Arbeitsrecht


Tarifvertrag: Kein Verschlechterungsverbot bei Ablösung von Tarifverträgen infolge Betriebsübergang

BAG, Urteil vom 23.01.2019 - 4 AZR 445/17 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Vereinfacht ging es in dem Verfahren vor dem BAG um einen Betriebsübergang gem. § 613a BGB: Die Klägerin war bei der übernommenen Gesellschaft (S-Klinikum) tätig und dort war der TVöD-K anwendbar. In dem Arbeitsvertrag der Klägerin hieß es in § 3 u.a.: „Für das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen der für den Angestellten jeweils geltenden Tarifverträge in der z. Zeit geltenden Fassung und den dieses ergänzenden rechtlichen Bestimmungen Anwendung.“. Nachdem der Betrieb der Klägerin von der Beklagten übernommen wurde, wandte diese den bei ihr geltenden Haustarifvertrag an. Die Klägerin vertrat die Auffassung, ihr Arbeitsverhältnis richte sich aufgrund von § 613a Abs. 1 S. 2 BGB weiterhin nach den bei der S-Klinikum  geltenden tarifvertraglichen Regelungen und sie erhob eine Auskunftsklage zur Berechnung einer Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD-K für das Jahr 2014 und begehrte darüber hinaus Zahlung zusätzlichen Gehalts und Überstundenvergütung.

 

Das Arbeitsgericht hatte der Klage unter Abweisung im Übrigen hinsichtlich der Jahressonderzahlung stattgegeben. Die Berufungen der Parteien wurden vom Landesarbeitsgericht, welches die Revision zuließ, zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin wurde vom BAG zurückgewiesen und auf die Revision der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen.

 

Streitentscheidend war, welcher tarifvertraglichen Regelungen zur Anwendung kommen, ob also gemäß § 613a Abs. 1 S. 2 BGB auch die tarifvertraglichen Regelungen des S-Klinikums weiterhin zu beachten sind (transformierender Normbestand der Tarifverträge s-Klinikums).

 

Die von der Klägerin in Bezug genommenen Tarifverträge galten nach Feststellung des BAG zum Zeitpunkt des Betriebsübergags auf die Beklagte kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Klägerin und des S-Klinikums, §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. Allerdings gelte hier nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB die Regelung des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB (transformierender Normtatbestand) nicht, wenn die vormals durch den normativ geltenden Tarifvertrag bestimmten Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages mit demselben Regelungstatbestand, an den der Betriebserwerber und der Arbeitgeber gebunden seien (kongruenten Tarifgebundenheit) geregelt werden (BAG, Urteil vom 09.04.2008 - 4 AZR 164/07 -). Dies sei der Fall, wenn entweder der Tarifvertrag des Erwerbers eine eigene Regelung dazu enthalte oder aber wenn diesem Tarifvertrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sei, dass dieser die im Arbeitsverhältnis fortwirkenden Tarifregelungen insgesamt ablösen solle.

 

Danach habe der unmittelbar und zwingend geltende Haustarifvertrag der Beklagten den Tarifvertrag des S-Klinikums insgesamt abgelöst.  Er erfasse nach seinem betrieblichen Geltungsbereich auch die übernommene S-Klinik. Haustarifverträge würden, soweit nichts anderes bestimmt sei, in der Regel für alle Arbeitsverhältnisse des tarifschließenden Unternehmens vereinbart, weshalb sie auch für später hinzukommende Arbeitnehmer dieses Arbeitgebers gelten würden, auch bei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unvorhersehbaren Entwicklungen (BAG, Beschluss vom 20.02.2018 - 1 ABR 53/16 -).  Er sei darauf gerichtet, die Arbeitsbedingungen der vom Geltungsbereich umfassten Arbeitsverhältnisse vollständig und umfassend zu regeln (wird näher ausgeführt).

 

 

 

Eine etwaige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Anwendung des Haustarifvertrages habe danach seinen Grund nicht „allein“ in dem Betriebsübergang, sondern in der normativen Geltung des bei der Beklagten ohnehin geltenden Tarifvertrages. Der Haustarifvertrag habe damit weder zum Ziel noch zur Folge, dass sich die Arbeitsbedingungen alleine aufgrund des Betriebsübergangs verschlechtern würden. Die Ablösung der Tarifverträge beinhalte die Möglichkeit, dass sich die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer zu ihrem Vorteil als auch zu ihrem Nachteil verändern könnten. 

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

1. Auf die Revision der Beklagten wird - unter Zurückweisung der Revision der Klägerin - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. August 2017 - 6 Sa 221/15 - aufgehoben, soweit die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden ist.

 

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 18. Februar 2015 - 7 Ca 1672/14 - teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

 

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

 

Die Parteien streiten über die Frage, welche Tarifverträge auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung finden sowie über sich daraus ergebende Differenzentgeltansprüche.

 

Die Klägerin ist seit dem 1. September 1981 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen in einem Klinikum in H (Allgemeinkrankenhaus) in der Kstraße 27 beschäftigt. Das Allgemeinkrankenhaus wurde ua. vom damaligen Okreis und nachfolgend vom Landkreis B in Form eines Eigenbetriebs geführt. In einer Vereinbarung vom 1. April 1991 heißt es ua.:

 

        

„Für das bereits bestehende Arbeitsverhältnis gilt der Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) Ost in der jeweilig gültigen Fassung ab 01.04.1991.“

 

In einem nachfolgenden Arbeitsvertrag vom 1./10. Juli 1991 heißt es auszugsweise:

        

„§ 3   

        

Für das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen der für den Angestellten jeweils geltenden Tarifverträge in der z.Zeit geltenden Fassung und den dieses ergänzenden rechtlichen Bestimmungen Anwendung. Weiterhin sind die Bestimmungen des Einigungsvertrages und seiner Anlagen vom 31.08.1990 i.V.m. Artikel 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23.09.1990 anzuwenden.“

 

Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde seit dem Jahr 2005 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) angewendet. Im Jahr 2007 ging das Allgemeinkrankenhaus im Wege eines Betriebsübergangs auf die S-Klinikum GmbH über. Diese wendete zunächst den TVöD-K weiter an. Die Klägerin ist seit dem 1. Dezember 2009 Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di.

 

Am 24. April 2010 schlossen die S-Klinikum GmbH und die Gewerkschaft ver.di eine „Vereinbarung tarifvertraglicher Eckpunkte zur Überleitung der Konzerntarifverträge …“. Mit einem Schreiben aus Oktober 2010 teilte die GmbH der Klägerin die „Überleitung“ ihres Arbeitsverhältnisses ua. in den Konzern-Mantel-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach-, und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (M-TV M/W/I Sana) sowie den Konzern-Entgelt-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach-, und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (E-TV M/W/I Sana) ab dem 1. Januar 2010 mit und informierte diese über die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts. Am 25. Februar 2013 vereinbarten die S-Klinikum GmbH und die Gewerkschaft ver.di einen zum 1. Juli 2012 in Kraft tretenden „Tarifvertrag Ohre-Klinikum 2012“ (TV Ohre-Klinikum). Nach diesem sollte die GmbH in den Geltungsbereich verschiedener Tarifverträge des Sana-Konzerns aufgenommen werden, wie es für den M-TV M/W/I Sana auch geschah. Weiterhin verweist der TV Ohre-Klinikum auf den E-TV M/W/I Sana.

 

Zum 1. November 2013 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund eines weiteren Betriebsübergangs auf die Beklagte, damals firmierend unter „A Krankenhausgesellschaft B mbH“, über.

 

Die Beklagte betrieb schon vor Übernahme des Allgemeinkrankenhauses in H ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie (Fachkrankenhaus) in der Kstraße 4. Bereits am 28. März 2006 hatte sie mit der Gewerkschaft ver.di einen Haustarifvertrag (AMEOS-HTV) geschlossen, in dem es auszugsweise heißt:

 

        

„Haustarifvertrag

        

(mit weitergeltenden Regelungen aus dem BAT-O)

        

zwischen dem

        

A Fachkrankenhaus H,

        

Kstr. 4, H,

        

vertreten durch die Trägerschaft A Kliniken GmbH, Kstr. 4, …

        

einerseits und der

        

Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di,

        

…       

        

§ 1     

Allgemeiner Geltungsbereich

        

(1)     

Dieser Tarifvertrag gilt für alle Beschäftigte des A Fachkrankenhauses H in H, die Mitglieder der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sind.

        

…       

        

§ 1a   

Anwendung von Tarifverträgen

        

(1)     

Für die in § 1 (1) genannten Beschäftigten gelten die für die Angestellten der Länder zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages Ost (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und diese ändernden und ergänzenden Vorschriften einschließlich der Vergütungsregelung in der jeweils geltenden Fassung (für den Bereich Bund/Land) samt der ... geltenden Sonderregelungen, Anlagen, Anhänge und sonstigen tariflichen Regelungen, die für den Bereich des öffentlichen Dienstes abgeschlossen werden, soweit in diesem Tarifvertrag nichts Abweichendes bestimmt wird.

        

...“   

       

 

Die Gewerkschaft ver.di kündigte den AMEOS-HTV zum 31. Dezember 2010. Noch vor dem Betriebsübergang vom 1. November 2013 schlossen das „A Klinikum H, vertreten durch die A Krankenhausgesellschaft B mbH“ und die Gewerkschaft ver.di am 20. Juni 2012 einen „Änderungstarifvertrag (Bereich ‚Klinikum‘)“. Dort heißt es ua.:

 

        

„Unter Abänderung der bestehenden Entgeltregelungen gem. Haustarifvertrag vom 28. März 2006 vereinbaren die Gesellschaft und ver.di (gemeinsam nachstehend ‚Parteien‘ genannt) das Folgende:

        

§ 1     

Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt für die im Bereich ‚Klinikum‘ beschäftigten Mitarbeiter, die Mitglieder bei ver.di sind oder die aufgrund individualrechtlicher Vereinbarung mit der Gesellschaft den zwischen der Gesellschaft und ver.di abgeschlossenen Tarifverträgen unterliegen.“

 

Unter dem 7. November 2013 informierte die Beklagte die Klägerin schriftlich über den Betriebsübergang und teilte ihr mit, bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen und Arbeitsverhältnissen mit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf das jeweils anwendbare Tarifrecht würden „die bisherigen tarifvertraglichen Regelungen von Sana … durch den Tarifvertrag von AMEOS abgelöst“. Die Klägerin erhält seither bei einer längeren regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ein geringeres Monatsentgelt.

 

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsverhältnis richte sich aufgrund von § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB weiterhin nach den bei der S-Klinikum GmbH geltenden Tarifverträgen. Das Allgemeinkrankenhaus werde vom betrieblichen Geltungsbereich des AMEOS-HTV nicht erfasst und zudem habe der Tarifvertrag aufgrund seiner Kündigung zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs nur noch nachgewirkt. Es fehle daher an einer kongruenten Tarifbindung. Jedenfalls sei eine Ablösung der Tarifverträge ausgeschlossen. Jene führten zu einer unionsrechtswidrigen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Die über die bei der Rechtsvorgängerin geltende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden hinausgehenden drei Stunden seien als Überstunden zu vergüten. Im Hinblick auf die der Klägerin nach den Tarifverträgen des Sana-Konzerns zu gewährende Erfolgsbeteiligung sei die Beklagte verpflichtet, Auskunft über das in ihrem Unternehmen erzielte Betriebsergebnis im Jahr 2013 zu erteilen. Schließlich stehe ihr aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeregelung eine Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD-K für das Jahr 2014 zu.

 

Die Klägerin hat zuletzt - zusammengefasst - beantragt,

 

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin restliches Gehalt und Überstundenvergütung in Höhe von 1.883,44 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen,

        

        

a)    

der Klägerin Auskunft zu erteilen über das bei ihr für das Jahr 2013 geplante und erzielte Betriebsergebnis vor Zinsen, Abschreibung und Steuern (EBITDA), berechnet nach IFRS (International Financial Reporting Standards);

        

        

b)    

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2a, weil die Beklagte nicht nach IFRS Rechnung legt,

        

        

        

der Klägerin Auskunft zu erteilen über das bei ihr für das Jahr 2013 geplante und erzielte Betriebsergebnis vor Zinsen, Abschreibung und Steuern (EBITDA), berechnet nach HGB;

        

        

c)    

nach erteilter Auskunft die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern;

        

        

d)    

nach erteilter Auskunft und Versicherung an Eides statt die Beklagte zu verurteilen,

        

        

        

an die Klägerin eine noch der Höhe nach zu beziffernde Erfolgsbeteiligung gemäß § 7 des Konzern-Entgelt-Tarifvertrags für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur in Einrichtungen der Sana Kliniken AG vom 1. September 2009 idF des 1. Änderungs-TV vom 20. Juli 2009 zu zahlen;

        

3.    

festzustellen, dass die nachstehend genannten Tarifverträge, abgeschlossen zwischen der S-Klinikum GmbH und der Gewerkschaft ver.di, ab dem 1. November 2013 Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien sind:

        

        

a)    

Tarifvertrag Ohre-Klinikum 2012 vom 25. Februar 2013;

        

        

b)    

Konzern-Mantel-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur in Einrichtungen der Sana Kliniken AG (M-TV M/W/I Sana) idF des 1. Änderungs-TV vom 16. August 2011;

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Jahressonderzuwendung für das Jahr 2014 in Höhe von 1.613,05 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. November 2014 zu zahlen.

 

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, die vormals geltenden Tarifverträge seien gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB durch den AMEOS-HTV, der auch das Allgemeinkrankenhaus erfasse, abgelöst worden.

 

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der Jahressonderzahlung stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die jeweiligen Berufungen der Parteien zurückgewiesen. Mit den vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihre Anträge zu 1. bis 3. weiter, während die Beklagte die Klage insgesamt abgewiesen wissen will.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Revision der Klägerin ist unbegründet, die der Beklagten begründet. Der Klägerin stehen entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine weiteren Vergütungsansprüche gegen die Beklagte zu.

 

I. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

 

1. Die Anträge zu 1. bis 3. sind in der durch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellten Fassung zulässig. Für die von ihr in der Revisionsinstanz mit dem Antrag zu 3. noch begehrte Feststellung eines nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformierten Normenbestandes der benannten Tarifverträge (vgl. hierzu BAG 3. Juli 2013 - 4 AZR 961/11 - Rn. 16, BAGE 145, 324) besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse (hierzu BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 15, BAGE 151, 221). Der Streit der Parteien, welche Tarifverträge für das Arbeitsverhältnis maßgebend sind, kann im Umfang der gestellten Anträge geklärt werden.

 

2. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist allerdings wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO insoweit rechtsfehlerhaft, als es die durch die Klägerin mit den Anträgen zu 1. bis 3. geltend gemachten Ansprüche auch im Hinblick auf einen Anspruch aus betrieblicher Übung abgewiesen hat.

 

a) Der Antragsgrundsatz nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dass sie dies beantragt hat, sondern auch, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 21 mwN, BAGE 151, 235).

 

b) Die Klägerin hat sich in den Tatsacheninstanzen lediglich darauf gestützt, der TV Ohre-Klinikum und der M-TV M/W/I Sana seien aufgrund einer Transformation nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, hilfsweise aufgrund einer vertraglichen Bezugnahmeregelung anwendbar. Sie hat aber nicht vorgetragen, der Anspruch sei deshalb begründet, weil sich die Anwendbarkeit dieser Tarifverträge auch aus einer betrieblichen Übung ergebe. Indem das Landesarbeitsgericht die Klage jedoch auch diesbezüglich abgewiesen hat, hat es über einen anderen Streitgegenstand entschieden (vgl. BAG 14. November 2017 - 3 AZR 515/16 - Rn. 18, BAGE 161, 47), der nicht zur Entscheidung gestellt war.

 

c) Das Urteil ist daher - ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedurfte - zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft auszuschließen (vgl. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 23, BAGE 151, 235).

 

3. Die Klage ist hinsichtlich der Anträge zu 1. bis 3. unbegründet. Das hat das Landesarbeitsgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend erkannt. Die in dem Antrag zu 3. benannten Tarifverträge sind nicht aufgrund einer Transformation nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden. In der Folge ist das Feststellungsbegehren (Antrag zu 3.) ebenso unbegründet wie die auf diese Tarifverträge gestützten Zahlungsbegehren, die die Klägerin mit dem Antrag zu 1. verfolgt. Schließlich ist der auf die weitere Anwendbarkeit des E-TV M/W/I Sana gestützte Antrag zu 2. unbegründet.

 

a) Die Rechtsnormen der zwischen der S-Klinikum GmbH und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen, im Antrag zu 3. benannten Tarifverträge galten zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs auf die Beklagte kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG).

 

b) Diejenigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, die durch die tariflichen Bestimmungen des TV Ohre-Klinikum und des M-TV M/W/I Sana geregelt waren, sind nicht infolge des Betriebsübergangs am 1. November 2013 nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten geworden. Vielmehr sind sie durch die Regelungen des AMEOS-HTV idF des ÄTV nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst worden.

 

aa) Nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB gilt § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, wenn die vormals durch einen normativ geltenden Tarifvertrag bestimmten Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags mit demselben Regelungsgegenstand, an den der Betriebserwerber und der Arbeitnehmer gebunden sind - „kongruente Tarifgebundenheit“ - geregelt werden (BAG 9. April 2008 - 4 AZR 164/07 - Rn. 19 mwN). Derselbe Regelungsgegenstand ist dann betroffen, wenn der Tarifvertrag beim Erwerber eine Regelung dazu enthält oder wenn diesem Tarifvertrag zu entnehmen ist, dass er die im Arbeitsverhältnis fortwirkenden Tarifregelungen insgesamt ablösen sollte. Ergibt sich aus dem Wortlaut oder Zusammenhang des „anderen Tarifvertrags“ iSv. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB mit hinreichender Deutlichkeit, dass ein bestimmter Regelungsbereich abschließend erfasst werden sollte, dann ist von einer anderweitigen Regelung und damit einer Ablösung der Normen des bisherigen Tarifvertrags auch dann auszugehen, wenn die im beim Veräußerer geltenden Tarifvertrag geregelten Sachbereiche nicht ausdrücklich oder im Detail anders geregelt werden (BAG 3. Juli 2013 - 4 AZR 138/12 - Rn. 32 mwN).

 

bb) Danach hat der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs unmittelbar und zwingend geltende AMEOS-HTV idF des ÄTV die Bestimmungen des TV Ohre-Klinikum und des M-TV M/W/I Sana, die die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis regelten, insgesamt abgelöst.

 

(1) Der ÄTV erfasst nach seinem betrieblichen Geltungsbereich auch das von der Beklagten erworbene Allgemeinkrankenhaus und die dort bestehenden Arbeitsverhältnisse.

 

(a) Grundsätzlich werden Haustarifverträge, soweit nichts anderes bestimmt ist, in der Regel für alle Arbeitsverhältnisse des tarifschließenden Unternehmens vereinbart. Soweit der Geltungsbereich sich ausdrücklich und ohne Einschränkung auf die Arbeitnehmer dieses Arbeitgebers erstreckt, erfasst er nicht nur die aktuellen - tarifgebundenen - Arbeitsverhältnisse, sondern - neben danach begründeten Arbeitsverhältnissen - auch die Arbeitnehmer später hinzukommender Betriebe des Arbeitgebers. Dies gilt selbst bei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unvorhersehbaren Entwicklungen (BAG 20. Februar 2018 - 1 ABR 53/16 - Rn. 24; 15. Juni 2016 - 4 AZR 805/14 - Rn. 40, BAGE 155, 280).

 

(b) Nach diesen Maßstäben erfasst der AMEOS-HTV idF des ÄTV den Betrieb des Allgemeinkrankenhauses. Das hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts für den streitgegenständlichen Haustarifvertrag bereits ausführlich begründet. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (BAG 20. Februar 2018 - 1 ABR 53/16 - Rn. 26 bis 29).

 

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin galten die Normen des AMEOS-HTV idF des ÄTV zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bei der Beklagten unmittelbar und zwingend nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG. Die Tarifvertragsparteien haben den aufgrund der Kündigung durch die Gewerkschaft ver.di seit dem 1. Januar 2011 nachwirkenden AMEOS-HTV mit Abschluss des ÄTV am 20. Juni 2012 wieder in Kraft gesetzt. Das ergibt dessen Auslegung (zu den Maßstäben BAG 20. Juni 2018 - 4 AZR 339/17 - Rn. 19). Es kann daher dahinstehen, ob eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB auch dann in Betracht kommt, wenn der beim Betriebserwerber maßgebende Tarifvertrag im Zeitpunkt des Betriebsübergangs nach § 4 Abs. 5 TVG lediglich noch nachwirkt (so etwa Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 255; aA zB Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 3 Rn. 483).

 

(a) Der ÄTV enthält zwar neben den Regelungen zur Entgelthöhe keine ausdrückliche Wiederinkraftsetzung des gesamten AMEOS-HTV. Die Tarifvertragsparteien gehen aber nach der Präambel des ÄTV von einer „Abänderung der bestehenden Entgeltregelungen gem. Haustarifvertrag“ aus. Sie haben damit die nicht durch die Änderung betroffenen Regelungen als (wieder) unmittelbar und zwingende, nicht lediglich nachwirkende Tarifnormen angesehen.

 

(b) Für diese Auslegung spricht weiterhin, dass anderenfalls sowohl für neu eingestellte Arbeitnehmer als auch für diejenigen Arbeitnehmer, die nunmehr vom erweiterten tariflichen Geltungsbereich erfasst werden, zwar eine Vergütungshöhe festgelegt wäre, es aber an den erforderlichen Eingruppierungsbestimmungen fehlte. Lediglich nachwirkende Tarifbestimmungen erfassen nur Arbeitsverhältnisse, für die der betreffende Tarifvertrag bereits unmittelbar und zwingend galt (BAG 27. September 2017 - 4 AZR 630/15 - Rn. 24 mwN, BAGE 160, 273). Selbst wenn es - wie die Klägerin meint - den Tarifvertragsparteien möglich wäre, eine unmittelbar und zwingend geltende Tarifregelung zur Entgelthöhe zu vereinbaren und dabei im Übrigen auf lediglich nachwirkende Regelungen Bezug zu nehmen, bedürfte es jedenfalls deutlicher Anhaltspunkte für einen Willen der Tarifvertragsparteien, die dargestellten unterschiedlichen Rechtswirkungen für die tarifgebundenen Arbeitnehmer herbeiführen zu wollen. An solchen fehlt es.

 

(3) In der Folge sind die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der AMEOS-HTV idF des ÄTV die Regelungsgegenstände des vormals bei der Rechtsvorgängerin geltenden TV Ohre-Klinikum und des M-TV M/W/I Sana abgelöst hat.

 

Der AMEOS-HTV idF des ÄTV ist darauf gerichtet, die Arbeitsbedingungen der vom Geltungsbereich erfassten Arbeitsverhältnisse vollständig und umfassend zu regeln. Das folgt neben dessen §§ 1 bis 74, die sich an den Regelungsgegenständen der §§ 1 bis 74 des Bundes-Angestelltentarifvertrags Ost (BAT-O, idF vom 1. Januar 2003) orientieren, aus der im Übrigen erfolgten Verweisung auf den „Bundesangestelltentarifvertrag Ost (BAT-O)“ in § 1a AMEOS-HTV idF des ÄTV. Durch diese Tarifbestimmungen werden sämtliche Regelungsgegenstände, die im TV Ohre-Klinikum und im M-TV M/W/I Sana vereinbart wurden, erfasst. Das sehen auch die Parteien nicht anders.

 

(4) Für eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ist es ohne Bedeutung, ob die Regelungen des AMEOS-HTV idF des ÄTV die Arbeitsbedingungen der übergegangenen und kongruent tarifgebundenen Arbeitnehmer verschlechtern. Die Anordnung des Ablöseprinzips erfolgt unabhängig von dem sonst geltenden Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG (st. Rspr., vgl. BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - Rn. 32 mwN; 19. November 1996 - 9 AZR 640/95 - zu I 2 der Gründe). Anders als bei der individualvertraglichen Bezugnahme auf Tarifverträge bedarf es eines kollektiv-rechtlich begründeten Mindeststandards beim Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB dann nicht, wenn ein für das Arbeitsverhältnis aufgrund kongruenter Tarifgebundenheit des Erwerbers und des Arbeitnehmers legitimierter Mindeststandard vorhanden ist. Dieser kann für den Arbeitnehmer auch ungünstigere Arbeitsbedingungen vorsehen (vgl. BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 31, BAGE 130, 237).

 

c) Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV bedarf es nicht.

 

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass diese Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (EuGH 9. September 2015 - C-72/14 und C-197/14 - [van Dijk] Rn. 55 ff.; 9. September 2015 - C-160/14 - [João Filipe Ferreira da Silva e Brito ua.] Rn. 38 ff.; grundlegend 6. Oktober 1982 - 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 21; sh. auch BVerfG 9. Mai 2018 - 2 BvR 37/18 - Rn. 24 mwN). Dabei ist es nicht erforderlich, dass die strittigen Fragen der jeweiligen Verfahren vollkommen identisch sind (EuGH 6. Oktober 1982 - 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 14). Das Fachgericht muss sich hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Es hat etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszuwerten und seine Entscheidung daran zu orientieren. Auf dieser Grundlage muss es sich unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig - „acte clair“ - oder durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel zulässt - „acte éclairé“ - (BVerfG 9. Mai 2018 - 2 BvR 37/18 - Rn. 29; 15. Dezember 2016 - 2 BvR 221/11 - Rn. 37; BAG 23. Mai 2018 - 5 AZR 303/17 - Rn. 23 mwN; 16. Mai 2018 - 4 AZR 209/15 - Rn. 50; 23. Februar 2017 - 6 AZR 843/15 - Rn. 27 f., BAGE 158, 230). Hinsichtlich der Voraussetzungen eines acte clair oder acte éclairé kommt dem letztinstanzlichen Hauptsachegericht ein Beurteilungsrahmen zu (BVerfG 9. Mai 2018 - 2 BvR 37/18 - Rn. 29; 15. Dezember 2016 - 2 BvR 221/11 - Rn. 36 f. mwN; 15. Januar 2015 - 1 BvR 499/12 - Rn. 8 f. mwN).

 

bb) Eines Vorabentscheidungsersuchens zur Klärung der Auslegung des Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (RL 2001/23/EG) bedarf es nicht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs begegnet es im Streitfall keinen unionsrechtlichen Bedenken, wenn der beim Veräußerer für das Arbeitsverhältnis geltende Kollektivvertrag durch den beim Erwerber für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifvertrag abgelöst wird. Art. 3 Abs. 3 RL 2001/23/EG steht in der vorliegenden Fallgestaltung weder der sofortigen Anwendung der beim Erwerber geltenden Tarifverträge noch einer sich daraus ergebenden Verschlechterung der Arbeitsbedingungen entgegen.

 

(1) Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 RL 2001/23/EG erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren. Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 RL 2001/23/EG können allerdings die beim Erwerber geltenden Kollektivverträge unmittelbar nach dem Betriebsübergang angewendet werden, sofern einer der im Unterabs. 1 dieser Vorschrift genannten Fälle - Kündigung oder Ablauf des Kollektivvertrags oder Inkrafttreten oder Anwendung eines anderen Kollektivvertrags - eintritt. Der Erwerber darf die nach dem bei ihm geltenden Kollektivvertrag vorgesehenen Arbeitsbedingungen - einschließlich derjenigen über das Arbeitsentgelt - grundsätzlich ab dem Zeitpunkt des Übergangs anwenden (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 73 bis 75; 27. November 2008 - C-396/07 - [Juuri] Rn. 34; 9. März 2006 - C-499/04 - [Werhof] Rn. 30).

 

(2) Bei der Ablösung der beim Veräußerer geltenden Kollektivvereinbarungen durch die beim Erwerber geltenden besteht kein allgemeines Verschlechterungsverbot hinsichtlich der Arbeitsbedingungen. Der Gerichtshof hat zwar wiederholt entschieden, dass die Ansprüche der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens nach der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (RL 77/187/EWG) und der nachfolgenden - insoweit inhaltlich identischen - RL 2001/23/EG dadurch gewahrt werden sollen, dass sie ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortsetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren. Die Richtlinie soll soweit wie möglich gewährleisten, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber in unveränderter Form fortgesetzt wird, um zu verhindern, dass sich die Lage der betroffenen Arbeitnehmer allein aufgrund des Übergangs verschlechtert (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 75; 15. September 2010 - C-386/09 - [Briot] Rn. 26; 26. Mai 2005 - C-478/03 - [Celtec] Rn. 26; ebenso 6. April 2017- C-336/15 - [Unionen] Rn. 18; 11. September 2014 - C-328/13 - [Österreichischer Gewerkschaftsbund] Rn. 27). Das Ziel der Richtlinie besteht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs allerdings auch darin, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer einerseits und denen des Erwerbers andererseits zu gewährleisten. Der Erwerber muss daher in der Lage sein, die für die Fortsetzung seiner Tätigkeit erforderlichen Anpassungen vorzunehmen (EuGH 6. April 2017 - C-336/15 - [Unionen] Rn. 19; 11. September 2014 - C-328/13 - [Österreichischer Gewerkschaftsbund] Rn. 29).

 

(3) Aus der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache „Scattolon“ (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 -) folgt kein anderes Ergebnis.

 

(a) Der Gerichtshof hatte in der Rechtssache darüber zu befinden, ob Art. 3 RL 77/187/EWG dahin auszulegen ist, dass für die Berechnung des Arbeitsentgelts von im Sinne der Richtlinie übergegangenen Arbeitnehmern das beim Veräußerer erreichte Dienstalter zu berücksichtigen ist (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 67).

 

(aa) Nach dem Sachverhalt hätte die Ablösung der zwischen der Arbeitnehmerin und dem Veräußerer geltenden Kollektivvereinbarung durch den beim Erwerber geltenden Kollektivvertrag unter Berücksichtigung der 19 beim Veräußerer verbrachten Beschäftigungsjahre zu einer Vergütung der Arbeitnehmerin beim Erwerber geführt, die höher als die beim Veräußerer bezogene gewesen wäre. In diesem Kollektivvertrag hingen Lohn- und Gehaltsstufen sowie Entgeltsteigerungen weitgehend vom Dienstalter ab. Durch Ministerialdekrete und einen weiteren Kollektivvertrag waren allerdings die „Modalitäten für die Übernahme“ dahingehend geregelt worden, dass für die Zuweisung der Gehaltsstufe nach dem beim Erwerber geltenden Kollektivvertrag nicht das tatsächliche Dienstalter zugrunde zu legen sein sollte. Den Arbeitnehmern sollte die Gehaltsstufe zugewiesen werden, die ihrem am 31. Dezember 1999 bezogenen Jahresarbeitsentgelt entsprach oder unmittelbar darunter lag (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 19, 78 f.).

 

(bb) Vor dem Hintergrund dieser Fallgestaltung hat der Gerichtshof bestätigt, dass der Erwerber die nach dem bei ihm geltenden Kollektivvertrag vorgesehenen Arbeitsbedingungen ab dem Zeitpunkt des Übergangs anwenden darf (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 74). Der Gerichtshof hat ferner angenommen, dass die RL 77/187/EWG nicht mit Erfolg dafür geltend gemacht werden könne, um beim Übergang von Unternehmen eine Verbesserung des Arbeitsentgelts oder anderer Arbeitsbedingungen zu erwirken (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 77). Die RL 77/187/EWG lasse dem Erwerber und den anderen Vertragsparteien auch einen „Spielraum“ zur Gestaltung der Integration der übergegangenen Arbeitnehmer in die beim Erwerber bestehende Lohn- und Gehaltsstruktur. Die Inanspruchnahme dieses „Spielraums“ dürfe jedoch nicht zum Ziel oder zur Folge haben, dass den übergegangenen Arbeitnehmern insgesamt schlechtere Arbeitsbedingungen als die vor dem Übergang geltenden auferlegt würden. Den Zielen der Richtlinie liefe es zuwider, wenn das Dienstalter nur in einem Maße berücksichtigt würde, dass erhebliche Kürzungen ihres Arbeitsentgelts im Vergleich zu ihrer Lage vor dem Betriebsübergang zur Folge hätte. Die Lage der übergegangenen Arbeitnehmer dürfe sich nicht allein aufgrund des Betriebsübergangs verschlechtern (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 75, 76, 81, 83).

 

(b) Danach ist der Gerichtshof in der Rechtssache „Scattolon“ von der grundsätzlichen unionsrechtlichen Zulässigkeit einer nationalen Regelung wie der des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ausgegangen, die eine Ablösung der beim Veräußerer geltenden Kollektivvereinbarungen auch durch ungünstigere kollektivvertragliche Regelungen beim Erwerber vorsieht (oben I 3 b bb (4)). Ein allgemeines Verschlechterungsverbot kann der Entscheidung nicht entnommen werden (ebenso Winter RdA 2013, 36, 37 f. [„Umstände des Ausgangsfalls“]; EuArbR/Winter 2. Aufl. RL 2001/23/EG Art. 3 Rn. 67; Preis/Sagan/Grau/Hartmann EuArbR 2. Aufl. Rn. 15.124 f.; Krause in Schlachter/Heinig EnzEUR Bd. 7 § 7 B Rn. 82; Junker EuZA 2016, 428, 440; letztlich auch Sittard/Flockenhaus NZA 2013, 652, 654 f.; Willemsen RdA 2012, 291, 301 f.; sh. auch Grau in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag 2. Aufl. Teil 15 Rn. 111b [„spricht einiges dafür“]; noch offengelassen in BAG 16. April 2015 - 6 AZR 142/14 - Rn. 18, BAGE 151, 263; 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 42 ff.; 22. Februar 2012 - 4 AZR 527/10 - Rn. 29). Soweit dies im Schrifttum vereinzelt anders aufgefasst worden ist (so Klein EuZA 2014, 325, 332 f.; ErfK/Preis 19. Aufl. BGB § 613a Rn. 125; Sagan EuZA 2012, 247, 254 f.; Schweibert in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 5. Aufl. I Rn. 66; Steffan NZA 2012, 473, 475 f.; Witschen EuZA 2017, 534, 538 f.; offengelassen von Mückl ZIP 2012, 2373, 2375), werden die dargestellten Besonderheiten des Ausgangsfalls (diese erwägend Schubert/Jerchel EuZW 2012, 926, 929) und der vom Gerichtshof bestätigte Grundsatz der Ablösung von Tarifverträgen unberücksichtigt gelassen.

 

(4) Ebenso wenig lässt sich der Entscheidung in der Rechtssache „Unionen“ (EuGH 6. April 2017 - C-336/15 -) ein Verschlechterungsverbot im Rahmen der Ablösung entnehmen.

 

(a) In diesem Fall hatte der Gerichtshof darüber zu entscheiden, ob Art. 3 RL 2001/23/EG dahin auszulegen ist, dass der Erwerber bei der Kündigung eines Arbeitnehmers für die Berechnung der von Beschäftigungszeiten abhängigen Kündigungsfrist die beim Veräußerer verbrachte Beschäftigungszeit einzubeziehen hat (EuGH 6. April 2017 - C-336/15 - [Unionen] Rn. 16). Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der beim Veräußerer und der beim Erwerber geltende Kollektivvertrag gleichlautende Regelungen zur Berechnung der Kündigungsfrist enthielten, der Erwerber aber die beim Veräußerer verbrachte Beschäftigungszeit nicht berücksichtigen wollte. Der Gerichtshof bestätigte daraufhin die Möglichkeit für den Erwerber, Anpassungen vorzunehmen, und stellte klar, dass bei gleichlautenden Kollektivvereinbarungen beim Veräußerer und Erwerber ohne solche Anpassungen keine schlechteren Bedingungen für die übergegangenen Arbeitnehmer gelten können (EuGH 6. April 2017 - C-336/15 - [Unionen] Rn. 19, 31). Die Entscheidung betraf damit nicht die Frage der Ablösung, sondern diejenige der Anwendung der beim Erwerber geltenden Kollektivvereinbarung und dies ausschließlich für den Fall gleichlautender Vorschriften.

 

(b) Schließlich kann dieser Entscheidung des Gerichtshofs keine Vorgabe entnommen werden, eine Veränderung der Arbeitsbedingungen dürfe erst nach Ablauf einer Frist von einem Jahr eintreten. Diese Frist folgte nicht aus Art. 3 RL 2001/23/EG, sondern aus dem nationalen schwedischen Recht (vgl. EuGH 6. April 2017 - C-336/15 - [Unionen] Rn. 6, 28; so auch Mückl EWiR 2017, 379, 380; Beckerle BB 2017, 1146, 1148; unzutreffend daher Witschen EuZA 2017, 534, 540).

 

(5) Die Rechtslage ist demnach im Hinblick auf die Entscheidungen zur Zulässigkeit der Ablösung von Kollektivvereinbarungen im Sinne eines „acte éclairé“ geklärt. Für vernünftige Zweifel an der grundsätzlichen Zulässigkeit auch einer verschlechternden Ablösung bleibt kein Raum. Eine Vorlage allein aus „rechtspolitischen“ oder anderen, sich nicht aus Art. 267 AEUV ergebenden Gründen kommt nicht in Betracht (so aber Sittard/Flockenhaus NZA 2013, 652, 657; Reinecke Die Sicherung der Tarifgeltung beim Betriebsübergang S. 43 hält eine Vorlage für „wünschenswert“).

 

(6) Die bei der Beklagten geltenden, ablösenden kollektivrechtlichen Regelungen sind keine, die einen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestehenden Spielraum genutzt haben, um die Integration der vormals bei der S-Klinikum GmbH beschäftigten Arbeitnehmer anlässlich des Betriebsübergangs am 1. November 2013 zu gestalten. Der von der Beklagten mit der Gewerkschaft ver.di erstmals im Jahr 2006 geschlossene AMEOS-HTV gilt idF des ÄTV vom 20. Juni 2012 seither unabhängig von einem Betriebsübergang nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG für alle bei ihr beschäftigten tarifgebundenen Arbeitnehmer in gleicher Art und Weise. Der AMEOS-HTV idF des ÄTV enthält auch keine Regelungen, die im Hinblick auf einen Betriebsübergang geschlossen worden wären und hierfür gesonderte Regelungen träfen. Eine etwaige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Anwendung des AMEOS-HTV idF des ÄTV hat danach ihren Grund nicht „allein“ im Betriebsübergang, sondern in der normativen Geltung des bei der Beklagten ohnehin geltenden Tarifvertrags. Der AMEOS-HTV idF des ÄTV hat damit weder zum Ziel noch zur Folge, dass sich die Arbeitsbedingungen allein aufgrund des Betriebsübergangs verschlechtern. Die Ablösung der beim Veräußerer normativ geltenden Tarifverträge durch diejenigen, die beim Erwerber normativ Anwendung finden, beinhaltet wie jede Tarifvertragsänderung die Möglichkeit, dass sich die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer zu ihrem Vorteil oder auch zu ihrem Nachteil verändern können (vgl. nur BAG 19. September 2007 - 4 AZR 714/06 - Rn. 33). Die Beklagte hat auch nicht gleichlautende Vorschriften aus dem AMEOS-HTV idF des ÄTV und den Tarifverträgen des Sana-Konzerns anders angewendet, als dies vor dem Betriebsübergang der Fall war.

 

II. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, an die Klägerin eine Jahressonderzuwendung für das Jahr 2014 in Höhe von 1.613,05 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

 

1. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist bereits wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO rechtsfehlerhaft. Es hat einen Anspruch der Klägerin auf eine Jahressonderzahlung aufgrund einer hilfsweise geltend gemachten betrieblichen Übung angenommen (vgl. hierzu oben I 2), obwohl die Klägerin in den Tatsacheninstanzen ihren Zahlungsanspruch lediglich auf eine vertragliche Bezugnahmeregelung gestützt hat. Damit hat das Landesarbeitsgericht über einen Streitgegenstand entschieden (vgl. BAG 14. November 2017 - 3 AZR 515/16 - Rn. 18, BAGE 161, 47), der nicht zur Entscheidung gestellt war.

 

2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Soweit die Klägerin ihr Begehren auf eine vertragliche Bezugnahmeklausel gestützt hat, ist dieser prozessuale Anspruch dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.

 

a) Das Landesarbeitsgericht hat die von der Klägerin auf eine vertragliche Bezugnahme des § 20 TVöD-K in „den Verträgen vom 01.04.1991 und vom 01.07.1991/10.07.1991“ gestützte Klage auf eine Jahressonderzahlung abgewiesen, und einem - nach Auffassung des Berufungsgerichts - hilfsweise erhobenen Anspruch aufgrund betrieblicher Übung - rechtsfehlerhaft (unter II 1) - stattgegeben.

 

b) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Abweisung des Anspruchs ist, da es sich - wie ausgeführt - um einen eigenständigen Streitgegenstand handelt, rechtskräftig.

 

aa) Der Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung bestimmt sich nach den in der Revisionsinstanz angefallenen Streitgegenständen. Ein vom Landesarbeitsgericht abgewiesener Hauptantrag fällt beim Revisionsgericht nicht an, wenn lediglich der Beklagte gegen die auf den Hilfsantrag gestützte Klagestattgabe Revision einlegt. Ein durch die Abweisung des Hauptantrags beschwerter Kläger ist gehalten, selbst ein Rechtsmittel einzulegen. Anderenfalls wird die Entscheidung in diesem Umfang rechtskräftig (BAG 20. September 2017 - 6 AZR 474/16 - Rn. 39 mwN, BAGE 160, 205).

 

bb) Die Klägerin hat sich innerhalb der gesetzlichen Fristen zur Revisionsbegründung (23. November 2017) oder denen einer möglichen Anschlussrevision (28. Dezember 2017) nicht gegen die Abweisung des vertraglichen Anspruchs gewendet. Erst mit ihrer Revisionserwiderung vom 28. Dezember 2018 und damit weit nach dem gemäß § 554 ZPO für eine Anschlussrevision maßgebenden Zeitpunkt hat sie lediglich ausgeführt, die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts sei möglicherweise im Hinblick auf die Anspruchsgrundlage zu korrigieren.

 

 

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.