Wohnungseigentum


Kein Schadensersatz des Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft bei „Rechtsmissbrauch“

BGH, Beschluss vom 14.11.2019 - V ZR 63/19 -

Kurze Inhaltsangabe mit Erläuterungen:

 

Die Entscheidung des BGH, mit der die Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH zurückgewiesen wurde, ist kurz und in seiner Konsequenz nachhaltig.   

 

Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar: Im Bereich des Wohnungseigentums des klagenden Wohnungs- bzw. Teileigentümers bestand Feuchtigkeit. Er verlangte von der Gemeinschaft Schadensersatz. Dem war vorangegangen, dass er einige Jahre zuvor (im Rahmen der Eigentümerversammlung vom 14.04.2011) zwar keine konkrete Sanierungsmaßnahme, sondern eine Grundentscheidung der Gemeinschaft begehrte, dass sich diese mit der Feuchtigkeitssanierung seines Teileigentums befasst. Dieser Antrag in 2011 wurde abgewiesen und vom Kläger nicht angefochten.

 

Ob eine Anfechtungsklage Vorrang vor einem Schadensersatzanspruch habe (vgl. dazu auch Urteil des BGH vom 23.02.2018 - V ZR 101/16 -) könne dahinstehen.  Grundsätzlich zulässig sei es gewesen, dass der Kläger in 2011 keine bestimmte Sanierungsmaßnahme von der Gemeinschaft verlangt habe, sondern nur eine Grundentscheidung, sich mit der Sanierung des Feuchtigkeitsschadens zu befassen, § 21 Abs. 4 WEG. Ein Schadensersatzanspruch scheitere also nicht daran, dass der Kläger keine konkrete Sanierungsmaßnahme verlangt habe.

 

Entscheidend sei vorliegend, dass der Kläger den Negativbeschluss im Jahr 2011 nicht angefochten habe und darüber hinaus sechs Jahre lang seinen Anspruch auch nicht weiterverfolgt habe und auch keine Klage auf Ersetzung  des von ihm in 2011 angestrebten Grundsatzbeschlusses über die Sanierung seines Teileigentums gem. § 21 Abs. 8 WEG erhoben habe.

 

In seinem Urteil vom 23.02.2018 hatte der BGH festgehalten, dass grundsätzlich bei Ablehnung eines Beschlusses, eine Maßnahme am gemeinschaftlichen Eigentum vorzunehmen, die ein Wohnungseigentümer zur Behebung von Schäden an seinem Sondereigentum verlangt, Schadensersatzansprüche des betroffenen Wohnungseigentümers wegen einer verzögerten Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht ausgeschlossen sind, wenn er Anfechtungsklage und gleichzeitig in Bezug auf die begehrte Maßnahme Beschlussersetzungsklage erhebt, auch wenn er nachfolgend nicht gegen Vertagungsbeschlüsse ebenfalls Anfechtungsklage erhebt.

 

In Ansehung auf die fehlende Anfechtung des ablehnenden Beschlusses in 2011 und dem Fehlen einer Beschlussersetzungsklage und dem langen zuwarten sei sein jetziges Begehren auf Schadensersatz rechtsmissbräuchlich.

 

 

Anm.: Rechtsmissbrauch wird angenommen, wenn zwar jemand formal ein einklagbares Recht hat, mit dessen Ausübung aber nur den Zweck verfolgt, einem anderen Schaden zuzufügen. Gleiches gilt nach der Entscheidung des BGH dann, wenn das Recht nicht ordnungsgemäß durchgesetzt wird, zu dem hier die Verpflichtung der übrigen Wohnungseigentümer zum Handeln gehört und die Verzögerung durch die Gemeinschaft nicht durch ihn durch Unterlassen der gebotenen Rechtsmittel (mit) zu vertreten ist. Der Kläger hätte also bereits den Beschluss von 2011 anfechten und Beschlussersetzungsklage erheben müssen, damit er einen durch die Verzögerung der notwendigen Sanierung entstehenden Schaden von den Eigentümern ersetzt verlangen kann, die an der positiven Beschlussfassung nicht mitwirkten.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31. Januar 2019 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

 

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 27.650 €.

 

Gründe

 

 

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31. Januar 2019 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

 

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 27.650 €.

 

Gründe

 

1. Die Rechtssache wirft keine entscheidungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO). Entgegen der Auffassung des Klägers gibt der Fall keine Veranlassung zu einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob an dem grundsätzlichen Vorrang der Anfechtungsklage vor einem Schadensersatzanspruch festzuhalten ist (vgl. dazu Senat, Urteil vom 23. Februar 2018 - V ZR 101/16, NZM 2018, 615 Rn. 43 mwN).

 

2. Anders als das Berufungsgericht meint, hat der Kläger von den beklagten übrigen Wohnungseigentümern der Wohnungseigentumsanlage zwar keine konkreten Sanierungsmaßnahmen, sondern, was zulässig ist, „nur“ eine Grund-entscheidung verlangt, sich mit der Sanierung der Feuchtigkeit seines Teileigentums zu befassen. Mangels gegenteiliger Feststellungen wäre auch davon ausgehen, dass er nach § 21 Abs. 4 WEG von den Wohnungseigentümern eine solche Grundentscheidung verlangen kann. Der hier geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz scheitert aber, worauf das Amtsgericht und, ihm folgend, auch das Landgericht zu Recht abgestellt haben, daran, dass er nicht nur den Beschluss über die Zurückweisung seines Antrags vom 14. April 2011 nicht angefochten, sondern darüber hinaus auch sechs Jahre lang sein Anliegen nicht weiter verfolgt und insbesondere auch keine Klage auf Ersetzung des von ihm angestrebten Grundsatzbeschlusses über die Sanierung seines Teileigentums gemäß § 21 Abs. 8 WEG erhoben hat. Sein Schadensersatzverlangen ist deshalb rechtsmissbräuchlich.

 

 

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 3 ZPO, § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG.

 

 

 

 

Anhang:


Leitsätze der Entscheidung des BGH vom 23.02.2018 - V ZR 101/16 -:

 

 

 

1. Lehnen die Wohnungseigentümer es durch Beschluss ab, eine Maßnahme am gemeinschaftlichen Eigentum durchzuführen, die ein Wohnungseigentümer zur Behebung von Schäden an seinem Sondereigentum verlangt, und erhebt der Wohnungseigentümer Anfechtungsklage und zugleich eine auf die begehrte Maßnahme bezogene Beschlussersetzungsklage, so werden Schadensersatzansprüche wegen einer verzögerten Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht dadurch ausgeschlossen, dass er nachfolgende Vertagungsbeschlüsse nicht anficht (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 13. Juli 2012, V ZR 94/11, NJW 2012, 2955 Rn. 11).

 

 

2a. Trifft die Wohnungseigentümer ausnahmsweise eine Mitwirkungspflicht, ihr Stimmrecht dergestalt auszuüben, dass die erforderlichen Maßnahmen der Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums beschlossen werden, haften sie bei deren Verletzung nach § 280 Abs. 1 BGB (Klarstellung zu Senat, Urteil vom 17. Oktober 2014, V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 Rn. 24 und Urteil vom 13. Juli 2012, V ZR 94/11, NJW 2012, 2955 Rn. 6). Die pflichtwidrig handelnden Wohnungseigentümer haften als Gesamtschuldner.

 

 

2b. Die Wohnungseigentümer haben ein pflichtwidriges Abstimmungsverhalten grundsätzlich nur dann zu vertreten, wenn sie mit der Einberufung der Eigentümerversammlung in hinreichend deutlicher Weise über den Instandsetzungsbedarf des Gemeinschaftseigentums und den von seinem bestehenden Zustand ausgehenden Auswirkungen auf das Sondereigentum betroffener Wohnungseigentümer in Kenntnis gesetzt worden sind. Etwas anderes gilt dann, wenn ihnen die Umstände, die die Stimmpflicht begründen, bereits bekannt waren oder sie während der Teilnahme an der Eigentümerversammlung über diese unterrichtet wurden.

 

 

2c. Ändert ein Wohnungseigentümer sein Abstimmungsverhalten und kommt er seiner Mitwirkungspflicht nach, ist er für den Schaden, der durch einen gleichwohl nicht zustande gekommenen Beschluss über die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums entsteht, nicht verantwortlich. Für die Erfüllung der Mitwirkungspflicht ist der Wohnungseigentümer darlegungs- und beweisbelastet, der zunächst pflichtwidrig gehandelt hat.

 

 

3. Nach einer erfolgreichen Beschlussanfechtungsklage steht - sofern der Beschluss nicht wegen formeller Fehler für unwirksam erklärt worden ist - unter den Wohnungseigentümern als Folge der Rechtskraft fest, dass der Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach. Wurde ein Negativbeschluss angefochten, steht zugleich rechtskräftig fest, dass eine Handlungspflicht der Wohnungseigentümer besteht.

 

 

 

4. Aus der Aufgabe des Verwaltungsbeirats, den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben zu unterstützen, ergibt sich keine Pflicht der Beiratsmitglieder, den Verwalter anzuhalten, seinen Pflichten nachzukommen.