Verwaltungsrecht


Wohnraumzweckentfremdung: Wann liegt  „Wohnen“ und wann „Fremdbeherbung“ vor ?

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.04.2019 - OVG 5 S 24.18 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

In diesem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 VwGO) ging ist um die Frage, wann  noch eine Wohnnutzung vorliegt und wann von einer Zweckentremdung auszugehen ist. Während die Verwaltung von Berlin und auch das VG Berlin eine Zweckentfremdung angenommen hatten, sah dies das OVG Berlin-Brandenburg anders.

 

Die Antragstellerin (AS) war Mieterin einer 3-Zimmer-Wohnung in Berlin. Mit einem Vertrag vom 23.05.2017 untervermietete sie ihre möblierte Wohnung vom 31.07.2017 bis 31.07.2918 (verlängert mit Vertrag vom 28.06.2018 um ein Jahr) an die FSP, die diese Wohnung zur Unterbringung von von ihr für ihre Veranstaltungen engagierten Artistinnen für die Dauer deren Engagements. In den Arbeitsverträgen war u.a. unter „Vergütung“ geregelt, dass die GSP ihnen für die Dauer von deren Engagement eine 2-Zimmer-Wohnung nach Auswahl durch FSP und auf deren Kosten zur Verfügung stelle.  Mit dem für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Bezirksamtes Mitte forderte dieses von der AS, die Wohnung wieder Wohnzwecken zuzuführen, da es den Tatbestand der Zweckentfremdung als gegeben ansah.

 

In Berlin darf Wohnraum nur mit Genehmigung des zuständigen Bezirksamtes zu anderen als Wohnzwecken genutzt werden (§ 1 ZwVbG iVm § 1 Abs. 1 S. 1 ZwVbVO). Eine Zweckentfremdung liegt nach Ansicht des OVG vor, wenn Wohnraum zum Zweck der widerholten nach Tagen oder Wochen bemessenen Vermietung als Ferienwohnung oder Fremdbeherbung, insbesondere einer Zimmervermietung oder Einrichtung von Schlafstellen, verwendet würde (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ZwVbG). Anders als noch das VG nahm allerdings das OVG an, dass hier die Räume nicht zum Zweck einer Fremdbeherbung, sondern zu Wohnzwecken genutzt würden.

 

Ohne dass es auf subjektive Vorstellungen oder Bedürfnisse der Benutzer ankäme, sei Wohnen die Gesamtheit der mit der Führung des häuslichen Lebens und des Haushalts verbundenen Tätigkeiten. Der objektive Begriff fordere ein Mindestmaß an Abgeschlossenheit der räumlichen Verhältnisse zur eigenständigen Gestaltung des häuslichen Lebens unter Einschluss einer gewissen Rückzugsmöglichkeit. Es müsse mindestens ein Raum dem oder den Wohnungsinhaber(n) während des gesamten Tages zur privaten Verfügung stehen und die Möglichkeit bieten, darin den Tätigkeiten und Nutzungsweisen nachzugehen, die zum Begriff des Wohnens gehören. Es müsse den Bewohnern die Möglichkeit gegeben werden, sich von der Außenwelt in einen Privatbereich zurückzuziehen (OVG Berlin, Urteil vom 26.07.1990 - OVG 5 B 64.89 -).

 

Eine Fremdbeherbung läge vor, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt würden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten könnten. Es würde dort idR. an einer Kochmöglichkeit ermangeln und sie würden sich häufig mangels genügender Sitz- und Essmöglichkeiten eher nicht für längere Aufenthalte eignen. Ggf. würde auch Nebenleistungen (wie Frühstück) angeboten.

 

Daran gemessen sei hier in Bezug auf die jeweiligen Bewohnerinnen (jeweils zwei) von einer Wohnnutzung auszugehen. Sie hätten jeweils ein eigenes Schlafzimmer, was hinreichend Rückzugsmöglichkeit biete; es stünden ein Wohnraum, Küche Bad und Flur zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung. Die Räume seien auch nicht derart unzureichend ausgestattet, dass dort ein längerer Aufenthalt (auch tagsüber) nicht möglich sei.  Die gemeinsame Nutzung eines Wohnraums, Küche, Bad und Flur würde dem „Wohnen“ nicht entgegenstehen; vielmehr sei die Wohngemeinschaft als Zusammenleben einer Gruppe von Personen, die eine Wohnung gemeinsam bewohnen, ohne miteinander verwandt zu sein, nicht ungewöhnlich und erfülle zweifelslos den Begriff des Wohnens, wobei jede der zwei Bewohnerinnen ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten könne.

 

Zwar vergäbe die Antragstellerin die Räume nur zur vorübergehenden Nutzung. Jedoch überschreite die Dauer des Aufenthalts der jeweils untergebrachten Künstlerinnen das Maß der „ständig wechselnden Gäste“, wie es für Fremdenbeherbungen üblich sei. Auch wenn sich „Wohnen“ und „Fremdenbeherbung“ nicht über das Zeitmaß abgrenzen ließe, stelle es doch ein Indiz dar und es sei auch ersichtlich, dass die Künstlerinnen für die Dauer ihres längerfristigen Engagements bei der FSP ihren Lebensmittelpunkt nach Berlin verlegt hätten.

 

Der vom VG als streitentscheidend angesehene Gesichtspunkt, dass es an einem Vertrag zwischen der FSP und den Nutzerinnen fehle, der ihnen ein Nutzungsrecht an dem Wohnraum als Grundlage einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit einräume, könne ein Abgrenzungskriterium nicht darstellen, da die Nutzung hier gerade nur für eine begrenzte Zeit und nicht auf Dauer angelegt war, was allerdings an der vorliegenden Erfüllung des Begriffs des Wohnens nichts ändere. Auch sei der Begriff des Wohnens nicht an eine Rechtsform gebunden, so insbesondere auch nicht an einem Wohnraummietvertrag. Die hier getroffene Vereinbarung zwischen den FSP und den Nutzerinnen genüge, im letzteren die Führung eines eigenständigen Haushalts zu ermöglichen. Auch wenn nach dem Vertrag die FSP gegenüber den Künstlerinnen ein Zuweisungsrecht habe, diese also den Künstlerinnen also im Bedarfsfall auch eine andere Wohnung zuweisen könnte, stünde dieser von der FSP benötigten Flexibilität bei der Zuweisung von Wohnung und Mitbewohner (z.B. für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Engagement-Vertrages) jedenfalls nicht der Annahme entgegen, die Künstlerinnen würden in den fraglichen Räumen wohnen. Dagegenspräche auch nicht die Möblierung, die es den Künstlerinnen vereinfache, in Berlin zu wohnen und ein später ohne großen Umzug ein Engagement in einem anderen Ort anzunehmen.

 

 

Zwar sei vorliegend auch von einer erheblichen Gewinnspanne für die Antragstellerin (auch unter Berücksichtigung der Möblierung durch die Antragstellerin) auszugehen (eigene Miete € 9,00qm, Untermiete € 30,00/qm, jeweils brutto). Dies sei zwar sicherlich auch ein (weiteres) Indiz für die Abgrenzung von Wohnen zur Fremdbeherbung. Lägen aber, wie hier, alle Voraussetzungen für ein Wohnnutzung vor, käme es darauf nicht mehr an. Auch wenn nach dem Konzept der AS (möbliertes Apartment, Verbot der Untervermietung, erhebliche Gewinnspanne, Vereinbarung über die Übernachtungssteuer) vieles für den Zweck der Fremdbeherbung spräche, käme es darauf nach dem Gesetzeszweck nicht an, der eine Nutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken verhindern wolle. Lägen wie hier die Kriterien für die Wohnnutzung vor, käme es auf das Konzept des Vermieters nicht an.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 2. Oktober 2018 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

 

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 16. April 2018 wird wiederhergestellt.

 

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Antragsgegner.

 

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

 

I.

 

Die Antragstellerin ist Mieterin einer 73,38 qm großen 3-Zimmer-Wohnung in der W...in Berlin-Mitte (Vdhs. 5. OG links). Mit Vertrag vom 23. Mai 2017 untervermietete sie die von ihr möblierte Wohnung für ein Jahr (vom 31. Juli 2017 ab 15:00 Uhr bis zum 31. Juli 2018 um 10:00 Uhr), verlängert durch Vertrag vom 28. Juni 2018 um ein weiteres Jahr, an die F... (im folgenden FSP). Die FSP wiederum nutzt die Wohnung zur Unterbringung der für Veranstaltungen im F... von ihr engagierten Artistinnen für die Dauer des Engagements. In den Arbeitsverträgen ist unter „Vergütung“ unter anderem vereinbart, dass die FSP der Artistin eine möblierte 2-Zimmer-Wohnung für die Vertragslaufzeit zur Verfügung stellt, wobei die Artistin die Wohnung mit einer weiteren Artistin derselben Artistentruppe bezieht. Auswahl der Wohnung sowie Übernahme der Wohnkosten erfolgen durch die FSP.

 

Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 14. Februar 2018 forderte das Bezirksamt Mitte von Berlin die Antragstellerin unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 € auf, die Wohnung wieder Wohnzwecken zuzuführen. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. Den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage VG 6 K 224.18 gegen den Bescheid des Bezirksamts Mitte von Berlin vom 14. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 16. April 2018 hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt.

 

In den Gründen des Beschlusses heißt es, die Wiederzuführungsanordnung erweise sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig. Die Antragstellerin überlasse den Wohnraum zum Zwecke der Fremdenbeherbergung, was nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ZwVbG a.F. den Tatbestand der Zweckentfremdung erfülle und das Bezirksamt nach § 4 ZwVbG a.F. zu der angegriffenen Anordnung berechtige. Zwar sprächen einige Umstände für sich betrachtet dafür, dass die Bewohnerinnen die Wohnung zu Wohnzwecken nutzten. Die Antragstellerin habe unwidersprochen vorgetragen, die 3-Zimmer-Wohnung biete zwei Bewohnerinnen hinreichend Rückzugsraum und erlaube räumlich eine Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises. Die Aufenthaltsdauer lasse keinen Zweifel, dass das Merkmal der Dauerhaftigkeit in zeitlicher Hinsicht erfüllt sei. Zwischen den Beteiligten sei auch unstreitig geblieben, dass die Antragstellerin keine beherbergungstypischen Dienstleistungen erbringe. Gleichwohl ließen das Nutzungskonzept der Antragstellerin und seine konkrete Umsetzung auf eine Fremdenbeherbergung schließen, die den Wohnraum dem allgemeinen Wohnungsmarkt entziehe. Die Bewohnerinnen seien in dem Wohnraum nur aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und der FSP vorübergehend untergebracht, ohne dass ihre Nutzungsverhältnisse „dauerhaft rechtlich stabilisiert“ seien. Hierfür fehle es an einem mit ihnen abgeschlossener Vertrag, der ihnen ein Nutzungsrecht an dem Wohnraum als Grundlage einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit einräume. Der zwischen der FSP und den Bewohnerinnen jeweils geschlossene Arbeitsvertrag führe nicht zu einer dauerhaften rechtlichen Stabilisierung ihrer Nutzungsverhältnisse an der Wohnung. Nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung entscheide nur die FSP über die Auswahl der Wohnung und ihre Belegung. Hieraus erwachse den Bewohnerinnen kein Anspruch auf eine bestimmte Wohnung als Grundlage einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit. Arbeitsvertraglich könne die FSP sowohl die Wohnung als auch ihre Belegung flexibel ändern. Der einzelne Arbeitsvertrag zwischen der FSP und der jeweiligen Arbeitnehmerin sei dabei im Kontext der weiteren vertraglichen Zusammenarbeit zwischen der Antragstellerin und der FSP zu sehen. Die Antragstellerin biete der FSP einen Komplex flexibel austauschbarer Apartments, weil sie ihr mehrere Wohnungen in unmittelbarer Nähe untervermiete und die FSP allein nach betrieblichen Erfordernissen über die Belegung der Wohnungen entscheiden könne. Der erste Mietvertrag zwischen der Antragstellerin und der FSP habe Untervermietung ausdrücklich untersagt, der Verlängerungsvertrag erlaube die Untervermietung nur nach schriftlicher Einwilligung der Antragstellerin. Die namentliche Nennung der derzeitigen Bewohnerinnen in dem neuen Untermietvertrag ändere nichts daran, dass sie nicht Vertragspartnerinnen seien und von Mieterschutz auslösenden Vertragsverhältnissen keine Rede sein könne. Die Antragstellerin und die FSP könnten den neuen Mietvertrag jederzeit einvernehmlich ändern oder aufheben, da auch kein echter Vertrag zugunsten Dritter vorliege. Mangels Identität der Vertragsparteien ändere der neue Mietvertrag zwischen der Antragstellerin und der FSP nichts an den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der FSP mit den Bewohnerinnen. Danach bleibe es dabei, dass sie nur Anspruch auf eine von der FSP auszuwählende und zu belegende Unterkunft hätten. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. An der sofortigen Vollziehbarkeit der Wiederzuführungsaufforderung bestehe angesichts der aktuellen Mangellage auf dem Wohnungsmarkt ein besonderes öffentliches Interesse. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

 

II.

 

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

 

An der sofortigen Vollziehung der Wiederzuführungsanordnung besteht kein öffentliches Interesse (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 VwGO), weil die Anordnung nach summarischer Prüfung rechtswidrig ist.

 

Nach § 4 Satz 1 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbot-Gesetz - ZwVbG) vom 29. November 2013 (GVBl. S. 626), geändert durch Gesetz vom 22. März 2016 (GVBl. S. 115), kann, wenn Wohnraum ohne die erforderliche Genehmigung zweckentfremdet wird, das zuständige Bezirksamt verlangen, dass die oder der Verfügungsberechtigte oder Nutzungsberechtigte ihn wieder dauerhaften Wohnzwecken zuführt. Im Land Berlin darf Wohnraum nur mit Genehmigung des zuständigen Bezirksamts zu anderen als Wohnzwecken genutzt werden (§ 1 ZwVbG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum [Zweckentfremdungsverbot-Verordnung - ZwVbVO] vom 4. März 2014 [GVBl. S. 73]). Eine Zweckentfremdung im Sinne des Gesetzes liegt u.a. vor, wenn Wohnraum zum Zwecke der wiederholten nach Tagen oder Wochen bemessenen Vermietung als Ferienwohnung oder einer Fremdenbeherbergung, insbesondere einer gewerblichen Zimmervermietung oder der Einrichtung von Schlafstellen, verwendet wird (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ZwVbG).

 

Es spricht nach summarischer Prüfung Überwiegendes dafür, dass es nach dem gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgeblichen Beschwerdevorbringen an einer eine Wiederzuführungsanordnung rechtfertigenden Zweckentfremdung durch die Antragstellerin fehlt. Entgegen der Annahme des Bezirksamts und des Verwaltungsgerichts werden die fraglichen Räume nicht zum Zwecke einer Fremdenbeherbergung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 ZwVbG, sondern zu Wohnzwecken genutzt. Das ergibt sich aus den unstreitigen Umständen der Nutzung durch die jeweiligen Bewohnerinnen.

 

„Wohnen“ ist die Gesamtheit der mit der Führung des häuslichen Lebens und des Haushalts verbundenen Tätigkeiten. Auf die subjektiven Vorstellungen und Bedürfnisse der Nutzer kommt es hierbei nicht an. Denn der Begriff des Wohnens bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Er setzt ein Mindestmaß an Abgeschlossenheit der räumlichen Verhältnisse zur eigenständigen Gestaltung des häuslichen Lebens voraus, was auch gewisse Rückzugsmöglichkeiten einschließt. Zum Begriff des Wohnens gehört, dass wenigstens ein Raum dem oder den Wohnungsinhaber(n) während des gesamten Tages zur privaten Verfügung steht und die Möglichkeit bietet, darin den Tätigkeiten und Nutzungsweisen nachzugehen, die zum Begriff des Wohnens gehören. Es muss den Bewohnern die Möglichkeit geben, sich von der Außenwelt in einen Privatbereich zurückzuziehen (vgl. Urteil des 5. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 26. Juli 1990 - OVG 5 B 64.89 -, OVGE Berlin 19, 15 ff.).

 

Demgegenüber liegt eine Vermietung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung nach der - insoweit nicht zu beanstandenden - Auffassung des Beklagten vor, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können. Bei einer Fremdenbeherbergung besteht in der Regel keine Kochgelegenheit; häufig sind die Räume mangels ausreichender Sitz- und Essmöglichkeiten eher nicht zu längeren Aufenthalten auch tagsüber geeignet. Gegebenenfalls, aber nicht zwingend, werden bei einer Fremdenbeherbergung Nebenleistungen wie zum Beispiel Frühstück angeboten (vgl. Nr. 7.2 Abs. 6 der Ausführungsvorschriften der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in der Fassung der ersten Änderung [1. Änderung AV-ZwVb] vom 4. August 2016 [ABl. S. 2132]).

 

Nach diesen Maßstäben sind die fraglichen Räume den jeweiligen Bewohnerinnen zur Wohnnutzung und nicht als Fremdenherberge zur Verfügung gestellt worden. Die beiden Bewohnerinnen haben nach den nicht bestrittenen Angaben der Antragstellerin in der 3-Zimmer-Wohnung jeweils ein eigenes Schlafzimmer, das eine hinreichende Rückzugsmöglichkeit ins Private gestattet, während Wohnraum, Küche, Bad und Flur gemeinsam genutzt werden. Dass unter diesen Umständen die Führung eines eigenständigen Haushalts nicht möglich wäre, ist nicht erkennbar. Anders als im Fall der Fremdenbeherbergung steht den beiden Bewohnerinnen eine Kochmöglichkeit in Form einer Küche zur Benutzung zur Verfügung. Auch sind die Räume nicht etwa derart unzureichend ausgestattet, dass sie sich nicht zu einem längeren Aufenthalt auch tagsüber eignen würden. Die gemeinsame Nutzung von Wohnraum, Küche, Bad und Flur steht dem „Wohnen“ nicht entgegen. Vielmehr ist die Wohngemeinschaft als Zusammenleben einer Gruppe von Personen, die eine Wohnung gemeinsam bewohnen, ohne miteinander verwandt zu sein, nicht ungewöhnlich und erfüllt zweifellos den Begriff des Wohnens. Jede der beiden Bewohnerinnen kann ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten. Unstreitig bietet die Antragstellerin keine Nebenleistungen an. Ebenso unstreitig vergibt die Antragstellerin die Räume nur zur vorübergehenden Nutzung. Jedoch überschreitet die Dauer des Aufenthalts der jeweils untergebrachten Künstlerinnen das Maß der „ständig wechselnden Gäste“, wie es für die Fremdenbeherbergung kennzeichnend ist. Zwar lässt sich das „Wohnen“ gegen die „Fremdenbeherbergung“ nicht anhand einer bestimmten Nutzungsdauer abgrenzen; die Zeitdauer stellt vielmehr nur ein Indiz für die eine bzw. die andere Nutzungsform dar. Die Dauer von mehreren Monaten überschreitet jedenfalls das für eine Fremdenbeherbergung übliche Maß. Es ist offenkundig, dass die Künstlerinnen für die Dauer ihres längerfristigen Engagements bei der FSP ihren Lebensmittelpunkt nach Berlin verlegt haben.

 

Der letztlich vom Verwaltungsgericht als streitentscheidend herangezogene Umstand, dass es an einem Vertrag zwischen der FSP und den Nutzerinnen fehle, der ihnen ein Nutzungsrecht an dem Wohnraum als Grundlage einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit einräume, stellt schon deshalb kein taugliches Abgrenzungskriterium dar, weil die Nutzung hier gerade nur für einen begrenzten Zeitraum und nicht auf Dauer angelegt ist, was indes an der Erfüllung des Begriffs des Wohnens nichts ändert.

 

Zudem ist der Begriff des Wohnens nicht an eine Rechtsform gebunden, insbesondere nicht an einen Mieterschutz auslösenden Wohnraummietvertrag im Sinne des § 549 Abs. 1 BGB. Das hier zwischen der FSP und den Nutzerinnen geschlossenen Vereinbarte genügt, um letzteren die Führung eines eigenständigen Haushalts in den Wohnräumen zu ermöglichen. Jede Nutzerin hat nach § 3 ihres Engagement-Vertrages als Teil der Vergütung Anspruch auf eine Wohnung, die sie mit einer anderen Künstlerin derselben Artistentruppe teilt. Es trifft zwar zu, dass die Auswahl der Wohnung und die Übernahme der Wohnkosten durch die FSP erfolgt, die FSP der einzelnen Künstlerin also im Bedarfsfall eine andere Wohnung und/oder eine andere Mitbewohnerin zuweisen kann. Abgesehen davon, dass die FSP von dieser Regelung - soweit ersichtlich - noch keinen Gebrauch gemacht und diese Regelung zugunsten der Bewohnerinnen in den aktuellen Verträgen geändert hat, steht die von Seiten der FSP benötigte Flexibilität bei der Zuweisung von Wohnung und Mitbewohner - z.B. bei einem unvorhersehbaren vorzeitigen Ende eines Engagement-Vertrages - der Annahme, die Künstlerinnen würden in den fraglichen Räumen wohnen, nicht entgegen.

 

Die vom Verwaltungsgericht offen gelassenen Fragen der „erheblichen Gewinnspanne“ und der Untervermietung als voll ausgestattetes Apartment mit Inventarliste sind ebenfalls im Sinne der Antragstellerin zu beantworten. Die Miete von 2.200 € brutto für 73,38 qm (30 €/qm) stellt sich zwar gegenüber der Bruttomiete von 660,42 € (9 €/qm), die die Antragstellerin ihrerseits an die Eigentümerin zu entrichten hat, - selbst unter Berücksichtigung der Kosten der Möblierung - als „erhebliche“ Gewinnspanne dar. Die erhebliche Gewinnspanne stellt aber nur eins von zahlreichen Indizien dar, die für oder gegen eine Nutzung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung sprechen, und vermag, wenn alle Kriterien einer Wohnnutzung erfüllt sind, am Ergebnis nichts zu ändern. Die Möblierung des Apartments steht der Führung eines eigenständigen Haushalts über eine längere Zeit nicht entgegen und ermöglicht es den Künstlerinnen ohne Umzug ihren Aufenthalt in der Stadt ihres nächsten Engagements zu nehmen. Auch wenn das Nutzungskonzept der Antragstellerin und seine konkrete Umsetzung - möbliertes Apartment, Verbot der Untervermietung, erhebliche Gewinnspanne, Vereinbarung über die Übernachtungssteuer - für eine Verwendung der Wohnräume zum Zwecke einer Fremdenbeherbergung sprechen mag, kommt es nach dem Gesetzeszweck, eine Nutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken zu verhindern, darauf an, ob die in Rede stehenden Wohnräume von den Bewohnern zu Wohnzwecken genutzt werden. Erfüllt deren Wohnraumnutzung die Kriterien des Wohnens im Einklang mit der Nutzungsvereinbarung, kommt es - jedenfalls für die Frage einer Fremdenbeherbergung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ZwVbG - auf das Nutzungskonzept des Vermieters nicht an.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

 

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).