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Anwaltliche Schweigepflicht versus datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch

AG Köln, Urteil vom 04.02.2015 - 124 C 174/14 Kl -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Der zugrundeliegende Rechtsstreit mutet schon skurril an: Beide Parteien sind als Rechtsanwälte tätig. Sie vertraten in einem Prozess jeweils  eine der Parteien. Nach einer mündlichen Verhandlung in dieser Sache forderte der Kläger den Beklagten auf, ihm Auskunft nach § 34 BDSG zu erteilen (also über gespeicherte Daten von ihm, deren Herkunft und Empfänger). Dieses Schreiben sandte der Beklagte lediglich zu seiner Entlastung lediglich zurück. Daraufhin erhob der Kläger entsprechende Auskunftsklage.

 

 

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Dazu bezog es sich auf §§ 34 Abs. 7 iVm. 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2,3 oder 5-7 BDSG. Ein Auskunftsanspruch besteht danach nicht, wenn keine Pflicht zur Benachrichtigung besteht, was nach § 33 Abs. 2 Nr. 3 BDSG dann der Fall ist, wenn die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen des überwiegenden Interesses eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Diese Geheimhaltungspflicht läge hier vor, da der Beklagte eine Schweigeverpflichtung nach § 43a BRAO habe. Diese Pflicht beziehe sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden sei. Die (auch strafrechtlich sanktionierte) Schweigepflicht stünde so dem Auskunftsanspruch des § 34 BDSG entgegen.

Aus den Gründen:


Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Beide Parteien sind als Rechtsanwälte tätig.

Die Beklagte vertrat eine Mandantin auf Beklagtenseite als Prozessbevollmächtigte in einem Klageverfahren des hiesigen Klägers vor dem Amtsgericht I.. Am 00.00.2014 fand die mündliche Verhandlung in diesem Verfahren vor dem Amtsgericht I. statt. Am 11.06.2014 sandte der Kläger an die Beklagte ein Fax, in dem er die Beklagte dazu aufforderte, ihm Auskunft nach § 34 Bundesdatenschutzgesetz zu geben. Die Beklagte reagierte hierauf nicht, sondern sandte dem Kläger das Fax zu ihrer Entlastung zurück.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe gegen die Beklagte ein Anspruch nach § 34 Bundesdatenschutzgesetz zu.

Er beantragt deshalb,

die Beklagte zu verurteilen, ihm - dem Kläger - Auskunft darüber zu geben, welche Daten zu seiner Person bei ihrem Unternehmen gespeichert sind, auch soweit sie sich auf Herkunft und Empfänger beziehen, welcher Zweck mit der Speicherung dieser Daten verfolgt wird und an welche Personen oder Stellen diese Daten übermittelt wurden bzw. werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Regelung des § 43 a BRAO der Anwendung des § 34 Bundesdatenschutzgesetz entweder insgesamt gegenüberstehe, oder es jedenfalls wegen § 43 a BRAO der Ausnahmetatbestand des § 34 Abs. 7 in Verbindung mit 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Bundesdatenschutzgesetz erfüllt sei, wodurch datenschutzrechtliche Auskunftsansprüche ausgeschlossen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger kann einen Anspruch aus § 34 Bundesdatenschutzgesetz nicht wirksam gegen die Beklagte durchsetzen.

Zwar liegen die Voraussetzungen des § 34 Bundesdatenschutzgesetz grundsätzlich vor. Allerdings greift nach Auffassung des Gerichts der Ausnahmetatbestand des § 34 Abs. 7 in Verbindung mit § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Bundesdatenschutzgesetz ein. Nach § 34 Abs. 7 Bundesdatenschutzgesetz besteht eine Pflicht zur Auskunftserteilung dann nicht, wenn der Betroffene nach den §§ 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2,3 oder 5-7 nicht zu benachrichtigen ist. Gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 3 besteht eine Pflicht zur Benachrichtigung dann nicht, wenn die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen des überwiegenden rechtlichen Interesses eines Dritten, geheim gehalten werden müssen.

So liegt der Fall jedoch dann, wenn die begehrte Auskunft die anwaltliche Schweigepflicht des Auskunftspflichtigen gemäß § 4 a BRAO berührt. Gemäß § 43a Abs. 2 BRAO ist der Rechtsanwalt zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden ist. Ausnahmen gelten lediglich für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Gleichzeitig abgesichert ist diese Pflicht des Rechtsanwaltes auch durch die strafrechtliche Sanktionierung der Offenbarung der berufsbezogenen Geheimnisse.

Es stehen sich dementsprechend bei jeder Inanspruchnahme auf ein Auskunftsbegehren gegenüber einem Rechtsanwalt die beiden Vorschriften des § 34 Bundesdatenschutzgesetz und des § 43a BRAO bzw. die strafrechtlich sanktionierten Verschwiegenheitspflichten gegenüber. Letztlich führt dies zu einer Abwägung der beiden gegensätzlichen betroffenen Grundrechte, die bei einem Auskunftsanspruch in Frage stehen. Auf der einen Seite kann der Anspruchsteller sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Artikel 2 Grundgesetz ins Feld führen, während der Anspruchsgegner sein Recht auf ungestörte Berufsausübung gemäß Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz geltend machen kann (vgl. die Entscheidung des Amtsgerichts Heidelberg vom 09.05.2006, 61 C 20/06). Neben dem Recht auf ungestörte Berufsausübung ist bei der Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes zudem zu beachten, dass die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht nicht lediglich den individuellen Belangen des Rechtsanwaltes und seines Mandanten dient, sondern zudem auch dem öffentlichen Interesse einer wirksamen und geordneten Rechtspflege Rechnung trägt (vgl. BVerfG, NJW 2004, 1305, sowie KG Berlin NJW 2011, 324). Nach Auffassung des Gerichts führt eine Abwägung dieser beiden widerstreitenden Interessen dazu, dass grundsätzlich diejenigen Informationen, die ein Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufes erfährt, vorrangig gegenüber den Interessen des Einzelnen auf Auskunft seiner personenbezogenen Daten ist. Denn - wie auch das Amtsgericht I. in der bereits zitierten Entscheidung ausführt - das Interesse des Anspruchstellers ist in diesen Fällen deswegen als geringer anzusehen, weil er die von ihm verlangten Informationen grundsätzlich auf direkterem Wege, nämlich durch Inanspruchnahme der Mandanten des Rechtsanwaltes auf Auskunftserteilung in Anspruch nehmen kann.

Nach Auffassung des Gerichts kann auch nicht zwischen solchen personenbezogenen Daten differenziert werden, deren Auskunftserteilung Mandanteninteressen zuwider läuft und solchen deren Auskunftserteilung Mandanteninteressen nicht zuwider läuft. Vielmehr besteht nach Ansicht des Gerichts ein Anspruch auf Auskunft nach § 34 Bundesdatenschutzgesetz grundsätzlich nicht, soweit die Daten aufgrund eines Mandatsverhältnisses erhoben worden sind. Denn es lässt sich - unabhängig von der Frage, dass das Bundesdatenschutzgesetz grundsätzlich nicht zwischen unempfindlichen und empfindlichen Daten differenziert - nicht verallgemeinernd dazwischen differenzieren, dass es solche Daten gibt, die den Mandanteninteressen zuwider laufen und solche, die die Mandanteninteressen nicht tangieren. Denn selbst die Auskunftserteilung darüber, dass Daten einer Person bei einem Rechtsanwalt gespeichert sind, die allgemein zugänglich sind, kann bereits das Mandantschaftsverhältnis insoweit tangieren, als dass diese Person im Moment der Auskunftserteilung darüber informiert wird, dass im Zusammenhang mit ihrem Namen ein Rechtsanwalt mandatiert worden ist.

Vorliegend geht es um solche Daten, die dem Beklagten im Rahmen eines Mandantschaftsverhältnisses bekannt geworden sind, wie das Ausgangsverfahren vor dem Amtsgericht I. so nahe liegt, dass das Gericht hiervon überzeugt ist. Der rechtskräftige Abschluss dieses Ausgangsverfahrens in I. ändert nichts daran, dass die Verpflichtung zur Verschwiegenheit gemäß § 2 Abs. 2 der anwaltlichen Berufsordnung (BORA) auch nach Beendigung des Mandats fortbesteht.

Da die anwaltliche Schweigepflicht einem Auskunftsanspruch des Klägers gemäß § 34 Bundesdatenschutzgesetz somit grundsätzlich entgegensteht, musste die Beklagte auch nicht darüber Auskunft erteilen, aus welchen Gründen sie dem Kläger keine Auskunft über personenbezogene Daten wegen ihrer entgegenstehenden Schweigepflicht erteilen konnte. Wenn nämlich kein Anspruch auf Auskunft besteht, besteht eben überhaupt keine Auskunftsverpflichtung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert wird festgesetzt auf bis zu 600,- EUR.