Arbeitsrecht


Nachträgliche Beteiligung des Betriebsrates bei Einstellung unwirksam

BAG, Beschluss vom 21.11.2018 - 7 ABR 16/17 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Der Betriebsrat beantragte die Aufhebung der Einstellung eines Arbeitsnehmers durch die Arbeitgeberin gem. § 101 BetrVG. Er wurde über die beabsichtigte Einstellung  lediglich nach § 105 BetrVG informiert, doch wurde keine nicht vor der Einstellung seine Zustimmung nach § 99 Abs. 1 BetrVG eingeholt. Im Anschluss an den Gütetermin vor dem Arbeitsgericht unterrichte die Arbeitgeberin den Betriebsrat gem. § 99 Abs. 1 BetrVG  („Vorsorgliche Anhörung zur Einstellung gem. § 991 Abs. 1 BetrVG“) und teilte darin mit, dass sie  beabsichtige, die näher benannte Person „rückwirkend zum 01.10.2015“ als Branch Manager in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis einzustellen. Dem stimmte der Betriebsrat mit Schreiben vom 25.02.2016 nicht zu. U.a. wurde geltend gemacht, die nachträgliche Unterrichtung zu einer bereits erfolgten Maßnahme sei nach § 99 BetrVG nicht zulässig. Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt; auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wurde der Beschluss des Arbeitsgerichts aufgehoben und der Antrag des Betriebsrates abgewiesen. Der Betriebsrat erhob dagegen Rechtsbeschwerde, aufgrund der das BAG den dem Antrag des Betriebsrates stattgebenden Beschluss des Arbeitsgerichts wieder herstellte.

 

Nach § 101 S. 1 BetrVG könne der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben eine personelle Maßnahme iSv. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG aufzuheben, wenn diese vom Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrates durchgeführt worden sei. Damit könne der Arbeitgeber (bei Existenz eines Betriebsrates in Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern) vor jeder Einstellung den Betriebsrat informieren und dessen Zustimmung einholen oder deren rechtskräftige Ersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG oder als vorläufige personelle Maßnahme unter den Voraussetzungen des § 100 BetrVG vornehmen (BAG, Beschluss vom 30.09.2014 - 1 ABR 32/13 -).

 

Die Voraussetzungen für eine notwendige Zustimmung des Betriebsrates wurden vom BAG (wie auch von den Vorinstanzen) bejaht. Das Landesarbeitsgericht habe fehlerhaft angenommen, dass eine nachträgliche Zustimmung deshalb vorläge, da der Betriebsrat seine Verweigerung im Rahmen der nachträglichen Anhörung nicht in beachtlicher Weise begründet habe.

 

 

Zwar sei richtig, dass eine Zustimmung durch den Betriebsrat auch dann als erteilt gelte, wenn diese seine Verweigerung nicht unter Angabe beachtlicher Gründe iSv. § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG erklären würde. Allerdings lägen die Voraussetzungen für eine derartige Zustimmungsfiktion hier nicht vor. Erforderlich wäre, dass der Betriebsrat nicht frist- oder formgerecht seine Verweigerung erkläre, wenn eine ordnungsgemäße Unterrichtung durch den Arbeitgeber vorläge. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG sähe eine Unterrichtung und Zustimmung vor der geplanten Einstellung vor.  Zur Wahrung des Mitbestimmungsrechts sei es grundsätzlich erforderlich, dass die Benachrichtigung zu einer Zeit erfolge, zu der noch keine abschließende und endgültige Entscheidung getroffen sei oder jedenfalls eine solche noch ohne Schwierigkeiten zu beseitigen sei. Eine wie hier erst nach Aufnahme der Beschäftigung im Betrieb erfolgte Unterrichtung des Betriebsrates sei deshalb nicht frist- und ordnungsgemäß iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG und könne bereits deshalb auch keine Zustimmungsfiktion nach § 99 Abs. 1 BetrVG bewirken. Es sei hier auch kein auch währen des Laufs des eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens möglicher neuer Besetzungsvorgang nach § 99 Abs. 1 BetrVG eingeleitet worden, was nur dann anzunehmen sei, wenn der Arbeitgeber von seiner ursprünglichen Maßnahme Abstand nähme und eine eigenständige neue Ersatzmaßnahme eingeleitet hätte, was ausweislich des Schreibens vom 22.02.2016 nicht der Fall gewesen sei.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. Dezember 2016 - 14 TaBV 57/16 - aufgehoben.

 

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 4. Mai 2016 - 4 BV 4/16 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

 

A. Die Beteiligten streiten über die Aufhebung einer Einstellung.

 

Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin unterhält bundesweit 14 Betriebe. Für ihren Betrieb „E“ stellte sie zum 1. Oktober 2015 Herrn M als „Branch Manager“ ein. Da die Arbeitgeberin diesen für einen leitenden Angestellten hielt, hatte sie den antragstellenden Betriebsrat zuvor lediglich nach § 105 BetrVG über die Einstellung unterrichtet, aber nicht dessen Zustimmung nach § 99 Abs. 1 BetrVG eingeholt.

 

Der Betriebsrat hat mit dem am 11. Januar 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag im vorliegenden Verfahren die Aufhebung der Einstellung des Arbeitnehmers M nach § 101 BetrVG verlangt. Im Anschluss an den Gütetermin vor dem Arbeitsgericht unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit Schreiben vom 22. Februar 2016 nach § 99 Abs. 1 BetrVG vorsorglich über die Einstellung von Herrn M. In dem Anhörungsschreiben, das auch Angaben zu den persönlichen Daten von Herrn M, zum Arbeitsplatz, zur Vergütung und zur Arbeitszeit enthält, heißt es auszugsweise:

 

        

Vorsorgliche Anhörung zur Einstellung gem. § 99 Abs. 1 BetrVG

        

...     

        

wir beabsichtigen, rückwirkend zum 01.10.2015, die nachfolgende Person als Branch Manager in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis einzustellen.

        

Unserer Auffassung nach ist ein Branch Manager leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG. Daher haben wir Sie unter dem Datum des 20.08.2015 nach Maßgabe des § 105 BetrVG ordnungsgemäß über die Einstellung von Herrn M unterrichtet.

        

Da sich der Betriebsrat jedoch auf den Standpunkt stellt, dass die Branch Manager im Unternehmen keine leitenden Angestellten im vorgenannten Sinne darstellen, hören wir Sie höchst vorsorglich und unter Aufrechterhaltung unserer Rechtsauffassung zusätzlich gem. § 99 Abs. 1 BetrVG zur beabsichtigten Einstellung von Herrn M an.“

 

Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 25. Februar 2016 mit, der rückwirkenden Einstellung zum 1. Oktober 2015 werde nicht zugestimmt. Da die Arbeitgeberin nach wie vor davon ausgehe, dass Herr M leitender Angestellter sei, entbehre die Anhörung nach § 99 BetrVG jeglicher Grundlage. Außerdem sei die nachträgliche Unterrichtung zu einer bereits erfolgten Maßnahme nach § 99 BetrVG nicht zulässig.

 

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Einstellung des Herrn M sei nach § 101 BetrVG aufzuheben, da die Arbeitgeberin die Einstellung ohne seine Zustimmung nach § 99 Abs. 1 BetrVG vorgenommen habe. Herr M sei kein leitender Angestellter iSv. § 5 BetrVG. Die während des vorliegenden Verfahrens und nach der Einstellung vorgenommene vorsorgliche Unterrichtung nach § 99 Abs. 1 BetrVG durch die Arbeitgeberin sei nicht rechtzeitig erfolgt und damit nicht ordnungsgemäß. Eine nachträgliche Unterrichtung und Zustimmung durch den Betriebsrat sei gesetzlich nicht vorgesehen. Deshalb hätte die Arbeitgeberin die Einstellung von Herrn M vor einer Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG zunächst aufheben müssen.

 

Der Betriebsrat hat beantragt,

 

        

der Arbeitgeberin aufzugeben, die Einstellung von Herrn M aufzuheben.

 

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Beteiligungsverfahren nach § 99 BetrVG sei nicht durchzuführen gewesen, weil Herr M leitender Angestellter sei. Jedenfalls gelte die Zustimmung des Betriebsrats inzwischen nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Sie habe den Betriebsrat mit Schreiben vom 22. Februar 2016 vorsorglich nach § 99 Abs. 1 BetrVG ordnungsgemäß unterrichtet, dieser habe seine Zustimmungsverweigerung nicht in beachtlicher Weise begründet.

 

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht den erstinstanzlichen Beschluss abgeändert und den Antrag abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens wurde auf Antrag des Betriebsrats durch rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 12. Juli 2017 (- 4 BV 16/17 -) festgestellt, dass Herr M kein leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG ist. 

 

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Landesarbeitsgerichts und zur Wiederherstellung des dem Antrag stattgebenden Beschlusses des Arbeitsgerichts. Das Landesarbeitsgericht hat den Aufhebungsantrag zu Unrecht abgewiesen. Der Antrag ist begründet. Die Arbeitgeberin ist nach § 101 Satz 1 BetrVG verpflichtet, die Einstellung des Arbeitnehmers M aufzuheben.

 

I. Nach § 101 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine personelle Maßnahme iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aufzuheben, wenn der Arbeitgeber die Maßnahme ohne seine - des Betriebsrats - Zustimmung durchführt. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG muss der Arbeitgeber den Betriebsrat in Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern ua. vor jeder Einstellung unterrichten und seine Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einholen. Personelle Einzelmaßnahmen iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG können daher nur nach Zustimmung des Betriebsrats oder deren rechtskräftiger Ersetzung in einem Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG oder als vorläufige personelle Maßnahme unter den Voraussetzungen des § 100 BetrVG vorgenommen werden (vgl. BAG 30. September 2014 - 1 ABR 32/13 - Rn. 15, BAGE 149, 182).

 

II. Danach ist die Arbeitgeberin verpflichtet, die Einstellung des Arbeitnehmers M aufzuheben. 

 

1. Bei der Einstellung des Arbeitnehmers M handelt es sich um eine mitbestimmungspflichtige personelle Maßnahme iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Im Unternehmen der Arbeitgeberin sind in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Zwar findet § 99 Abs. 1 BetrVG auf Einstellungen leitender Angestellter keine Anwendung (§ 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG; vgl. etwa BAG 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - Rn. 14). Aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Arbeitsgerichts Essen vom 12. Juli 2017 (- 4 BV 16/17 -) steht aber mittlerweile fest, dass Herr M kein leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG ist.

 

2. Die Arbeitgeberin führt die Einstellung des Herrn M nach wie vor ohne Zustimmung des Betriebsrats durch. Der Betriebsrat hat der Einstellung weder ausdrücklich zugestimmt, noch wurde seine Zustimmung gerichtlich ersetzt. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Herrn M nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gelte, weil dieser, nachdem er durch die Arbeitgeberin während des vorliegenden Beschlussverfahrens mit Schreiben vom 22. Februar 2016 vorsorglich nachträglich über die Einstellung unterrichtet worden war, seine Zustimmungsverweigerung nicht in beachtlicher Weise begründet hatte.

 

a) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber auch dann nicht verpflichtet ist, eine Einstellung nach § 101 Satz 1 BetrVG aufzuheben, wenn die Zustimmung des Betriebsrats zu der Einstellung nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gilt. Der Arbeitgeber kann im Verfahren nach § 101 Satz 1 BetrVG auch einwenden, die Zustimmung des Betriebsrats gelte deshalb nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt, weil dieser seine Zustimmungsverweigerung nicht unter Angabe beachtlicher Gründe iSv. § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erklärt hat (Fitting 29. Aufl. § 101 Rn. 3; ErfK/Kania 18. Aufl. § 101 BetrVG Rn. 3; Raab GK-BetrVG 11. Aufl. § 101 Rn. 17; Thüsing in Richardi BetrVG 16. Aufl. § 101 Rn. 18).

 

b) Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen für die Zustimmungsfiktion nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG jedoch entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht vor.

 

aa) Nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme als erteilt, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung der Zustimmung nicht frist- und formgerecht mitteilt. Voraussetzung für den Eintritt dieser gesetzlichen Fiktion ist eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch den Arbeitgeber. Nur diese setzt die Frist für die Zustimmungsverweigerung in Lauf (BAG 13. Mai 2014 - 1 ABR 9/12 - Rn. 18; 13. März 2013 - 7 ABR 39/11 - Rn. 31; 12. Januar 2011 - 7 ABR 25/09 - Rn. 32; 5. Mai 2010 - 7 ABR 70/08 - Rn. 23).

 

bb) Zu Gunsten der Arbeitgeberin kann unterstellt werden, dass sie den Betriebsrat mit ihrem Zustimmungsersuchen vom 22. Februar 2016 in inhaltlicher Hinsicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG umfassend unterrichtet und der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung mit Schreiben vom 25. Februar 2016 nicht unter Angabe beachtlicher Gründe iSv. § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erklärt hat. Die Zustimmung des Betriebsrats gilt vorliegend jedenfalls deshalb nicht als erteilt, weil die Arbeitgeberin den Betriebsrat nicht rechtzeitig über die Einstellung des Herrn M unterrichtet hat.

 

(1) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat „vor“ der Einstellung zu unterrichten und die Zustimmung zu der „geplanten“ Einstellung einzuholen. Nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es grundsätzlich erforderlich, dass die Beteiligung des Betriebsrats zu einer Zeit erfolgt, zu der noch keine abschließende und endgültige Entscheidung getroffen worden ist oder doch eine solche noch ohne Schwierigkeiten revidiert werden kann (BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 74/07 - Rn. 24, BAGE 128, 351; 28. April 1992 - 1 ABR 73/91 - zu B III 2 der Gründe, BAGE 70, 147). Eine erst nach Aufnahme der tatsächlichen Beschäftigung im Betrieb erfolgte Unterrichtung des Betriebsrats ist nicht fristgerecht und damit nicht ordnungsgemäß iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG. Sie kann den Eintritt der gesetzlichen Zustimmungsfiktion nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nicht bewirken.

 

(2) Vorliegend erfolgte die Unterrichtung des Betriebsrats über die Einstellung des Arbeitnehmers M nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht fristgerecht und damit nicht ordnungsgemäß. Sie wurde erst im Verlauf des vorliegenden Verfahrens am 22. Februar 2016 und damit Monate nach der am 1. Oktober 2015 erfolgten Einstellung des Herrn M vorgenommen. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat auch nicht dadurch rechtzeitig nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterrichtet, dass sie den Betriebsrat vor dem 1. Oktober 2015 nach § 105 BetrVG über die Einstellung von Herrn M informiert hat. Für den Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer der in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bezeichneten personellen Maßnahmen sieht das Gesetz zwar keine besondere Form vor. Fehlt es an einem ausdrücklichen Zustimmungsgesuch, ist aber erforderlich, dass der Betriebsrat der Mitteilung des Arbeitgebers entnehmen kann, dass er um die Zustimmung zu einer personellen Maßnahme iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG angegangen wird (vgl. BAG 10. November 2009 - 1 ABR 64/08 - Rn. 17). Das ist bei der hier allein nach § 105 BetrVG vorgenommenen Mitteilung, die gerade deshalb erfolgte, weil nach Auffassung der Arbeitgeberin kein Zustimmungserfordernis nach § 99 Abs. 1 BetrVG bestand, nicht der Fall.

 

(3) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts war das verspätete Zustimmungsersuchen an den Betriebsrat über die Einstellung des Arbeitnehmers M hier nicht deshalb ausnahmsweise iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG ordnungsgemäß, weil die Arbeitgeberin damit die Zustimmung des Betriebsrats vorsorglich einholen und einen etwaigen betriebsverfassungswidrigen Zustand für die Zukunft beseitigen wollte.

 

(a) Der Arbeitgeber ist zwar nicht gehindert, noch während des Laufs eines von ihm eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung für dieselbe Stelle mit einem neuen Besetzungsvorgang nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu beginnen. In diesem Fall erledigt sich das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren, wenn der Arbeitgeber das ursprüngliche Zustimmungsersuchen an den Betriebsrat nunmehr zurückzieht (BAG 28. Februar 2006 - 1 ABR 1/05 - Rn. 24 f., BAGE 117, 123). Es ist dem Arbeitgeber gesetzlich unbenommen, nach (rechtskräftigem) Unterliegen im Zustimmungsersetzungsverfahren die auf das gleiche Ziel gerichtete personelle Maßnahme erneut nach Maßgabe von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einzuleiten und ggf. den Weg des § 99 Abs. 4, § 100 Abs. 2 BetrVG zu beschreiten. Unter diesen Umständen ist es ihm auch nicht verwehrt, bereits während eines noch laufenden Zustimmungsersetzungsverfahrens ein neues Zustimmungsersuchen an den Betriebsrat zu richten und im Falle der erneuten Zustimmungsverweigerung ein neues, eigenständiges Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu betreiben (BAG 28. Februar 2006 - 1 ABR 1/05 - Rn. 26, aaO). Der Arbeitgeber kann den Betriebsrat ggf. mehrmals hintereinander um Zustimmung zur Einstellung oder Versetzung desselben Arbeitnehmers auf denselben (neuen) Arbeitsplatz ersuchen. Er kann dementsprechend mehrere Zustimmungsersetzungsverfahren - nacheinander oder auch zeitlich parallel, also schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des zunächst eingeleiteten - bei Gericht anhängig machen. Diese haben trotz des gleichen Rechtsschutzziels prozessual unterschiedliche Gegenstände (BAG 28. Februar 2006 - 1 ABR 1/05 - Rn. 26, aaO; vgl. auch BAG 9. Oktober 2013 - 7 ABR 1/12 - Rn. 28; 22. April 2010 - 2 AZR 491/09 - Rn. 18, BAGE 134, 154; 14. Dezember 2004 - 1 ABR 54/03 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 113, 102). Diese Möglichkeit setzt allerdings voraus, dass der Arbeitgeber einen neuen Besetzungsvorgang einleitet. Hat der Arbeitgeber ein betriebliches Zustimmungsverfahren bereits erfolglos vorgenommen, verliert die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats ihre Wirkung nicht dadurch, dass der Arbeitgeber vorsorglich nochmals einen Antrag auf Zustimmung zu der Maßnahme stellt; anders ist es nur dann, wenn der Arbeitgeber von seiner ursprünglichen Maßnahme Abstand genommen und eine eigenständige, neue personelle Einzelmaßnahme eingeleitet hat (vgl. BAG 9. Oktober 2013 - 7 ABR 1/12 - Rn. 28; 14. Dezember 2004 - 1 ABR 54/03 - zu B II 2 der Gründe, aaO).

 

(b) Demgemäß ist der Arbeitgeber auch während eines Aufhebungsverfahrens nach § 101 BetrVG nicht gehindert, von der ursprünglichen Maßnahme Abstand zu nehmen, für dieselbe Stelle ein neues Besetzungsverfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einzuleiten, den Betriebsrat über die beabsichtigte Einstellung desselben Arbeitnehmers zu unterrichten und ihn um Zustimmung hierzu zu ersuchen. Hält er aber eine ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführte Einstellung aufrecht, bleibt diese auch dann betriebsverfassungswidrig, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat nachträglich um Zustimmung zu dieser bereits vorgenommenen Einstellung ersucht und der Betriebsrat seine Zustimmung hierauf nicht erteilt. Der Arbeitgeber kann daher eine ohne Beteiligung des Betriebsrats und damit betriebsverfassungswidrig durchgeführte Einstellung nicht heilen und deren Aufhebung nach § 101 BetrVG dadurch verhindern, dass er hinsichtlich dieser bereits erfolgten Einstellung nur das Beteiligungsverfahren nachholt, ohne zuvor die Einstellung aufzuheben und ggf. ein neues Besetzungsverfahren zu betreiben. Die im Verfahren nach § 101 BetrVG streitgegenständliche Maßnahme bleibt auch in einem solchen Fall die ursprünglich betriebsverfassungswidrig vorgenommene Einstellung. Nimmt der Arbeitgeber von der ursprünglich beabsichtigten Einstellung Abstand und leitet er ein neues Mitbestimmungsverfahren zu einer neuen Einstellung ein, erledigt sich das die ursprüngliche Maßnahme betreffende Verfahren nach § 101 BetrVG (vgl. zum Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG BAG 14. Dezember 2004 - 1 ABR 54/03 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 113, 102).

 

(c) Diese Sichtweise entspricht Sinn und Zweck des Aufhebungsverfahrens nach § 101 Satz 1 BetrVG, der insbesondere darin besteht, die Einhaltung des Beteiligungsrechts des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten zu sichern. Der Aufhebungsanspruch nach § 101 BetrVG stellt eine konkrete Ausgestaltung der dem Betriebsrat durch das Betriebsverfassungsgesetz zugewiesenen Aufgabe dar, auf die Einhaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung hinzuwirken (vgl. BAG 19. Januar 2010 - 1 ABR 62/08 - Rn. 11, BAGE 133, 69). Demgemäß hat der Betriebsrat einen Anspruch auf Beseitigung des durch einseitige Handlungen des Arbeitgebers herbeigeführten betriebsverfassungswidrigen Zustands. Die betriebsverfassungsrechtliche Rechtswidrigkeit der Beschäftigung eines ohne Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG eingestellten Arbeitnehmers kann dabei darin liegen, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat vor der Einstellung überhaupt nicht beteiligt hat oder daraus resultieren, dass er trotz vorheriger Beteiligung im Falle der Zustimmungsverweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG bzw. das Verfahren nach § 100 BetrVG nicht durchgeführt hat. Liegt - wie vorliegend - die Betriebsverfassungswidrigkeit gerade auch darin, dass eine vorherige Beteiligung des Betriebsrats vollständig unterblieben ist, kann der betriebsverfassungswidrige Zustand im Falle der Einstellung nur durch - freiwillige oder gerichtlich angeordnete - Aufhebung der Maßnahme, nicht aber durch einfache Nachholung der Beteiligung beseitigt werden. Wird die Unterrichtung vom Arbeitgeber nur nachgeholt, bleibt die ursprüngliche Maßnahme ohne vorherige Beteiligung aufrechterhalten. Anderenfalls könnte der Arbeitgeber die Beteiligung des Betriebsrats unterlassen, die personelle Maßnahme durchführen, abwarten, ob der Betriebsrat von sich aus durch Einleitung eines Verfahrens nach § 101 BetrVG initiativ wird und die Beteiligung dann nachholen, ohne die Maßnahme aufheben zu müssen. Damit würde das Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG faktisch auf ein Einspruchsrecht reduziert. Das widerspräche nicht nur der Grundkonzeption der personellen Mitbestimmung nach §§ 99, 100 BetrVG, sondern auch dem in § 101 BetrVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Ziel, dem Betriebsrat ein Werkzeug an die Hand zu geben, das gewährleistet, dass der Arbeitgeber für die Zukunft die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats achtet und die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung einhält. Das ist nur gesichert, wenn der Arbeitgeber ein neues ordnungsgemäßes Zustimmungsersuchen allein bei vorheriger Aufhebung der ursprünglichen Maßnahme an den Betriebsrat richten kann. Bei dem erforderlichen neuen Besetzungsvorgang können sich zudem weitere neue Umstände ergeben, die eine andere Beurteilung etwaiger Zustimmungsverweigerungsgründe durch den Betriebsrat veranlassen können.

 

(d) Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch dazu, dass der Arbeitgeber in Fällen, in denen der Betriebsrat auf eine unvollständige Unterrichtung hin seine Zustimmung zu einer personellen Maßnahme verweigert hat, auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren die fehlenden Informationen nachholen kann, sofern für den Betriebsrat erkennbar ist, dass der Arbeitgeber die Informationen auch deswegen vervollständigt, weil er seiner ggf. noch nicht vollständig erfüllten Unterrichtungspflicht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG nachkommen möchte (vgl. BAG 21. März 2018 - 7 ABR 38/16 - Rn. 19; 12. Januar 2011 - 7 ABR 25/09 - Rn. 45). Diese Fallgestaltung ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Bei Vervollständigung der Informationen im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG hat der Arbeitgeber vor der Maßnahme ein Zustimmungsersuchen an den Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG gerichtet, das sich auf eine entsprechende Rüge des Betriebsrats hin als inhaltlich unvollständig erweist. Die personelle Maßnahme wird daher - anders als im vorliegenden Fall - nicht ohne vorheriges Zustimmungsersuchen an den Betriebsrat durchgeführt.

 

(e) Danach konnte aufgrund des Schreibens der Arbeitgeberin vom 22. Februar 2016 die Zustimmungsfiktion nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nicht eintreten. Der Antrag der Arbeitgeberin vom 22. Februar 2016 auf Erteilung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Herrn M bezog sich nicht auf eine neue, sondern auf die am 1. Oktober 2015 bereits betriebsverfassungswidrig ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführte Einstellung. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat im Schreiben vom 22. Februar 2016 nur nachträglich und vorsorglich für den Fall, dass Herr M kein leitender Angestellter sein sollte, rückwirkend über die bereits zum 1. Oktober 2015 vollzogene Einstellung unterrichtet und bezüglich dieser Maßnahme die Zustimmung des Betriebsrats beantragt. Die Arbeitgeberin hat nicht von ihrer ursprünglich beabsichtigten Maßnahme Abstand genommen, sondern dem Betriebsrat mitgeteilt, warum sie an ihrer ursprünglichen Rechtsauffassung festhalte. Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil die Arbeitgeberin einen etwaigen betriebsverfassungswidrigen Zustand für die Zukunft beseitigen wollte. Die Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands hätte die Arbeitgeberin nur erreichen können, wenn sie die Einstellung von Herrn M zunächst aufgehoben, einen neuen Stellungsbesetzungsvorgang eingeleitet und den Betriebsrat zur neuen Einstellung des Herrn M um Zustimmung ersucht hätte. Daran fehlt es.