Architektenplanung: Anspruch aus ungerechtfertigter
Bereicherung bei heimlicher Entwurfsverwertung
OLG Celle, Urteil vom 20.03.2019
- 14 U 55/18 -
Kurze Inhaltsangabe:
Das OLG war, entgegen dem Landgericht, der Ansicht, dass der Klägerin ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte zustünde,
da diese durch die unberechtigte Verwendung einer Entwurfsplanung der Klägerin für ein Bauvorhaben einen entsprechenden vermögenswerten Vorteil („etwas erlangt“ iSv. § 812 Abs. 1 BGB) habe.
Entscheidens sei, dass nach Überzeugung des OLG die Beklagte weitgehend eine Entwurfsplanung der Klägerin verwandt habe. Dies bereits aufgrund eines vom Sachverständigen festgestellten
Detailreichtum in der Übereinstimmung, dass nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass die Bauantragsplanung ohne Kenntnis der klägerischen Entwurfsplanung erstellt worden sei. Das sei dem
Umstand geschuldet, dass der Entwurf nicht kongenial, sondern der Bauplanungsantrag durch Übernahme der vorhandenen Ergebnisse der Klägerin entstanden sei.
Soweit die Beklagte behauptete, ihr Geschäftsführer habe seine Vorstellungen zum Bauvorhaben schon vor der Tätigkeit der Klägerin skizziert, kann dies nach Ansicht des OLG dahinstehen. Denn
jedenfalls hätte die Klägerin dessen Idee konzeptionell übernommen und weiterentwickelt und damit die Vorstellungen in einen realistischen Entwurf umgesetzt, der dann wiederum (ohne Kenntnis der
Klägerin) Grundlage für die Bauplanung der Beklagten wurde.
Allerdings könnte wohl der bereicherungsrechtliche Anspruch der Klägerin entfallen, wenn die Beklagte ihre Planung bereits vor dem ersten Kontakt zur Klägerin weitestgehend abgeschlossen gehabt
hätte. Diese Ausführungen werden im Zusammenhang mit der Bewertung der Entwurfsübernahme durch die Beklagte verständlich, gegen die jedenfalls eine vorherige Fertigstellung der Beklagten sprechen
würde (wobei allerdings im Weiteren das OLG darauf verweist, dass die Klägerin selbst nicht behauptet habe, dass ihre Planung dem Entwurf der Klägerin ähnlich sei. Diesen Vortrag
unterstützte zwar die Beklagte mit der weiteren Behauptung, es hätten bereits sechs Angebote diverser Generalunternehmer vorgelegen. Allerdings habe die Beklagte, auch nach Hinweis durch das OLG,
diese Behauptungen nicht unter Beweis gestellt
Durch die Verwendung der Entwurfsplanung der Klägerin habe sich die Beklagte Aufwendungen erspart, die der Höhe nach nach den sich aus der HOAI ergebenden Mindesthonorarsätzen zu ermitteln seien,
wobei vorliegend die Beklagte auch die Kostenschätzung der Klägerin zu Ermittlung der anrechenbaren Kosten nicht bestritten habe (§ 138 Abs. 3 ZPO). Auch wenn hier die Beklagte nicht selbst
Bauherrin war, sei dies für den Anspruch nicht entscheidend, da auch die Weitergabe der Pläne (hier durch die Beklagte an die Bauherrin oder den Generalunternehmer) eine Nutzung durch
Verwertung darstelle und den Anspruch begründe.
Eine Leistung der Klägerin läge aufgrund der heimlichen Vorgehensweise der Beklagten bereits nicht vor und die im Rahmen der Akquisition überlassenen Pläne stelle sich nicht als (bewusste)
Leistung für das spätere Bauvorhaben dar (also keine bewusste Mehrung fremden Vermögens, die dem bereicherungsrechtlichen Anspruch entgegen stehen könnte).
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin
wird das am 14. Februar 2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 18.141,54 € zzgl. Zinsen
in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. Juli 2014 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
Die Revision wird nicht
zugelassen.
Der Streitwert für das
Berufungsverfahren wird auf 18.141,54 € festgesetzt.
Gründe
(abgekürzt
gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO)
I.
Die
gemäß §§ 511, 517, 520 ZPO zulässige Berufung ist begründet.
1. Die Klägerin hat gegen die
Beklagte einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe von 18.141,54 € gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 2. Var., 818 Abs. 2 BGB; denn die Beklagte hat
durch die unberechtigte Verwendung der Entwurfsplanung der Klägerin für die Erweiterung bzw. den Neubau des Büro- und Lagergebäudes in der E.-N.-Straße in W. auf deren Kosten einen
vermögenswerten Vorteil in dieser Höhe erlangt.
a) Erlangtes „etwas“ im Sinne
von § 812 Abs. 1 BGB ist jeder vermögenswerte Vorteil, der auch in ersparten Aufwendungen bestehen kann (vgl. nur Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 812 Rn. 8 und 11). Hier
liegt eine Bereicherung der Beklagten vor, da diese die Architektenleistung unberechtigt genutzt hat (dazu folgend b) und bei ordnungsgemäßem Vorgehen für die Nutzung eine Bezahlung - zumindest
nach den Mindestsätzen der HOAI - geschuldet hätte (Sprau, a.a.O., § 812 Rn. 11, 12), die sie so erspart hat (ebenfalls für eine Verwendung einer Planung im Baugenehmigungsverfahren einen
Bereicherungsanspruch bejahend LG Arnsberg, Urt. v. 04.05.2011 - 3 S 1/11, BauR 2012, 521; jurisPR-PrivBauR 1/2012, Anm. 5 mwN).
b) Der Senat ist nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beklagte die von der Klägerin erstellte Entwurfsplanung für das o. g. Bauvorhaben verwendet hat.
aa) Nach den Angaben des
Sachverständigen Dipl.-Ing. R. in seinem schriftlichen Gutachten vom 3. Juli 2017 und dessen ergänzenden Angaben vor dem Senat am 26. Februar 2019 ist von einer „weitgehenden Verwendung“ der
Entwurfsplanung der Klägerin im Rahmen des Bauantragsverfahrens für das o. g. Bauvorhaben auszugehen. Der Sachverständige ist im Rahmen seiner Untersuchung zu dem Schluss gekommen, dass der
Entwurfsverfasser der Bauantragsplanung die Entwurfsplanung der Klägerin gekannt und sie in wesentlichen Teilen verwertet haben muss. Zwar hat es hier zunächst eine „Null-Lösung“ bzw. ein
„Raumprogramm“ des Geschäftsführers der Beklagten gegeben, die Grundlage der Planung der Klägerin war und auf die auch die Bauantragsplanung letztlich aufbaut. Die Bauantragsplanung weise jedoch
derart viele besondere Planungsdetails auf, die bereits Gegenstand der Entwurfsplanung der Klägerin gewesen sind, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Bauantragsplanung ohne
Vorlage der Entwurfsplanung erstellt worden ist.
Insbesondere sticht hier die von
der Klägerin erstellte Planung des Fensters in der Eingangshalle heraus, das mit einer Verglasung mit Lüftungsflügeln versehen ist, die übereinandergestapelt angeordnet und zu öffnen sind. Diese
Lösung sei nach der Erfahrung des Sachverständigen keineswegs eine gängige, d. h. typische Standardplanung, sondern etwas Besonderes, was nicht alltäglich sei. Dennoch findet sich genau diese
Planung in der Bauantragsplanung wieder, was - so der Sachverständige - kein Zufall sein könne.
Eine weitere ungewöhnliche
Übereinstimmung zwischen der Entwurfsplanung des Klägers und der Bauantragsplanung besteht in der Gestaltung der Treppe bzw. des Treppenhauses. Entgegen dem ersten Entwurf des Geschäftsführers
der Beklagten im sogenannten Raumprogramm, welcher eine zweiläufige Treppe, wie sie üblich und erwartbar gewesen sei, vorsieht, hat die Klägerin davon abweichend eine einläufige Treppe geplant.
Die Klägerin hat danach den zunächst stimmigen Entwurf aus dem Raumplan abgeändert. Die Bauantragsplanung sieht ebenfalls eine einläufige Treppe - entsprechend der Planung der Klägerin - vor,
nicht aber die von dem Geschäftsführer der Beklagten zunächst angedachte zweiläufige Treppe. Auch dies sei ungewöhnlich und spreche für eine Verwendung der Entwurfsplanung bei Erstellung der
Bauantragsplanung. Denn neben einer zweiläufigen und einläufigen Gestaltung der Treppe wären auch noch diverse andere Planmöglichkeiten für die Treppe denkbar gewesen, die hier jedoch nicht zur
Anwendung kamen.
Eine weitere markante
Übereinstimmung ergibt sich nach den Angaben des Sachverständigen aus der Planung der Anordnung der Büros. Das Raumprogramm des Geschäftsführers der Beklagten sah insoweit eine Planung „um die
Ecke“ vor, wobei eine - planerisch nachvollziehbare - Zugangsmöglichkeit angedacht war. Die Entwurfsplanung der Klägerin stellte dann jedoch eine Verbindung der Büros zur Halle her, so dass die
Büros ohne einen Stichflur direkt zugänglich wurden. Wiederum genau diese - von der Raumplanung abweichende - Lösung findet sich dann in der Bauantragsplanung.
Darüber hinaus gibt es - so der
Sachverständige - weitere auffällige von der Raumplanung abweichende Änderungen in der Entwurfsplanung der Klägerin, die in die Bauantragsplanung aufgenommen worden sind. So ist in Bezug auf das
Büro links, welches als Raum 01 im Bereich der Halle bezeichnet ist, eine Tür, ein Zugang und ein Fenster vorgesehen, das in der Raumplanung jedoch nicht vorgesehen war. Diese von der Klägerin
geänderte Planung ist dann auch wieder in der Bauantragsplanung enthalten. Das ist deswegen besonders auffällig, da die Bauantragsplanung eine andere Raumnutzung für diesen Raum aufweist und
dennoch die gleichen Öffnungen im Büro vorsieht. Anstelle eines Büros (Entwurfsplanung) wird der Raum nun als Werkstatt (Bauantragsplanung) bezeichnet, hat aber dieselben Zugangsmöglichkeiten
bzw. Öffnungen.
bb) Die Angaben des
Sachverständigen sind überzeugend und nachvollziehbar. Dieser hat sich - entgegen dem Einwand der Beklagten - auch im Einzelnen mit dem Erstentwurf des Geschäftsführers der Beklagten
auseinandergesetzt und diesen sowohl mit der Entwurfsplanung der Klägerin als auch mit der Bauantragsplanung verglichen, wie seine Ausführungen im Einzelnen ergeben haben.
Nach alledem lassen die Vielzahl
der vorgenannten Übereinstimmungen - auch wenn nicht alle Maße der Entwurfs- und der Bauantragsplanung gleich sind - im Ergebnis nur den Schluss zu, dass der Entwurf nicht „kongenial“, sondern
durch Übernahme vorhandener Ergebnisse entstanden ist.
c) Einem Bereicherungsanspruch
steht nicht entgegen, dass - nach der Behauptung der Beklagten - der Geschäftsführer der Beklagten seine Vorstellungen zum Bauvorhaben schon vor der Tätigkeit der Klägerin skizziert hatte.
Jedenfalls hat die Klägerin die Idee des Geschäftsführers der Beklagten konzeptionell übernommen und weiterentwickelt und damit die Vorstellungen in einen realistischen Entwurf umgesetzt
(Sachverständigengutachten Seite 4).
d) Soweit die Beklagte hingegen
behauptet, ihre Planung bereits vor dem ersten Kontakt zur Klägerin weitestgehend abgeschlossen gehabt zu haben, und dass bereits sechs Angebote verschiedener Generalunternehmen vorgelegen
hätten, wird dies durch nichts belegt. Der Vortrag bleibt auch in der Berufungsinstanz - trotz Hinweis des Senats - unsubstantiiert; ein Beweisangebot fehlt. Der Vortrag der Beklagten ist dann
aber unerheblich, da die Beklagte nicht vorträgt, dass eine Vor- bzw. Entwurfsplanung eines anderen Unternehmens bereits vorgelegen hat bzw. nochmals für die Genehmigungsplanung erstellt worden
ist. Dann aber kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte andere Planungen schon vorliegen hatte, da sie nicht vorträgt, dass diese dem Entwurf der Klägerin ähnelten.
e) Durch die Verwendung der
Entwurfsplanung der Klägerin hat die Beklagte Aufwendungen in Höhe der Klageforderung erspart. Die ersparten Aufwendungen bestehen danach in Höhe des sich nach der HOAI ergebenden
Mindestsatzhonorars. Die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin zu den anrechenbaren Kosten gemäß Kostenschätzung der Klägerin (Anlage K 15) nicht bestritten, so dass dieser gem. § 138
Abs. 3 ZPO als unstreitig zu behandeln ist. Da die Beklagte auch im Übrigen nicht bestreitet, dass die Klägerin alle Elemente der abgerechneten Leistungsphasen 1 bis 3 erbracht hat, die
Klägerin im Übrigen nach Mindestsätzen abrechnet und die Beklagte sich nicht gegen die Einordnung in die Honorarzone III wendet, ist von dem abgerechneten Honorar in Höhe von 18.141,54 € als
Maßstab für eine üblicherweise geschuldete Vergütung auszugehen.
Dabei kann dahinstehen, dass
nicht die Beklagte das Bauvorhaben durchgeführt hat, sondern die V. GbR als Eigentümerin des Grundstücks. Denn in der Weitergabe der Pläne durch die Beklagte - wobei es letztlich nicht darauf
ankommt, ob der Geschäftsführer der Beklagten oder eine dritte für die Beklagte handelnde Person tätig geworden ist - an die V. GbR oder an einen weiteren Planer oder Generalunternehmer zur
weiteren Nutzung liegt die Verwertung der Pläne. Daher ist es hier auch ohne Relevanz, dass die Beklagte lediglich Mieterin des neuen bzw. erweiterten oder umgebauten Gebäudes ist.
f) Die vorgenannten ersparten
Aufwendungen hat die Beklagte in sonstiger Weise und auf Kosten des Klägers erspart. Denn eine Leistung des Klägers oder eines Dritten liegt offensichtlich nicht vor, da aufgrund der heimlichen
Vorgehensweise der Beklagten nicht von einem Rechtsbindungswillen der Beklagten und damit nicht vom Abschluss eines Architektenvertrages zwischen den Parteien auszugehen ist. Allein der Umstand,
dass die Klägerin dem Beklagten im Rahmen der Akquisition Pläne überlassen hat, stellt ersichtlich keine Leistung für das später durchgeführte Bauvorhaben dar, da der Kläger insoweit das Vermögen
der Beklagten nicht bewusst mehren wollte (vgl. LG Arnsberg, Urt. v. 04.05.2011 - 3 S 1/11, BauR 2012, 521).
g) Nach Vorgenanntem erfolgte
die Bereicherung auch rechtsgrundlos.
h) Da die erlangte Bereicherung
im Form ersparter Aufwendungen nicht herausgegeben werden kann, schuldet die Beklagte gem. § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz in Höhe der o. g. angemessenen und üblichen Vergütung
von 18.141,54 €.
2. Der Zinsanspruch ergibt sich
aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 2 BGB. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 28.07.2014 (Anlage K 10 - Bl. 34 d. A.) die
Leistung endgültig verweigert.
II.
Die Kostenentscheidung beruht
auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO in
Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.
Gründe für die Zulassung der
Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder
eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
III.
Der Streitwert für das
Berufungsverfahren bestimmt sich nach §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1 GKG.