Verwaltungsrecht


Gebühr für versagende Melderegisterauskunft und Bestimmtheitsgebot der Gebührenorm

VG Potsdam, Urteil vom 25.11.2021 - 3 K 1596/18 -

Häufig sind Personen umgezogen und der Gläubiger muss die neue Anschrift in Erfahrung bringen. Nicht nur haben sich die Schuldner in vielen Fällen nicht umgemeldet, sondern eine Auskunft wird auch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erteilt. Aber auch wenn keine Auskunft erteilt wird, wird in vielen Fällen eine Gebühr für die (Nicht-) Auskunft erhoben. Der Kläger wandte sich gegen eine solche Gebühr und klagte, nachdem sein Widerspruch zurückgewiesen wurde. Seiner Klage wurde vom Verwaltungsgericht (VG) stattgegeben.

 

Das VG führte aus, der Gebührenbescheid beruhe auf §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 GebGBbg iVm. der VO über die Gebühren für öffentliche Leistungen im Geschäftsbereich des Ministers des Inneren und für Kommunales (kurz: GebOMIK) im Bundesland Brandenburg. Danach würden die gebühren für die schriftliche Erteilung einfacher Melderegisterauskünfte € 10,00 je nachgefragter Person betragen. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt mit der Angabe, die Auskunft könne aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erteilt werden.

 

Dabei bezog sich das VG auf Nr. 44.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Budnesmeldegestezes (BMGVwV), wobei es bei der Beantwortung einer Anfrage die Möglichkeiten gäbe, dass (a) die Auskunft erteilt wird, (b) die Auskunft abgelehnt wird und (c) eine neutrale Auskunft erteilt würde. Die neutrale Auskunft nach Nr. 44.1.3.3 BMGVwV habe den auch dem Kläger mitgeteilten Inhalt „Eine Auskunft kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht oder derzeit nicht erteilt werden“. Schon nach dem Wortlaut würde danach eine Auskunft nicht erteilt werden, was aber für den Anfall der Gebühr nach Nr. 2.1.1.1 des Gebührentarifs (GebOMIK) für das Entstehen der Gebühr erforderlich wäre.

 

Es sei im Hinblick auf die eindeutige Fassung des Gebührentatbestandes „Erteilung einer Auskunft“ nicht möglich, diesen auch dann als erfüllt anzusehen, wenn schriftlich mitgeteilt würde, dass eine Auskunft nicht erteilt wird. Eine derartige Auslegung sei mit dem Gebot der Bestimmtheit von Normen aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar. Der Normadressat müsse seine Normbetroffenheit und die Rechtslage aus der eindeutigen Fassung der Rechtsvorschrift erkennen und seine Verhalten danach ausrichten können. Er müsse daher aus der Fassung des Gebührentatbestandes erkennen können, für welche Leistung die Gebühr erhoben wird (VGH Mannheim, Urteil vom 16.08.2018 - 1 S 625/18 -). Nicht entscheidend sei, ob mit der neutralen Auskunft bzw. Bearbeitung Aufwand verursacht worden sei (a.A. VG Hannover, Urteil vom 29.09.2016 - 10 A 1739/16 -).

 

Nach § 1 Abs. 3 GebOMIK könnten zwar für öffentliche Leistungen, für die keine Tarifstelle vorhanden sei, wenn sie nicht im öffentlichen Interesse liege, eine Gebühr zwischen € 1,00 bis € 500,00 erhoben werden. Dabei handele es sich aber um eine für das Ob und die Höhe im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung. Weder im Gebührenbescheid noch im Widerspruchbescheid sei aber Ermessen ausgeübt worden (was dann auch entsprechend zu begründen wäre), weshalb auf diese Norm nicht abgestellt werden könne.

 

 

Der Beklagte habe allerdings im Prozess auf diese Norm hingewiesen, weshalb er möglicherweise im Verfahren nunmehr den angefochtenen Bescheid ändern wollte bzw. durch einen Ermessensentscheid ersetzt wollte. Dies aber hätte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden müssen; es hätte verdeutlicht werden müssen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handele, sondern um eine Änderung des Verwaltungsaktes selbst (BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 48.12). Das sei nicht erfolgt. Anmerkung: Diese Rechtsansicht ist zutreffend, da - sollte eine solche Erklärung im Prozess erfolgen und das Ermessen auch ausgeübt worden sein - der Kläger dann die Möglichkeit hätte, dies zu akzeptieren, die Hauptsache für erledigt erklären könnte und so die Kosten des Verfahrens der Behörde aufzuerlegen wären.

 

 

 

Tenor

 

Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 21. November 2017 und der Widerspruchsbescheid des Landrats des Landkreises Uckermark vom 12. April 2018 werden aufgehoben.

 

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

 

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

 

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Gebühr für eine Melderegisterauskunft.

 

Im November 2017 bat der Kläger um Auskunft über die Anschrift eines näher benannten Dritten. Der Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 21. November 2017 mit, dass eine Auskunft aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht oder derzeit nicht erteilt werden könne. Mit Bescheid vom selben Tage setzte er für die einfache Melderegisterauskunft eine Gebühr von 10 € fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies er mit Bescheid vom 12. April 2018, zugestellt am 17. April 2018, zurück.

 

Mit der am 17. Mai 2018 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, bei der ihm erteilten sogenannten neutralen Antwort handele es sich nach allgemeinem Wortverständnis und Wortsinn nicht um eine Melderegisterauskunft im Sinne des Gebührentatbestandes. Aus Nrn. 44.1.3 ff. der Verwaltungsvorschriften zum Bundesmeldegesetz ergebe sich nichts Anderes. Maßgeblich für die Erhebung einer Gebühr sei allein, ob der einschlägige Gebührentatbestand erfüllt sei oder nicht. Der Gebührentatbestand des § 1 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 2.1.1.1 GebOMIK „Erteilung einer einfachen Melderegisterauskunft“ sei durch die neutrale Auskunft nicht erfüllt. Darauf, dass mit der Erteilung einer neutralen Auskunft jedenfalls nach Auffassung des Beklagten der gleiche Verwaltungsaufwand verbunden sei wie mit einer inhaltlichen Auskunft, komme es nicht an. Der Gebührentatbestand sei mit Bedacht so gewählt worden, dass er an eine Leistung der Verwaltung für den Bürger anknüpfe, nicht aber an die interne Tätigkeit der Verwaltung.

 

Der Kläger beantragt,

den Gebührenbescheid des Bürgermeisters der Stadt Templin vom 21. No-vember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landrats des Landkreises Uckermark vom 12. April 2018 aufzuheben.

 

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Der Auffassung des Klägers, dass es sich bei der ihm erteilten neutralen Melderegisterauskunft nicht um eine Auskunft handele, für die demzufolge keine Gebühr zu entrichten sei, könne nicht gefolgt werden. Der Antwort auf die Bitte um Melderegisterauskunft des Klägers sei eine entsprechende Recherche im Melderegister vorangegangen. Damit sei eine gebührenpflichtige Leistung im Sinne der hier einschlägigen Gebührenordnung erbracht worden. Jedenfalls sei der Gebührentatbestand des § 1 Abs. 3 GebOMIK erfüllt, der für nicht ausschließlich im besonderen öffentlichen Interesse liegende öffentliche Leistungen, für die keine Tarifstelle vorhanden sei, eine Rahmengebühr von mindestens einem bis höchstens 500 € vorsehe. Hinsichtlich der Gebührenhöhe habe er sich an der Tarifstelle für eine einfache Meldeauskunft orientiert.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen. Der Verwaltungsvorgang des Beklagten (ein Hefter, Bl. 1 - 22) hat vorgelegen und ist zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht worden.

 

Entscheidungsgründe

 

1. Über die Klage kann im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

 

2. Die zulässige Klage ist begründet.

 

Der angefochtene Gebührenbescheid des Beklagten vom 21. November 2017 und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid des Landrats des Landkreises Uckermark vom 12. April 2018 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger dadurch in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

 

a) Der Gebührenbescheid beruht auf §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 GebGBbg i.V.m. § 1 Abs. 1 und Nr. 2.1.1.1 des Gebührentarifs der Verordnung über die Gebühren für öffentliche Leistungen im Geschäftsbereich des Ministers des Inneren und für Kommunales (Gebührenordnung des Ministers des Inneren und für Kommunales - GebOMIK) vom 21. Juli 2010 (GVBl II Nr. 46) in der Fassung der Verordnung vom 1. Juli 2016 (GVBl II Nr. 34).

 

Nach § 1 Abs. 1 GebOMIK werden für öffentliche Leistungen, die im anliegenden Gebührentarif genannt sind, die dort genannten Gebühren erhoben. Nach Nr. 2.1.1.1 des Gebührentarifs beträgt die Gebühr für die schriftliche Erteilung einfacher Melderegisterauskünfte 10 € je nachgefragter Person. Dieser Gebührentatbestand ist durch die schriftliche Mitteilung des Beklagten vom 21. November 2017 nicht erfüllt.

 

Nach Nr. 44.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundesmeldegesetzes (BMGVwV) vom 28. Oktober 2015 (BAnz AT vom 30. Oktober 2015, B 2) gibt es bei der Beantwortung der Anfrage auf Erteilung einer Melderegisterauskunft die Möglichkeit, dass die Auskunft erteilt wird, dass die Auskunft abgelehnt wird oder dass eine neutrale Antwort erteilt wird. Die neutrale Antwort hat nach Nr. 44.1.3.3 BMGVwV den auch dem Kläger mitgeteilten Inhalt „Eine Auskunft kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht oder derzeit nicht erteilt werden“. Mit der neutralen Antwort wird schon nach diesem vorgegebenen Wortlaut keine (Melderegister-)Auskunft erteilt, was aber nach Nr. 2.1.1.1 des Gebührentarifs tatbestandliche Voraussetzung für die Erhebung der Gebühr für die schriftliche Erteilung einfacher Melderegisterauskünfte ist.

 

Die eindeutige Fassung des Gebührentatbestandes (Erteilung einer Auskunft) lässt es nicht zu, ihn auch dann als erfüllt anzusehen, wenn im Wege einer neutralen Antwort mitgeteilt wird, dass eine Auskunft nicht erteilt wird. Dies wäre mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Gebot der Bestimmtheit von Normen nicht vereinbar. Danach müssen Rechtsvorschriften so eindeutig gefasst sein, dass der Normadressat seine Normbetroffenheit und die Rechtslage erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Im Falle einer Gebührenerhebung muss der Gebührentatbestand so gefasst sein, dass der potenzielle Gebührenschuldner erkennen kann, für welche öffentliche Leistung die Gebühr erhoben wird (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 16. August 2018 - 1 S 625/18 -, juris, Rzn. 43 f.). Mit diesem Bestimmtheitserfordernis ist eine erweiternde Anwendung des dem Wortsinn nach eindeutigen Gebührentatbestandes, der auf die Erteilung einer Melderegisterauskunft abstellt, auch auf die Erteilung einer neutralen Antwort, mit der die Erteilung der Auskunft abgelehnt wird, nicht mehr vereinbar. Darauf, ob mit der Erteilung der neutralen Antwort ein der Erteilung der Auskunft bzw. Bearbeitung der Anfrage entsprechender Aufwand verursacht wird, kommt es mithin nicht an (so aber VG Hannover, Urteil vom 29. September 2016 - 10 A 1739/16 -, juris, Rzn. 16 ff.).

 

b) Auf § 1 Abs. 3 GebOMIK kann der angefochtene Bescheid nicht gestützt werden. Danach kann für öffentliche Leistungen, für die keine Tarifstelle vorhanden ist und die nicht ausschließlich im besonderen öffentlichen Interesse liegen, eine Gebühr von mindestens einem und höchstens 500 € erhoben werden. Bei dieser Vorschrift handelt es sich sowohl hinsichtlich des Ob der Gebührenerhebung („kann“) als auch hinsichtlich der konkreten Gebührenbemessung um eine Ermessensregelung. Ermessen hat der Beklagte jedoch in dem angefochtenen Bescheid ebenso wenig wie die Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid ausgeübt, so dass auch bei Heranziehung von § 1 Abs. 3 GebOMIK die Bescheide aufzuheben wären.

 

Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Beklagte mit seinem Vorbringen zu § 1 Abs. 3 GebOMIK und zu der Gebührenbemessung den angefochtenen Bescheid geändert bzw. durch einen Ermessensbescheid ersetzt hat. Dies hat der Beklagte nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit erklärt. Will die Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt in einem laufenden Verwaltungsprozess ändern oder auswechseln, so muss sie unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung des Verwaltungsakts selbst (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 48.12 -, juris, Rz. 35; Urteil vom 13. Dezember 2011 - 1 C 14.10 -, juris, Rz. 18). Daran fehlt es hier.

 

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Ein Grund für die Zulassung der Berufung (vgl. § 124a Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor.

 

Beschluss

 

 

Der Wert des Streitgegenstandes wird gem. § 52 Abs. 1 GKG auf unter 500,00 Euro festgesetzt.