Grundstücks- / Immobilienrecht


Muffiger Kellergeruch bei Altbau kann offenbarungspflichtiger Mangel sein

BGH, Beschluss vom 10.10.2019 - V ZR 4/19 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Kläger erwarben unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel von der Beklagten ein Grundstück mit Einfamilienhaus. In dem Exposé des von dem Beklagten eingeschalteten Maklers wurde von einem aufwendig sanierten Einfamilienhaus und einer vollständigen Renovierung gesprochen. Die Kläger hatten die Immobilie vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages besichtigt; Feuchtigkeitsschäden im Keller waren hierbei nicht ersichtlich. Nach ihrem Einzug stellten die Kläger Feuchtigkeit an den Kellerwänden fest; nach einem Gutachten im Rahmen eines von ihnen eingeleiteten selbständigen Beweisverfahrens waren die Kellerwände bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Hauses an die Kläger durchfeuchtet. Ursächlich sei ein für das Baujahr 1914 typischer technischer Standard.

 

Der BGH verwies darauf, dass bei Häusern, die zu einer Zeit errichtet worden seien, als Kellerabdichtungen noch nicht üblich waren, nicht jede Feuchtigkeit im Keller einen Mangel darstellen könne. Es käme auf die Umstände des Einzelfalls an, also z.B. darauf, ob das Haus in einem sanierten Zustand verkauft wurde, der Keller Wohnzwecken diente, welcher Zustand bei der Besichtigung erkennbar war und wie stark die Feuchtigkeitserscheinungen sind. Zur Sollbeschaffenheit würden auch die Eigenschaften zählen, die der Käufer nach öffentlichen Äußerungen (wie in einem Exposé) des Verkäufers erwarten dürfe.

 

 

Vorliegend sei nicht zu beanstanden, dass das OLG im Berufungsrechtszug auch unter Berücksichtigung des Exposés davon ausgegangen sei, dass weder ein sanierter noch ein zu Wohnzwecken geeigneter Keller geschuldet sei, sondern nur ein der Bauzeit geschuldeter Zustand.  Allerdings sei ein Mangel dann anzunehmen, wenn, wie klägerseits behauptet, ein muffiger oder modrig-feuchter Geruch durch die übrigen Bereiche des Hauses ziehe, der bei Öffnen der Tür sofort wahrnehmbar sei. 

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 7. Zivilsenat - vom 12. Dezember 2018 aufgehoben.

 

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 26.721,30 €.

 

Gründe

 

I.

 

Mit notariellem Vertrag vom 24. März 2015 kauften die Kläger unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel von der Beklagten ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zu einem Preis von 248.500 €. Das Objekt war zuvor im Auftrag der Beklagten von einem Maklerbüro mit einem Exposé beworben und hierin als „aufwendig saniertes Einfamilienhaus“ und als „vollständig renoviert“ bezeichnet worden. Die Kläger hatten das Haus vor dem Kauf besichtigt. Feuchtigkeitsschäden im Keller waren hierbei nicht zu erkennen. Nach ihrem Einzug stellten sie Feuchtigkeit an den Kellerwänden fest und führten ein selbständiges Beweisverfahren durch. Nach dessen Ergebnis waren die Kellerwände bereits zum Zeitpunkt der Übergabe an die Kläger durchfeuchtet. Grund der Durchfeuchtung ist nach den Feststellungen des Sachverständigen, dass die Abdichtung der Kellerwände - entsprechend dem im Baujahr 1914 üblichen technischen Standard - nicht bzw. nicht ausreichend abgedichtet sind.

 

Das Landgericht hat in der Feuchtigkeit einen Mangel erblickt, über den die Beklagte die Kläger arglistig getäuscht habe, und hat die Beklagte in der Hauptsache verurteilt, an die Kläger 21.721,30 € nebst Zinsen für die Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden und deren Ursachen zu zahlen. Weiter hat es festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche darüberhinausgehende Kosten zu ersetzen, die zur Beseitigung der Feuchtigkeit im Keller erforderlich sind. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage vollständig abgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie wollen mit der Revision die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückweisung der Berufung erreichen.

 

II.

 

Das Berufungsgericht meint, den Klägern stehe ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen der Feuchtigkeitserscheinungen im Keller des Einfamilienhauses nicht zu. Diese stellten insbesondere keinen Mangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB dar. Der Keller sei zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung ebenso geeignet wie zur gewöhnlichen Verwendung. Das Gebäude aus dem Jahr 1914 weise nach den Ausführungen des Sachverständigen einen für das Gebäudealter und die Art der vorhandenen Kellerkonstruktion bautypischen Zustand auf. Mit einem solchen Zustand, der nicht den Anforderungen eines modernen Wohngebäudes entspreche, und mit den damit verbundenen bautypischen Feuchtigkeitserscheinungen müsse der Käufer einer Immobilie dieses Alters rechnen. Zwar könne sich etwas anderes im Einzelfall ergeben, wenn das Haus in einem sanierten Zustand verkauft werde und der Keller Wohnzwecken diene, letzteres sei hier aber nicht der Fall.

 

Eine andere Sollbeschaffenheit des Kellers ergebe sich nicht aus den öffentlichen Äußerungen der Beklagten in dem Exposé. Zwar sei das Haus dort als „aufwendig saniert“ und „vollständig renoviert“ bezeichnet worden. Anders als das Landgericht meine, bezögen sich diese Formulierungen nach dem Empfängerhorizont aber nicht auf das Gebäude als Ganzes, so dass die Kläger nicht davon hätten ausgehen können, dass die Kellerräume zeitgemäßen technischen Standard aufwiesen. Die Objektbeschreibung und die Beschreibung von Ausstattung und Zubehör bezögen sich allein auf Wohnräume, nicht aber auf den Keller; dieser werde im Exposé nicht mit einem Wort erwähnt. Auf dieser Grundlage könne der unbefangene Leser des Exposés objektiv betrachtet nicht davon ausgehen, ein vom Keller bis zum Dach auf den neuesten technischen Stand gebrachtes Gebäude zu erwerben. Da das Gebäude folglich nicht mangelhaft sei, komme es auf eine Arglist der Beklagten nicht an.

 

III.

 

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil ist gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

 

1. Der Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör ist verletzt.

 

a) Der Bundesgerichtshof entnimmt Art. 103 Abs. 1 GG in ständiger Rechtsprechung, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen darf, von dem Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und auf Grund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält. Ein solcher Hinweis muss so rechtzeitig erteilt werden, dass der Berufungsbeklagte noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung reagieren kann. Die Parteien müssen Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen können; sie dürfen nicht gehindert sein, ihren Sachvortrag zu ergänzen (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 21. Januar 2016 - V ZR 183/15, GE 2016, 520 Rn. 5; Beschluss vom 16. September 2015 - V ZR 8/15, MDR 2016, 414 Rn. 6 mwN).

 

b) Das Berufungsgericht hat diese Hinweispflicht verletzt.

 

aa) Das Landgericht hatte in der Durchfeuchtung der Kellerwände und in dem wiederkehrenden Eindringen von Feuchtigkeit in den Keller aufgrund der „nicht zeitgemäßen“ Abdichtung einen Mangel des Kaufobjekts erblickt. Die Nutzbarkeit des Kellers sei insgesamt eingeschränkt, namentlich sei die Lagerung von feuchtigkeitsempfindlichen Gegenständen und Lebensmitteln sowie die Nutzung als Wohn- und Aufenthaltsraum ohne umfangreiche Sanierungsmaßnahmen nicht möglich. Das Berufungsgericht ist hiervon abweichend der Auffassung, dass die Feuchtigkeit als bautypische Erscheinung eines Gebäudes dieses Alters keinen Mangel darstellt.

 

bb) Vom Standpunkt des Berufungsgerichts war ein Hinweis auf seine Rechtsauffassung erforderlich. Die Kläger hatten - worauf die Beschwerde verweist - bereits in der Klageschrift zu einer aus der Kellerfeuchtigkeit herrührenden Geruchsbelastung im Haus vorgetragen und einen muffigen bzw. modrig-feuchten Geruch geschildert, der nach Regenfällen im Haus wahrnehmbar sei. Diesen hätten sie bei der Besichtigung nicht festgestellt bzw. nicht feststellen können, da die Beklagte vor dem Besichtigungstermin das komplette Haus kräftig durchlüftet habe. Weil grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Gerichte das Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, kann nicht angenommen werden, dass das Berufungsgericht diesen Vortrag bei seiner Entscheidung übersehen hat. Auszugehen ist vielmehr davon, dass es den Vortrag als nicht ausreichend substantiiert bzw. als nicht unter Beweis gestellt angesehen und deshalb unerwähnt gelassen hat (zur Berücksichtigung erstinstanzlichen Vortrags in der Berufungsinstanz vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 - VII ZR 13/18, BauR 2019, 544 Rn. 15). Folglich hätte das Berufungsgericht die Kläger auf seine vom Landgericht abweichende Rechtsauffassung hinweisen und ihnen Gelegenheit geben müssen, ihren Vortrag zu der Geruchsbelastung des Hauses zu ergänzen und unter Beweis zu stellen. Das ist jedoch, wie die Beschwerde zu Recht beanstandet, nicht geschehen. Da ein solcher Hinweis in den Gerichtsakten nicht dokumentiert ist, gilt er als nicht erteilt (§ 139 Abs. 4 Satz 2 ZPO; Senat, BGH, Beschluss vom 16. September 2015 - V ZR 8/15, aaO Rn. 8). Indem das Berufungsgericht in dieser Situation ohne entsprechenden Hinweis und ohne Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, die Klage abgewiesen hat, hat es die Kläger in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

 

2. Der Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich.

 

a) Die Kläger hätten auf den Hinweis des Berufungsgerichts ihren erstinstanzlichen Vortrag ergänzt und ausgeführt, dass der Geruch durch das Treppenhaus ziehe und dass ihn Besucher beim Öffnen der Tür sofort wahrgenommen hätten, und zwar schon Tage nach dem Einzug der Kläger. Hierzu hätten sie Beweis angetreten durch Vernehmung der Zeugen E.     und W.    L.     .

 

b) Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieses durch Beweisantritt unterlegten Vortrags zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.

 

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats begründet bei Häusern, die zu einer Zeit errichtet wurden, als Kellerabdichtungen noch nicht üblich waren, nicht jede Feuchtigkeit im Keller einen Sachmangel. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, namentlich darauf, ob das Haus in einem sanierten Zustand verkauft wurde, der Keller Wohnzwecken diente, welcher Zustand bei der Besichtigung erkennbar war und wie stark die Feuchtigkeitserscheinungen sind (st. Rspr., vgl. zuletzt Senat, Urteil vom 9. Februar 2018 - V ZR 274/16, NJW 2018, 1954 Rn. 15 mwN). Dabei gehören zur Sollbeschaffenheit auch die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten darf, wozu auch Angaben im Exposé zählen (Senat, Urteil vom 9. Februar 2018 - V ZR 274/16, aaO Rn. 17). Wenn ein Wohngebäude in einem solchen Exposé etwa als „Luxusimmobilie“ bezeichnet wird, die „nach neuestem Stand renoviert worden“ ist, dann kann ein Kläger aus objektiver Sicht erwarten, dass die Räumlichkeiten keine Feuchtigkeit aufweisen, soweit sie zu Wohnzwecken dienen (Senat, Urteil vom 9. Februar 2018 - V ZR 274/16, aaO Rn. 18).

 

bb) Nach diesen Maßstäben ist zwar zunächst revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht - auch unter Berücksichtigung des im Auftrag der Beklagten erstellten und verwendeten Exposés - davon ausgeht, dass weder ein sanierter noch ein Keller geschuldet war, der zu Wohnzwecken genutzt werden kann, sondern ein Keller in einem der Bauzeit des Gebäudes gemäßen Errichtungszustand. Ein Sachmangel wird aber im Allgemeinen vorliegen, wenn bedingt durch die Feuchtigkeit des Kellers - wie die Kläger behaupten - ein muffiger bzw. modrig-feuchter Geruch durch die übrigen Bereiche des Hauses zieht, der von Besuchern beim Öffnen der Tür sofort wahrgenommen wird. Dieser unter Beweis gestellten Behauptung der Kläger wird daher nachzugehen sein. Dass sich der Vortrag wörtlich genommen nur auf die Zeit nach dem Einzug der Kläger bezieht, steht dem nicht entgegen, da im Hinblick auf die Ursache des Mangels (fehlende bzw. nicht ausreichende Abdichtung der Kellerwände) nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Beeinträchtigung inzwischen entfallen ist.

 

 

3. Die weiteren von der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe hat der Senat geprüft und als nicht durchgreifend angesehen; von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO).