Mietrecht


Betriebskostenabrechnung: Umfang des Belegeinsichtsrechts bei Betriebskostenabrechnungen (hier: Zahlungsbelege)

BGH, Urteil vom 09.12.2020 - VIII ZR 118/19 -

Kurze Inhaltsanagbe:

 

Dass der Mieter das Recht hat, die der Betriebskostenabrechnung zugrunde liegenden Belege einzusehen (vgl. § 259 BGB), ist allgemein bekannt und war auch im vom BGH entschiedenen Fall nicht streitig. Streitig war, ob sich das Einsichtsrecht auf die Rechnungen / Bescheide bezieht oder ob es sich auch auf die zahlungsbelege des Vermieters erstreckt. Letzteres wurde von dem klagenden Vermieter, der eine Nachzahlung aus einer Betriebskostenabrechnung für 2013 geltend machte, verneint. Während das Amtsgericht der Klage teilweise stattgab, wurde sie vom Landgericht (LG) im Berufungsverfahren vollumfänglich abgewiesen. Die zugelassene Revision der Klägerin blieb erfolglos.

 

Grundlage der Entscheidung des LG war, dass die Klägerin dem beklagten Mieter keine Einsicht in die der Abrechnung zu Grunde liegenden Abrechnungsbelege gewährte. Dem Mieter stehe gegenüber dem auf einer Betriebskostenabrechnung beruhenden Zahlungsbegehren des Vermieters ein aus § 242 BGB folgendes (temporäres) Leistungsverweigerungsrecht zu, solange ihm eine begehrte Belegeinsicht nicht gewährt würde. Das Einsichtsrecht beziehe sich neben den Rechnungen auch auf die dazugehörigen Zahlungsbelege über die in der Abrechnung auf die Mieter umgelegten Betriebskosten. Mit deren Hilfe würde der Mieter die Möglichkeit haben, die Berechtigung der jeweils in Rechnung gestellten Beträge zu überprüfen. Das berechtigte Interesse ergäbe sich aus dem Kontrollrecht des Mieters.

 

Für das Einsichtsrecht käme es auch nicht darauf an, ob der Vermieter nach dem Abflussprinzip oder dem Leistungsprinzip abrechne oder je nach Betriebskostenart unterschiedlich (dazu BGH, Urteil vom 20.02.2008 - VIII ZR 49/07 -), was ohnehin in der Regel aus der Abrechnung nicht ersichtlich sei. Insbesondere könne er sich nicht bei einer Abrechnung nach dem Leistungsprinzip darauf berufen, dass er die im Abrechnungszeitraum erbrachten bzw. darauf entfallenden Leistungen unabhängig davon umlegen könne, ob diese bereits im Abrechnungszeitraum bezahlt worden seien. Das allgemeine Kontrollinteresse des Mieters erstrecke sich darauf festzustellen, ob der Vermieter die in die Abrechnung eingestellten Leistungen Dritter seinerseits vollständig gezahlt habe. Sei dies nicht der Fall, bestünde für den Mieter zumindest Anlass zu Nachfragen oder zur Erhebung von Einwendungen gegen die Abrechnungsposition.  Da die Abrechnung regelmäßig erst nach einem Ablauf von mehreren Monaten nach Ende der Abrechnungsperiode erfolge (hier: zehn Monate) sei auch regelmäßig zu erwarten, dass der Vermieter berechtigte Rechnungsbeträge seinerseits bereits gezahlt habe.

 

 

Wird von dem Vermieter die Abrechnung nach dem Abflussprinzip vorgenommen, bei dem auf die im Abrechnungszeitraum abgeflossenen Mittel (bei Rechnungen Dritter also die Bezahlung dieser Rechnungen durch den Vermieter) abgestellt, sei der Mieter zwingend auf die Einsicht in die Zahlungsbelege angewiesen, da es für die Richtigkeit der Abrechnung auf die tatsächlich vorgenommene Zahlung ankäme. 

 

Aus den Gründen:

 

 

Tenor

 

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 65 - vom 13. Februar 2019 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

 

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

 

Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Die Klägerin begehrt eine Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung vom 22. Oktober 2014 für das Jahr 2013. Sie gewährte dem Beklagten Einsicht in die der Abrechnung zugrundeliegenden Rechnungsbelege; eine darüber hinaus vom Beklagten verlangte Einsichtnahme in die entsprechenden Zahlungsbelege lehnte sie ab.

 

Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 1.262,35 € nebst Zinsen gerichteten Klage unter deren Abweisung im Übrigen in Höhe von 1.195,19 € stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Revision hat keinen Erfolg.

 

I.

 

Das Berufungsgericht (WuM 2019, 377) hat zur Begründung der Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

 

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Ausgleich der Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung vom 23. Oktober 2014 derzeit nicht zu, weil sie dem Beklagten die begehrte Einsicht (auch) in die Zahlungsbelege nicht gewährt habe und dem Beklagten daher nach § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung ein temporäres Leistungsverweigerungsrecht zustehe (vgl. BGH, NJW 2018, 1599 Rn. 24 ff.).

 

Die Abrechnungspflicht des Vermieters umfasse nach § 259 Abs. 1 BGB die Vorlage von Belegen, soweit diese erteilt zu werden pflegten. Eine Einschränkung dahingehend, dass die Einsichtnahme in die Belege zur Überprüfung der Abrechnung zwingend erforderlich sein müsse, lasse sich der Vorschrift nicht entnehmen. Vielmehr genüge das allgemeine Interesse des Mieters, die Tätigkeit des abrechnungspflichtigen Vermieters zu kontrollieren.

 

Lägen Zahlungsbelege zum Nachweis der Erfüllung von Forderungen gegenüber dem Gläubiger vor, sei kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb dem Abrechnungsempfänger eine Einsichtnahme in diese Belege verweigert werden sollte. Ein besonderes Interesse - wie etwa ein begründetes Misstrauen gegenüber der Abrechnungspraxis des Vermieters - brauche der Mieter nicht darzulegen. Es reiche vielmehr aus, dass er - wie jeder Abrechnungsempfänger - überprüfen könne, ob der Abrechnungspflichtige - hier der Vermieter - die Rechnungsbeträge so wie in der Abrechnung ausgewiesen beglichen und nicht etwa Kürzungen vorgenommen oder von Preisnachlässen oder Ähnlichem profitiert habe. Anders möge es sich allenfalls dann verhalten, wenn Zahlungsbelege nicht vorlägen, etwa weil Rechnungen (z.B. mangels Fälligkeit) noch nicht beglichen worden seien.

 

Dass sich das Belegeinsichtsrecht des Mieters auf Zahlungsbelege erstrecken müsse, ergebe sich zudem spiegelbildlich als geradezu zwingendes (Gegen-)Recht des Mieters, wenn dem Vermieter ein Wahlrecht bezüglich der Abrechnungsmethode zugebilligt werde. Bei der Abrechnung nach dem "Abflussprinzip" - bei dem der Vermieter auf die im Abrechnungszeitraum tatsächlich bezahlten Rechnungen abstelle - sei zur sachgerechten Überprüfung die Einsichtnahme in die Zahlungsbelege erforderlich.

 

Da die Klägerin von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, sei sie - unabhängig von der Frage, ob dem Beklagten ein Recht auf Einsichtnahme in sämtliche der Klägerin vorliegenden Zahlungsbelege zuzugestehen sei - hier in jedem Fall in begrenztem Umfang zur Vorlage verpflichtet.

 

II.

 

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

 

Das Berufungsgericht hat die Klage zutreffend mit Rücksicht darauf als derzeit unbegründet abgewiesen, dass die Klägerin dem Beklagten die begehrte Einsicht in die der Betriebskostenabrechnung 2013 zu Grunde liegenden Zahlungsbelege nicht gewährt hat.

 

1. Nach der Rechtsprechung des Senats, die das Berufungsgericht zutreffend angewendet hat, steht dem Mieter gegenüber dem auf eine Betriebskostenabrechnung gestützten Zahlungsverlangen des Vermieters ein aus § 242 BGB folgendes (temporäres) Leistungsverweigerungsrecht zu, solange ihm eine nach § 259 Abs. 1 BGB berechtigterweise begehrte Belegeinsicht nicht gewährt worden ist (Senatsurteile vom 7. Februar 2018 - VIII ZR 189/17, NJW 2018, 1599 Rn. 29; vom 10. April 2019 - VIII ZR 250/17, NJW-RR 2019, 977 Rn. 36 ff.).

 

2. Zu den Abrechnungsunterlagen, auf die sich das Einsichtsrecht des Mieters bezieht, gehören - wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen hat - neben den Rechnungen auch die dazugehörigen Zahlungsbelege über die in der Abrechnung auf die Mieter umgelegten Betriebskosten. Denn mit Hilfe dieser Belege wird der Mieter in die Lage versetzt, die Berechtigung der jeweils in Rechnung gestellten Beträge zu überprüfen. Der Darlegung eines besonderen Interesses bedarf es dabei nicht, es genügt vielmehr das allgemeine Interesse des Mieters, die Tätigkeit des abrechnungspflichtigen Vermieters zu kontrollieren (Senatsurteil vom 7. Februar 2018 - VIII ZR 189/17, aaO Rn. 18).

 

Entgegen der Auffassung der Revision gilt das auch für die Einsichtnahme in die Zahlungsbelege, und zwar unabhängig davon, ob der Vermieter nach dem Abflussprinzip oder nach dem Leistungsprinzip abrechnet oder bei den unterschiedlichen Betriebskostenarten teils die eine, teils die andere Abrechnungsmethode anwendet (zu den unterschiedlichen Abrechnungsmethoden vgl. Senatsurteil vom 20. Februar 2008 - VIII ZR 49/07, NJW 2008, 1300 Rn. 16 ff.).

 

a) Zu Unrecht meint die Revision, der Mieter habe an der Vorlage der Zahlungsbelege kein berechtigtes Interesse, weil etwaige Kürzungen oder Nachlässe nicht nur aus dem Zahlungsbeleg ersichtlich seien, sondern vom Vermieter pflichtgemäß bereits auf dem Rechnungsbeleg zu vermerken seien, der Vermieter sich im Falle der Umlage eines nicht oder nicht in voller Höhe entstandenen Rechnungsbetrags wegen Betrugs zu verantworten hätte und die Belegeinsicht dem Mieter ohnehin keinen Schutz biete, da auch Belege manipuliert sein könnten. Mit derartigen Spekulationen kann das der Belegeinsicht zugrundeliegende (allgemeine) Kontrollinteresse des Mieters nicht verneint werden. Zudem verkennt die Revision, dass die Belegeinsicht auch der Aufdeckung möglicher bloßer Versehen bei der Abrechnung dient.

 

aa) Entgegen der Auffassung der Revision ist es für den Anspruch des Mieters auf Belegeinsicht (inklusive der Zahlungsbelege) auch nicht von Bedeutung, dass der nach dem Leistungsprinzip abrechnende Vermieter die im Abrechnungszeitraum erbrachten beziehungsweise darauf entfallenden Leistungen unabhängig davon umlegen kann, ob diese (bereits) im Abrechnungszeitraum bezahlt wurden. Denn dies ändert nichts daran, dass sich das allgemeine Kontrollinteresse des Mieters darauf erstreckt, ob der Vermieter die in die Abrechnung eingestellten Leistungen Dritter seinerseits (vollständig) bezahlt hat. Ist das nicht der Fall, besteht für den Mieter zumindest Anlass zu Nachfragen oder zur Erhebung von Einwendungen. Im Zeitpunkt der Erteilung der Abrechnung wird im allgemeinen ein Zeitraum von mehreren Monaten seit Ablauf der Abrechnungsperiode (hier fast 10 Monate) verstrichen und deshalb regelmäßig zu erwarten sein, dass der Vermieter berechtigte Rechnungsbeträge seinerseits inzwischen im normalen Geschäftsgang bezahlt hat. Soweit der Vermieter insoweit einen Zahlungsbeleg nicht vorzulegen vermag, kann das - wie ausgeführt - Anlass für Nachfragen des Mieters oder zur Erhebung von Einwendungen gegen einzelne Kostenpositionen sein.

 

bb) Soweit der Vermieter nach dem Abflussprinzip abrechnet, das auf die im Abrechnungszeitraum abgeflossenen Mittel (bei Rechnungen Dritter also die Bezahlung dieser Rechnungen durch den Vermieter) abstellt, ist der Mieter zur Überprüfung der Abrechnung - wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen hat - sogar zwingend auf die Einsicht in die Zahlungsbelege angewiesen, eben weil es für die Richtigkeit der Abrechnung in diesem Fall entscheidend darauf ankommt, ob die jeweiligen Betriebskosten im Abrechnungszeitraum bezahlt worden sind.

 

b) Ohne Erfolg macht die Revision schließlich geltend, das Berufungsgericht hätte der Klägerin die streitige Nachforderung zumindest insoweit zusprechen müssen, als sie sich allein aus den nach dem Leistungsprinzip abgerechneten Betriebskostenarten (also unter Außerachtlassung der nach dem Abflussprinzip in Rechnung gestellten Positionen) ergab.

 

 

Das Berufungsgericht hat schon keine abschließenden Feststellungen zu der bei sämtlichen Betriebskostenpositionen jeweils angewendeten Abrechnungsmethode getroffen. Übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision insoweit nicht auf. Vor allem aber bezieht sich das Einsichtsrecht des Mieters - unabhängig von der aus der Abrechnung als solcher ohnehin nicht ersichtlichen Abrechnungsmethode - auf die jeweiligen (und damit auf sämtliche vorhandenen) Zahlungsbelege. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte sein Einsichtsbegehren - etwa im Laufe des Prozesses - auf einzelne Zahlungsbelege zu bestimmten Positionen beschränkt hätte, trägt die Revision nicht vor und sind auch nicht ersichtlich.