Schuldrecht, allgemein


Forderungskaufvertrag: Darlegungslast bei Behauptung einer Inkassotätigkeit

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.08.2021 - 24 U 171/20 -

Kürze Inhaltsangabe:

 

Die Klägerin klagte aus abgetretenen Recht einer Bank einen offenen Saldo der beklagten auf einem bei der Bank geführten Kreditkartenkonto ein. Von der Beklagte wurde u.a. die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin eingewandt, da die Abtretung gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstoße.

 

Dem folgte das OLG, anders als zuvor das Landgericht. Die Abtretung des Anspruchs nach §§ 675, 670, 398 BGB verstoße gegen ein gesetzliches Verbot und sei daher nach § 134 BGB nichtig. Die Klägerin würde die Einziehung fremder bzw. zum Zwecke der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen als eigenständiges Geschäft und damit eine Rechtsdienstleistung gem. § 2 Abs. 2 RDG betreibe, ohne die dafür nach § 3 RDG erforderliche Befugnis zu haben.

 

Unstreitig sei, dass die Klägerin nicht über eine nach § 10 RDG erforderliche Registrierung verfüge. Lediglich ein mit ihr verbundenes Unternehmen habe die Registrierung. Auch wenn die Beklagte für die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot darlegungs- und beweispflichtig sei und damit nachzuweisen habe, dass die Klägerin entgegen deren Behauptung die Forderungen von der Bank nicht im Rahmen eines echten Forderungskaufs erworben sind und damit eine Inkassodienstleistung und keine bloße Inkassozession vorliegt, würde hier eine Ausnahme gelten. Habe die primär darlegungsbelastete Partei (wie hier die Beklagte) keine nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung, während der Prozessgegner (wie hier die Klägerin) alle wesentlichen Tatsachen kenne und es ihm unschwer möglich sei, nähere Angaben zu machen, treffe den Prozessgegner die sekundäre Darlegungslast. Im Rahmen dieser habe er auch zumutbare Nachforschungen zu betreiben. Genüge der Prozessgegner (hier die Klägerin) seiner sekundären Darlegungslast nicht, so würde die Behauptung der Gegenpartei (hier der Beklagten) als nach § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden gelten (BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 367/19 -).

 

Da damit feststehen würde, dass die Beklagte keine näheren Kenntnisse habe, anders als die Klägerin, müsse die Klägerin als Erwerberin der Forderung den Nachweis ihrer Forderungsinhaberschaft darlegen und damit darlegen, dass die die Forderung vollwirksam und nicht lediglich zu Einziehungszwecken erworben habe. Damit sei der zugrundeliegende Kaufvertrag offenzulegen.

 

Auf den Hinweis des Senats habe die Klägerin den Forderungskaufvertrag nur unvollständig und teilweise geschwärzt vorgelegt. Damit sei die Klägerin ihrer sekundären Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen. Die Beklagte habe darauf hingewiesen, dass die Anlage 1 zu dem Kaufvertrag fast vollständig geschwärzt sei und sie davon ausgehen würde, dass dort abstrakt-generell geregelt sei, wer das wirtschaftliche Risiko trage, wie sich auch aus den Schwärzungen der §§ 11 und 12 der Schluss ergebe, dass es sich nicht um einen echten Forderungskauf handele, sondern um den geschäftsmäßigen Einzug fremder Forderungen. Dem sei die Klägerin nicht hinreichend entgegengetreten und habe insbesondere nicht den ungeschwärzten Vertrag vorgelegt.

 

Einer Beweisaufnahme durch Einvernahme der von der Klägerin benannten Zeugin habe es nicht bedurft. Die Frage, ob es sich um einen echten Forderungskauf handele sei eine Rechtsfrage und entziehe sich des Zeugenbeweises. Es sei daher davon auszugehen, dass die geschwärzten Passagen erheblich seien und auf das Vorliegen einer Inkassotätigkeit schließen ließen. Erschwerend käme hinzu, dass nach § 2 Abs. 2 des Vertrages die Vertragsparteien davon ausgegangen seien, dass die Klägerin über eine Erlaubnis zum geschäftsmäßigen Einzug von fremden Forderungen verfüge, was tatsächlich nicht der Fall sei.

 

 

Folglich sei davon auszugehen, dass die Abtretung gegen ein gesetzliches Verbot verstoße, weshalb die Klage auf die Berufung hin abzuweisen sei.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13.07.2020 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt abgeändert:

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Der Wert der Berufung wird auf 6.989,86 € festgesetzt.

 

Gründe

 

Die Klägerin hat die Beklagte aus abgetretenem Recht der Bank1 auf Zahlung des offenen Saldos aus einem im Jahre 2017 gekündigten Kreditkartenkonto in Höhe von 6.989,86 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten in Anspruch genommen. Die Beklagte hat eingewandt, die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert, da die Abtretung gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoße. Die Buchungen auf dem Kartenkonto seien nicht von ihr autorisiert worden. Soweit Zahlungen an Anbieter von Onlineglücksspielen erfolgt seien, seien diese unzulässig gewesen, da es sich um illegales Glücksspiel gehandelt habe. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer Berufung, der die Klägerin entgegentritt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch aus abgetretenem Recht (§§ 675, 670, 398 BGB) nicht zu, da ihr die Aktivlegitimation fehlt. Im Gegensatz zum Landgericht geht der Senat nämlich davon aus, dass die Abtretung gegen ein gesetzliches Verbot verstößt und nichtig ist (§ 134 BGB), weil die Klägerin die Einziehung fremder bzw. zum Zwecke der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen als eigenständiges Geschäft und damit eine Rechtsdienstleistung betreibt (§ 2 Abs. 2 RDG), ohne über die dafür erforderliche Befugnis zu verfügen (§ 3 RDG).

 

Zwischen den Parteien ist es unstreitig, dass die Klägerin nicht über die für eine Inkassodienstleistung erforderliche Registrierung (§ 10 RDG) verfügt, sondern lediglich ein mit ihr verbundenes Unternehmen. Zwar ist das Landgericht im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte für die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot beweispflichtig ist. Sie hat daher auch nachzuweisen, dass im Gegensatz zu der von der Klägerin aufgestellten Behauptung, sie habe die Forderung von der Bank1 im Wege eines echten Forderungskaufs erworben, weshalb keine Inkassodienstleistung vorliege, hier doch eine bloße Inkassozession anzunehmen ist. Allerdings gilt eine Ausnahme, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. In diesem Fall trifft den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast, im Rahmen derer es ihm auch obliegt, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen. Genügt er seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung der Gegenpartei nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. BGH, NJW 2020, 2804 m. w. Nachw.). So liegt der Fall hier, weil die Beklagte über die Einzelheiten des Forderungserwerbs durch die Klägerin keine Kenntnis haben kann. Es ist daher für den behaupteten Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz anerkannt, dass der Erwerber einer Forderung zum Nachweis seiner Forderungsinhaberschaft darlegen muss, dass er die Forderung vollwirksam und nicht lediglich zu Einziehungszwecken erworben hat. Er muss also den zugrundeliegenden Kaufvertrag offenlegen (vgl. BeckOK RDG/Römermann, 18. Ed. 1.7.2019, RDG § 2 Rn. 9; Deckenbrock/Henssler, 5. Aufl. 2021, RDG § 2 Rn. 87).

 

Die Klägerin hat auf den entsprechenden Hinweis des Senats den Forderungskaufvertrag vom 07.06.2017 vorgelegt, aus dem sich ergeben soll, dass die Forderung gegen die Beklagte nicht zur Einziehung auf fremde Rechnung abgetreten wurde und es sich daher um einen echten Forderungskauf handelt. Damit ist die Klägerin aber ihrer sekundären Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen, weil sie den Vertrag nur unvollständig vorgelegt hat und zahlreiche Passagen geschwärzt wurden. Die Beklagte weist darauf hin, dass die Anlage 1 nahezu vollständig geschwärzt ist und geht davon aus, dass dort abstrakt-generell geregelt wurde, wer das wirtschaftliche Risiko tatsächlich trägt. Sie zieht auch aus den Schwärzungen bei § 10 und § 12 den Schluss, dass es sich um keinen echten Forderungskauf handelt, sondern um den geschäftsmäßigen Einzug fremder Forderungen. Dem ist die Klägerin nicht mehr hinreichend entgegengetreten, sie hat insbesondere keinen Vertrag ohne Schwärzungen vorgelegt. Es bedurfte in diesem Zusammenhang auch keiner Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugin A, weil die Frage, ob hier ein echter Forderungskauf vorliegt, eine Rechtsfrage ist, die einem Zeugenbeweis nicht zugänglich ist. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die geschwärzten Passagen für die rechtliche Beurteilung erheblich sind und auf das Vorliegen einer Inkassotätigkeit schließen lassen. Dies gilt umso mehr, als die Vertragsparteien ausweislich § 2 Abs. 2 des vorgelegten Vertrages davon ausgegangen sind, dass die Klägerin über eine Erlaubnis zum geschäftsmäßigen Einzug fremder Forderungen verfügt, was tatsächlich aber nicht der Fall ist und auch nicht, wie es die Klägerin versucht, mit „etwaigen sprachlichen Ungenauigkeiten“ erklärt werden kann.

 

Da somit davon ausgegangen werden muss, dass die Abtretung gegen ein gesetzliches Verbot verstieß, steht der Klägerin die Forderung nicht zu. Auf die weiteren Einwendungen der Beklagten kommt es nicht an.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 

 

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.