Schadensersatz


Dachlawinen: Wer muss wann welche Sicherungen vornehmen (z.B. Schneefanggitter)

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 01.02.2023 - 11 U 67/22 -

Kurze Inhaltsanagbe:

 

Wann sind Schneefanggitter an Dächern oder sonstige Sicherungsmaßnahmen gegen die Gefahr einer Schneeabgangs (Dachlawine) erforderlich ? Mit dieser Frage musste sich das OLG Hamm in Bezug auf eine Dachlawine in Essen (Nordrhein-Westfalen) auseinandersetzen.

 

Das Landgericht hatte den Schadensersatzanspruch des Klägers abgelehnt, mit dem dieser einen Schaden an seinem Pkw geltend machte, der durch eine Schneelawine, die vom Dach des Hauses der Beklagten stammte, beschädigt wurde. Er vertrat (auch im Berufungsverfahren) die Rechtsauffassung, die Beklagten hätten Schneefanggitter anbringen müssen.  Auch das Berufungsgericht folget ihm nicht und wies ihn mit dem hier besprochenen Beschluss darauf hin, dass es beabsichtige die Berufung mangels Erfolgsaussichten derselben im beschlussweg zurückwiesen zu wollen (§ 522 ZP). Dies geschah dann mit Beschluss vom 14.03.2023.

 

Der Kläger vertrag die Ansicht, in Ansehung des unberechenbaren Wetters durch den Klimawandel bestünde die Verpflichtung zum Anbringen von Schneefanggittern. Zu Recht habe das Landgericht darauf abgestellt, dass Essen zu den schneearmen Gegenden Deutschlands zähle, in denen nicht regelmäßig mit Dachlawinen zu rechnen sei und daher die Anbringung von Schneefanggittern „eher unüblich“ sei. Zwar könnte der klägerseits benannten Klimawandel vermehrt lokal zu extremen Wettergeschehen führen, doch haben der der Kläger weder dargelegt noch sei ersichtlich, dass der Klimawandel gerade in Essen zu einer signifikanten Zunahme von Schneefällen geführt hätte, dass deswegen nunmehr auch in Essen regelmäßig mit in den Wintermonaten wiederholt mit Dachlawinen zu rechnen sei. Auch sei vom Kläger nicht dargelegt worden, dass gerade in Bezug auf das Haus der Beklagten die Beschaffenheit des Daches oder Lage eine erhöhte Gefahr für Dachlawinen bestünde.

 

Das OLG hatte damit zur Frage der Anbringung von Schneefanggittern zur Vermeidung des Abgangs von Dachlawinen primär auf die Region abgestellt und darauf, ob mit solchen in Ansehung des üblichen Schneeaufkommens zu rechnen sei; vereinzelte mögliche „Wetterkapriolen“, die es im Hinblick auf den Klimawandel gibt, sah das OLG erkennbar nicht als ausreichend an, eine Gefährdungslage anzunehmen, die das Anbringen von Schneefanggittern gebietet.

 

Da das Dach des Hauses der Beklagten und aller Dächer im Ruhrgebiet mit Schnee bedeckt war, stellte der Kläger weiter darauf ab, hätte der Kläger zu seiner Auffassung, die Beklagten hätte einen Dritten mit der Räumung beauftragen müssen (eine Räumung durch die Beklagten selbst sei für diese zu gefährlich), darlegen müssen, dass die Beauftragung eines Dritten mit einer zeitnahen Räumung möglich gewesen wäre. Eines Beweisantrags der Beklagten für die Unmöglichkeit hätte es nicht bedurft. Zudem sei den Beklagten in Ansehung des notwendigen Aufbaus eines Gerüsts bzw. dem Einsatz eines Hubsteigers der Einsatz eines Dritten nicht zumutbar gewesen (OLG Hamm,  Beschluss vom 14.08.2012 - I-9 U 119/12 -). Nur wenn die Beklagten eine besonders hohe Gefahr für einen Schneeabgang festgestellt rechtzeitig vor dem Unfall festgestellt hätten (was hier nicht ersichtlich sei), wäre eine solche Maßnahme geboten gewesen. Allgemeine Warnhinweise auf wetter.de, andere Städte betreffenden Publikationen u.a. in den Ruhr-Nachrichten würden nicht ausreichen. Hier stellte das OLG mithin auf die konkreten, für die Beklagten feststellbaren Umstände an ihrem Haus und den Zeitfaktor ab.

 

 

Letztlich könne sich der Kläger auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass keine Absperrung erfolgt sei und auch keine Warnhinweise aufgestellt worden seien. Die Absperrung habe nur für das Haus erfolgen können; der beschädigte Pkw stand aber auf der öffentlichen Straße. Hier aber habe auch keine Verpflichtung zur Aufstellung von Warnhinweisen bestanden. Entsprechende Vorsorgemaßnahmen durch Warnhinweise seien im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht nur geboten, wenn die Gefahrenquelle trotz Anwendung der von Verkehrsteilnehmern zu erwartenden eigenen Sorgfalt nicht rechtzeitig erkannt werden könnten (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012 aaO.). Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs hätte bei der gebotenen Sorgfalt selbst die Neigung des Daches und dessen Schneebedecktheit und damit die latente Gefahr einen Dachlawinenabgangs feststellen können; bei derartigen Wetterverhältnissen, wie sie herrschten, müsse grundsätzlich jeder mit der Möglichkeit rechnen, dass von den Dächern Schnee oder Eis herabstürzen könne (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012 aaO. mwN.).

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

I. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 29.04.2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Essen durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

II. Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder mitzuteilen, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.

 

Gründe

 

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber nach einstimmiger Überzeugung des Senats in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat zudem weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO); auch eine mündliche Verhandlung vor dem Senat ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1. Nr. 4 ZPO).

 

Die mit der Berufung gegen das angefochtene Urteil erhobenen Einwände tragen weder im Sinne des § 513 Abs. 1 ZPO die Feststellung, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch, dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

 

Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch weder aus § 836 Abs. 1 BGB, noch aus § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB zur. Insoweit wird zunächst zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts unter Ziffer I. bis III. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, denen sich der Senat nach eigener Prüfung ausdrücklich anschließt, Bezug gekommen. Die vom Kläger mit der Berufung erhobenen Einwände sind nicht dazu geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in Frage zu stellen und der Klage zum Erfolg zu verhelfen.

 

Der Berufungseinwand des Klägers, dass das Wetter aufgrund des Klimawandels unberechenbar sei, ist nicht dazu geeignet, eine Verpflichtung der Beklagten zur Anbringung von Schneefanggittern zu begründen. Das Landgericht ist bei seiner Entscheidung erkennbar und zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte deshalb nicht zur Anbringung von Schneegittern verpflichtet gewesen ist, weil Essen zu den schneearmen Gegenden in Deutschland gehört, in denen nicht regelmäßig mit Dachlawinen zu rechnen und deshalb die Anbringung von Schneegittern eher unüblich ist. Der vom Kläger angeführte Klimawandel mag zwar dazu führen, dass es vermehrt lokal zu extremen Wettergeschehen kommt. Es ist jedoch weder vom Kläger dargelegt worden, noch sonst ersichtlich, dass der Klimawandel in den letzten Jahren oder Jahrzehnten gerade im Bereich von Essen zu einer dermaßen signifikanten Zunahme anhaltender Schneefälle geführt hat, dass deswegen nunmehr auch in Essen regelmäßig in den Wintermonaten wiederholt mit Dachlawinen zu rechnen wäre. Auch sonst ist weder vom Kläger dargelegt worden, noch sonst ersichtlich, dass gerade in Bezug auf das Haus der Beklagten etwa wegen der konkreten Beschaffenheit seines Daches oder seiner Lage eine erhöhte Gefahr für Dachlawinen bestanden hat, welche eine Anbringung von Schneefanggittern erforderlich gemacht haben könnte.

 

Auch der Berufungseinwand des Klägers, dass das Landgericht zu Unrecht spekulativ und ohne Beweisantritt der Beklagten davon ausgegangen sei, dass der Beklagten angesichts der Betroffenheit aller Dächer im Ruhrgebiet von dem Schneefall die Beauftragung eines Dritten mit einer zeitnahen Räumung des Daches nicht möglich gewesen sei, vermag der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn der Kläger legt mit seiner Berufung schon nicht dar, weshalb die vorgenannte Einschätzung des Landgerichts in der Sache unzutreffend gewesen sein soll. Es fehlt insoweit an jeglichen konkreten Darlegungen des Klägers dazu, welche Firma bei Beauftragung durch die Beklagte deren Hausdach noch vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis hätte räumen können. Unabhängig davon ist der Beklagten aber auch eine Beauftragung von Fachkräften mit der vorsorglichen Räumung ihres Hausdaches, die das Aufstellen eines Gerüstes oder den Einsatz eines Hubsteigers erforderlich gemacht hätte, wegen des damit verbundenen erheblichen Kostenaufwandes nicht zumutbar gewesen (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012, I-9 U 119/12 - Rz. 14 juris). Ein solcher erheblicher Kostenaufwand wäre der Beklagten allenfalls dann zumutbar gewesen, wenn gerade hinsichtlich ihres Hauses eine besondere hohe Gefahr eines Schneeabganges bestanden hätte und die Beklagte dies noch vor dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen hätte erkennen können und müssen, wofür es indes an jeglichen tragfähigen Anhaltspunkten fehlt. Allein die vom Kläger angeführten allgemeinen Warnhinweise bei Wetter.de und die andere Städte betreffenden Publikationen bei Zeit-Online und den Ruhr-Nachrichten reichen hierfür nicht, zumal nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten es seit Jahrzehnten und auch in schneereichen Jahren keinen derartigen Schneeabgang von ihrem Hausdach gegeben hatte.

 

Soweit das Landgericht ausgeführt hat, dass es der Beklagten wegen der damit verbundenen Unfallgefahr nicht zumutbar gewesen sei, das Dach selbst zu räumen, wird dies vom Kläger mit der Berufung ausdrücklich nicht angegriffen.

 

Fehl geht schließlich auch der Berufungseinwand des Klägers, dass als milderes Mittel der Gefahrenabwehr auch eine Absperrung zumindest des Gebäudes oder das Aufstellen entsprechender Schilder in Betracht gekommen wäre. Ein Absperren des Gebäudes selbst hätte den Unfall nicht verhindert, weil das Fahrzeug des Klägers auf der vor dem Gebäude gelegenen öffentlichen Straße abgestellt war. Auf dieser war die Beklagte jedoch nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nicht zu Absperrmaßnahmen berechtigt. Die Beklagte war auch nicht dazu verpflichtet, die Autofahrer durch Anbringung von Warnhinweisen vorsorglich auf die Gefahr eines Dachlawinenabgangs hinzuweisen. Vorsorgemaßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht sind nur dann geboten, wenn die Gefahrenquelle trotz Anwendung der von den Verkehrsteilnehmern zu erwartenden eigenen Sorgfalt nicht rechtzeitig erkennbar ist (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012, I-9 U 119/12 - Rz. 14 juris). Dies war vorliegend nicht der Fall. Nach den mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts hätte der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges bei entsprechender Überprüfung selbst die Neigung und Schneebedecktheit des Daches der Beklagten sowie die damit einhergehende latente Gefahr ein Dachlawinenabgangs erkennen und sein Verhalten darauf einstellen können. Abgesehen davon kann dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs aber auch schon vorher bei seiner Fahrt durch Essen schlechterdings entgangen sein, dass es in Essen zu erheblichen Schneefällen gekommen war. Bei derartigen Wetterverhältnissen muss aber grundsätzlich jeder mit der Möglichkeit zu rechnen, dass von Dächern Schnee oder Eis herabstürzen kann (OLG Hamm, a.a.O. mit weiteren Nachweisen).

 

 

Damit erweist sich aber die Berufung des Klägers insgesamt als offensichtlich unbegründet.