grund zur Kündigung des Rechtsverhältnisses liege nach den §§ 314 Abs. 1, 626 Abs. 1 BGB im Allgemeinen nur dann vor, wenn die Gründe, auf die eine Kündigung gestützt würden, im Risikobereich des Kündigungsgegners lägen. Werde der Kündigungsgrund dagegen aus Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss des Kündigungsgegners entzogen seien und aus der eigenen Interessensphäre des kündigenden Vertragsteils herrührten, rechtfertige dies nur in Ausnahmefällen die fristlose Kündigung.

Ein mit einem Umzug einhergehender Wohnortwechsel - sei es auch aus beruflicher Veranlassung - sei allein der Risikosphäre des Beklagten zuzuordnen. Er sei ausschließlich von diesem und nicht von der Klägerin beeinflussbar. Auch wenn die Abkommandierung fremdbestimmt durch die Bundeswehr erfolgt sei, habe letztlich allein der Beklagte mit seinem Umzug die Entscheidung getroffen, die ihm die Nutzung des Fitnessstudios unmöglich mache. Im Gegenzug dafür, dass der Beklagte im Rahmen des Vertrags das Risiko trage, die Leistung nicht mehr nutzen zu können und trotzdem zahlen zu müssen, sei er während der Vertragslaufzeit in den Genuss geringerer monatlicher Raten gekommen, als wenn er einen monatlich kündbaren Vertrag abgeschlossen hätte. Jedenfalls seien Monatsraten der Jahres- und Zweijahresverträge in Fitnessstudios nach allgemeiner Lebenserfahrung erheblich geringer als die von monatlich kündbaren Verträgen.

Die Regelung des § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG, die ein Sonderkündigungsrecht mit einer Frist von drei Monaten vorsieht, sei auf den hiesigen Fall nicht übertragbar. Es handele sich bei dieser Norm vielmehr um eine spezialgesetzliche Regelung für den Bereich von Telekommunikationsverträgen, die nicht ohne Weiteres auf andere Verbraucherverträge übertragen werden könne. Dies gelte für den streitgegenständlichen Fitnessstudiovertrag insbesondere deshalb, weil dieser, anders als Telekommunikationsverträge, nicht zur Daseinsvorsorge zähle. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Bürgerlichen Gesetzbuch gerade keine dem § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG vergleichbare Regelung geschaffen habe, so dass im Umkehrschluss davon auszugehen sei, dass auch der Rechtsgedanke dieser Norm nicht verallgemeinernd auf andere Verbraucherverträge anzuwenden sei.

II.

Das hält rechtlicher Überprüfung stand.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin gegen den Beklagten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Fitnessstudiovertrag einen Anspruch auf Nutzungsentgelt für den hier in Streit stehenden Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. Juli 2014 hat, weil der Beklagte den wirksamen Vertrag (vgl. auch Senatsurteil vom 8. Februar 2012 - XII ZR 42/10 - NJW 2012, 1431 Rn. 19 ff. mwN) nicht zu einem früheren Termin kündigen konnte.

1. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung eines Fitnessstudiovertrags als Miet-, Dienst- oder typengemischter Vertrag handelt es sich dabei allerdings um ein Dauerschuldverhältnis, bei dem dem Kunden ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zusteht. In den Vorschriften der §§ 626 Abs. 1, 543 Abs. 1 und 314 Abs. 1 BGB kommt der von der Rechtsprechung und Lehre entwickelte allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, dass den Vertragsparteien eines Dauerschuldverhältnisses stets ein Recht zur außerordentlichen Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zusteht (Senatsurteil vom 8. Februar 2012 - XII ZR 42/10 - NJW 2012, 1431 Rn. 27 mwN).

a) Ein wichtiger Grund zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (so etwa § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dabei trägt allerdings der Kunde, der einen längerfristigen Vertrag über die Erbringung einer Leistung abschließt, grundsätzlich das Risiko, diese aufgrund einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu können (BGH Urteil vom 11. November 2010 - III ZR 57/10 - NJW-RR 2011, 916 Rn. 12; vgl. auch § 537 Abs. 1 BGB). Etwas anderes gilt nur, wenn ihm aus Gründen, die er nicht beeinflussen kann, eine weitere Inanspruchnahme der Leistungen des anderen Vertragspartners nicht mehr zumutbar ist (vgl. Senatsurteile vom 8. Februar 2012 - XII ZR 42/10 - NJW 2012, 1431 Rn. 31 mwN und vom 23. Oktober 1996 - XII ZR 55/95 - NJW 1997, 193, 195 mwN). Bei einem Vertrag über die Nutzung eines Fitnessstudios kann ein solcher - nicht in seinen Verantwortungsbereich fallender - Umstand etwa in einer Erkrankung des Kunden gesehen werden. Ebenso kann eine Schwangerschaft die weitere Nutzung bis zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit unzumutbar machen; der besondere Schutz des Art. 6 Abs. 4 GG und dessen wertsetzende Bedeutung wirken sich insoweit auch auf die Frage der Zurechenbarkeit des Kündigungsgrundes aus (vgl. BVerfG NJW 2005, 2383; s. auch Senatsurteil vom 8. Februar 2012 - XII ZR 42/10 - NJW 2012, 1431 Rn. 31 mwN).

Ein Wohnortwechsel stellt danach grundsätzlich keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung eines Fitnessstudiovertrags dar (ebenso LG Bonn Urteil vom 5. August 2014 - 8 S 103/14 - juris Rn. 12; LG Gießen Urteil vom 15. Februar 2012 - 1 S 338/11 - juris Rn. 3; AG Bremen Urteil vom 16. Oktober 2014 - 10 C 47/14 - juris Rn. 20; Diekmann/Lube MDR 2016, 69, 71; aA AG München Urteil vom 17. Dezember 2008 - 212 C 15699/08 - juris Rn. 19). Die Gründe für einen Wohnortwechsel - sei er auch berufsbedingt - liegen in aller Regel allein in der Sphäre des Kunden und sind von ihm - anders als von dem Anbieter der Leistungen - beeinflussbar (vgl. BGH Urteil vom 11. November 2010 - III ZR 57/10 - NJW-RR 2011, 916 Rn. 12).

b) Dem steht auch die Regelung des § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG nicht entgegen. Zwar weist die Revision zutreffend darauf hin, dass der Gesetzgeber als Reaktion auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2010 (III ZR 57/10 - NJW-RR 2011, 916), wonach ein DSL-Vertrag nicht infolge eines Wohnortwechsels außerordentlich kündbar ist, mit § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG ein Sonderkündigungsrecht für den Nutzer unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten geschaffen hat, wenn die Telekommunikations-Leistung am neuen Wohnort nicht angeboten wird (vgl. BT-Drucks. 17/5707 S. 70). Allerdings hat das Landgericht zu Recht eine analoge Anwendung dieser Norm abgelehnt.

Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus; zudem muss der zur Beurteilung stehende Sachverhalt mit dem vergleichbar sein, den der Gesetzgeber geregelt hat.

aa) Es fehlt schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Wie sich aus den §§ 626 Abs. 1, 543 Abs. 1 BGB und 314 Abs. 1 BGB ergibt, stellt sich die Frage der Kündigung wegen eines Wohnortwechsels nicht nur in Fallkonstellationen der vorliegenden Art, in denen es um eine Lösung von einem Fitnessstudiovertrag geht, sondern bei vielen anderen Dauerschuldverhältnissen, etwa bei einem befristeten Wohnraummiet- oder sonstigen Dienstvertrag. Dass der Gesetzgeber die Problematik des Wohnortwechsels für all diese Fälle übersehen hat und bei entsprechender Kenntnis neben den bereits bestehenden Kündigungsvorschriften für alle entsprechenden BGB-Verträge ein Sonderkündigungsrecht i.S.d. § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG hätte schaffen wollen, ist nicht ersichtlich. Wie sich der Gesetzesbegründung entnehmen lässt, wollte der Gesetzgeber mit dem Sonderkündigungsrecht vielmehr allein den Verbraucherbeschwerden und den damit einhergehenden wettbewerbsmindernden Effekten im Bereich der Telekommunikation Rechnung tragen (BT-Drucks. 17/5707 S. 70).

bb) Für eine Vergleichbarkeit der zu regelnden Sachverhalte reicht es zudem nicht aus, dass bei einem Vertragspartner das gleiche Interesse vorliegt, das der Gesetzgeber in der einen anderen Fall betreffenden Gesetzesvorschrift schützen wollte. Denn bei einer solchen Betrachtungsweise würden die Interessen der anderen Vertragspartei in ungebührlicher Weise vernachlässigt. Vielmehr muss geprüft werden, ob der Gesetzgeber bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der entsprechend anzuwendenden Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen wäre (BGHZ 105, 140 = NJW 1988, 2734; Senatsbeschluss vom 25. Mai 2011 - XII ZB 625/10 - FamRZ 2011, 1394 Rn. 27).

An einer solchen Vergleichbarkeit eines Telekommunikationsvertrags mit einem Fitnessstudiovertrag fehlt es schon deshalb, weil Gegenstand des Telekommunikationsvertrags die Daseinsvorsorge ist; der kündigende Vertragspartner ist regelmäßig darauf angewiesen, einen entsprechenden Vertrag abzuschließen, um die heute kaum verzichtbare Möglichkeit des Internets nutzen zu können. Eine damit vergleichbare Bedeutung kann dem Fitnessstudiovertrag nicht beigemessen werden.

c) Gemessen hieran ist die angegriffene Entscheidung von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der berufsbedingte Wohnortwechsel, auch wenn er durch die Abkommandierung fremdbestimmt ist, letztlich in die Sphäre des Beklagten fällt. Zutreffend ist auch die - auf der Grundlage der von ihm getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen angestellte - weitere Erwägung des Landgerichts, wonach der Beklagte im Gegenzug für die Übernahme des Verwendungsrisikos während der Vertragslaufzeit in den Genuss geringerer monatlicher Raten gekommen ist, als wenn er einen monatlich kündbaren Vertrag abgeschlossen hätte (vgl. BGH Urteil vom 11. November 2010 - III ZR 57/10 - NJW-RR 2011, 916 Rn. 13).

Dabei kann die - vom Landgericht nicht aufgeklärte - Frage dahinstehen, ob der Beklagte bei Vertragsschluss bzw. im Zeitpunkt der letztmöglichen ordentlichen Kündigung bereits Kenntnis von seiner (späteren) beruflichen Tätigkeit als Soldat hatte. Wäre dem so gewesen, hätte er das erhöhte Verwendungsrisiko im maßgeblichen Zeitpunkt, in dem er sich vom Vertrag hätte lösen können, bewusst in Kauf genommen. Hätte er die Entscheidung, Soldat zu werden, dagegen erst danach getroffen, so lägen Umstände vor, die er hätte beeinflussen können und die damit in seinen Verantwortungsbereich fielen.

Besondere Umstände, die die Übernahme des Verwendungsrisikos für den Beklagten gleichwohl als unzumutbar erscheinen ließen, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Diese liegen nicht zuletzt auch deshalb fern, weil der für die Restlaufzeit geschuldete Betrag von insgesamt 719,90 € relativ gering ist, der Vertrag die - von dem Beklagten schon einmal genutzte - Möglichkeit bietet, ihn für eine bestimmte Zeit namentlich wegen einer Tätigkeit bei der Bundeswehr auszusetzen (Ziffer 2) und der Beklagte schließlich - worauf die Revisionserwiderung zu Recht hingewiesen hat - schon nicht hinreichend dargelegt hat, dass er die Angebote der Klägerin überhaupt nicht mehr nutzen könne, obgleich er noch einen Wohnsitz in Hannover hatte.

2. Ein Kündigungsrecht des Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Bei Anwendung des § 313 BGB ist ebenfalls zu beachten, dass grundsätzlich jede Partei ihre aus dem Vertrag ersichtlichen Risiken selbst zu tragen hat. Grundsätzlich kann derjenige, der die entscheidende Änderung der Verhältnisse, wie hier den Umzug, selbst bewirkt hat, aufgrund dieser Änderung keine Rechte herleiten (BGH Urteil vom 11. November 2010 - III ZR 57/10 - NJW-RR 2011, 916 Rn. 17). Umstände, die ausnahmsweise ein Abweichen von diesen Grundsätzen rechtfertigen könnten, bestehen aus den vorstehenden Gründen nicht.


Ältere Rechtsprechung:

AG Herzberg am Harz, Urteil vom 29.11.2011 - 4 C 462/11 -

Das Amtsgericht gab der Klage eines Fitness-Studios auf Erstattung des Nutzungsentgeltes für die restliche Vertragslaufzeit statt, da es die mit einem Wohnortwechsel begründete fristlose Kündigung als ungerechtfertigt ansah. Dabei stellte das Amtsgericht auf § 314 BGB unter Verweis auf BGH XII ZR 185/93 ab und negierte danach einen Kündigungsgrund. Für die Annahme eines Kündigungsgrundes nach § 314 BGB müsse der die Kündigung rechtfertigende Umstand in der Person oder zumindest im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen. Hier aber hätte dieser keinen Einfluss, rührt der Kündigungsgrund aus der eigenen Interessenssphäre des Kündigenden. Damit käme eine Kündigung nur in Betracht wenn die Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorlägen. Das Amtsgericht prüfte insoweit zunächst das Vorliegen einer Äquivalenzstörung. Dies wurde unter Verweis auf die Entscheidung des OLG Frankfurt 6 U 164/93 negiert, da von dem auf 24 Monate abgeschlossenen Vertrag bereits mehr als 12 Monate abgelaufen sind und deshalb von einer schwerwiegenden Äquivalenzstörung nicht mehr gesprochen werden könne. Es habe sich ein bei Vertragabschluss in Kauf genommenes Risiko realisiert. Auch ein Interessefortfall als weiterer Unterfall des Rechtinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage komme nicht in Betracht, da nicht ersichtlich ist, dass sich auch das klagende Fitness-Studio die Vorstellung zu eigen gemacht hätte, die Nutzerin könne 24 Monate den Vertrag ohne weiteres nutzen.

 

Das Urteil wurde vom LG Göttingen bestätigt. Mit Beschluss vom 16.11.2012 wies es den Beklagten darauf hin, dass seine Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe  (Az.: 6 S 139/11). Der Volltext ist unter http://entscheidungssammlung.jimdo.com/rechtsprechung/umzug-kein-grund-für-fristlose-kündigung/ abrufbar.

 

AG Gießen, Urteil vom 08.12.2011 - 45 C 268/11 -

Das Amtsgericht hat auch hier der Klage des Betreibers eines Fitness-Studios auf weitere Entgeltzahlung bis zum Ablauf der vertraglich vorgesehenen Laufzeit stattgegeben, obwohl der Nutzer über 65 km entfernt verzogen ist. Es verwies darauf, dass es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt und nach § 314 BGB der Kündigungsgrund bei dem Vertragspartner hätte liegen müssen, was nicht der Fall war. Der Umzug lag einzig in der Sphäre des Kündigenden. Zusätzlich verwies das Amtsgericht darauf, dass es sich hier auch um eine zumutbare Entfernung handele, die Berufspendler ständig in Kauf nehmen würden.

 

AG Besigheim, Urteil vom 07.09.2012 - 3 C 437/12 -

Die Frage des Vertragstyps des Nutzungsvertrages eines Fitnessstudios hat das Amtsgericht ebenso auf sich beruhen lassen wie die Frage, ob ein Umzug (über eine Distanz von mehreren 100km) eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Denn jedenfalls, so das Amtsgericht, wäre die Kündigungserklärung verspätet erfolgt, sowohl nach Dienstvertragsrecht (2 Wochen) als auch nach § 314 BGB, da sie allenfalls vier Wochen nach Kenntnis der eventuell die Kündigung rechtfertigenden Umstände erfolgte. Die in den Geschäftsbedingungen vorgesehene Vorfälligkeitsklausel wurde mit der herrschenden Meinung bestätigt.

Die Entscheidung kann im Wortlaut auf Entscheidungssammlung nachgelesen werden.

 

LG Gießen, Urteil vom  15.02.2012 -  1 S 338/11 -

Die Voraussetzung für eine fristlose Kündigung ist, dass es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar ist, bis zum vertraglichen Ende zuzuwarten. Allgemein gilt, dass dies dann der Fall ist, wenn der Kündigungsgrund vom Kündigungsgegner gesetzt wurde. Wird allerdings der Kündigungsgrund aus Vorgängen abgeleitet, die dem Einfluss des Kündigungsgegners entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden stamme, ist eine fristlose Kündigung nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Die Abgrenzung der Risikobereiche ergibt sich aus Vertrag, dem Vertragszweck und den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen (BGH vom 11.11.2010 - III ZR 57/10 -, MDR 2011, 148f). Zwar stellt der Wohnortwechsel, auf Grund dessen der Kündigende die Leistungen des Fitnessstudios nicht mehr in Anspruch nehmen kann, ein nachvollziehbares Interesse dar, dem Betreiber nicht weiterhin Entgelt zahlen zu müssen; allerdings trägt der Kunde, der einen längerfristigen Vertrag abschließt, grundsätzlich das Risiko, diese Leistungen wegen Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr in Anspruch nehmen zu können. Da die Gründe für den Wohnortwechsel in der Sphäre des Nutzers liegen und vom Anbieter nicht beeinflussbar sind (BGH aaO.), kann er sich zur fristlosen Kündigung des Vertrages nicht erfolgreich darauf berufen.

 

 

Weitere Entscheidungen zum Fitnessstudio-Vertragsrecht finden Sie auf der Seite Entscheidungssammlung, insbesondere auch zur Frage der fristlosen Kündigung bei Wohnortwechsel.