Reiserecht


Coronabedingter Reiseausfall und fehlender Hinweis auf kostenlosen Rücktritt

OLG Frankfurt, Urteil vom 15.09.2022 - 6 U 191/21 -

Die Beklagte war Reiseveranstalterin, bei der online Pauschalreisen gebucht werden konnten. Im Zeitraum vom 28.05. bis 08.07.2020 befand sich auf ihrer Internetseite unter einem mit „Aktuelle Corona-Informationen finden Sie hier“ versehener Link, in dem auf die derzeit schwierige Erreichbarkeit der Beklagten verwiesen wurde und Gäste mit einer Abreise bis 30.06.2020 in der Reihenfolge der Abreise unaufgefordert kontaktiert würden, ferner, dass man sich freuen würde, wenn die Reise um ein Jahr verschoben würde. Es wurde gebeten, von Anfragen abzusehen, „bis das Schreiben bei Ihnen ist“. Der Kläger, der Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer, erhob eine Unterlassungsklage, da er die Ansicht vertrat, die Kunden würden dadurch davon abgehalten, ihre Reise gegen Rückerstattung des Reisepreises zu stornieren. Die Klage und die gegen das klageabweisende Urteil eingelegte Berufung blieben erfolglos.

 

Ein Unterlassungsanspruch würde sich nicht aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 UWG iVm. § 651h Abs. 3 BGB ergeben. Dabei ließ es das OLG auf sich beruhen, ob § 651h Abs. 3 UWG eine Marktverhaltensregelung sei (was wohl der Fall sei, da sie dem Schutz der Kunden als Verbraucher diene). Jedenfalls läge ein Verstoß gegen § 651h Abs. 3 UWG nicht vor.

 

§ 651h Abs. 1 S. 3 BGB regele eine Entschädigungspflicht, die der Kunde dem Veranstalter im Falle seines Rücktritts vom Reisevertrag zahlen müsse. Des gelte dann nicht, wenn nach § 651h Abs. 3 BGB am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbaren außergewöhnliche Umstände auftreten würden, die die Durchführung der Pauschalreise oder der Beförderung von Personen erheblich beeinträchtigen. Das sei bei Umständen der Fall, die die Partei, die sich darauf beruft, auch bei allen zumutbaren Vorkehrungen nicht beeinflussen könne. Der benannte Hinweise sei an Kunden gerichtet worden, deren Reise wegen der Coronakrise nicht hätte durchgeführt werden können. Ein Rücktritt des Veranstalters läge offenbar aber nicht vor, weshalb § 651h BGB nicht zur Anwendung käme. Allerdings habe für die Reisenden die Möglichkeit zum Rücktritt bestanden, wobei unterstellt werden könne, dass die Corona-Pandemie in der fraglichen Zeit ein unvermeidbarer außergewöhnlicher Umstand war, der die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigt habe, weshalb keine Entschädigung zu zahlen wäre und der Reisepreis zurückverlangt werden konnte.  

 

Der Kläger habe aber nicht dargelegt, dass die Beklagte unter Verstoß gegen § 651h Abs. 3 BGB gleichwohl eine Entschädigung verlangt habe oder sich in Ansehung eines solchen Anspruchs geweigert habe, den Reisepreis zu erstatten. Es käme im Rahmen des § 651 Abs. 3 BGB nicht darauf an, ob die Beklagte durch ihre Verlautbarung verschleiert habe, dass eine Möglichkeit zum kostenlosen Rücktritt bestand. Eine Aufklärungspflicht des Reiseveranstalters über die entschädigungslose Rücktrittsmöglichkeit ließe sich § 651h Abs. 3 BGB nicht entnehmen und dass ein entschädigungsloser Rücktritt nicht akzeptiert würde ließe sich der Verlautbarung nicht entnehmen. Damit könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte mit ihrer Verlautbarung ein Rücktrittsrecht vereitelt oder gezielt erschwert hätte.

 

Ebenso wenig könne sich der Kläger für das Unterlassungsbegehren auf §§ 3, 5 Abs. 2 Nr. 7, 8 Abs. 1 UWG berufen. Die Hinweise in der Verlautbarung würden keine Irreführung über Rechte der Verbraucher im Hinblick auf die coronabedingt nicht durchgeführten Reisen bewirken. Die Angaben seien nicht blickfangmäßig herausgestellt und müssten im Gesamtzusammenhang gesehen werden. Vielmehr habe sich die Beklagte zunächst dafür bedankt, dass viele der Kunden ihre Wunschreise auf das nächste Jahr verschoben hätten und man wisse es zu schätzen, dass viele auch ihre Solidaritätsbekundung durch die hohe Anzahl von Annahmen des Reisegutscheins zum Ausdruck gebracht hätten. Nach dem maßgeblichen Verkehrsverständnis deute dies darauf hin, dass die Umbuchung optional und freiwillig sei. Auch der Hinweis eine Kontaktierung der Gäste in der Reihenfolge ihrer Abreise mit der Bitte um Verschiebung der Reise um ein Jahr und der weiteren Bitte, von Rückfragen bis zum Zugang des Schreibens zu warten, könne der situationsadäqaut aufmerksame Durchschnittsverbraucher nicht dahingehend verstehen, dass kein Rücktrittsrecht und keine kostenlose Stornierung möglich sei.

 

Soweit die Beklagte auf die auf der Internetseite benannten Themen „Wo finde ich detaillierte Informationen zum Corona-Virus“ und „Wie schütze ich mich richtig“ verweist, würde auch nicht ableiten, dass die Beklagte auf diesen Seiten umfassend und abschließend den Verbraucher über seien Rechte informieren wolle. E fänden sich dort nur Links zum Robert-Koch-Institut und dem Auswärtigen Amt zur gesundheitlichen Lage in Deutschland und im Reiseland. Der Verbraucher erwarte hier nicht Aufklärung über mögliche reisevertragliche Ansprüche.

 

Auch habe die Beklagte keine Informationen (so zum Rücktrittsrecht“ vorenthalten, die iSv. §§ 3, 5a Abs. 2 Nr. 2m 8 Abs. 1 UWG wesentlich wären. Zu Zeitpunkt der Publizierung bestand nach § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG a.F. zwar eine Verpflichtung, über das Bestehen eines gesetzlichen Rechts zum Rücktritt oder Widerruf aufzuklären; diese hätten sich aber nur auf Angebote zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses (hier Reisevertrag) bezogen. Die vorliegend angegriffenen Passagen beträfen aber den Bereich der Abwicklung.  

 

Im Falle von Leistungsstörungen würde nach § 5a UWG keine grundsätzliche Verpflichtung bestehen, den anderen Vertragsteil umfassend über seine Rechte (hier kostenloses Rücktrittsrecht) aufzuklären. Auch aus Art. 240 § 6 Abs. 1 EGBGB ließe sich eine Informationspflicht zu Gutscheinen nicht herleiten, da diese Norm erst nach Einstellung des online-Angebots in Kraft getreten sei.

 

 

Ein Anspruch ließe sich auch nicht aus §§ 3, 4a, 8 Abs. 1 UWG herleiten. § 4a Abs. 1 S. 1 UWG verbiete aggressive geschäftliche Handlungen, die geeignet wären, den Verbraucher zu einer Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Derartiges liege nicht vor. Die Formulierungen würden keinen Druck auf den Verbraucher ausüben und er würde nicht von naheliegenden Überlegungen abgehalten, ob er überhaupt eine Umbuchung will oder einfach  storniert. Aus Sicht des Verbrauchers habe die Beklagte lediglich eine Bitte geäußert. Eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit sei nicht gegeben.

 

 

 

Tenor

 

Die Berufung des Klägers gegen das am 6.8.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

 

Gründe

 

I.

 

Die Parteien streiten über einen pandemiebezogenen Kundenhinweis auf der Homepage der Beklagten.

 

Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Die Beklagte ist eine Reiseveranstalterin, die Verbrauchern die Möglichkeit bietet, online Pauschalreisen über ihre Website www.(...).de zu buchen. Vom 28.5.2020 bis zum 8.7.2020 befand sich auf der Internetseite der Beklagten unter dem Link „Aktuelle Corona-Informationen finden sie hier“ ein Hinweis, dass die Beklagte wegen vieler Anfragen schwer erreichbar sei. Gäste mit Abreise bis 30. Juni 2020 würden in der Reihenfolge ihrer Abreise unaufgefordert kontaktiert. Das Team erarbeite gerade alternative Angebote für Reisen im nächsten Jahr. Weiter heißt es: „Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihre Traumreise mit X um ein Jahr verschieben …“ Ferner bittet die Beklagte darum, aktuell von Rückfragen abzusehen, „bis das Schreiben bei Ihnen ist“. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K2, Bl. 12-14 d.A. Bezug genommen.

 

Der Kläger ist der Ansicht, durch diese Hinweise würden Kunden davon abgehalten, ihre Reise gegen Rückerstattung des Reisepreises zu stornieren.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen diese Beurteilung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

 

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

I. die Beklagte zu verurteilen [Unterlassung]

es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an dem Geschäftsführer, zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen,

auf der Internetseite www.(...).de für den Fall einer Stornierung oder Absage von Pauschalreisen aufgrund der Corona-Krise lediglich auf die Option einer Umbuchungsmöglichkeit einfach und klar hinzuweisen, ohne auf die Option der Rückzahlung hinzuweisen,

wenn dies geschieht wie in Anlage K2 wiedergegeben

II. die Beklagte zu verurteilen [Beseitigung]

ihre Internetseite www.(...).de dahingehend zu berichtigen, dass Kunden in den Informationen zu abgesagten oder stornierten Reisen aufgrund der Coronakrise auch den Hinweis erhalten, dass sie einen Rückerstattungsanspruch haben und die Möglichkeit einer Umbuchung lediglich alternativ oder optional eingeräumt wird.

III. die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

II.

 

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

 

1. Der Unterlassungsantrag ist - nach der im Senatstermin vorgenommenen Konkretisierung - hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 ZPO.

 

2. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Unterlassung der Werbung nach Anlage K2 aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 651h Abs. 3 BGB zu.

 

a) Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG aktivlegitimiert. Er ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.

 

b) Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei § 651h Abs. 3 BGB um eine Marktverhaltensregelung handelt. Dies dürfte aber der Fall sein. Die Bestimmung regelt den Rücktritt vom Reisevertrag und ist dem Reisevertragsrecht zuzuordnen. Zum Marktverhalten gehört neben dem Angebot von und der Nachfrage nach Waren oder Dienstleistungen auch der Abschluss und die Durchführung von Verträgen (BGH GRUR 2021, 863 Rn. 14 - Nutzungsentgelt für bargeldlose Zahlungen; GRUR 2017, 537Rn. 20 - Konsumgetreide). Die Regelung dient dem Schutz der Kunden als Verbraucher und somit den Interessen von Marktteilnehmern.

 

c) Das Landgericht hat jedenfalls zu Recht angenommen, dass ein Verstoß gegen § 651h Abs. 3 BGB nicht vorliegt.

 

aa) Nach § 651h Abs. 1 S. 3 BGB schuldet der Reisende dem Veranstalter eine Entschädigung, wenn er vom Vertrag zurücktritt. Nach § 651h Abs. 3 BGB gilt dies nicht, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären.

 

bb) Der angegriffene Hinweis der Beklagten wendet sich an Kunden, die Pauschalreisen gebucht und vorausbezahlt haben, die wegen der Coronakrise nicht durchgeführt werden können. Ein Rücktritt seitens der Beklagten als Veranstalterin lag offenbar nicht vor, so dass nicht die Regelung des § 651 h Abs. 4 BGB zur Anwendung kam. Es bestand aber für die Reisenden die Möglichkeit zum Rücktritt. Insoweit kann unterstellt werden, dass die Corona-Pandemie in der fraglichen Zeit ein unvermeidbarer außergewöhnlicher Umstand war, der die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigte. Von einer erheblichen Beeinträchtigung ist sowohl dann auszugehen, wenn behördliche Entscheidungen, etwa Quarantäneanordnung, die Durchführung der Reise verhindern, als auch dann, wenn am Reiseort mit einer erheblichen Ansteckungsgefahr zu rechnen ist (Palandt/Sprau, 80. Aufl., § 651h Rn. 13a). Nach § 651 h Abs. 3 BGB schuldeten die Reisenden daher im Rücktrittsfall (Stornierung) keine Entschädigung, sondern konnten Rückerstattung des Reisepreises verlangen.

 

cc) Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Beklagte unter Verletzung des § 651 h Abs. 3 BGB gleichwohl eine Entschädigung verlangte oder sich weigerte, im Hinblick auf einen vermeintlichen Entschädigungsanspruch den Reisepreis zurückzuerstatten. Es kommt im Rahmen von § 651 h Abs. 3 BGB nicht darauf an, ob die Beklagte mit ihren Hinweisen auf ihre Umbuchungsbemühungen und mit der Bitte, von Rückfragen einstweilen abzusehen, verschleiert hat, dass die Möglichkeit zum entschädigungslosen Rücktritt bestand. Eine Aufklärungspflicht des Reiseveranstalters über die entschädigungslose Rücktrittsmöglichkeit ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Den Hinweisen auf der Internetseite lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Beklagte einen Rücktritt entgegen § 651 h Abs. 3 BGB nicht akzeptieren möchte. Es kann damit nicht angenommen werden, dass mit den Hinweisen die Ausübung des Rücktrittsrechts vereitelt oder gezielt erschwert werden sollte.

 

3. Dem Kläger steht gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf Unterlassung der Werbung aus §§ 3, 5 Abs. 2 Nr. 7, 8 Abs. 1 UWG zu. Die Hinweise der Beklagten beinhalten keine Irreführung über die Rechte der Verbraucher im Hinblick auf die coronabedingt nicht durchgeführten Reisen. Entgegen der Ansicht des Klägers wird keine Fehlvorstellung dergestalt erzeugt, dass dem Reisenden nur das Recht zur Umbuchung, nicht aber zur Stornierung der Reise zusteht.

 

a) Die angegriffenen Äußerungen, die nicht blickfangmäßig herausgestellt sind, müssen im Kontext der gesamten Werbung gesehen werden. Unter der Überschrift „Aktuelle Corona-Informationen“ bedankt sich die Beklagte zunächst dafür, dass „so viele von Ihnen Ihre Wunschreise mit uns aufs nächste Jahr verschoben haben.“ Sie (die Beklagte) wisse es zu schätzen, dass viele „auch Ihre Solidaritätsbekundung durch die hohe Anzahl von Annahmen des Reisegutscheins“ zum Ausdruck gebracht hätten. Diese Angaben deuten nach dem maßgeblichen Verkehrsverständnis darauf hin, dass die Umbuchung optional und freiwillig ist.

 

b) Im Folgenden heißt es unter der Unterüberschrift „Gäste mit Abreise bis 30. Juni 2020“, die Gäste würden in der Reihenfolge ihrer Abreise unaufgefordert kontaktiert. Das Team erarbeite gerade alternative Angebote für Reisen im nächsten Jahr. Weiter heißt es: „Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihre Traumreise mit X um ein Jahr verschieben …“ Ferner bittet die Beklagte darum, aktuell von Rückfragen abzusehen, „bis das Schreiben bei Ihnen ist“.

 

Es kann nicht angenommen werden, dass der situationsadäquat aufmerksame Durchschnittsverbraucher die Äußerungen in dem Sinne verstehen wird, dass kein Rücktrittsrecht bzw. keine kostenlose Stornierungsmöglichkeit besteht. Vielmehr wird ein Kunde Informationen, die seine gebuchte und bereits bezahlte Urlaubsreise betreffen, mit der gebotenen Aufmerksamkeit und im Zusammenhang mit den unter a) dargestellten Äußerungen zur Kenntnis nehmen. Dabei wird er erkennen, dass die Beklagte lediglich ein Angebot zur Umbuchung unterbreiten möchte. Durch Formulierungen wie: „Wir würden uns freuen, wenn …“ und durch den eingangs zum Ausdruck gebrachten Dank für die Kooperationsbereitschaft vieler Kunden wird ohne weiteres deutlich, dass die Akzeptanz der Umbuchung für den Kunden optional ist und nicht die einzige Möglichkeit darstellt, der Leistungsstörung zu begegnen. Auch die Bitte, dass von Rückfragen nach Möglichkeit abgesehen werden soll, bis das Umbuchungsangebot vorliegt, wird den Verbraucher nicht zu dem Schluss verleiten, es bestünde gar kein Rücktrittsrecht. Vielmehr ist klar ersichtlich, dass es sich nur um einen Apell handelt, den die Beklagte im eigenen Interesse ausgesprochen hat, der aber nicht die Rechte des Kunden einschränkt.

 

c) Es trifft auch nicht zu, dass die Beklagte durch die weiteren Themen auf der Internetseite unter der Überschrift „Wo finde ich detaillierte Informationen zum Thema Corona-Virus?“ und „Wie schütze ich mich richtig?“ den Eindruck erweckt hat, der Verbraucher werde auf der Seite umfassend und abschließend über seine Rechte informiert. Vielmehr finden sich unter den genannten Überschriften ersichtlich nur Links zum Robert-Koch-Institut und zum Auswärtigen Amt, die die gesundheitliche Lage in Deutschland und im Reiseland betreffen. Der Verbraucher erwartet an dieser Stelle keine Aufklärung über seine reisevertraglichen Ansprüche gegenüber der Beklagten.

 

4. Dem Kläger steht gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf Unterlassung der Werbung nach Anlage K2 aus §§ 3, 5a Abs. 2 Nr. 2, 8 Abs. 1 UWG zu. Die Beklagte hat durch den fehlenden Hinweis auf das Rücktrittsrecht keine Informationen vorenthalten, die im konkreten Fall wesentlich sind.

 

a) Nach § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG a.F. bestand zum Zeitpunkt der Werbung die Verpflichtung, über das Bestehen eines gesetzlichen Rechts zum Rücktritt oder Widerruf aufzuklären. Die Verpflichtung bezog sich allerdings nur auf Angebote während der Vertragsanbahnung, nämlich solche, die zum Geschäftsabschluss - hier also zum Abschluss eines Reisevertrages - auffordern. Darum geht es hier nicht. Die vorliegend angegriffenen Angaben betreffen den Bereich der Abwicklung bereits abgeschlossener Reiseverträge.

 

b) Im Fall von Leistungsstörungen besteht nach § 5 a UWG keine grundsätzliche Verpflichtung, den anderen Vertragsteil umfassend über dessen Rechte, insbesondere ein gesetzliches Rücktrittsrecht aufzuklären (Köhler/Bornkamm/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 5a Rn. 4.50; MüKoUWG/Alexander, 3. Aufl. 2020, UWG § 5a Rn. 404).

 

c) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann eine Informationspflicht vorliegend auch nicht aus Art. 240 § 6 Abs. 1 EGBGB abgeleitet werden. Die Bestimmung wurde durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Pauschalreisevertragsrecht vom 10. Juli 2020 eingeführt. Nach S. 1 dieser Bestimmung kann der Reiseveranstalter dem Reisenden im Fall des Rücktritts wegen der COVID-19-Pandemie statt der Rückerstattung des Reisepreises einen Reisegutschein anbieten. Nach S. 3 hat der Reisende die Wahl, ob er das Angebot des Reiseveranstalters annimmt oder sein Recht auf Rückerstattung des Reisepreises ausübt. Nach S. 4 hat der Reiseveranstalter ihn „bei seinem Angebot“ auf dieses Wahlrecht hinzuweisen. Diese Regelung trat erst nach der Verkündung des Gesetzes, mithin erst nach dem Zeitraum in Kraft, in dem die angegriffenen Angaben online gestellt waren.

 

5. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Unterlassung der Werbung nach Anlage K2 aus §§ 3, 4a, 8 Abs. 1 UWG zu.

 

a) § 4a Abs. 1 Satz 1 UWG verbietet aggressive geschäftliche Handlungen, die geeignet sind, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Für eine unzulässige Beeinflussung der Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Verbrauchers (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG) ist erforderlich, dass der Unternehmer eine Machtposition ihm gegenüber zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt (§ 4a Abs. 1 Satz 3 UWG). Bei der Feststellung, ob eine geschäftliche Handlung aggressiv ist, sind nach § 4a Abs. 2 Nr. 4 UWG u.a. belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art zu beachten, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht.

 

b) Für derartige Umstände bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Die Beurteilung, ob nach den genannten Regelungen eine aggressive Geschäftshandlung vorliegt, ist nach dem Maßstab des durchschnittlichen Adressaten der geschäftlichen Handlung zu beurteilen, hier also des Verbrauchers, der eine Reise gebucht hat. Allein der Umstand, dass die Beklagte eine Umbuchungsmöglichkeit anbieten möchte und die Kunden bittet, bis zum Zugang des Angebots auf Kontaktaufnahmen zu verzichten, erzeugt keinen derartigen Druck, dass die Fähigkeit des Durchschnittsverbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, wesentlich beeinträchtigt wird. Der Kunde wird durch den Hinweis nicht von naheliegenden Überlegungen abgehalten, ob er überhaupt eine Umbuchung wünscht und ob er nicht einfach stornieren soll. Auch der Hinweis auf die pandemiebedingte Überlastung der Beklagten erzeugt nicht den Eindruck, eine Kontaktaufnahme zum Zweck der Stornierung sei von vornherein sinnlos oder müsse aus Gründen des Anstands unbedingt unterbleiben. Die Beklagte hat aus Sicht des Verbrauchers lediglich eine dringende Bitte ausgesprochen. Eine Einschränkung der Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung liegt erst vor, wenn die geschäftliche Handlung das Urteilsvermögen des Adressaten beeinträchtigt, er also die Vor- und Nachteile des Geschäfts nicht mehr hinreichend wahrnehmen und gegeneinander abwägen kann (BGH GRUR 2018, 1251 Rn. 68 - Werbeblocker II). Solche Umstände liegen hier nicht vor.

 

6. Dem Kläger steht damit auch nicht der mit dem Antrag zu II. geltend gemachte Beseitigungsanspruch zu, mit dem er einen konkreten Hinweis auf die Rückerstattungsoption auf der Internetseite verlangt. Ein fortdauernder Störungszustand ist ohnehin nicht ersichtlich, nachdem die Angaben bereits am 8.7.2020 entfernt wurden.

 

7. Da die Abmahnung nicht berechtigt war, steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten zu (Antrag III.).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

 

 

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Beurteilung beruht auf eine Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich nicht.