Kostenrecht


Kosten des Rechtsstreits: Die Vergleichsgebühr bei gerichtlicher oder außergerichtlicher Streitbeilegung

OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.09.2022 - 28 W 1/22 -

Kurze Inhaltsangabe (mit Erläuterungen zur weiteren Rechtsprechung)

 

Zwar sollte zwischen den Parteien zunächst ein Vergleich geschlossen werden, der im laufenden Rechtsstreit vom Gericht protokolliert wird. Allerdings erfolgte dies dann nicht, und der Vergleich wurde außerhalb des Verfahrens geschlossen. In diesem außergerichtlichen Vergleich trafen sie eine Regelung über die „Kosten des Rechtsstreits“, die eine Kostenentscheidung des Gerichts vorsah. Dieses erlegte nach übereinstimmender Erledigungserklärung des Rechtsstreits gemäß den Vorgaben im außergerichtlichen Vergleich der Klägerin 37%, der Beklagten 63% der „Kosten des Rechtsstreits“ auf. Im Rahmen der Kostenausgleichung und -festsetzung wurde die Einigungsgebühr zu Lasten der Beklagten festgesetzt, die dagegen erfolgreich Rechtsmittel einlegte.

 

Das OLG kam bei der Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Einigungsgebühr bei beiden Parteien nicht zu berücksichtigen sei und mithin zu Lasten keiner der Parteien im Rahmen der Kostenausgleichung festgesetzt werden könne. Der Tenor der Kostenentscheidung des Landgerichts auf der Grundlage des § 91a ZPO (Erledigung der Hauptsache) laute auf eine Quotelung der „Kosten des Rechtsstreits“, wie es auch im außergerichtlichen Vergleich vorgesehen war.  

 

Grundsätzlich sind die Kosten des Vergleichs auch „Kosten des Rechtsstreits“. Auf der Grundlage des § 98 ZPO hatte das OLG Hamburg (Beschluss vom 24.07.2014 - 4 W 83/14 -) entscheiden, dass dann, wenn in einem gerichtlich protokollierten Vergleich von den Kosten des Rechtsstreits gesprochen würde, die Parteien damit alle Kosten, also auch jene des Vergleichs meinen würden, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorhanden seien, dass die Parteien diese mit in die Kostenregelung (entgegen § 98 S. 1 ZPO, welcher eine wechselseitige Aufhebung der Kosten des Prozessvergleichs vorsieht) einbeziehen wollten. Entsprechendes könne regelmäßig bei einem gerichtlichen Vergleich angenommen werden, da diese Kosten mit zu dem Prozessgeschehen zählen würden (so bereits BGH, Beschluss vom 25.09.2008 - V ZB 66/08 -).

 

Grundsätzlich sieht § 98 S. 1 ZPO bei einem Prozessvergleich die wechselseitige Aufhebung der Kosten des Vergleichs vor. Das, so das OLG Frankfurt, würde auch für die den außergerichtlichen Vergleich gelten, wenn dieser (wie hier) zur Prozessbeendigung führe (BGH, Beschluss vom 15.03.2011 - VI ZB 45/09 -). Eine davon abweichende Regelung läge durch die den Prozess beendende Vereinbarung der Parteien nicht vor. Zwar sei zunächst ein Prozessvergleich mit der Regelung „Kostend es Rechtsstreits und dieses Vergleichs“ beabsichtigt gewesen, doch sei dann außergerichtlich nur über die „Kosten des Rechtsstreits“ eine Vereinbarung geschlossen worden. Angesichts dieser Änderung der Wortwahl könnten vorangegangene Erwägungen nicht mehr uneingeschränkt Grundlage einer Auslegung werden. Damit würden die Erwägungen des BGH wieder greifen und die Kosten des Vergleichs nicht entgegen § 98 S. 1 ZPO als Kosten des Rechtsstreits bei der Quotelung berücksichtigt werden.

 

Als Fazit ergibt sich, dass durch die Beschränkung im außergerichtlichen Vergleich auf die Kosten des Rechtsstreits die Partei, die nur mit einer Kostenquotelung von 37% beteiligt sei, durch den Wegfall der Quotelung der Vergleichs-/Einigungskosten finanziell benachteiligt wird gegenüber einer Regelung, dass die Quotelung auch für den Vergleich gilt (wie ursprünglich von den Parteien für den gerichtlichen Vergleich angedacht).

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, dass die von der Beklagten aufgrund des vollstreckbaren Beschlusses des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.08.2021 zu erstattenden Kosten festgesetzt werden auf 601,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.01.2022.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden auf die Hälfte ermäßigt; die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Gründe

Die gem. §§ 11 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten (zur erforderlichen Beschwer von 600 € siehe die Berechnung unten), mit der sie sich gegen die Festsetzung der mit Kostenfestsetzungsantrag des Klägers vom 21.01.2022 geltend gemachten Einigungsgebühr zu ihren Lasten wendet, hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung war wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern, weil eine 1,0 Einigungsgebühr nach § 13 RVG, Nr. 1000 VV RVG auf beiden Seiten nicht festzusetzen war.

 

Nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien infolge des von ihnen außergerichtlich abgeschlossenen Vergleichs hat das Landgericht mit Beschluss vom 12.08.2021 mit folgender Tenorierung über die Kosten des Rechtsstreits entschieden:

 

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 37 % und die Beklagte zu 63 %.

 

Zu den erstattungsfähigen "Kosten des Rechtsstreits" zählen die Kosten des außergerichtlichen Vergleichs aber nur dann, wenn die Parteien dies auch ausdrücklich oder konkludent vereinbart haben (vgl. BGH NJW 2011, 1680; NJW 2009, 519 Rn. 7 ff.; OLG Hamm, OLGR Hamm 2007, 738; OLG Frankfurt, NJW 2005, 2465). Denn die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs gelten bei einem Prozessvergleich gem. § 98 S. 1 ZPO als gegeneinander aufgehoben, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Für den außergerichtlichen Vergleich gilt dies jedenfalls dann entsprechend, wenn dieser, wie hier, zur Prozessbeendigung geführt hat (vgl. BGH aaO.).

 

Eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung liegt im hier beendeten Streitverfahren entgegen der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung nicht vor. Zwar hatten die Parteien noch im Juli 2021 den Abschluss eines gerichtlich zu protokollierenden Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO mit einer umfassenden Kostenregelung ("Kosten des Rechtsstreits und dieses Vergleichs") beabsichtigt. Tatsächlich ist der Vergleich aber lediglich außergerichtlich mit hinsichtlich der Kosten abgewandeltem Inhalt zustande gekommen; es ist nur noch von den "Kosten des Rechtsstreits" die Rede. Auch im Klägerschriftsatz vom 06.08.2021 wird ebenso wie im gerichtlichen Beschluss vom 12.08.2021 ausschließlich von den "Kosten des Rechtsstreits" ohne jede Erwähnung der Kosten des außergerichtlichen Vergleichs gesprochen. Angesichts dieser ausdrücklichen Änderung des Wortlauts des ursprünglichen Einigungsvorschlags können die vorangegangenen Erwägungen der Parteien zum beabsichtigten Abschluss des gerichtlichen Vergleichs nicht mehr uneingeschränkt Grundlage einer Auslegung werden. Damit gelangen aber die mit oben zitierten Rspr. des BGH angestellten Erwägungen, denen der Senat in vollem Umfang folgt, wieder zur Anwendung.

 

Unter Zugrundelegung eines Streitwerts von 8.219,46 € ergibt sich daher die folgende Berechnung des gegen die Beklagte festzusetzenden Betrags:

 

Kosten der Klägerin

1,3 Verfahrensgebühr, §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV                                           725,40 €

1,2 Terminsgebühr, §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 VV                                                669,90 €

Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV RVG                                           20,00 €

Zwischensumme                                                                                               1.415,30 €

zzgl. 19 % USt, Nr. 7008 VV RVG                                                                        268,91 €

Summe                                                                                                                1.684,21 €

Kosten der Beklagten

1,3 Verfahrensgebühr §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV                                            725,40 €

1,2 Terminsgebühr, §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 VV                                                 669,90 €

Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV RVG                                             20,00 €

Summe                                                                                                                 1.415,30 €

Summe beider Beträge:                                                                                      3.099,51 €

 

Davon trägt die Klägerin nach der landgerichtlichen Kostengrundentscheidung 37 %, also 1.146,82 € und hat unter Berücksichtigung der auf sie entfallenden Kosten von 1.684,21 € (s. o.) folglich noch einen Kostenerstattungsanspruch aus zweiter Instanz von 537,39 €, zu dem anteilige Gerichtskosten erster Instanz von 63,70 € hinzuzusetzen sind. Daraus ergibt sich der der Klägerin zu erstattende Gesamtbetrag von insgesamt 601,09 €.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung.

 

 

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO nicht erfüllt sind.