Prozessrecht


Notanwalt: Darlegungs- und Beweislast der antragstellenden Partei

BGH, Beschluss vom 09.02.2022 - V ZA 2/22 -

Inhaltsangabe mit Besprechung:

 

Beim BGH sind aktuell 47 Rechtsanwälte zugelassen. Mit der Begründung, innerhalb der Rechtsmittelrist keinen (beim BGH zugelassenen) Anwalt gefunden zu haben, der bereit gewesen wäre, ihre Interessen beim BGH im Rechtsmittelverfahren zu vertreten, beantragte die Beklagte die Beiordnung eines Notanwalts. Der zur Entscheidung über den Antrag berufene Senat wies den Antrag zurück.

 

Grundlage für die Beiordnung eines Notanwalts ist § 78b Abs. 1 ZPO. Danach kann unter den Voraussetzungen, dass

1. eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt zwingend vorgesehen ist

2. die antragstellende Partei einen zur Wahrnehmung seiner Rechte bereiten Rechtsanwalt nicht findet

3. die Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint

und der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts bei dem für die Entscheidung zuständigen Gericht gestellt wird. Dieses Rechtsinstitut der Beiordnung eines Notanwalts ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips: Wenn schon der Gesetzgeber den Zugang zu den Gerichten abhängig macht von einer anwaltlichen Vertretung, muss er auch dafür Sorge tragen, dass eine solche erfolgen kann. Lehnen trotz Bemühungen des Rechtssuchenden die Rechtsanwälte die Vertretung ab (sei es aus Zeitgründen, sei es, da sie die Erfolgschancen des potentiellen Mandanten negativ beurteilen), muss es gleichwohl dem rechtssuchenden möglich sein, seinen Anspruch geltend zu machen. Dabei ist sicherlich auch zu beachten, dass im Hinblick auf den für die Gebühren entscheidenden Streitwert häufig die Gebühren in keiner vernünftigen Relation zum Aufwand stehen und deshalb – wenn auch mit fadenscheinigen Vorwänden – in einigen Fällen die Übernahme abgelehnt wird (was letztlich standesrechtlich unzulässig wäre und wohl deshalb auch nie offen bekundet würde).

 

Die Anforderungen für die Bestellung eines Notanwalts durch das angerufene Gericht sind allerdings hoch. So wurde der hier zurückgewiesene Antrag deshalb zurückgewiesen, da die Beklagte am Tag des Ablaufs der Frist pauschal lediglich angegeben habe, dass sie „trotz intensiven Suchens“ keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden habe. Dies hielt der BGH für unzureichend, da nicht angegeben worden sei, bei welchem Rechtsanwalt vergeblich angefragt worden sei. Es sei zum Einen erforderlich, dass zumutbare Anstrengungen zur Vertretung innerhalb er Rechtsmittelfrist unternommen worden seien (BGH, Beschluss vom 24.06.2014 -VI ZR 226/13 -) und in Verfahren vor dem BGH müsse die Partei darlegen und nachweisen, dass sich sie an mindestens sechs bei dem BGH zugelassene Anwälte erfolglos gewandt habe. Dies sei nicht erfolgt.

 

Nun muss man sich natürlich auch fragen, wie eine Naturalpartei, die evtl. ohne anwaltliche Hilfe aus der Vorinstanz einen Rechtsanwalt sucht, dies wissen sollte, ergibt es sich doch so nicht zwingend aus dem Gesetzwortlaut. Der BGH wirft hier der Beklagten allerdings vor, dass sie nicht angegeben habe, bei welchen Anwälten sie nachgefragt haben will und dies auch nicht nachgewiesen habe.

 

Erst in einem nachgeschobenen Schreiben vom 07.01.2022 (wobei unklar bleibt, ob dies auf einen entsprechenden Hinweis des Senats des BGH erfolgte) habe sie zwar sieben Namen von beim BGH zugelassenen Rechtsanwälten benannt, ohne allerdings Nachweise über Anfragen und Absagen vorzulegen. Angemerkt wird zudem, dass das Schreiben nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht worden sei, worauf es allerdings nicht ankäme, da es in der Sache mangels dezidierter Angaben (Nachweise) den Antrag auch nicht rechtfertigen würde.

 

 

Die mir sehr knapper Begründung versehen Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass es für den juristischen Laien selbst in einem Bereich schwierig ist, in dem er sich (wie bei dem Antrag auf Bestellung eines Notanwalts gem. § 78b Abs. 1 ZPO selbst vertreten darf. Es wird erwartet, dass er sich mit den einschlägigen, auch von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen an entsprechende Anträge vertraut macht und diese beachtet. Ob dies (noch) mit dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar ist, müsste durch das Bundesverfassungsgericht geklärt werden.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Der Antrag der Beklagten auf Beiordnung eines Notanwalts wird zurückgewiesen.

 

Gründe

 

Der Antrag der Beklagten auf Beiordnung eines Notanwalts für die Einlegung einer Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Der Senat ist gemäß GVP A. I. 1b) zur Entscheidung über den Antrag berufen, weil dem Kläger ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB zuerkannt worden ist und ausweislich des erstinstanzlichen Urteils kein Recht zum Besitz in Rede steht, das aus einem Mietvertrag abgeleitet wird oder mietrechtliche Fragen aufwirft. Die Zuständigkeit des Senats für Landwirtschaftssachen wäre nur gegeben, wenn in der Berufungsinstanz der Landwirtschaftssenat eines Oberlandesgerichts entschieden hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 30. April 2021 - BLw 2/20, FGPrax 2021, 145 Rn. 4 mwN); das ist hier nicht der Fall.

 

2. Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwalts liegen nicht vor.

 

a) Eine Partei, die gemäß § 78b Abs. 1 ZPO die Beiordnung eines Notanwalts beantragt, hat innerhalb der Rechtsmittelfrist nachzuweisen, dass sie trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2014 - VI ZR 226/13, NJW 2014, 3247 Rn. 2 mwN). In zivilrechtlichen Verfahren vor dem Bundesgerichtshof muss eine Partei dazu darlegen und nachweisen, dass sie sich ohne Erfolg an mindestens sechs am Gericht zugelassene Rechtsanwälte oder Rechtsanwältinnen gewandt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 11. November 2020 - V ZR 112/20, juris Rn. 4; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 - VI ZA 40/11, NZV 2012, 223 Rn. 4).

 

 

b) Daran fehlt es. In dem am letzten Tag der Einlegungsfrist, dem 3. Januar 2022, eingegangenen Schreiben hat die Beklagte lediglich pauschal angegeben, „trotz intensiven Suchens“ keinen Rechtsanwalt zur Vertretung ihrer Interessen gefunden zu haben; bei welchen Anwälten angefragt wurde, ist darin weder dargelegt noch nachgewiesen. Das Schreiben vom 7. Januar 2022 enthält zwar die Namen von sieben bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen, bei denen sie angefragt haben will; Nachweise über die Anfragen und die Absagen sind jedoch nicht beigelegt worden. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass dieses Schreiben ohnehin nach Ablauf der Rechtsmittelfrist und damit verspätet eingegangen ist.