Datenschutz


Haftpflichtversicherung: Unterlassungsanspruch des Geschädigten zur Datenweitergabe 

OLG Oldenburg, Urteil vom 23.12.2014 - 13 U 66/14 -

Kurze Inhaltsangabe:


Im Rahmen der Schadensabwicklung eines Verkehrsunfalls leitet der in Anspruch genommene Haftpflichtversicherer häufig Schadensgutachten und/oder Kostenvoranschläge des Geschädigten an außenstehende Dritte zur Prüfung weiter.  Das OLG Oldenburg hat einen Auskunftsanpruch zwar bejaht, aber den Unterlassungsantrag des Geschädigten zu den von ihm vom Haftpflichtversicherer gespeicherte Daten und zur Weitergabe derselben abgewiesen. Es lässt allerdings (leider) auf sich beruhen, ob die bereits erfolgte Weiterleitung rechtmäßig war, da es an der Besorgung weiterer Beeinträchtigungen ermangele. Auch wenn ein vorangegangenes Tun die Wiederholungsgefahr vermuten lasse, wäre diese Vermutung hier allerdings deshalb als widerlegt anzusehen, wenn die Beeinträchtigung durch eine einmalige Sondersituation veranlasst ist. Dies sei hier der Fall, da die Weitergabe lediglich aus Anlass der Abwicklung des konkreten Vorganges (Unfalls) erfolgt sei.

Aus den Gründen:

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls in Anspruch, der sich am 10. Oktober 2011 ereignet hat und bei dem der Pkw des Klägers beschädigt wurde. Unfallgegner war die Beklagte zu 1, deren Fahrzeug bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert war.

Im Rahmen der Schadensabwicklung leitete die Beklagte zu 2 ein vom Kläger eingeholtes Sachverständigengutachten zur Prüfung an die C GmbH weiter; von dort gelangte es an die D GmbH. Bei der Schadensregulierung nahm die Beklagte zu 2 Abzüge auf der Grundlage der Prüfung des Gutachtens durch die D vor.

Mit seiner Klage hat der Kläger weiteren (über die bereits erfolgte Zahlung der Beklagten zu 2 hinausgehenden) Schadensersatz geltend gemacht. Ferner hat er von der Beklagten zu 2 verlangt, Auskunft darüber zu erteilen, welche Daten über ihn bei der Beklagten zu 2 gespeichert sind und welche Daten von der Beklagten zu 2 an Dritte weitergegeben wurden. Außerdem hat er die Beklagte zu 2 auf Unterlassung der Weitergabe von Daten des Klägers an Dritte sowie auf Löschung der gespeicherten Daten in Anspruch genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, mit dem das Landgericht einen Teil des vom Kläger verlangten Schadensersatzes zuerkannt hat. Darüber hinaus ist die Beklagte zu 2 - unter Abweisung der weiteren vom Kläger geltend gemachten datenschutzrechtlichen Ansprüche - zur Auskunftserteilung hinsichtlich der bei der Beklagten zu 2 über den Kläger gespeicherten Daten und zur Unterlassung der Weitergabe der gespeicherten Daten an Dritte verurteilt worden. Gegen die Verurteilung zur Auskunft und zur Unterlassung richtet sich die Berufung der Beklagten zu 2.

II.

1. Da die Beklagte zu 1 zunächst Berufung eingelegt, diese aber nicht begründet hat, liegt insoweit eine Rücknahme der Berufung vor (vgl. MünchKommZPO/Rimmelspacher, 4. Aufl., § 520 Rn. 35), so dass gemäß § 516 Abs. 3 ZPO der Verlust des Rechtsmittels der Beklagten zu 1 auszusprechen ist.

2. Die Beklagte zu 2 greift das angefochtene Urteil mit ihrer zulässigen Berufung nur insoweit an, als sie zur Auskunft über gespeicherte Daten und zur Unterlassung der Weitergabe von Daten verurteilt worden ist. In diesem Umfang ist das Rechtsmittel überwiegend begründet (die vom Kläger mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2014 erhobene Zuständigkeitsrüge, mit der er eine Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht erstrebt, ist gemäß § 17a Abs. 5 GVG unbeachtlich).

a) Allerdings lassen sich der Berufungsbegründung keine Argumente gegen den vom Landgericht zuerkannten Auskunftsanspruch gemäß § 34 BDSG (LGU 9) entnehmen. Insofern hat die Berufung keinen Erfolg.

b) Im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch hat die Beklagte zu 2 jetzt - neben den beiden bereits in erster Instanz vorgelegten Verträgen zwischen der H  und der C GmbH sowie der D GmbH - auch noch den „Vertrag über die Überprüfung von Kostenvoranschlägen und Gutachten“ zwischen der H und der C GmbH vom 10. März 2011 vorgelegt. Aus § 1 dieses Vertrages ergibt sich ausdrücklich, welche Tätigkeit die C  GmbH für die H auszuführen hat. In § 5 dieses Vertrages heißt es ausdrücklich, dass die Regelungen zum Datenschutz und zur Geheimhaltung in der Rahmenvereinbarung vom 10. März 2011 gelten, soweit nichts Abweichendes geregelt ist. Damit dürften zumindest die Bedenken des Landgerichts ausgeräumt sein, dass sich entgegen § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BDSG der Zweck der Datennutzung nicht aus dem Vertrag entnehmen lasse.

Es bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, ob die Beklagte zu 2 sich im Hinblick auf die Weitergabe der Daten an die C GmbH und die D GmbH auf § 11 BDSG oder auch auf § 28 BDSG berufen kann (vgl. dazu LG Oldenburg, Urteil vom 16. September 2013 - 5 O 2544/12, juris; Urteil vom 23. Juni 2014 - 5 O 2226/12, ZD 2014, 574). Auch eine Auseinandersetzung mit den vom Kläger in der Berufungserwiderung erhobenen Einwänden hinsichtlich des erst in zweiter Instanz vorgelegten Vertrages ist nicht erforderlich. Denn ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit den Parteien erörtert, schon deshalb nicht, weil es an der erforderlichen Wiederholungsgefahr fehlt.

Ein Anspruch des Klägers auf Unterlassung der Weitergabe seiner Daten könnte sich zwar aus einer entsprechenden Anwendung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB ergeben, weil eine durch das Bundesdatenschutzgesetz nicht gedeckte Übermittlung personenbezogener Daten eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellt und keine speziellen datenschutzrechtlichen Ansprüche auf Unterlassung bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1983 - III ZR 159/82, NJW 1984, 436, zitiert nach juris, Rn. 14; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. Mai 2005 - 15 U 196/04, NJW 2005, 2401, zitiert nach juris, Rn. 57 ff.; Taeger in: Taeger/Gabel, BDSG, § 4 Rn. 76; Dix in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 35 Rn. 73 m.w.N.).

Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch ist jedoch, dass „weitere Beeinträchtigungen zu besorgen“ sind, also eine Wiederholungsgefahr besteht (vgl. OLG Düsseldorf, aaO, Rn. 58; vgl. auch Gabel in: Taeger/Gabel, aaO, § 7 Rn. 17 m.w.N.). Wiederholungsgefahr ist die auf Tatsachen gegründete objektive ernstliche Besorgnis weiterer Störungen (Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 1004 Rn. 32 m.w.N.). Zwar begründet eine vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr (OLG Düsseldorf, aaO, Rn. 59; Palandt/Bassenge, aaO). Diese Vermutung ist aber dann als widerlegt anzusehen, wenn die Beeinträchtigung durch eine einmalige Sondersituation veranlasst ist und eine Wiederholung deshalb nicht naheliegt (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 2. August 2013 - 1 UH 1/13, MDR 2013, 1485, zitiert nach juris, Rn. 22; BeckOK BGB/Fritzsche, § 1004 Rn. 83 m.w.N.). So verhält es sich - eine rechtswidrige Beeinträchtigung unterstellt - hier.

Mit einer erneuten Weitergabe von Daten des Klägers durch die Beklagte zu 2 ist nicht zu rechnen. Denn die Weitergabe diente allein der Abwicklung des Verkehrsunfalls vom 10. Oktober 2011, die inzwischen abgeschlossen ist. Lässt man dieses einmalige Unfallereignis außer Acht, steht der Kläger der Beklagten zu 2 nicht anders gegenüber als jeder andere Verkehrsteilnehmer. Die Möglichkeit, dass er erneut in einen Verkehrsunfall verwickelt wird, bei dem die Beklagte zu 2 als Haftpflichtversicherer auf der Gegenseite steht, ist von so allgemeiner Natur, dass sie keine Wiederholungsgefahr im Sinne des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet. Auch der Umstand, dass die Beklagte zu 2 ständig mit der C  GmbH und der D  GmbH zusammenarbeitet und dabei Daten der Unfallbeteiligten zur Verfügung stellt, begründet - für den Kläger persönlich - keine Wiederholungsgefahr.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 516 Abs. 3 ZPO. Die Rücknahme der Berufung durch die Beklagte zu 1 (siehe dazu oben unter 1) wirkt sich im Hinblick auf die zu bildende Kostenquote nicht aus, weil die Teile der angefochtenen Entscheidung, die auch die Beklagte zu 1 betreffen (Verurteilung zur Zahlung, hinsichtlich derer auch die Beklagte zu 2 keine Berufungsanträge gestellt hat), nur eine Beschwer der Beklagten von 592,92 € zur Folge haben; der Berufungsstreitwert würde auch bei Berücksichtigung dieses Betrages nicht über den vom Senat festgesetzten Wert von 4.000 € erhöht. Für eine Anwendung der Vorschrift des § 97 Abs. 2 ZPO war kein Raum, weil die Beklagte zu 2 nicht aufgrund eines neuen Vorbringens obsiegt hat, das sie bereits in erster Instanz hätte geltend machen können. Denn auf die erst in der Berufungsinstanz vorgelegten Verträge kommt es - wie oben (unter 2 b) ausgeführt - nicht an.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.