Insolvenzrecht


Rückgewähranspruch von Ausschüttungen gegen Kommanditisten und Darlegungslast des Insolvenzverwalters zum Grund

OLG Celle, Urteil vom 12.12.2018 - 9 U 74/17 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Beklagte war mit einer Kommanditeinlage von € 100.000,00 an der insolventen Kommanditgesellschaft (KG) beteiligt. Sie erhielt von dieser Ausschüttungen in Höhe von € 45.000,00. Diese wurden vom Insolvenzverwalter der KG (dem Kläger) unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr von Kommanditeinlagen eingeklagt. Er machte geltend, dass zum Zeitpunkt der entsprechenden Ausschüttungen der Kapitalanteil der Beklagten durch Verluste unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert gewesen sei (§ 175 HGB). Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg.

 

Das OLG hielt in seiner Entscheidung fest, die Beklagte könne nicht zur Insolvenztabelle festgestellte Forderungen (pauschal) bestreiten und auch nicht verlangen, dass der Kläger jeweils den Forderungsgrund und die Fälligkeit substantiiert darlegen müsse. Auch seine ein Verjährung der festgestellten Forderungen nicht ersichtlich.

 

Allerdings sei Voraussetzung, dass die Inanspruchnahme der Beklagten zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger mit festgestellten Forderungen benötigt würde. Davon sei nicht auszugehen, da aus der Beitreibung von Erstattungszahlungen wegen der Rückgewähr geleisteter Kommanditeinlagen das Aktivvermögen der Schuldnerin (KG) ausgereicht habe, um solche Forderungen auch ohne Inanspruchnahme der Beklagten zu befriedigen. Dieser Behauptung entsprechenden Behauptung der Beklagten sei der Kläger trotz Hinweises des Senats nicht im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast in genügender Weise, nämlich unter konkreter Darstellung der Höhe und der Verwendung entsprechender beigetriebener Erstattungsansprüche gegen andere Kommanditisten entgegen getreten, weshalb die Behauptung der Beklagten nach § 138 Abs. 4 ZPO als unstreitig zu behandeln sei.

 

Die Beklagte als Kommanditisten hafte nach § 171 Abs. 2 iVm. § 172 Abs. 4 S. 2 HGB nur für Forderungen, die der Insolvenzverwalter zur Tabelle festgestellt habe und denen er nicht widersprochen habe. Eine Haftung für Masseforderungen bestünde nicht. Schon daraus folge die sekundäre Darlegungslast des Klägers, der eine Vielzahl von Kommanditisten in Anspruch genommen habe,  da andernfalls der Insolvenzverwalter hinsichtlich des Anspruchsgrunds sachliche Beschränkungen der Haftung der Gesellschafter umgehen könnte, indem er bereits beigetriebene Erstattungsansprüche zur Begleichung von Forderungen einsetzt, für die die Gesellschafter nicht haften und damit letztlich versucht, die maßgebliche Summe zur Insolvenztabelle festgestellter Forderungen wieder „aufzufüllen“.

 

 

Der Kläger hat Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH erhoben (II ZR 1/19).

 

Aus den Gründen:

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 4. Oktober 2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Dieses Urteil sowie das landgerichtliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Streitwert: 45.000 €.

Gründe

I.

 

Der Kläger, Insolvenzverwalter einer Schiffsfondsgesellschaft in Rechtsform einer KG, nimmt die Beklagte, die mit einer Einlage von 100.000 € als Kommanditistin an der Gesellschaft beteiligt ist, unter dem Gesichtspunkt einer teilweisen Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage wegen der an die Beklagte in den Jahren 2004 bis 2008 erfolgten Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 45.000 € in Anspruch. Er macht geltend, zum Zeitpunkt der entsprechenden Ausschüttungen sei der Kapitalanteil der Beklagten durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert gewesen (§ 172 Abs. 4 HGB, vgl. die tabellarische Aufstellung der Entwicklung des Kapitalkontos in der Anl. K 6 im gesonderten Hefter).

 

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird auf das Urteil vom 4. Oktober 2017 (Bd. II, Bl. 219 d. A.) verwiesen, mit dem der Einzelrichter die Klage als unzulässig abgewiesen hat. Er hat (unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BGH vom 9. Oktober 2006, II ZR 193/05) gemeint, es fehle an der hinreichenden Bestimmtheit der seitens des Klägers erhobenen Teilklage, weil dieser hätte angeben müssen, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen, zur Insolvenztabelle angemeldeten Ansprüche von Gläubigern der KG verteilen solle und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen.

 

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Ziel in vollem Umfang weiterverfolgt. Er macht geltend, das Landgericht habe verkannt, dass es im Streitfall, anders als in der von ihm zitierten Entscheidung, nicht um eine unter Umständen differenzierungsbedürftige Haftung eines BGB-Gesellschafters gehe. Auch habe der Einzelrichter insolvenzrechtliche Prinzipien verkannt.

 

Weil der Kläger nach der für die Begleichung der Insolvenzforderungen erforderlichen Rückforderung der an die Beklagte erfolgten Ausschüttungen zur gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger verpflichtet sei, sei hinsichtlich des Vortrags zu den Insolvenzforderungen die Vorlage eines Tabellenauszugs ausreichend. Der Kläger habe auch keine Teilklage erhoben, sondern richte sein Begehr auf den vollen Betrag der Haftung der Beklagten aus §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4, 128 HGB.

 

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und macht geltend, die als Anl. K 2 vorgelegte Insolvenztabelle sei als Begründung der erhobenen Forderung unzureichend, weil sie die von den Insolvenzgläubigern geltend gemachten Ansprüche nicht ausreichend erkennen lasse. Der Beklagten als Kommanditistin sei zur Frage des Bestehens der angemeldeten Forderungen rechtliches Gehör zu gewähren, woran es bislang fehle. Anders als die Komplementärin sei die Beklagte als Kommanditistin schließlich nicht in der Lage, angemeldeten Forderungen im Insolvenzverfahren zu widersprechen. Die Anmeldung der Forderungen habe auch nicht deren Verjährung gehemmt. Jedenfalls, so macht sie unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 20. Februar 2018, II ZR 272/16 geltend, sei ihre Inanspruchnahme nicht mehr erforderlich, wenn der Kläger die aus von anderen Kommanditisten beigetriebenen Erstattungszahlungen – wie geboten – lediglich zur Begleichung festgestellter Insolvenzforderungen eingesetzt hätte.

 

Der Senat hat dem Kläger am 14. Februar 2018 (Bd. II, Bl. 307. d. A.) und 11. Juli 2018 (Bd. III, Bl. 484 d. A.) Hinweise dazu erteilt, dass differenziert zu Bestand und Entwicklung der Insolvenzmasse, insbesondere dazu, in welcher Höhe Haftungsansprüche gegen Kommanditisten beigetrieben werden konnten, und zur Verwertung des Verkaufserlöses für das der Gesellschaft gehörende Schiff vorzutragen sei.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

 

II.

 

Die Berufung des Klägers erweist sich im Ergebnis als unbegründet. Jedoch ist die Klage nicht, wie vom Landgericht angenommen, unzulässig, sondern unbegründet, weshalb der Senat durch Sachurteil statt Prozessurteil entschieden hat (vgl. zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens im Berufungsverfahren Rimmelspacher in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., Rn. 55 zu § 528 m. w. N.).

 

1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Klage nicht etwa deswegen unzulässig, weil der Kläger lediglich eine Teilklage erhoben und nicht hinreichend bestimmt hätte, aus welchen von mehreren Einzelforderungen, die in Gesamtheit den eingeklagten Teilbetrag übersteigen, sich der Klagebetrag zusammensetzen soll. Der Kläger hat im Streitfall keine Teilklage, zusammengesetzt aus einzelnen Insolvenzforderungen, erhoben, sondern nimmt die Beklagte auf die Wiedereinzahlung ihrer Hafteinlage (in voller Höhe) in Anspruch, weshalb es der Angabe einer Reihenfolge für die Geltendmachung der in der Insolvenztabelle enthaltenen Forderungen nicht bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2018, II ZR 272/16Rn. 17 f.).

 

2. Zwar kann sich die Beklagte grundsätzlich ihrer Inanspruchnahme nicht damit entziehen, dass sie zur Insolvenztabelle festgestellte Forderungen (pauschal) bestreitet oder geltend macht, der Kläger müsse zu Forderungsgrund und Fälligkeit solcher Ansprüche substantiiert vortragen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 21 ff.). Auch ist nicht ersichtlich, dass die vom Kläger verfolgte Forderung verjährt wäre.

 

3. Jedoch ist im Streitfall davon auszugehen, dass eine Inanspruchnahme der Beklagten zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger mit festgestellten Forderungen nicht benötigt wird, weil das aus der Beitreibung von Erstattungszahlungen wegen der Rückgewähr geleisteter Kommanditeinlagen gespeiste Aktivvermögen der Schuldnerin ausgereicht hätte, um solche Forderungen auch ohne eine Inanspruchnahme der Beklagten zu befriedigen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 39). Der entsprechenden Behauptung der Beklagten ist der Kläger jedenfalls – trotz Hinweises des Senats - nicht in einer seiner sekundären Darlegungslast (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 39) genügenden Weise, nämlich unter konkreter Darstellung der Höhe und der Verwendung entsprechender beigetriebener Erstattungsansprüche gegen (andere) Kommanditisten, entgegen getreten, weshalb der Senat die Behauptung der Beklagten als unstreitig behandelt, § 138 Abs. 4 ZPO.

 

Die Beklagte haftet als nach § 171 Abs. 2 i. V. m. § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB in Anspruch genommene Kommanditistin nur für Forderungen, die der Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle festgestellt und denen er nicht widersprochen hat (BGH, a. a. O., Rn. 15 f.). Für Masseforderungen haftet sie hingegen nicht (Hirte in Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., Rn. 37 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 24. September 2009, IX ZR 234/07Rn. 19 f. nach juris). Da dies in gleicher Weise für alle weiteren, in der dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Auseinandersetzung vom Insolvenzverwalter in großer Anzahl in Anspruch genommenen Kommanditisten gilt, obliegt es dem Insolvenzverwalter nach dem Dafürhalten des Senats im Streitfall, im Einzelnen aufzuzeigen, in welcher Höhe er Erstattungsansprüche gegen Kommanditisten verwirklicht hat (ebenso etwa OLG Koblenz, Urteil vom 6. November 2018, 3 U 265/18, Bd. IV, Bl. 576 ff. d. A.; OLG Bamberg, Beschluss vom 5. November 2018, 4 U 3/18, Bd. IV, Bl. 593 ff. d. A.). Anderenfalls könnte der Insolvenzverwalter die hinsichtlich des Anspruchsgrundes sachliche Beschränkung der Haftung der Gesellschafter ohne weiteres umgehen, indem er bereits beigetriebene Erstattungsansprüche zur Begleichung von Forderungen einsetzt, für die die Gesellschafter nicht zu haften haben, und so in Auseinandersetzungen mit weiteren Gesellschaftern die maßgebliche Summe zur Insolvenztabelle festgestellter Forderungen gleichsam wieder "auffüllt".

 

Dem Hinweis des Senats gemäß Beschluss vom 11. Juli 2018, entsprechend vorzutragen, ist der Kläger nicht nachgekommen, sondern hat sich auf den Standpunkt gestellt, es komme - ungeachtet der Verwendung von weiteren Kommanditisten beigetriebener Erstattungsleistungen - allein darauf an, dass nach dem derzeitigen Stand der Insolvenzmasse eine Inanspruchnahme der Beklagten erforderlich sei. Dem ist nach dem oben Ausgeführten nicht zu folgen.

 

4. Hinzu kommt, dass schon nach der Darstellung des Klägers eine Inanspruchnahme der Beklagten zur Begleichung festgestellter Masseforderungen nicht mehr erforderlich ist. Der Kläger hat in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen, dass sich auf dem in Euro-Währung geführten Insolvenzkonto derzeit 2.573.273,35 € befinden. Hinzu kommt ein Saldo auf dem in US-Dollar geführten Konto von umgerechnet 97.541,97 €. Von der Gesamtsumme von 2.670.815,22 € sind entgegen der Auffassung des Klägers, wie er sie etwa in seinem Schriftsatz vom 9. August 2018 (Bd. III, Bl. 494 ff. d. A.) zum Ausdruck gebracht hat, nur festgestellte Forderungen in Höhe von 666.673,52 €, nicht auch bestrittene oder (vor deren nachträglicher Feststellung) nachgemeldete Insolvenzforderungen abzuziehen (siehe oben Nr. 3).

 

Soweit der Kläger geltend macht, es sei auch eine für den Ausfall festgestellte Insolvenzforderung der Gläubigerin …bank in Höhe von 2.113.313,53 € abzuziehen, trifft dies jedenfalls insoweit nicht zu, als sich diese für den Ausfall festgestellte Forderung, die sich nach Verwertung des sicherungsübereigneten Schiffes errechnen soll, als überhöht darstellt: Ausweislich der vom Kläger selbst eingereichten Forderungsanmeldung nebst anliegender Zwischenabrechnung dieser Insolvenzgläubigerin (Anl. K 13, Bd. II, Bl. 318 ff. d. A.) berücksichtigt die Forderungsberechnung – zu Unrecht – einen "Verfahrenskostenzuschuss an den Insolvenzverwalter" von 250.000 € (Bd. II, Bl. 320 d. A.). Bei Verfahrenskosten des Insolvenzverwalters handelt es sich um Kosten des Insolvenzverfahrens, also Massekosten. Weil nach dem oben Gesagten Gesellschafter für diese nicht haften, würde der Forderungsausfall der Gläubigerin …bank um 250.000 € niedriger ausfallen, wenn diese von dem Verwertungserlös nicht den Insolvenzverwalter (teilweise) befriedigt hätte. Berücksichtigt man diesen Umstand rechnerisch, genügt die vorhandene Insolvenzmasse zur Begleichung der zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen (die nicht Masseschulden sind), so dass eine Inanspruchnahme der Beklagten nicht mehr nötig ist.

 

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, § 543 ZPO, liegen nicht vor.