Verwaltungsrecht


Verwaltungsvollstreckung wegen eines privatrechtlichen Anspruchs durch eine Behörde und daraus resultierender Amtshaftungsanspruch

OLG Koblenz, Urteil vom 12.09.2019 - 1 U 135/19 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass Behörden den Versuch unternehmen, privatrechtliche Forderungen im Wege der Verwaltungsvollstreckung vorzunehmen. Im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung können Verwaltungsakte vollstreckt werden, die entweder bestandkräftig sind oder bei denen ein eingelegter Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat und diese auch nicht auf Antrag wiederhergestellt wurde (vgl. § 80 VwGO). Ansprüche privatrechtlicher Natur muss auch die Behörde im ordentlichen Rechtsweg titulieren lassen, um sodann im Rahmen der Zwangsvollstreckung daraus vorgehen zu können.

 

Dem Verfahren vor dem OLG Koblenz lag (verkürzt wiedergegeben) folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Die Verbandsgemeinde (Beklagte) erneuerte im Dezember 2013 eine Wasseranschlussleitung auf dem Grundstück des Klägers. Mit Rechnung vom 17.12.2013 forderte sie vom Beklagten dafür Zahlung in Höhe von € 3.116,22. Nachdem Zahlung nicht erfolgte, mahnte sie den Betrag mit zwei Schreiben (17.01.2014 und 18.02.2014) an und drohte im zweiten Schreiben mit einer Beitreibung in einem „Verwaltungszwangsverfahren“. Mit Schreiben vom 17.07.2014 teilte der Kläger mit, er habe eine Rechnung nicht erhalten und auch sonst keine Unterlagen zur Erneuerung einer Wasseranschlussleitung und bat um Information, was es damit auf sich habe.  Darauf wurde mit Schreiben vom 23.07.2014 „Erstaunen“ geäußert, da die Rechnung zugesandt worden sei und mitgeteilt, dass nunmehr eine Zwangssicherungshypothek im Grundbuch eingetragen würde. Noch am gleichen Tag wurde der entsprechende Antrag beim Grundbuchamt gestellt und die Eintragung erfolgte am 24.07.2014. Am 30.07.2014 schrieb der Kläger erneut und erklärte, er habe weder der Erneuerung der Leitung zugestimmt noch diese beauftragt und er widerspreche der Forderung; dies verband er mit der Aufforderung, die Zwangssicherungshypothek zu löschen. Mit Schreiben vom 04.08.2014 wurde ihm mitgeteilt, dass er zwar keinen Auftrag erteilt habe, die Erneuerung aber notwendig gewesen sei  und „Kostenträger außerhalb des öffentlichen Rechts … der Anschlussnehmer“ sei.

 

Im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens beglich der Kläger die geltend gemachte Forderung und der Antrag auf Zwangsversteigerung wurde zurückgenommen. Dem Kläger wurden von der Gerichtskasse die Kosten von € 1.156,83 berechnet. Diese wurden vom Kläger beglichen, die er mit seiner Klage von der Beklagten forderte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung war erfolgreich.

 

Anspruchsgrundlage ist § 839 Abs. 1 BGB iVm. Art 34 GG (Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung).

 

Bei dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten (Verbandsgemeindekasse als Vollstreckungsbehörde) handele es sich um einen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Amtswalter, der im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses tätig geworden sei und damit hoheitlich gehandelt habe, weshalb es sich um einen Beamten im haftungsrechtlichen Sinn des § 839 BGB gehandelt habe. Pflichtverletzungen desselben, die er in Ausübung des hoheitlichen Amtes begehe, gehen im Sinne einer befreienden Schuldübernahme auf den Staat (hier die Verbandsgemeinde) über.

 

Dem Mitarbeiter obliege die allgemeine Rechtspflicht zu rechtmäßigen Handeln. Er habe die Normen des Bundes- und Landesrechts zu beachten, unabhängig davon, ob sie dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen seien.

 

Vorliegend habe er die einschlägigen Normen des rheinland-pfälzischen Landesvollstreckungsgesetzes (LVwVG) nicht beachtet. Zwar stütze die Beklagte ihre Forderung auf ihre „Entgeltsatzung Wasserversorgung“ und ihre „Allgemeine Wasserversorgungssatzung“, weshalb es sich um eine öffentlich-rechtliche Forderung handele. Grundsätzlich sei dann aber ein Verwaltungsakt zu erlassen.  Zivilrechtliche Ansprüche seien demgegenüber durch Mahnbescheid oder Erwirkung eines gerichtlichen Vollstreckungstitels zu verfolgen, zu deren Durchsetzung dann regelmäßig der Gerichtsvollzieher zu beauftragen sei. Einzelne privatrechtliche Ansprüche würden allerdings nach Landesgesetzen auch im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung beigetrieben werden können (vgl. § 71 Abs. 2 LVwVG), wobei in diesem Fall die Zahlungsaufforderung an die Stelle des ansonsten notwendigen Verwaltungsaktes trete.

 

Vorliegend habe sich die Beklagte nur auf sie Zahlungsaufforderung gestützt. Bei der zugrunde liegenden Forderung handele es sich aber nicht um eine solche nach § 71 Abs. 1 LVwVG iVm. § 1 a), b) der Landesverordnung über die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen (RhpfLVwGpFVO), da es nicht um die Lieferung von Gas, Wasser, Wärme und elektrischer Energie gegangen sei (abschließende Aufzählung in der Verordnung). Von daher sei eine Beitreibung nach dem LVwVG unzulässig. Dessen ungeachtet sei aber auch dann, wenn die Verwaltungsvollstreckung zulässig gewesen wäre, diese jedenfalls einzustellen, wenn der Vollstreckungsschuldner, wie hier geschehen, schriftlich oder zu Protokoll der Behörde Widerspruch erhebe, wobei er (was nicht erfolgt sei) darüber auch zu belehren sei (§74 Abs. 1 S. 1 LVwVG). Im Falle des Widerspruchs müsse der Gläubiger binnen eines Monats nachweisen, dass er Zivilklage erhoben oder den Erlass eines Mahnbescheides beantragt habe; die Vollstreckung könne nur nah den Grundsätzen der Zivilprozessordnung fortgesetzt werden, § 74 Abs. 3 LVwVG.  Obwohl der Kläger nicht belehrt wurde, habe er sogar Widerspruch erhoben, da sich dieser aus seinem Schreiben vom 30.07.2014 ableiten ließe („… widerspreche ich Ihrer Forderung ausdrücklich…“). Hier nun hätte jedenfalls die Beklagte Zivilklage erheben müssen oder einen Mahnbescheid beantragen müssen.

 

Bedeutsam sei in diesem Zusammenhang, dass zwar grundsätzlich für die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek die Vorlage eines Titels mit Zustellungsnachweis erforderlich sei; allerdings genüge der Antrag der Vollstreckungsbehörde (hier der Verbandsgemeinde), der als Ersuchen nach § 38 GBO zu qualifizieren sei und dem Grundbuchamt das Vorliegen der Voraussetzungen bindend bescheinige. Daraus ergäbe sich die besondere Verantwortung des Mitarbeiters der Beklagten.

 

Eine weitere Amtspflichtverletzung des Mitarbeiters habe darin bestanden, dass er den Antrag auf Zwangsversteigerung stellte, obwohl die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen in Form der Zustellung nicht vorgelegen hätten. Die Beklagte habe den Zugang ihrer Rechnung bei dem Kläger nicht nachweisen können.

 

Die allgemeine Amtspflicht eines jeden beamten, rechtmäßig zu handeln, obliege gegenüber jedem als geschützten Dritten, der durch die Verletzung der Amtspflicht geschädigt werden könnte.

 

Der Mitarbeiter habe auch schuldhaft gehandelt. Der Amtsträger müsse die Kenntnisse und Einsichten besitzen oder sich verschaffen, die für die Führung des Amtes erforderlich seien. Er habe bei Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung die Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft und sorgfältig zu prüfen und danach seine Entscheidung auf Grund vernünftiger Überlegungen zu treffen (BGH, Urteil vom 09.12.2004 - II ZR 263/04 -). Die Normen des LVwVG müssten einem Mitarbeiter der kommunalen Vollstreckungsbehörde bekannt sein. Damit läge jedenfalls Fahrlässigkeit vor.

 

Eine Amtshaftung scheide nur dann aus, wenn der Geschädigte eine anderweitige Ersatzmöglichkeit habe. Dies sei hier nicht der Fall.

 

Das Landgericht nahm allerdings an, die Ersatzpflicht scheide hier nach § 839 Abs. 3 BGB aus, das es der Kläger vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Dem folgte das OLG nicht.

 

 

Auch die Ankündigung im Schreiben vom 23.07.2014, zur Absicherung der Forderung eine Zwangssicherungshypothek eintragen zu lassen, reiche nicht aus, hier ein Verschulden des Klägers anzunehmen. Zwar hätte er nach § 59 Abs. 2 LVwVG Eilrechtsschutz bei dem zuständigen Verwaltungsgericht beantragen können. Doch sei § 59 Abs. 2 LVwVG hier nicht anwendbar. Die Norm beträfe ausschließlich Verwaltungsakte, mit denen Geldforderungen gefordert würden (§§ 1 – 60 LVwVG). Vorliegend war aber kein Verwaltungsakt erlassen worden. Im Übrigen habe der Kläger, trotz fehlender Belehrung, das zulässige Rechtsmittel des Widerspruchs iSv. § 74 Abs. 1 S. 1 LVwVG eingelegt (Schreiben vom 30.07.2014), der vom Mitarbeiter der Beklagten schlicht nicht beachtet worden sei. Davon, dass die Beklagte den Widerspruch nicht beachtet und gar die Zwangsgsversteigerung beantragte, erfuhr der Kläger erst mit Zustellung des Zwangsversteigerungsbeschlusses durch das Gericht. Damit aber war die hier streitige Gebühr bereits angefallen.

 

Aus den Gründen:

 

 Tenor

 

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 21.12.2018, Az. 11 O 357/17 wie folgt abgeändert:

 

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger 1.156,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

2. Die Beklagte zu 1. hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der durch die zurückgenommene Berufung gegen die Beklagte zu 2. verursachen Kosten. Diese Kosten hat der Kläger zu tragen.

 

Von den Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger 50% und die Beklagten zu 1. 50 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 1. zu 50%. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. in vollem Umfang. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

 

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I.

 

Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 1. Schadensersatz wegen der Verletzung von Amtspflichten im Rahmen eines gegen ihn betriebenen Verwaltungsvollstreckungsverfahrens.

 

Die Beklagte zu 1. erneuerte im Dezember 2013 eine Wasserhausanschlussleitung mit Wasserzähler (WZ) - Schacht auf dem Grundstück des Klägers in der ...[Y]straße ... in ...[Z]. Hierfür forderte sie von dem Kläger mit Rechnung vom 17.12.2013 die Zahlung eines Betrages in Höhe von 3.116,22 EUR (Anlage K3 zur Klageschrift). Mit Schreiben vom 17.01.2014 (Anlage K4 zur Klageschrift) erinnerte die Beklagten zu 1. den Kläger an die Zahlung und mit weiterem Schreiben vom 18.02.2014 (Anlage K5 zur Klageschrift) mahnte sie ihn und forderte ihn auf, den Betrag nunmehr innerhalb einer Woche zu zahlen; andernfalls erfolge die Beitreibung im "Verwaltungszwangsverfahren".

 

Am 17.07.2014 sandte der Kläger ein Schreiben (Anlage K10 zur Klageschrift) mit folgendem Inhalt an die Beklagte zu 2.:

 

"(...) in obiger Angelegenheit habe ich von Ihnen vor einiger Zeit eine Mahnung erhalten, trotz intensiver Recherche in meinen Unterlagen konnte ich hierzu jedoch keine weiteren Schreiben finden, weder die in der Mahnung angegebene Rechnung noch sonst irgendetwas bezüglich der Erneuerung einer Wasserhausanschlussleitung (...). Ich bitte kurz um Überprüfung des Sachverhalts und Mitteilung, was es damit auf sich hat."

 

Die Beklagte zu 2. erwiderte hierauf schriftlich am 23.07.2014 wie folgt (Anlage K9 zur Klageschrift):

 

"(...) mit Erstaunen müssen wir Ihr Schreiben zur Kenntnis nehmen. Gemäß den uns vorliegenden Unterlagen wurde Ihnen am 17.12.2013 eine detaillierte Rechnung der Verbandsgemeindewerke bezüglich der Erneuerung einer Hausanschlussleitung mit WZ-Schacht für Ihr Anwesen ...[Y]straße ..., ...[Z], zugesandt. (...) Wir werden nunmehr zur Absicherung der Forderung eine Zwangssicherungshypothek im Grundbuch eintragen."

 

Noch gleichen Tag ersuchte die Beklagte zu 2. das Grundbuchamt um die Eintragung der Zwangssicherungshypothek. Die Eintragung erfolgte am 24.07.2014.

 

Am 30.07.2014 schrieb der Kläger an die Beklagte zu 2. (Anlage K10 zur Klageschrift):

 

"(...) die von Ihnen zitierte Rechnung liegt mir, wie bereits aus meinem vorherigen Schreiben unschwer zu entnehmen war, nicht vor. Auch habe ich weder einer Erneuerung der Hausanschlussleitung zugestimmt, noch habe ich diese beauftragt. Ich widerspreche Ihrer Forderung hiermit nochmals ausdrücklich und fordere Sie zudem auf, die zwischenzeitlich eingetragene Hypothek unverzüglich wieder aus dem Grundbuch zu entfernen. Zudem erwarte ich Ihre detaillierte Stellungnahme zu der angeblich erneuerten Hausanschlussleitung, insbesondere hinsichtlich des Grundes für die Erneuerung sowie der Rechtsgrundlage der Weiterberechnung. (...)"

 

Die Beklagte zu 1. erläuterte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 04.08.2014 (Anlage B2 zum Schriftsatz der Beklagten zu 1. vom 14.11.2018) die aus ihrer Sicht vorhanden gewesene Notwendigkeit der Erneuerung der Hausanschlussleitung und führte weiter aus:

 

"(...) in der Tat haben Sie diesen Arbeiten somit auch nicht zugestimmt und diese auch nicht beauftragt. Wir haben deshalb auf der Grundlage unserer Satzungen zur Minimierung der Kosten für Sie diese Arbeiten veranlassen müssen. Kostenträger außerhalb des öffentlichen Rechts ist der Anschlussnehmer. Eine entsprechende Kostenanforderung (Rechnung vom 17.12.2013) wurde Ihnen nach Fertigstellung der Arbeiten zugesandt. (...)"

 

Ein anschließender Vollstreckungsversuch durch die von der Beklagten zu 2. beauftragte Stadtkasse ...[X] als Vollstreckungsbehörde am Wohnsitz des Klägers scheiterte daran, dass der Kläger vor Ort nicht angetroffen werden konnte.

 

Am 12.11.2014 beantragte die Beklagte zu 2. schließlich auf der Grundlage der eingetragenen Zwangssicherungshypothek bei dem Amtsgericht Trier den Beitritt zu dem gegen den Kläger dort geführten Zwangsversteigerungsverfahren 23 K 10/13. Nachdem die Gläubigerin - die ...[A]bank AG - ihren Antrag auf Zwangsversteigerung in dem Verfahren 23 K 10/13 zurückgenommen hatte, hat das Amtsgericht Trier den Antrag auf Beitritt vom 12.11.2014 als Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung ausgelegt und daraufhin durch Beschluss vom 24.11.2014 die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes des Klägers angeordnet und zwar wie beantragt aufgrund des dinglichen und persönlichen Anspruchs aus der in dem Grundbuch eingetragenen Zwangssicherungshypothek (Bl. 12 in der BA 23 K 115/14).

 

Der Kläger beglich sodann die Forderung und die Beklagte zu 2. nahm ihren Antrag auf Zwangsversteigerung zurück, woraufhin das Amtsgericht Trier mit Beschluss vom 24.11.2015 das Zwangsversteigerungsverfahren aufhob (Bl. 75 in der BA 23 K 45/14 AG Trier).

 

Dem Kläger wurden danach die in dem Zwangsversteigerungsverfahren entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 1156,83 EUR in Rechnung gestellt (Vorblatt III in der BA 23 K 45/14: 0,5 Gebühr gemäß Nr. 2211 GKG KV - Verfahren im Allgemeinen - zzgl. Kosten für Zustellungen und Veröffentlichungen) und der Kläger beglich diese Rechnung durch Bareinzahlung auf der Gerichtszahlstelle des Amtsgerichts Trier am 23.11.2015 (Vorblatt IV in der BA 23 K 45/15).

 

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,

 

die Beklagten seien nicht berechtigt gewesen, die Zwangsversteigerung zu beantragen. Die Rechnung vom 17.12.2013 für die Erneuerung des Wasserhausanschlusses sei ihm erstmals mit dem Beschluss über die Anordnung der Zwangsversteigerung vom 24.11.2014 zugegangen. Den Beklagten sei aufgrund des vorherigen Schriftverkehrs bekannt gewesen, dass er die Rechnung vom 17.12.2013 nicht erhalten habe, so dass die Beklagten, in dem sie dennoch die Zwangsversteigerung beantragt hätten, grob fahrlässig gehandelt und deshalb auch die entstandenen Verfahrenskosten zu tragen hätten.

 

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

 

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1156,83 EUR nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Die Beklagten haben erstinstanzlich beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie haben ausgeführt, dass die Beklagte zu 2. als unselbstständige Abteilung der Beklagten zu 1. nicht rechts- und parteifähig sei. Die Voraussetzungen für die Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens hätten im Übrigen vorgelegen. Die Rechnung sei dem Kläger jedenfalls mit Schreiben vom 04.08.2014 nochmals übersandt worden. Das Zwangsversteigerungsverfahren sei zunächst auf Antrag der ...[A]bank AG und außerdem auch nicht nur wegen der Rechnung vom 17.12.2013, sondern auch wegen nicht gezahlter Grundsteuer und nicht gezahlten Wassergeldes sowie nicht gezahlter Kanalgebühren und Abwasserabgaben betrieben worden. Der Kläger habe auch die Rechtsschutzmöglichkeiten im Vollstreckungsverfahren nicht ausgeschöpft, so dass seine Klage schon wegen des nicht beachteten Vorrangs des Primärrechtsschutzes abzuweisen sei.

 

Durch Urteil vom 21.12.2018 hat die zuständige Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier die Klage abgewiesen.

 

Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die Einzelrichterin ausgeführt, dass die Klage gegen die Beklagte zu 2. nicht zulässig sei, da diese nicht parteifähig sei, § 50 ZPO. Partei sei stets die juristische Person des öffentlichen Rechts selbst; hier also die Beklagte zu 1. als Gebietskörperschaft (Verbandsgemeinde), nicht dagegen eine einzelne Behörde dieser Gebietskörperschaft.

 

Die Klage gegen die Beklagte zu 1. sei zwar zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte zu 1. keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG.

 

Durch die Stellung des Antrags auf Eintragung der Zwangssicherungshypothek, auf deren Grundlage dann die Zwangsversteigerung betrieben worden sei, habe die Beklagte zu 1. ihre Amtspflichten verletzt, da sie diesen Antrag gestellt habe, obwohl die allgemeinen Voraussetzungen der Vollstreckung nicht vorgelegen hätten; der Kläger habe vorgetragen, dass er die Rechnung erstmals mit dem Beschluss vom 24.11.2014 erhalten habe und die beweisbelastete Beklagte zu 1. habe einen früheren Zugang der Rechnung bei dem Kläger - vor der Stellung ihres Antrags auf Eintragung der Zwangssicherungshypothek - nicht nachweisen können. Hierdurch sei dem Kläger der geltend gemachte Schaden entstanden. Der Amtshaftungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1. sei jedoch ausgeschlossen, weil es der Kläger unterlassen habe, gegen die Einleitung des Vollstreckungsverfahrens durch die Beklagte zu 2. vorzugehen. Mit Schreiben vom 23.07.2014 hat die Beklagte zu 2. dem Kläger mitgeteilt, dass sie nunmehr zur Absicherung der Forderung eine Zwangssicherungshypothek im Grundbuch eintragen lassen werde. Diese Mitteilung stehe aber in dem Vollstreckungsverfahren einer dort ergangenen Verfügung gleich, § 59 Abs. 2 S. 3 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVG). Gegen diese vollstreckungsrechtliche Mitteilung hätte sich der Kläger gemäß § 59 Abs. 2 LVwVG wenden müssen. Soweit Vollstreckungsmaßnahmen selbst Verwaltungsakte oder - wie hier - solchen gleichgestellt seien, könnten sie mit den allgemeinen Rechtsbehelfen, also Widerspruch und Anfechtungsklage, angefochten werden. Soweit jedoch in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft sei, ergebe sich aus § 20 AGVwGO, wonach Rechtsbehelfe, die sich gegen Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung richteten, keine aufschiebende Wirkung hätten, dass der Eilrechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO eröffnet sei. In diesem Verfahren hätte der Kläger die von ihm begehrte Löschung der Zwangssicherungshypothek erreichen können mit der Folge, dass auch die Zwangsversteigerung des Grundstücks nicht angeordnet worden wäre. Ein solches Verfahren habe der Kläger aber schuldhaft nicht betrieben.

 

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, wobei sich sein Rechtsmittel nur noch gegen die Abweisung seiner Klage gegen die Beklagte zu 1. richtet, nachdem er seine Berufung in Bezug auf die Beklagte zu 2. zurückgenommen hat (Bl. 59, 78 d.A.).

 

Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Klageziel weiter. Er ist der Ansicht, dass das Landgericht den Anwendungsbereich des § 839 Abs. 3 BGB überdehnt habe. Der Kläger habe als juristischer Laie nicht wissen können, dass das unpräzise und informell gehaltenen Schreiben der Beklagten zu 2. vom 23.07.2014 einer in einem Vollstreckungsverfahren ergangenen Verfügung entspreche. Die Beklagte zu 1. hätte vielmehr auf den Widerspruch des Klägers vom 30.07.2014 reagieren und einen Widerspruchsbescheid erlassen oder die Aufhebung der Zwangssicherungshypothek veranlassen müssen. Die Beklagte zu 1. habe den Widerspruch des Klägers aber ignoriert. Der Kläger habe außerdem auch nicht damit rechnen müssen, dass die Beklagte zu 1. sofort die Zwangsversteigerung betreiben werde, da sich die Parteien noch im Dialog befunden hätten.

 

Der Kläger beantragt,

 

unter Abänderung des am 21.12.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Trier, Az.: 11 O 357/17, die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an den Kläger 1156,83 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Die Beklagte zu 1. beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und betont, dass das Landgericht zu Recht von einem Verschulden des Klägers bei der Versäumung der Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz ausgegangen sei. Seine Rechtsunkenntnis könne den Kläger nicht entlasten; er habe es versäumt, Rechtsrat einzuholen. Es sei unerheblich, dass über den Widerspruch des Klägers nicht zeitnah entschieden worden sei, da es gerade für solche Fälle die Möglichkeit des gerichtlichen Eilrechtsschutzes gebe. Der Kläger hätte den Eintritt des Schadens durch die rechtzeitige Einleitung eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens verhindern können. Anfragen des Klägers oder gar Gespräche wegen eines etwaigen Zahlungsaufschubs habe es nicht gegeben, so dass aus Sicht der Beklagten zu 1 keine Veranlassung bestanden habe, mit der Realisierung der durch die Zwangssicherungshypothek gesicherten Forderung zuzuwarten.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

II.

 

Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

 

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1. nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung in Höhe von 1156,83 EUR.

 

1. Bei dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten zu 2., der Verbandsgemeindekasse ...[Z] als Vollstreckungsbehörde, der am 23.07.2014 die Eintragung der Zwangssicherungshypothek auf das Grundstück des Klägers in das Grundbuch veranlasste und danach am 12.11.2014 bei dem Amtsgericht Trier den Beitritt zu dem anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren beantragte, woraufhin letztlich die Zwangsversteigerung des Grundstücks des Klägers angeordnet und die hier streitgegenständliche Gebühr GKG KV Nr. 2211 in Höhe von 1156,83 EUR ausgelöst wurde, handelt es sich um einen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Amtswalter, der in Ausübung ihm anvertrauter hoheitlicher Befugnisse gehandelt hat; mithin um einen Beamten im haftungsrechtlichen Sinn des § 839 BGB.

 

Ansprüche aus Pflichtverletzungen, die dieser Beamte in Ausübung seines hoheitlichen Amtes begangen hat, gehen nach Art. 34 Abs. 1 GG im Wege einer befreienden Schuldübernahme auf den Staat über. Passivlegitimiert ist deshalb die Körperschaft, die den Amtsträger angestellt und ihm die Möglichkeit der Amtsausübung eröffnet hat (vgl. Kramarz in Prütting/Wegen/Weinrech, BGB Kommentar, 13. Aufl. 2018, § 839 Rn. 11, 13, 15). Dies ist hier die Beklagte zu 1..

 

2. Dem Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde obliegt die allgemeine Rechtspflicht zu rechtmäßigen Handeln. Er hat als Amtswalter die Pflicht, bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben die den Staat bindenden Rechtspflichten zu beachten, insbesondere die Normen des Bundes- und Landesrechts und zwar unabhängig davon, ob diese dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen sind (vgl. Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Staatshaftungsrechts, 2. Aufl., S. 137, 138).

 

Der Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde hat hier jedoch die einschlägigen Normen des rheinland-pfälzischen Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes (LVwVG) nicht beachtet und somit pflichtwidrig gehandelt.

 

Dem Kläger wurde am 17.12.2013 von der Beklagten zu 1. ein Betrag in Höhe von 3.116,22 EUR für die "Erneuerung der Wasserhausanschlussleitung mit WZ-Schacht" in Rechnung gestellt (Anlage K3 zur Klageschrift).

 

Da der Kläger diesen Betrag in der Folgezeit nicht zahlte, leitete die Beklagte zu 1. Vollstreckungsmaßnahmen ein.

 

Der zuständige Mitarbeiter der Verbandsgemeindekasse als Vollstreckungsbehörde der Beklagten zu 1. betrieb sodann die Verwaltungsvollstreckung, obwohl die Voraussetzungen hierfür gar nicht vorlagen. Darüber hinaus beachtete er auch die einschlägigen Verfahrensvorschriften des LVwVG nicht.

 

Im Einzelnen:

 

a) Die Beklagte zu 1. selbst stützt ihre Forderung für die Erneuerung der Wasserhausanschlussleitung auf ihre "Entgeltsatzung Wasserversorgung" und ihre "Allgemeine Wasserversorgungssatzung der Verbandsgemeinde ...[Z] vom 18.04.2012" (vgl. Anlage B2 zur Klageerwiderung). Es handelt sich damit um eine öffentlich-rechtliche Forderung; hiervon geht auch die Beklagte zu 1. selbst aus (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 19.11.2018, Bl. 62 d.A.: "Damit besteht eine öffentlich-rechtliche Forderung, unabhängig von der Bezeichnung als Rechnung"). Grundsätzlich muss dann aber ein entsprechender Verwaltungsakt erlassen werden, woran es vorliegend bereits fehlt.

 

Zivilrechtliche Ansprüche einer Kommune sind, dem Gewaltenteilungsgrundsatz folgend, dagegen nicht durch einen Verwaltungsakt, sondern durch einen Mahnbescheid oder die Erwirkung eines gerichtlichen Vollstreckungstitels zu verfolgen, zu dessen Durchsetzung dann regelmäßig der Gerichtsvollzieher einzuschalten wäre (vgl. Klomfaß: Zur Verwaltungsvollstreckung zugelassene privatrechtliche Forderungen in NJOZ 2016, 121).

 

Hiervon gibt es jedoch Ausnahmen. Einzelne privatrechtliche Ansprüche werden in Landesgesetzen zur Verwaltungsvollstreckung zugelassen. Bei diesen zur Verwaltungsvollstreckung zugelassenen Geldforderungen stellt § 71 Abs. 2 LVwVG klar, dass die Vorschriften des LVwVG entsprechend gelten, wobei die Zahlungsaufforderung an die Stelle des ansonsten notwendigen Verwaltungsaktes tritt (vgl. Klomfaß a.a.O.).

 

Hier hat der Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung auf die Rechnung vom 17.12.2013, mithin auf eine bloße Zahlungsaufforderung, gestützt.

 

Die der Rechnung vom 17.12.2013 zu Grunde liegende Forderung war jedoch nicht zur Verwaltungsvollstreckung zugelassen, da sie nicht § 71 Abs. 1 LVwVG i.V.m. § 1 a), b) der Landesverordnung über die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen (RhpfLVwVGpFVO) unterfällt. Es handelt sich hier insbesondere bei der Erneuerung der Wasserhausanschlussleitung nicht um die Lieferung von Gas, Wasser, Wärme und elektrischer Energie. Nur für solche Forderungen eröffnet aber § 1 RhPfLVwVGpVO die Möglichkeit der Beitreibung nach dem LVwVG; die anderen Alternativen der Norm sind ersichtlich nicht einschlägig. Die Landesregierung hat im Rahmen der Landesverordnung über die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen von ihrer in § 71 Abs. 1 LVwVG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch gemacht und eine abschließende Aufzählung der zulässigen Forderungen in § 1 vorgenommen; d.h. andere als die hier aufgezählten Forderungen sind von der Verwaltungsvollstreckung ausgenommen (vgl. Beckmann/Stollenwerk in Praxis der Kommunalverwaltung, Stand 2012, A 19 RhPf, § 71 LVwVG Erläuterung Nr. 3).

 

Die Beitreibung der Forderung nach dem LVwVG und die Veranlassung der Eintragung der Zwangssicherungshypothek zum Zwecke der Rangwahrung bei einer späteren Zwangsversteigerung war hier somit nicht zulässig.

 

b) Unabhängig davon (die Zulässigkeit der Beitreibung nach dem LVwVG unterstellt) wurden im nachfolgenden Verfahrensgang aber auch die dann anzuwendenden Verfahrensvorschriften des LVwVG durch den zuständigen Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde missachtet.

 

§ 74 Abs. 1 S. 1 LVwVG bestimmt, dass die Vollstreckung einzustellen ist, sobald der Vollstreckungsschuldner "gegen den Anspruch als solchen" bei der Vollstreckungsbehörde schriftlich oder zu Protokoll Widerspruch erhebt. Der Vollstreckungsschuldner ist über dieses Recht zu belehren, § 74 Abs. 1 S. 1 LVwVG.

 

Folge des Widerspruchs des Vollstreckungsschuldners ist, dass der Gläubiger binnen eines Monats nach Erhebung des Widerspruchs nachweisen muss, dass er wegen seiner Ansprüche Zivilklage eingereicht oder den Erlass eines Mahnbescheids beantragt hat; andernfalls sind die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben, § 74 Abs. 2 LVwVG. Die Vollstreckung kann nur noch nach der Maßgabe der Zivilprozessordnung fortgesetzt werden, § 74 Abs. 3 LVwVG.

 

Diese Regelungen dienen dem notwendigen Schutz des Vollstreckungsschuldners. In einem zivilrechtlichen Verfahren wird dem Schuldner rechtliches Gehör gewährt, bevor gegen ihn ein Titel ergeht. Bei der Verwaltungsvollstreckung einer zivilrechtlichen Forderung genügt dagegen für die Einleitung der Vollstreckung die bloße Zahlungsaufforderung. Diese unterscheidet sich indessen gänzlich von einem Verwaltungsakt im öffentlich-rechtlichen Verfahren, gegen den das Rechtsmittel des Widerspruchs zulässig ist (vgl. Beckmann/Stollenwerk, a.a.O., § 74 LVwVG, Erläuterung Nr. 1).

 

Der Kläger ist hier nicht über sein Recht zum Widerspruch gemäß § 74 Abs. 1 S. 2 LVwVG belehrt worden.

 

Dennoch hat er mit Schreiben vom 30.07.2014, gerichtet an den zuständigen Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde (Anlage K10 zur Klageschrift) Widerspruch "gegen den Anspruch als solchen" erhoben, indem er ausgeführt hat: "Ich widerspreche Ihrer Forderung nochmals ausdrücklich und fordere Sie zudem auf, die zwischenzeitlich eingetragene Hypothek unverzüglich wieder aus dem Grundbuch zu entfernen. Zudem erwarte ich Ihre detaillierte Stellungnahme zu der angeblich erneuerten Hausanschlussleitung insbesondere hinsichtlich des Grundes für die Erneuerung sowie der Rechtsgrundlage der Weiterberechnung."

 

Nach diesem Widerspruch hätte der zuständige Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde binnen eines Monats den Erlass eines Mahnbescheids beantragen oder Zivilklage gegen den Kläger erheben müssen, § 74 Abs. 2 S. 1 LVwVG, um dem Verfahren Fortgang zu geben; da er dies nicht getan hat, hätte er jedenfalls nach Ablauf eines Monats die Löschung der bereits eingetragenen Zwangssicherungshypothek veranlassen müssen, § 74 Abs. Abs. 2 S. 1 LVwVG.

 

Da der Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde den Widerspruch des Klägers unbeachtet gelassen hat, hat er gegen die zwingenden Verfahrensvorschriften des § 74 LVwVG verstoßen und damit pflichtwidrig gehandelt.

 

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass in der Verwaltungsvollstreckung für die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek die Vorlage eines Titels nebst Zustellungsnachweisen nicht erforderlich ist. Es genügt der Antrag der Vollstreckungsbehörde, der als Ersuchen im Sinne des § 38 GBO zu qualifizieren ist und dem Grundbuchamt das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen bindend bescheinigt (vgl. Kindl in Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 867 Rn. 4). Hieraus ergibt sich aber eine besondere Verantwortung des Mitarbeiters der Vollstreckungsbehörde, umgehend die Löschung der Zwangssicherungshypothek zu veranlassen, wenn die Voraussetzungen für deren Eintragung offensichtlich nicht (mehr) vorliegen.

 

Der zuständige Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde hat am 12.11.2014 erneut pflichtwidrig gehandelt, indem er den Beitritt zu dem gegen den Kläger geführten Zwangsversteigerungsverfahren 23 K 10/13 bei dem Amtsgericht Trier beantragt und sich dabei explizit auf die eingetragene Zwangssicherungshypothek (deren Löschung er längst hätte veranlassen müssen) gestützt hat. Hinweise auf den zuvor mit dem Kläger geführten Schriftverkehr und dessen Widerspruch ergaben sich aus dem Antrag an das Amtsgericht nicht.

 

Nachdem die ...[A]bank AG ihren Antrag auf Zwangsversteigerung (23 K 10/13) zurückgenommen hatte, hat das Amtsgericht Trier den Antrag auf Beitritt des Mitarbeiters der Vollstreckungsbehörde vom 12.11.2014 als Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung ausgelegt und daraufhin durch Beschluss vom 24.11.2014 die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes des Klägers angeordnet und zwar wie beantragt aufgrund des dinglichen und persönlichen Anspruchs aus der in dem Grundbuch eingetragenen Zwangssicherungshypothek (Bl. 12 in der BA 23 K 115/14).

 

Mit der ersten Handlung des Gerichts nach dem Wirksamwerden des Anordnungsbeschlusses, hier der Zustellung des Beschlusses an den Schuldner (vgl. Bl. 13 in der BA 23 K 115/14) ist dann die Gebühr GKG KV Nr. 2211 - Verfahren im Allgemeinen - angefallen (vgl. Zimmermann in Binz/Dorndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl., Erläuterung zu GKG KV Nr. 2211, Rn. 1), die sich im vorliegenden Verfahren auf 1156,83 EUR beläuft. Der Kläger hat diese Gebühr bezahlt und verlangt nunmehr entsprechenden Schadensersatz von der Beklagten zu 1..

 

c) Eine Amtspflichtverletzung des zuständigen Mitarbeiters der Vollstreckungsbehörde ergibt sich ferner auch aus den in der erstinstanzlichen Entscheidung dargelegten Gründen. Der Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde hat bei dem Amtsgericht den Antrag auf Zwangsversteigerung gestellt, obwohl die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, hier die Zustellung, nicht vorlagen. Die Beklagte zu 1. konnte nicht nachweisen, dass der Kläger die Rechnung vor der Stellung des Antrags auf Eintragung der Zwangssicherungshypothek erhalten hat. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil verwiesen.

 

3. Die allgemeine Amtspflicht eines jedes Beamten, rechtmäßig zu handeln und die Gesetze zu beachten, obliegt diesem gegenüber jedem als geschütztem Dritten, der durch die Verletzung dieser Amtspflichten geschädigt werden könnte (Kramarz, a.a.O., Rn. 30). Der zuständige Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde hat durch die Nichtbeachtung der zwingenden Normen des LVwVG somit drittbezogene Amtspflichten, die gerade auch den Kläger als Vollstreckungsschuldner schützen, insbesondere § 74 LVwVG, verletzt. Infolge der Nichtbeachtung dieser Norm kam es zu der Beantragung des Zwangsversteigerungsverfahrens bei dem Amtsgericht Trier, nach dessen Anordnung die hier streitgegenständliche Gebühr GKG KV Nr. 2211 in Höhe von 1156,83 EUR angefallen ist.

 

4. Der zuständige Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde hat schuldhaft gehandelt.

 

Insoweit gilt ein objektiver Maßstab. Jeder Amtsträger muss die Kenntnisse und Einsichten besitzen oder sich verschaffen, die für die Führung des übernommenen Amtes erforderlich sind. Er hat bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung die Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach auf Grund vernünftiger Überlegungen seine Entscheidungen zu treffen (vgl. BGH NJW 2005, 748).

 

Die Normen des LVwVG müssen einem Mitarbeiter einer kommunalen Vollstreckungsbehörde, zu dessen Hauptaufgaben gerade die Beitreibung von Forderungen der Kommune gehört, grundsätzlich bekannt sein. Bei Unsicherheiten in der Anwendung muss der Amtsträger versuchen, sich Klarheit zu verschaffen; etwa durch die Hinzuziehung von Kommentierungen oder Rücksprache mit Vorgesetzten. Hier ergab sich das einzuhaltende Verfahren indessen bereits unmittelbar aus dem Gesetzestext. Aus den Schreiben des Amtsträgers, insbesondere seiner Korrespondenz mit dem Kläger, ist aber kein Hinweis auf das LVwVG ersichtlich. Dies führt zu dem Schluss, dass der zuständige Mitarbeiter der Verwaltungsbehörde offensichtlich nicht erkannt hat, dass die Normen des LVwVG bei dem von ihm eingeschlagenen Verfahrensgang zu beachten waren. Hieraus ergibt sich für den vorliegenden Sachverhalt ein fahrlässiges Handeln des zuständigen Mitarbeiters der Vollstreckungsbehörde.

 

5. Eine andere Ersatzmöglichkeit des Klägers nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB besteht nicht.

 

6. Die Ersatzpflicht der Beklagten zu 1. entfällt auch nicht nach § 839 Abs. 3 BGB deshalb, weil es der Kläger vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

 

a) Der Senat folgt nicht den Ausführungen des Landgerichts, wonach es sich bei dem Schreiben des zuständigen Mitarbeiters der Vollstreckungsbehörde vom 23.07.2014, mit dem der Kläger davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass nunmehr zur Absicherung der Forderung die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek in das Grundbuch veranlasst wird, um eine vollstreckungsrechtliche Mitteilung handelt, gegen die der Kläger gemäß § 59 Abs. 2 LVwVG hätte vorgehen und verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen müssen.

 

§ 59 LVwVG ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Dies ergibt sich aus der Systematik des LVwVG. Die §§ 19 - 60 LVwVG betreffen ausschließlich die Vollstreckung von Verwaltungsakten, mit denen eine Geldleistung gefordert wird (vgl. Beckmann/Stollenwerk, Praxis der Kommunalverwaltung, Stand: August 2012, A 19 RhPf, unter I. Abschnitt: Gemeinsame Vorschriften). Im vorliegenden Fall ist aber gerade kein Verwaltungsakt erlassen worden; die Vollstreckung wurde vielmehr allein auf der Grundlage der Rechnung vom 17.12.2013 betrieben.

 

b) Mit der Erhebung des Widerspruchs vom 30.07.2014, mit dem sich der Kläger (obwohl er gar nicht, wie in § 74 Abs. 1 S. 2 LVwVG vorgesehen, über diese Möglichkeit belehrt worden war) im Sinne des § 74 Abs. 1 S. 1 LVwVG "gegen den Anspruch als solchen" wandte, hat der Kläger vielmehr das im vorliegenden Fall erforderliche Rechtsmittel eingelegt. Der Widerspruch des Klägers ist von dem zuständigen Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde schlicht nicht beachtet worden. Davon, dass dieser das Verfahren einfach weiter betrieb und sogar die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes des Klägers beantragte, erfuhr der Kläger erst mit der Zustellung des Zwangsversteigerungsbeschlusses. Damit war aber die hier streitgegenständliche Gebühr GKG KV Nr. 2211 schon angefallen, ohne dass es dem Kläger noch möglich und zumutbar gewesen wäre, den Eintritt des Schadens abzuwenden.

 

7. Der Kläger hat somit gegen die Beklagte zu 1. einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1156,83 EUR wegen Amtspflichtverletzung, § 839 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 34 GG.

 

Dem Kläger ist in dieser Höhe ein kausaler Schaden entstanden.

 

Der Kläger kann verlangen, so gestellt zu werden, als hätte sich der Amtsträger pflichtgemäß verhalten (Kramarz, a.a.O., Rn. 57). Dann hätte der zuständige Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde aber jedenfalls nach dem Widerspruch des Klägers die Löschung der eingetragenen Zwangssicherungshypothek veranlassen müssen und hätte diese nicht zur Grundlage eines Antrags auf Zwangsversteigerung machen dürfen; die Gebühr GKG KV Nr. 2211 in Höhe von 1156,83 EUR wäre dann auch nicht angefallen. Der adäquate Kausalzusammenhang wird hier nicht dadurch unterbrochen, dass der Rechtspfleger bei dem Amtsgericht Trier durch Beschluss vom 24.11.2014 (Bl. 12 in der BA 23 K 115/14) die Zwangsversteigerung antragsgemäß angeordnet hat. Unabhängig von der Frage, ob sich der Rechtspfleger aufgrund der Eintragung der Zwangssicherungshypothek nicht schon darauf verlassen durfte, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen auch vorlagen, liegt die ganz überwiegende Verantwortung hier in jedem Fall bei dem zuständigen Mitarbeiter der Vollstreckungsbehörde. Dieser hat die maßgeblichen Normen nicht beachtet, dennoch dem Grundbuchamt mit seinem Antrag auf Eintragung der Zwangssicherungshypothek das (tatsächlich nicht gegebene) Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen mit bindender Wirkung bescheinigt, die Veranlassung der Löschung der Zwangssicherungshypothek, zu der er nach dem Widerspruch des Klägers verpflichtet gewesen wäre, versäumt, und sich auch bei dem Antrag auf Zwangsversteigerung gegenüber dem Amtsgericht auf die eingetragene Zwangssicherungshypothek berufen, ohne dem Amtsgericht den Widerspruch des Klägers oder die mit diesem zuvor geführte Korrespondenz mitzuteilen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 516 Abs. 3 S. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 1156,83 EUR festgesetzt.