Bei der Anfechtung einer Erbausschlagung wegen Irrtums ist für die Ausschlagung ein kausaler Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses erforderlich, §§ 1954, 119 Abs. 2 BGB.
Ein solcher Irrtum kann angenommen werden bei falscher Vorstellung hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, des Bestandes an Aktiva und Passiva. Die Überschuldung des Nachlasses ist aber
keine verkehrswesentliche Eigenschaft und kann lediglich bei der Kausalitätsprüfung berücksichtigt werden.
Irrtum ist eine innere Tatsache. Ein entsprechender Irrtum iSv. § 119 Abs. 2 BGB liegt nicht vor, wenn die Ausschlagung unabhängig von Grund und Höhe der Erbschaft bewusst auf der Grundlage
ungenauer zeitferner Informationen erfolgt. Der Erklärende muss hinreichende Anstrengungen unternommen haben, um Erkenntnisse über Fakten zu erlangen, die ihm als gesicherte
Entscheidungsgrundlage dienen können. Im Rahmen der Irrtumsfeststellung ist auch ein Verschulden des Erklärenden nicht zu berücksichtigen.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.07.2024 - 21 W 146/23 -
Die Verjährungsfrist nach § 113 S. 1 SGB VII beginnt kenntnisunabhängig ab dem Tag der Feststellung des Versicherungsfalles durch den Unfallversicherungsträger zu laufen. § 113 S. 1 SGB VII
ist nicht nur auf Unfallversicherungsträger anwendbar, sondern auf alle Sozialversicherungsträger (so auch gesetzliche Krankenversicherungen und die gesetzliche Rentenversicherung).
Die Verjährungsfrist ist taggenau zu berechnen. Mögliche Umstände, die eine Hemmung der Verjährung bewirken können, sind zu berücksichtigen.
Der Verfasser setzt sich mit den Gründen des OLG zur Zulassung der Revision kritisch auseinander.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16.07.2024 - 7 U 89/23 -
Ein Rechtsmittel gegen den den Antrag einer Partei zurückweisenden Beschluss, anstelle einer Anhörung des Sachverständigen einen Ortstermin durchzuführen, ist unzulässig.
Die Ablehnung einer Überprüfung einer Wohnung durch den Sachverständigen, nachdem dieser zuvor nicht eingelassen wurde, was in der Risikosphäre des Antragstellers liegt, ist dann unzulässig, wenn
bis zu einem Termin (hier auf Anhörung des Sachverständigen) noch die Möglichkeit besteht, dass dieser die Wohnung doch begehen kann.
Die Ablehnung eines Beweisantrages im selbständigen Beweisverfahren ist zulässig, wenn dieser nicht den Anforderungen des § 487 Nr. 2 ZPO entspricht. Danach darf das Beweisverfahren nicht zum
Ausforschungsbeweis genutzt werden. Werden Mängel behauptet, sind diese (ggf. nach der Symptomtheorie) nicht pauschal zu behaupten, sondern zu dem zu Grunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu
setzen.
Hansetisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 15.02.2024 - 4 W 15/24 -
Ein Gericht darf „gerichtsbekannte“ Tatsachen in einem Urteil nur verwerten, wenn es den Parteien zuvor die Möglichkeit einer Stellungnahme zu diesen Tatsachen ermöglicht hat. Will ein Gericht
Tatsachen zu Geschehensabläufen pp. aus einem Vorprozess verwerten, ohne dass die entsprechende Akte beigezogen wurde und auch kein Antrag dahingehend gestellt worden war, und wurden auch nicht
das Urteil aus dem Vorprozess oder Schriftstücke aus diesem Verfahren von den Parteien vorgelegt, dürfen diese Kenntnisse des Gerichts bei der Urteilsfindung nur berücksichtigt werden, wenn den
Parteien die Möglichkeit gegeben wurde, dazu vorher Stellung zu nehmen. Ein Verstoß dagegen stellt sich als Verletzung rechtlichen Gehörs dar, Art. 103 GG. Es muss auch davon ausgegangen werden,
dass das Urteil auf diesem Verstoß beruht, und ohne diesen Verstoß die Möglichkeit bestand, dass das Urteil zugunsten des durch den Verstoß Beschwerten ausgefallen wäre.
Die Eintragung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) im Gesellschaftsregister hat keine konstitutive Wirkung, sondern nur deklaratorische Wirkung; ihre Rechtsfähigkeit ist auch ohne
Eintragung gegeben.
Die Voraussetzungen zur Anmeldung einer eGbR zum Gesellschaftsregister sind in § 707 Abs. 2 BGB normiert. § 3 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 GesRV enthält zur Angabe des Gegenstandes der Gesellschaft
lediglich eine Sollbestimmung; dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass die Eintragung nicht von der Angabe abhängig gemacht werden kann (BR-Drs. 560/22, S. 15).
Auch im Rahmen der Amtsprüfung des Registergerichts nach § 26 FamFG können weitergehende Angaben als in § 707 Abs. 2 BGB nur verlangt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch der
Gesellschaftsform bestehen, eine allgemeine Möglichkeit des Missbrauchs reicht nicht aus.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02.08.2024 - 14 W 52/24 - (Wx)
Eine in einem Mietvertrag als AGB-Klausel verwandte Formulierung „als nicht mitvermietet“ würden technische Geräte der Einbauküche „gelten“, ist unklar iSv. § 305c Abs.2 BGB, da zumindest zwei
Auslegungsmöglichkeiten bestehen: Sie kann bedeuten, dass der Vermieter nicht zur Reparatur/zum Austausch verpflichtet ist, aber auch, dass sie ohne zusätzlichen Mietzins zur Grundmietet unter
Beibehaltung der Gewährleistungsrechte des Mieters nach §§ 535 ff BGB mitvermietet wird.
Damit kann der Mieter bei einem Defekt des Geräts dessen Reparatur (evtl. Austausch) durch den Vermieter verlangen, § 535 Abs. 1 S. 2 BGB..
LG Berlin II, Beschluss vom 30.06.2024 - 67 S 144/24 -
§ 18 Abs. 1 HGB fordert eine Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft. Erforderlich ist deshalb, dass die gewählte Bezeichnung als Name verwandt werden kann und individualisierend wirkt. An
der Unterscheidungskraft ermangelt es, wenn ein „Allerweltsname“ genutzt wird und auch dann, wenn die Bezeichnung rein beschreibender Natur ist (wie z.B. bei Gattungsbezeichnungen, z.B.
Vertrieb.de).
Die Vergaberichtlinien der Denic eG, eine Domain nur einmal zu vergeben, führt nicht durch die TOP-Level-Domain (hier: de) zur Unterscheidungskraft. Die Top-Level-Domain wird in der Regel nicht
prägend wahrgenommen (Beispiel: „XXX.de“ zu „XXX.com“). Hinzu kommt (hier) das Freihaltungsbedürfnis bezüglich einer allgemein gehaltenen Bezeichnung, die die Bildung anderer Firmen nicht
übermäßig beeinträchtigen darf.
Vorliegend hatte die verwandte allgemeine Bezeichnung auch keine allgemeine Verkehrsgeltung.
Kammergericht Berlin, Beschluss vom 13.05.2024 - 22 W 16/14 -
Sind im Rahmen einer Kaskoversicherung über einen Oldtimer neben den AKB auch Sonderbedingungen Oldtimer vereinbart, in denen für die Höchstentschädigung auf den (vereinbarten) Marktwert zum
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zuzüglich 10% abgestellt wird, muss der Versicherungsnehmer bei Wertsteigerungen des Oldtimers den Versicherungswert regelmäßig anpassen lassen, will er im
Rahmen der Höchstentschädigung bei einem Schaden den aktuellen Wert des Fahrzeuges ersetzt erhalten, liegt dieser mehr als 10% über den bisher (vereinbarten) Marktwert.
LG Frankenthal, Urteil vom 17.01.2024 - 2 O 230/23 -
Zu den notwendigen Kosten eines Rechtsstreits iSv. § 91 Abs. 2 ZPO können auch Sachverständigenkosten gehören, die von den Parteien aus Anlass und zur Führung des Rechtstreits eingeholt wurden.
Holt eine (auch große) Versicherungsgesellschaft ein eigenes Sachverständigengutachten ein, nachdem ein gerichtlich eingeholtes für sie negativ war, und kann auch nicht davon ausgegangen werden,
die Versicherung würde insoweit interne Sachkunde (hier: komplexe medizinischen Fragen zur Schädigung des Sehnervs) vorhalten, kann sie die Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren gegen die
Gegenpartei festsetzen lassen.
Einem Mangelbeseitigungsanspruch bei einem Werkvertrag kann ein berechtigter Unverhältnismäßigkeitseinwand nach § 635 Abs. 3 BGB entgegenstehen.
Abzustellen ist darauf, ob ein nach den Umständen objektiv geringes Interesse des Bestellers an einer Mangelfreiheit einem ganz erheblichen und vergleichsweise unangemessenen Kostenaufwand
gegenübersteht. Dabei ist zu Lasten des Auftragnehmers zu berücksichtigen, ob und in welchem Ausmaß ein Verschulden bei ihm vorliegt. Das Verlangen einer Vertragserfüllung ohne Rücksicht auf den
erforderlichen Aufwand kann sich als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 03.07.2024 - 12 U 63/22 -
In der Partnerschaftsgesellschaft (PartG mbB) gelten die zum Personengesellschaftsrecht entwickelten Grundsätze zur Behandlung von Beschlussmängeln.
Die Einberufung durch einen Unbefugten führt zur Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beschluss auch gefasst worden wäre,
wenn von einem Berechtigten zur Gesellschafterversammlung eingeladen worden wäre. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der Gesellschaft um eine personalistisch geführte Gesellschaft
handelt.
Zahlt der generische Haftpflichtversicherer nach einem Verkehrsunfall an den Besitzer eines Fahrzeugs, der nur Leasingnehmer ist, leistet er an einen Nichtberechtigten.
Macht dies Leasinggesellschaft nunmehr selbst Ansprüche wegen der Beschädigung des geleasten Fahrzeugs als Eigentümerin desselben gegen den Haftpflichtversicherer geltend, ist der Anspruch nach §
851 BGB, auf den sich die Haftpflichtversicherung berufen kann, davon abhängig, ob dem Haftpflichtversicherer das Recht des Dritten bekannt war oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war.
Den Nachweis, dass das Recht des Dritten dem Haftpflichtversicherer bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, muss der Anspruchsteller (hier die Leasinggesellschaft) erbringen.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nicht vor, wenn der Haftpflichtversicherer sich das Eigentum des ursprünglichen Anspruchstellers nicht nachweisen lässt, auch nicht die Zulassungsbescheinigung Teil II
vorlegen lässt oder Einsicht in die Verkehrsunfallakte nimmt. Der (auch mittelbare) Besitz am Fahrzeug durch den ursprünglichen Anspruchsteller ist ausreichend.
Die Angabe in einem Schreiben eines Rechtsanwalts, „Pkw meines Mandanten“ ist im allgemeinen Sprachgebrauch als Angabe zum Eigentum zu verstehen.
Der Ausschluss der befreienden Wirkung greift bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis. Grobe Fahrlässig in Bezug auf die Kenntnis des Rechts des Dritten liegt vor, wenn der
Ersatzpflichtige die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige nicht beachtet habe, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten muss.
Liegen im Einzelfall keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass es sich bei dem Unfallwagen um ein Leasingfahrzeug, sicherungsübereignetes Fahrzeug oder um Vorbehaltsware handelt, und bestehen auch
aus anderen Gründen keine validen Zweifel, dass der Anspruchsteller Eigentümer des Unfallsfahrzeugs ist, kann mithin von dessen Berechtigung ausgegangen werden.
OLG Nürnberg, Urteil vom 11.06.2024 - 14 U 203/23 -
Ein Beschluss, mit dem einem Miteigentümer ermöglicht wird, sein Teileigentum in Wohnungseigentum (oder umgekehrt) umzuwandeln, bedarf zur Eintragung in den Wohnungs- und
Teileigentumsgrundbüchern einer Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung der Wohnungs- und Teileigentümer. Gleiches gilt für die Eintragung einer Änderung der in der Gemeinschaftsordnung
geregelten Vertretung bei der Stimmabgabe.
Entsprechende mit qualifizierter Mehrheit gefasste Beschlüsse der Wohnungs- und Teileigentümer dürfen nur in den Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern eingetragen werden, wenn zu den
entsprechenden Reglungen in der Gemeinschaftsordnung bereits Öffnungsklauseln enthalten sind.
Ein ohne Öffnungsklausel gefasster Beschluss bleibt unabhängig davon bindend, wenn er nicht nichtig ist oder angefochten wurde.
Kammergericht Berlin, Beschluss vom 01.02.2024 - 1 W 378/23 -
Bei §§ 110 Abs. 1, 111 S. 1 SGB VII handelt es sich um einen originären, selbständigen Anspruch des Sozialversicherungsträgers, der privatrechtlicher Natur ist. Nach § 110 SGB VII haften
gem. § 111 S. 1 SGB VII auch die Vertretenen, wenn ein Mitglied eines vertretungsberechtigten Organs, Abwickler oder Liquidatoren juristischer Personen, vertretungsberechtigte Gesellschafter oder
Liquidatoren einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder gesetzliche Vertreter der Unternehmer in Ausführung ihnen zustehender Verrichtungen den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob
fahrlässig verursachten und kommt daher ein Regressanspruch des Sozialversicherungsträgers (gesetzliche Unfallversicherung) in diesen Fällen auch gegenüber dem Mitgliedunternehmen in Betracht.
Ein Fuhrparkleiter, der keine der in § 111 S. 1 SGB VII benannte Funktion ausübt, begründet damit keine Haftung des Mitgliedsunternehmens des Sozialversicherungsträgers diesem gegenüber nach §
110 SGB VII. Eine entsprechend oder analoge Anwendung von § 31 BGB, wie sie teilweise in Rechtsprechung und Literatur angenommen wird, in Bezug auf eine Repräsentantenhaftung angenommen
wird, bzw. eine entsprechende Auslegung von § 111 SGB VII ist ausgeschlossen, da keine Gesetzeslücke besteht und die eingeschränkte Haftung nach § 111 S. 1 SGB VII gesetzgeberischer Wille ist.
§ 390 BGB bestimmt, dass eine Forderung, der eine Einrede (also ein Leistungsverweigerungsrecht) entgegensteht, nicht aufgerechnet werden kann. § 215 BGB stellt sich als eine Ausnahmevorschrift
von § 390 BGB dar. Nach § 215 Alt 1 BGB schließt die Verjährung die Aufrechnung nicht aus, wenn der der Aufrechnung zugrunde liegende Anspruch noch nicht zu dem Zeitpunkt verjährt gewesen ist, in
dem er erstmals hatte aufgerechnet werden können. Grundlage ist die Aufrechnungslage vor Verjährungseintritt, § 387 BGB.
Schadenersatzansprüche des Vermieters verjähren regelmäßig in der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 S. 1 BGB. Auch nach Ablauf dieser Frist kann ein Vermieter dem Anspruch auf Rückzahlung
der Baukaution (einschl. Zinsen) des Mieters den Schadensersatzanspruch entgegenhalten und selbst dann einen Entschädigungsanspruch aufrechnungsweise geltend machen, wenn er bisher nicht von der
Ersetzungsbefugnis (Entschädigung statt Naturalrestitution) Gebrauch gemacht hatte, § 215 Alt. 1 BGB.