Mietrecht


Kaution:  „Mietsicherheit“-Klausel im Wohnraummietvertrag (bei gestellter Mietkautionsversicherung)

LG Berlin, Beschluss vom 01.10.2019 - 67 T 107/19 -

Kurze Inhaltsangabe (mit Anmerkung):

 

Das Mietverhältnis war beendet. Der Mieter war nach dem Vertrag zur Erbringung einer Mietsicherheit verpflichtet und hatte eine Mietkautionsversicherung gestellt. Der Vermieter nahm diese – während eines laufenden gerichtlichen Verfahrens zu Ansprüchen des Vermieters gegen den Mieter in Anspruch. Dies nach Ansicht des LG Berlin in einem Beschwerdeverfahren zu Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens mit der Folge, dass dem Vermieter die Kosten auferlegt wurden.

 

Nach dem Urteil des BGH vom 24.07.2019 - VIII ZR 141/17 -  ist der Vermieter nach Vertragsende kann der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses zur Verwertung einer vom Mieter gestellten Barkaution selbst dann befugt, wenn die vermieterseits geltend gemachten Ansprüche weder rechtskräftig festgestellt noch zwischen den Parteien unstreitig sind. Das LG Berlin äußert Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung im Hinblick darauf, dass zweifelhaft sei, ob eine derartige Auslegung der Sicherungsabrede dem tatsächlichen Willen der Mietvertragsparteien eines Wohnraummietvertrages und der in § 551 Abs. 3 S. 3 BGB angeordneten insolvenzfesten Anlage entspricht. Jedenfalls aber sei diese Entscheidung für eine Barkaution ergangen und nicht auf eine (wie hier) vom Mieter gestellte Mietkautionsversicherung.

 

Auch sei eine Auslegung der Sicherungsabrede dahingehend, dass unabhängig vom Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder eines zwischen den Mietvertragsparteien unstreitigen Anspruchs diese Mietkautionsversicherung bei Beendigung des Vertragsverhältnisses in Anspruch genommen werden kann, ausgeschlossen, die die Klausel in einem vom Vermieter gestellten Formularvertrag enthalten sei. Darauf sei die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB anzuwenden, derzufolge Unklarheiten bei der Auslegung zu Lasten des Verwender gehen würden. In der Überschrift und der Klausel selbst würde nur über eine „Mietsicherheit“ gesprochen, ohne dass die Befugnis über eine vermieterseitige Verwertung während oder nach dem Ende des Mietverhältnisses geregelt worden sei. Es sei daher vertretbar die Klausel im Sinne einer auf den Wortlaut bezogenen Funktion dahingehend zu verstehen, dass ihr nur eine Sicherung des Vermieters vor einer möglichen Insolvenz des Mieters zukäme, die ihm allenfalls für rechtskräftig festgestellte oder unstreitige Ansprüche eine Verwertungsmöglichkeit eröffne. Ausdrücklich hält das LG Berlin fest, dass dahinstehen könne, ob dies auch für eine inhaltsgleiche Individualvereinbarung oder eine Formularvereinbarung, in der eine Regelung zur Verwertung durch den Vermieter enthalten sei, maßgebend sei. Ausreichend sei hier, dass vorliegend eine kundenfreundlichste Auslegung von zumindest zwei Auslegungsvarianten vertretbar sei.

 

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung schied aus, worauf das LG Berlin hinweist, da die Kammer über einen für erledigt erklärten Antrag über eine einstweilige Verfügung entschieden hatte, §§ 574 Abs. 1 Satz 2, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

 

 

Anmerkung: Zwar hatte der BGH in der vorgenannten Entscheidung lediglich zur Verwertung einer Barkaution entschieden. Den Entscheidungsgründen lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass seine Rechtsauffassung nur auf diese bezogen sein soll, zumal auch nach der hier vom LG Berlin ausgelegten Klausel die Mietsicherheit als Barkaution hätte geleistet werden können. Die Auslegung einer Norm, die verschiedene Arten der Sicherheitserbringung zulässt dahingehend, je nach Art der danach erbrachten Sicherheit ist unvertretbar. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass in der benannten Entscheidung des BGH es um die Frage der Aufrechnungsmöglichkeit mit der als Barkaution erbrachten Sicherheit ging. Eine Aufrechnung mit einer Mietkautionsversicherung ist nicht möglich. Die weitergehende Frage wäre, ob der Mieter nach der Entscheidung des BGH bei Geltendmachung von Ansprüchen des Vermieters im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens die Sicherheit (vorliegend in Form der Mietkautionsversicherung) herausverlangen könnte (wenn nicht der Vermieter zuvor die Geltendmachung weiterer Ansprüche ankündigt), da der Vermieter diese nicht in Anspruch nahm. Während aber die Barkaution ein liquides, dem Vermieter zur Verfügung stehendes Mittel ist, ist dies die Mietkautionsversicherung nicht, insoweit ein Dritter, der Versicherer, in Anspruch zu nehmen ist. Hier kann der Vermieter mithin sicherlich zuwarten, ob er seinen Anspruch tituliert bekommt und daraufhin der Mieter zahlt. Gleichwohl wird man zur Frage der Verwertungsmöglichkeit selbst keinen Unterschied zwischen der Barkaution und der Mietkautionsversicherung sehen können. Von daher entspricht die Entscheidung des LG Berlin nicht der Vorgabe des BGH.

 

 Aus den Gründen: 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Mitte vom 8. Juli 2019 - 10 C 1003/19 - abgeändert.

 

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von bis 2.000,00 EUR zu tragen. 

Gründe

Die gemäß § 91a Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige und gemäß § 568 Satz 2 Nr. 1 ZPO auf die Kammer übertragene Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz waren der Antragsgegnerin aufzuerlegen, da sie ohne Eintritt der Erledigung in der Hauptsache unterlegen wäre.

 

Dem Antragsteller stand trotz Beendigung des Mietverhältnisses ein Anspruch auf Unterlassung der Inanspruchnahme der geleisteten Mietsicherheit gegenüber der Antragsgegnerin zu. Denn die Antragsgegnerin war - nicht anders als während des Mietverhältnisses auch - zur Inanspruchnahme nur wegen unstreitiger oder gegenüber dem Antragsteller rechtskräftig festgestellter Ansprüche befugt (vgl. Kammer, Beschl. v. 20. Juli 2017 - 67 S 111/17NZM 2018, 285, beckonline Tz. 3 ff.). An diesen Voraussetzungen fehlte es, da die Parteien zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Mietsicherheit vor dem Amtsgericht Mitte einen Rechtsstreit über die von der Antragsgegnerin behaupteten Ansprüche geführt haben. Bis zur Inanspruchnahme der Mietsicherheit aber hatte das Amtsgericht keine - und erst recht keine rechtskräftige - Entscheidung über die zwischen den Parteien streitigen Ansprüche getroffen.

 

Keine der Antragsgegnerin günstigere Beurteilung ergibt sich aus dem Urteil des VIII. Zivilsenates des BGH vom 24. Juli 2019 (VIII ZR 141/17, BeckRS 2019, 16735, beckonline Tz. 24). Danach soll der Vermieter nach Vertragsende zur Verwertung einer vom Mieter gestellten Barkaution selbst dann befugt sein, wenn die vermieterseits geltend gemachten Ansprüche weder rechtskräftig festgestellt noch zwischen den Parteien unstreitig sind (vgl. BGH, a.a.O.). Es kann hier dahinstehen, ob eine derartige Auslegung der Sicherungsabrede grundsätzlich dem tatsächlichen Willen der Parteien eines Wohnraummietvertrages und der in § 551 Abs. 3 Satz 3 BGB vom Gesetzgeber getroffenen Anordnung zur dauerhaft insolvenzfesten Anlage der Mietsicherheit entspricht (vgl. dazu mit Recht kritisch Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 18/2019 Anm. 1). Sie kann hier bereits deshalb keine Gültigkeit für sich beanspruchen, weil der Antragsteller anders als in der vom VIII. Zivilsenat entschiedenen Konstellation keine Barkaution, sondern eine Mietkautionsversicherung gestellt hat. Unabhängig davon ist eine Auslegung der Sicherungsabrede im Sinne einer der Antragsgegnerin günstigen Verwertungsfunktion nach Vertragsende vorliegend auch deshalb ausgeschlossen, weil die Sicherungsabrede in einer von der Antragsgegnerin gestellten Formularklausel enthalten ist. Auf diese indes ist die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB anzuwenden, wonach Unklarheiten bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen. Bereits aufgrund des Wortlauts der formularvertraglichen Sicherungsabrede, die in der Überschrift und im Klauseltext lediglich von einer „Mietsicherheit“ spricht, ohne die Befugnis einer vermieterseitigen Verwertung während oder nach Beendigung des Mietverhältnisses auch nur im Ansatz zu regeln, ist es jedenfalls vertretbar, der Vereinbarung eine auf den Wortlaut der Regelung beschränkte Funktion einer bloßen Sicherung des Vermieters vor einer möglichen Insolvenz des Mieters beizumessen, die ihm allenfalls für unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Ansprüche das Recht zur Verwertung eröffnet. Ob eine derartige Auslegung auch für eine inhaltsgleiche Individualvereinbarung oder eine Formularvereinbarung, die die spätere Verwertung durch den Vermieter einer näheren Regelung zuführt, maßgebend wäre, bedarf keiner abschließenden Entscheidung der Kammer. Denn für die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB zu Gunsten des Antragstellers reicht es aus, dass die für ihn kundenfreundlichste Auslegung als eine von zumindest zwei Auslegungsvarianten vertretbar ist (st. Rspr., vgl nur BGH, Urt. v. 19. Dezember 2018 - VIII ZR 254/17NZM 2019, 253, juris Tz. 18 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind bei der hier in Frage stehenden Klausel erfüllt.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91a Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Wertfestsetzung, die mit dem Kosteninteresse des Antragstellers zu bemessen war, auf § 3 ZPO.

 

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde scheidet gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 2, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO aus, da die Kammer über einen - für erledigt erklärten - Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung entschieden hat.