Wohnungseigentum


Veränderungen des Bodenbelags und Gewährleistung des Trittschallschutzes durch Wohnungseigentümer

BGH, Urteil vom 26.06.2020 - V ZR 173/19 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Parteien waren Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft in einem 1962 errichteten Haus, welches 1965 in Wohnungseigentum aufgeteilt wurde. Der Kläger erwarb eine im 2. OG belegen Wohnung, der Beklagte 2001 die darüber liegende Wohnung. In 2008 ließ der Beklagte den Teppichboden in seiner Wohnung durch Fliesen ersetzen. Nach einem Gutachten aus dem Jahr 2013 entspricht die Wohnungsdecke zwischen den Wohnungen nicht den Anforderungen an den Trittschallschutz der DIN 4109 in der Ausgabe von 1989. Im Rahmen einer Klage gab das Landgericht im Berufungsverfahren dem klägerischen Hilfsantrag statt, nach dem der Beklagte verpflichtet wurde, durch geeignete Maßnahmen einen Normtrittschallpegel des Fußbodens von ≥ 53 dB herzustellen.

 

Die vom Landgericht zugelassene Revision des Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen. Zu Recht habe das Landgericht einen Anspruch des Klägers aus § 10044 Abs. 1 BGB und 15 Abs. 3 WEG iVm § 14 Nr. 1 WEG bejaht.

 

Nach § 14 Nr. 1 WEG sei jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von dem in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen (wozu auch der Oberbodenbelag gehöre) nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwachse. Der Wohnungseigentümer stehe insoweit auch für Nutzer/Mieter seiner Wohnung ein, § 14 Nr. 2 WEG. Durch den Austausch des Bodenbelags sei es hier zu einem Nachteil iSv. § 14 Nr. 1 WEG gekommen.

 

Dabei ergäbe sich das einzuhaltende Schallschutzniveau nicht aus tatsächlichen Umständen, wie hier der vorhandenen Ausstattung der Wohnung mit einem Teppichboden (insoweit erfolgte mit Urteil des BGH vom 27.02.2015 - V ZR 73/14 - eine Rechtsprechungsänderung). Für den im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährenden Schallschutz sei die DIN 4109 maßgeblich, wenn wie vorliegend ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ohne Eingriff in Estrich und Geschossdecke ersetzt würde. Das gelte selbst dann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft sei und der Trittschall ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche. Auch wenn der Mangel erst durch Austausch des Bodenbelags zu Tage trete, bliebe dies für den von dem Wohnungseigentümer nach Austausch einzuhaltenden Schallschutz ohne Bedeutung.

 

Anders könnte es nur sein, wenn bei einer mangelhaften Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums der Wohnungseigentümer keine zumutbare Abhilfemöglichkeit habe, was schon dann nicht der Fall sei, wenn durch Verlegung eines schalldämpfenden Teppichbodens oder eines zusätzlichen Bodenbelags der Schallschutz erreicht würde.

 

Einzuhalten seien hier bei dem 1962 errichteten und 1995 ausgebauten Gebäude die Anforderungen an den Trittschallschutz gem. DIN 4109 in der Ausgabe von 1989 (BGH, Urteil vom 16.03.2018 - V ZR 276/16 -). Vorliegend würde die darin festgelegte Trittschallgrenze von 53 dB bei einem Pegel von 66 bis 67 dB um 14 dB überschritten.

 

 

BGH, Urteil vom 26.06.2020 - V ZR 173/19 -

 

 

Aus den Gründen: 

 

Tenor

 

Die Revision gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 2019 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

 

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

 

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Das 1962 errichtete Haus wurde 1995 in Wohnungseigentum aufgeteilt. Dabei wurde das Dachgeschoss zu Wohnraum ausgebaut; in den Wohnräumen und in der Diele wurde Teppichboden verlegt. Der Kläger erwarb eine Wohnung im zweiten Obergeschoss, der Beklagte 2001 die darüber liegende Dachgeschosswohnung.

 

2008 ließ der Beklagte den Teppichboden durch Fliesen ersetzen. Der Kläger macht geltend, seitdem komme es in seiner Wohnung zu unzumutbaren Lärmbelästigungen durch Trittschall. Ein im Jahr 2013 von der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft in Auftrag gegebenes Gutachten ergab, dass die Wohnungstrenndecke nicht den Anforderungen an den Trittschallschutz der DIN 4109 in der Ausgabe von 1989 entspricht. Der Antrag des Klägers, eine den anerkannten Regeln der Technik für die Herstellung einer Trittschalldämmung genügende Trenndecke zwischen den Wohnungen der Parteien herstellen zu lassen, wurde in der Wohnungseigentümerversammlung vom 8. April 2014 abgelehnt.

 

Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten, in dessen Wohnung Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag mit einem Trittschallverbesserungsmaß von mindestens 15 dB zu verlegen, hilfsweise durch geeignete Maßnahmen einen Normtrittschallpegel des Fußbodens von ≤ 53 dB herzustellen. Das Amtsgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Das Landgericht hat das Urteil geändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dem Hilfsantrag stattgegeben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die Klageabweisung erreichen. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

 

I.

 

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in ZMR 2019, 895 veröffentlicht ist, meint, der Kläger könne von dem Beklagten gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 3 WEG die Vornahme von Maßnahmen verlangen, durch die der Trittschallpegel von 53 dB gemäß der DIN 4109 in der zum Zeitpunkt des Dachgeschossausbaus geltenden Ausgabe von 1989 eingehalten werde. Dabei legt es das gerichtliche Sachverständigengutachten zu Grunde, wonach die Anforderungen an die Trittschalldämmung mit dem Fliesenbelag um 14 dB verfehlt würden. Der Trittschallpegel betrage 66 bis 67 dB. Das stelle einen erheblichen Nachteil für den Kläger dar. Durch einen weich federnden Bodenbelag wie einen Teppichboden könne eine Verbesserung der Trittschalldämmung um mindestens 15 dB erreicht werden. Für den unzureichenden Trittschallschutz sei der Beklagte verantwortlich. Zwar könne ein Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Bodenbelag durch einen anderen ersetzen. Führe dies allerdings zu Trittschallbelästigungen in der darunterliegenden Wohnung und gingen diese über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß gemäß § 14 Nr. 1 WEG hinaus, sei er Störer. Es sei unerheblich, ob auf der Geschosstrenndecke kein schwimmender Estrich vorhanden sei bzw. ob dieser aufgrund von Ausführungsmängeln (Schallbrücken) keine trittschallentkoppelnde Wirkung entfalte. Die Trittschalldämmung sei mit dem Teppichboden sehr viel besser gewesen. Er stelle einen das ursprüngliche Schallschutzniveau prägenden Umstand dar. Der Schallschutz müsse nach der Änderung des Bodenbelags so gut sein wie zuvor. Der Beklagte sei zwar nicht verpflichtet, das Gemeinschaftseigentum zu verbessern. Er könne sich aber unter dem Gesichtspunkt einer ihm gegenüber dem Kläger zukommenden Treuepflicht nicht durch den Hinweis auf die Mangelhaftigkeit der Geschossdecke entlasten, wenn er mit weit weniger aufwändigen Maßnahmen, etwa durch die Verlegung von Teppichboden anstelle der Fliesen, den notwendigen Schallschutz herbeiführen könne. Bei Verlegung eines schwimmenden Estrichs würden weitaus höhere Kosten entstehen. Wie der Beklagte den geschuldeten Trittschallschutz herstelle, sei seine Sache. Ob er einen Ausgleichsanspruch gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft habe, bedürfe keiner Entscheidung.

 

II.

 

Die Revision ist unbegründet. Zu Recht bejaht das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers aus § 1004 Abs. 1 BGB und § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG auf Maßnahmen zur Einhaltung der Mindestanforderungen an den Trittschallschutz.

 

1. Rechtlicher Maßstab für die zwischen den Wohnungseigentümern hinsichtlich des Schallschutzes bestehenden Pflichten ist § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen, wozu auch der Oberbodenbelag gehört, nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 195/11, NJW 2012, 2725 Rn. 5; Urteil vom 16. März 2018 - V ZR 276/16, NJW 2018, 2123 Rn. 5, 6). Das gilt auch dann, wenn die beanstandete Beeinträchtigung durch Schallimmissionen nicht auf einem eigenen Tun des Wohnungseigentümers, sondern darauf beruht, dass dessen Mieter - was das Berufungsgericht erörtert, ohne dazu Feststellungen zu treffen - den Teppichboden ausgetauscht hat. Denn der Wohnungseigentümer hat nach § 14 Nr. 2 WEG für die Einhaltung der in § 14 Nr. 1 WEG bezeichneten Pflichten durch diejenigen Personen zu sorgen, denen er die Wohnung zur Benutzung überlässt (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 195/11, aaO).

 

2. Infolge des Austauschs des Bodenbelags in der Wohnung des Beklagten ist dem Kläger ein Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG entstanden.

 

a) Das folgt allerdings nicht daraus, dass seit dem Ausbau des Dachgeschosses ein schalldämpfender Teppichboden verlegt war. Für den Nachteilsbegriff im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG ist nicht an das Gepräge der Wohnanlage anzuknüpfen. Die Rechtsprechung, dass sich das einzuhaltende Schallschutzniveau aus tatsächlichen Umständen wie etwa der bei der Errichtung vorhandenen Ausstattung ergeben könnte, hat der Senat, was das Berufungsgericht übersehen hat, bereits durch Urteil vom 27. Februar 2015 (V ZR 73/14, ZfIR 2015, 391 Rn. 10 ff.) aufgegeben (vgl. auch Urteil vom 16. März 2018 - V ZR 276/16, NJW 2018, 2123 Rn. 9).

 

b) Der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährende Schallschutz richtet sich nach der DIN 4109, wenn - wie hier - ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt und dabei nicht in den unter dem Belag befindlichen Estrich und die Geschossdecke eingegriffen wird (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 195/11, NJW 2012, 2725 Rn. 9 ff.; Urteil vom 16. März 2018 - V ZR 276/16, NJW 2018, 2123 Rn. 9; Urteil vom 6. Juli 2018 - V ZR 221/17, ZWE 2019, 139 Rn. 9). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und der Trittschall ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche. Zwar tritt in einer solchen Situation der Mangel erst durch den Austausch des Bodenbelags zu Tage. Der Umstand, dass die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums unzureichend ist, bleibt für den von dem Wohnungseigentümer nach Austausch des Bodenbelags einzuhaltenden Schallschutz aber grundsätzlich ohne Bedeutung.

 

aa) Richtig ist allerdings, dass der Schallschutz in erster Linie durch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile gewährleistet werden muss, insbesondere durch die Art und den Aufbau der Geschossdecke und des Estrichs (vgl. Senat, Urteil vom 27. Februar 2015 - V ZR 73/14, ZfIR 2015, 391 Rn. 14; Urteil vom 16. März 2018 - V ZR 276/16, NJW 2018, 2123 Rn. 14). Daraus folgt jedoch nur, dass das mittels der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile bislang erreichte Schallschutzniveau bei Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum im Prinzip erhalten bleiben muss und jedenfalls nicht signifikant verschlechtert werden darf (Senat, Urteil vom 16. März 2018 - V ZR 276/16, NJW 2018, 2123 Rn. 14; Urteil vom 6. Juli 2018 - V ZR 221/17, ZWE 2019, 139 Rn. 9). Für die sich zwischen den Wohnungseigentümern hinsichtlich des Schallschutzes ergebenden Pflichten bei einer Änderung des Bodenbelags lässt sich daraus nichts herleiten. Zwar steht die Auswahl des - im Sondereigentum stehenden (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 195/11, NJW 2012, 2725 Rn. 5) - Oberbodenbelags gemäß § 13 Abs. 1 WEG grundsätzlich im Belieben des Sondereigentümers. Das ändert aber nichts daran, dass der Sondereigentümer nach § 14 Nr. 1 WEG gehalten ist, insbesondere bei der Änderung des Bodenbelags darauf zu achten, dass die durch die DIN 4109 vorgegebenen schallschutztechnischen Mindestanforderungen eingehalten werden (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 195/11, aaO Rn. 15).

 

bb) Anders kann es sein, wenn bei einer mangelhaften Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums der Wohnungseigentümer keine zumutbare Abhilfemöglichkeit hat. Solange er aber mit zumutbaren Maßnahmen an seinem Sondereigentum die Mindestanforderungen an den Trittschallschutz einhalten kann, wie etwa durch die Verlegung eines schalldämpfenden Teppichbodens oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags, ist er dazu im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern nach § 14 Nr. 1 WEG verpflichtet (so auch OLG Düsseldorf, NZM 2001, 958 f.; OLG München, ZMR 2007, 809; LG Karlsruhe, ZWE 2016, 414; Hogenschurz in Jennißen, WEG, 6. Aufl., § 22 Rn. 106d).

 

c) Die Mindestanforderungen der DIN 4109 sind hier überschritten. Einzuhalten sind, weil das Dachgeschoss des 1962 errichteten Gebäudes im Jahr 1995 ausgebaut wurde, die Anforderungen an den Trittschallschutz gemäß DIN 4109 in der Ausgabe von 1989 (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 2018 - V ZR 276/16, NJW 2018, 2123 Rn. 9 u. 15; Urteil vom 6. Juli 2018 - V ZR 221/17, ZWE 2019, 139 Rn. 9). Die darin festgelegte Trittschallgrenze von 53 dB wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts infolge der Änderung des Bodenbelags in der Wohnung des Beklagten um 14 dB überschritten. Mit dem Fliesenbelag beträgt der Trittschallpegel 66 bis 67 dB.

 

d) Dem Beklagten ist die Einhaltung der Mindestanforderungen an den Trittschall zumutbar. Er kann dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch vergleichsweise einfache Maßnahmen erreichen, nämlich durch die Verlegung eines schalldämpfenden Teppichbodens oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags auf die bestehenden Fliesen. Welche Maßnahme er ergreift, bleibt ihm überlassen. Demgegenüber ist die Ertüchtigung des Gemeinschaftseigentums nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts aufwändiger und mit weitaus höheren Kosten verbunden. Ob und unter welchen Voraussetzungen gemäß § 21 Abs. 4 WEG ein Anspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer auf Beseitigung des Trittschallmangels am Gemeinschaftseigentum bestehen könnte, bedarf keiner Entscheidung. Es wäre Sache des Beklagten, einen solchen Anspruch geltend zu machen.

 

III.

 

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.