Mietrecht / Pacht


Kündigung „im Auftrag“ („i.A.“) ist unwirksam

LG Wuppertal, Beschluss vom 04.08.2021 - 9 T 128/21 -

Die Entscheidung des LG Wuppertal erging im Rahmen eines Antrages der Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (§§ 114ff ZPO). Nachdem diese nach einer ihr gegenüber ausgesprochenen Kündigung von Wohnraum vor dem zuständigen Amtsgericht auf Räumung verklagt wurde, beantragte sie zur Rechtsverteidigung die Gewährung von Prozesskostenhilfe, die ihr vom Amtsgericht versagt wurde. Der dagegen von der Beklagten eingelegten Beschwerde half das Landgericht (LG) ab.

 

Insgesamt wurden der Beklagten gegenüber zwei Kündigungen ausgesprochen, die jeweils von einer (mit dem Vermieter namensgleichen) Person mit der Angabe „i.A.“ unterschrieben wurden.

 

Die Kündigungserklärung bedarf nach § 568 Abs. 1 BGB der Schriftform, wobei sich der Vermieter bei der Abgabe der Kündigungserklärung auch vertreten lassen kann. Das Landgericht wies darauf hin, dass bei der Kündigung durch einen vom Vermieter bestellten Vertreter nicht nur dessen eigenhändige Unterschrift auf der Kündigungserklärung erforderlich sei, sondern auch die Offenlegung der Stellvertretung zur Formwirksamkeit der Kündigungserklärung gehöre. Es müsse sich mithin aus der Kündigungserklärung ergeben, dass der diese Erklärung Unterzeichnende als Vertreter des Vermieters handelt, nicht etwa nur als Bote. Dies würde selbst dann gelten, wenn zwischen dem kündigenden Vermieter und dem Unterzeichner der Kündigungserklärung Namensgleichheit bestünde.

 

Auch wenn der Kündigungsempfänger wüsste, dass der Unterzeichner der Kündigungserklärung den Vermieter in allen Mietangelegenheiten vertrete, sei die Offenlegung der Stellvertretung nicht entbehrlich. An dieser Offenlegung würde es bei der Angabe „i.A.“ fehlen, da dieser Zusatz grundsätzlich nicht zu einer für die Kündigungserklärung durch einen Vertreter erforderliche Übernahme der Verantwortung des Unterzeichners für den Inhalt des Schriftstückes zu erkennen gäbe, vielmehr den Unterzeichner lediglich als Erklärungsboten erscheinen lasse (BGH, Beschluss vom 25.09.2012 - VIII ZB 22/12 -).

 

Das LG ließ dahinstehen, ob es einer Entscheidung des LG Berlin (Urteil vom 24.09.2014 - 65 S 64/14 -) folgen würde, dass die Angabe „i.A. unschädlich sei, wenn ausdrücklich auch der Zusatz im Kündigungsschreiben „namens und in Vollmacht des Vermieters“ aufgenommen würde, da dieser Fall hier nicht vorlag und besondere Umstände nicht ersichtlich seien, aus denen sich ergäbe, dass der Unterzeichner bei der Kündigungserklärung als Vertreter handele. Zwar sei ein Briefbogen des Vermieters verwandt worden, aber nirgends im Text auf eine Bevollmächtigung des Unterzeichners hingewiesen worden. Es sei sogar in der wir-Form formuliert worden, was gegen eine Bevollmächtigung spräche.

 

Weiterhin ging das LG darauf ein, ob in der Räumungsklage eine neue Kündigungserklärung zu sehen sei. Das Wort „Kündigung“ müsse nicht unbedingt genannt werden, wenn nach den Gesamtumständen von einer entsprechenden Erklärung in der Klage oder einem nachfolgenden Schriftsatz ausgegangen werden könne (BGH, Urteil vom 09.07.2003 - VIII ZR 26/03 -). So sei zwar auf weitere Mietrückstände hingewiesen worden, doch sei gleichwohl nicht von einer Kündigung mittels der Klageschrift oder eines nachfolgenden Schriftsatzes auszugehen: Anders als in den vorgerichtlichen Kündigungsschreiben sei der Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht widersprochen worden (§ 545 BGB), zudem sei der Wille zur einseitigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht hinreichend klar zum Ausdruck gebracht worden. Eine eindeutige Erklärung sei auch deshalb zu fordern, damit der Mieter wisse, ob er eine  einseitige Kündigungserklärung unverzüglich gem. § 174 BGB (Zurückweisung wegen mangelnder Vollmachtsvorlage) zurückweisen kann und das zuständige Gericht wissen muss, ob es aufgrund der schriftsätzlichen Kündigung zur Vermeidung einer möglichen Obdachlosigkeit die Sozialbehörde einschalten muss (§ 36 Abs. 2 SGB XII). Stattdessen würde es am Ende der Klageschrift heißen, dass die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung gem. § 534 BGB mit den beiden Kündigungsschreiben erfüllt seien.

 

 

Anmerkung: Der Entscheidung ist zuzustimmen. Allerdings kann der Argumentation des Landgerichts zur Auslegung einer Klageschrift/eines Schriftsatzes als eigenständige Kündigung nicht gefolgt werden, soweit es darauf verweist, im Schriftsatz sei nicht gem. § 545 BGB einer Fortsetzung des Mietverhältnisses widersprochen worden. Unabhängig davon, dass es einer solchen Erklärung nicht bedarf, wenn entsprechendes bereits im Mietvertrag aufgenommen ist (was hier nicht bekannt ist), verlangt zwar § 545 BGB einer Erklärung binnen zwei Wochen nach Vertragsende, dass einer Fortsetzung des Mietverhältnisses widersprochen wird, andernfalls es sich auf unbestimmte Zeit verlängert. Allerdings ist anerkannt, dass ein Räumungsverlangen eine ausreichende schlüssige Erklärung iSv. § 545 BGB darstellt (BGH, Urteil vom 24.01.2018 - XII ZR 120/16 -), was jedenfalls in einer hier vorliegenden Räumungsklage zu sehen wäre.

 

 

 

Tenor

 

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 20.05.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal, 90 C 208/20 (PKH) vom 19.04.2021 abgeändert: Der Beklagten wird für ihren Antrag auf Klageabweisung vom 25.02.21 für die 1. Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S aus V bewilligt.

 

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

Gründe

 

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

 

I.

 

Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf Räumung und Herausgabe besteht jedenfalls derzeit weder aus § 546 BGB noch aus § 985 BGB oder § 812 I BGB. Denn die Kündigungen vom 11.08.2020 und 19.10.2020 entsprechen nicht der von § 568 I BGB geforderten Schriftform. Zwar kann sich ein Vermieter bei der Erklärung einer Kündigung vertreten lassen. Sofern aber für den Kündigenden ein rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter die Kündigung - mit eigenhändig unterschriebenem Schreiben - erklärt, ist die Offenlegung der Stellvertretung in der Kündigung zur Formwirksamkeit erforderlich. D.h., aus dem Kündigungsschreiben muss sich ergeben, dass der Unterzeichnende als Vertreter - und nicht lediglich als Bote - handelt und zwar auch dann, wenn zwischen dem Kündigenden und dessen Vertreter Namensgleichheit besteht. Die Offenlegung der Stellvertretung in der Kündigung ist nicht allein deshalb entbehrlich, weil der Kündigungsempfänger weiß, dass der Kündigende grundsätzlich in allen Mietangelegenheiten vom Unterzeichner des Kündigungsschreibens vertreten wird (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl., § 568 Rn. 14; Tiedemann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 568 BGB (Stand: 25.05.2021), Rn. 26). Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht in den Fällen, in denen der Unterzeichner seine Unterschrift mit dem Zusatz "i.A." versieht, grundsätzlich nicht von einer Übernahme der Verantwortung des Unterzeichners für den Inhalt der unterzeichneten Schrift aus, weil der Unterzeichnende damit zu erkennen gibt, dass er nur als Erklärungsbote auftritt (BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - VIII ZB 22/12 -, Rn. 11, juris).Im Entscheidungsfall hat ein N T jeweils die Kündigungserklärung "i.A." unterschrieben und damit zunächst einmal nicht als Vertreter gehandelt. Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass gemäß §§ 133, 157 BGB die Gesamtumstände zu berücksichtigen sind. Wenn sich hieraus ergibt, dass der Unterzeichner ersichtlich im Namen eines anderen die Kündigung erklärt hat, ist von einem Handeln als Vertreter auszugehen (BeckOK BGB/Wöstmann, 58. Ed. 1.5.2021, § 568, Rn. 4). Ob man dabei so weit gehen kann, wie das Landgericht Berlin (65 S 64/14, juris), dass selbst trotz des ausdrücklichen Zusatzes, "namens und in Vollmacht des Vermieters", das Kürzel i.A. als entscheidend angesehen hat, kann dahinstehen. Jedenfalls liegen hier keine Umstände vor, wonach für die Beklagte ersichtlich war, dass N T als Vertreter gehandelt hat. Benutzt wurde ein Briefbogen des Vermieters. Im Text ist von einer Bevollmächtigung keine Rede. Das Schreiben ist in der wir-Form gehalten, was sogar eher gegen eine Bevollmächtigung und mehr für eine Botenstellung spricht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss das Wort Kündigung nicht unbedingt gebraucht werden, so dass die Beschwerdekammer auch noch in Betracht zu ziehen hatte, ob etwa in der Klageerhebung als solcher oder in einem späteren Schriftsatz des Klägers eine erneute Kündigungserklärung zu erblicken ist (vgl. BGH, VIII ZR 26/03, juris). Aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers (§§ 133, 157 BGB) ist diese Frage jedoch im Ergebnis zu verneinen, obwohl in der Klageschrift auch zusätzlich aufgelaufene Mietrückstände behauptet werden. Denn anders als in den vorgerichtlichen Kündigungsschreiben fehlt in der Klageschrift der Hinweis darauf, dass der Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 545 BGB ausdrücklich widersprochen wird. Zudem muss zur Annahme einer Kündigungserklärung der Wille zur einseitigen Vertragsbeendigung hinreichend klar zum Ausdruck kommen. Der Begriff "Kündigung" muss zwar nicht verwendet werden. Es genügt, wenn sich aus der Erklärung mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass die einseitige Vertragsbeendigung gewünscht wird, wobei an die Eindeutigkeit der Erklärung aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden dürfen (Schmidt-Futterer, a.a.O., § 542, Rn. 13). Dass eine eindeutige Erklärung erforderlich ist, ist auch deshalb zu fordern, weil der Mieter wissen muss, ob er eine Kündigungserklärung unverzüglich gemäß § 174 BGB zurückweisen kann, und weil es für das betreffende Gericht klar sein muss, wenn es aufgrund einer schriftsätzlich erklärten Kündigung eine Sozialbehörde zwecks Erhaltung des Wohnraums bzw. zur Abwendung von Obdachlosigkeit einschalten muss (§ 36 II SGB XII). Demgegenüber heißt es am Ende der Klageschrift ausdrücklich: "Die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung gemäß § 543 BGB sind bei unseren beiden (Gemeint: außergerichtlichen) Kündigungen erfüllt."

 

II.

 

Für das weitere Verfahren wird vorsorglich auf folgendes hingewiesen:

 

Die Berücksichtigungsfähigkeit der meisten behaupteten Mängel scheitert am - trotz gerichtlichen Hinweises - unzureichendem Sachvortrag. Das betrifft zum einen den Zeitpunkt des jeweiligen Auftretens des Mangels, die Frage der Auswirkungen auf den Mietgebrauch und die Frage, ob sich der Mangel mit der Zeit verändert, insbesondere vertieft hat. Zum anderen kann es nicht ausreichen zu behaupten, die Mängel wären "mehrfach", "permanent" angezeigt worden. Denn abgesehen davon, dass es nicht lebensnah ist, dass alle Mängel gleichzeitig aufgetreten sind, hätte zumindest die jeweilige Erstanzeige einigermaßen zeitlich eingegrenzt werden müssen. Hinsichtlich der für die behaupteten Mängelanzeigen benannten Zeugen ist eine Konnexität nicht dargelegt. Angesichts dessen, dass die Mängelanzeigen fernmündlich erfolgt sein sollen, versteht sich eine solche auch nicht von selbst. Vielmehr wäre bei unerlaubt mitgehörten Telefonaten sogar eine Verwertbarkeit zweifelhaft.Was die Gastherme anbelangt, kann dahinstehen, ob im vorgerichtlichen Schreiben der Beklagten vom 13.07.2020 überhaupt eine Aufrechnung erklärt worden ist. Ausdrücklich die Rede war nur von einem "Gegenrechnen". Jedenfalls aber wäre die Aufrechnungserklärung mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam. Denn es wurde eine Gegenforderung von ca. 1000-1200 EUR geltend gemacht. Dem gegenüber erfordert die Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes, dass die zur Aufrechnung gestellte Forderung nach Grund und Höhe individualisiert werden muss (Wagner in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 388 BGB, Rn. 2; BAG, 9 AZR 349/18, juris). Soweit die Beklagte im Prozessverlauf die Aufrechnung mit einer Gegenforderung i.H.v. 1500 EUR erklärt hat, erfolgte dies nicht unverzüglich nach der Kündigung im Sinne von § 543 II 2 BGB. Eine solche Aufrechnung wäre im Übrigen für eine ordentliche Kündigung grundsätzlich unerheblich. Davon abgesehen dürfte zwar bei einer 75 m2 großen Wohnung der hier zu vermutenden Baualtersklasse ein Jahresverbrauch von etwa 750 EUR durchschnittlich zu erwarten sein, was einen mangelbedingten Mehrverbrauch zumindest als möglich erscheinen lässt. Mit dem Amtsgericht ist aber dennoch von einer nicht hinreichenden Darlegung der Schadenshöhe auszugehen. Die Beklagte hat des Weiteren nicht berücksichtigt, dass nicht alleine wegen eines Mangels ein Schadensersatzanspruch besteht (vergleiche § 536a BGB). Hinsichtlich der undichten Flurtür, der Balkontür und des Wohnzimmerfensters verweist die Beklagte im Ansatz zu Recht darauf, dass schon der Mietvertrag die Erneuerung der betreffenden Dichtungen vorgesehen hatte. Dass und wie lange die Undichtigkeiten den Mietgebrauch mehr als unwesentlich beeinträchtigt hätten, kann dem Sachvortrag der Beklagten jedoch nicht entnommen werden.

 

III.

 

 

Nach § 127 IV ZPO werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.