Bei einem Antrag auf Ordnungsmittel bei Zuwiderhandlung gegen ein durch Urteil auferlegtes Verbot ist der Antragsteller nicht gehalten, das Ordnungsmittel oder die Höhe desselben zu benennen. Art
und die Höhe des Ordnungsmittels steht im Ermessen des Gerichts.
Beantragt der Gläubiger die Festsetzung eines Ordnungsgeldes, kann er – nennt er keinen bestimmten Betrag und macht er auch keine Angabe zur einer Größenordnung – mangels Beschwer keine zulässige
Beschwerde gegen eine dem Antrag stattgebende Entscheidung mit dem Ziel der Erhöhung des Ordnungsgeldes einlegen.
Macht der Gläubiger im Laufe des Verfahrens vor einer Entscheidung über seinen Antrag Angaben zu einer Größenordnung und weicht das Gericht davon durch Unterschreitung ab, kann der Gläubiger
Beschwerde einlegen. Ausreichend ist für die Angabe einer Größenordnung auch der Hinweis darauf, dass der Schuldner schon zweimal gegen das Verbot verstoßen habe und jeweils ein Ordnungsgeld von
€ 5.000,00 festgesetzt worden sei, weshalb nunmehr „natürlich ein deutlich empfindlicheres Ordnungsgeld festzusetzen“ sei, was dahingehend auszulegen ist, dass das Ordnungsgeld mehr als €
5.000,00 betragen soll.
Scharfe und auch abwertende Meinungsäußerungen können von der Meinungsfreiheit geschützt sein. Bei ehrverletzenden Äußerungen ist allerdings eine Abwägung der widerstreitenden Interessen
vorzunehmen.
Die Ausführung in einem Beitrag auf einer Onlineplattform „„Anstatt eine junge Doktorandin zu unterstützen, die seit Monaten attackiert, auf offener Straße verfolgt und sogar körperlich
angegriffen wird, unterstützt die Stiftung lieber einen 60-jährigen Mann, der an der Spitze eines Lobby-Vereins steht und maßgeblich an dem Frauenhass beteiligt ist, dem A seit Monaten ausgesetzt
ist“ ist eine unzulässige Meinungsäußerung, da nach der Struktur des Satzes und der dort verwandten stilistischen Mittel, in dem die Bezeichnung „Mann“ verwandt würde, diese Bezeichnung für den
Leser eine herabwürdigende Bedeutung zukommt. Eine seit Jahrzehnten nach außen gelebte geschlechtliche Identität wird der Klägerin abgesprochen, was sie nicht hinnehmen muss.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.02.2024 - 16 U 93/23 -
Eine vorsätzliche Obliegenheitspflichtverletzung wegen Falschbeantwortung von Fragen des Versicherers anlässlich eines Schadensfalls ist vom Versicherer zu beweisen. Wurde der Versicherungsnehmer
nach § 28 Abs. 4 VVG über die Folgen der Obliegenheitspflichtverletzung durch Falschbeantwortung belehrt, muss der Versicherungsnehmer die zur Obliegenheitspflichtverletzung führenden
Umstände, die zu seiner Sphäre gehören (mithin die Gründe der etwaigen Falschangaben) nachprüfbar dartun.
Eine arglistige Obliegenheitspflichtverletzung verlangt neben Vorsatz das Bewusstsein, gegen die Interessen des Versicherers zu verstoßen. Die Beweislast für Arglist trifft den Versicherer, doch
hat der Versicherungsnehmer eine sekundäre Darlegungslast, weshalb er plausibel darzulegen hat, weshalb es zu den objektiv falschen Angaben kam.
OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 18.04.2024 - 4 U 67/24 -
Voraussetzung für eine Haftung nach § 7 StVG ist, dass sich der Schaden „bei dem Betrieb“ des Fahrzeugs ereignet hat. Danach muss die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen
Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung stehen.
Das Parken eines Fahrzeugs auf einer öffentlichen Straße gehört zum Betrieb des Fahrzeugs. Brennt dieses (und kommt es dadurch zu einen Drittschaden), haftet der Halter dieses Fahrzeugs nach § 7
StVG, wenn der Brand durch den Betrieb oder eine Betriebseinrichtung verursacht wurde. Die Beweislast hat der (klagende) Geschädigte. Kann nicht festgestellt werden, welche Betriebseinrichtung
zum Brand führte und eine Brandstiftung nicht ausgeschlossen werden, ist die Klage des Dritten abzuweisen.
Der Reiseveranstalter verliert seinen Anspruch auf den Reisepreis (§ 651h Abs. 1 S. 2 BGB) bei einem wirksamen Reiserücktritt des Buchenden (§ 651h Abs. 1 S. 1 BGB), kann jedoch eine
Entschädigung verlangen (§ 651h Abs. 1 S. 3 BGB).
Der Entschädigungsanspruch entfällt, wenn die Reise wesentlich beeinträchtigt ist. Anerkannt ist, dass die Covid-10-Pandemie eine wesentliche Beeinträchtigung darstellen kann.
Allerdings kann eine wesentliche Beeinträchtigung (hier: Covid-19-Pandemie) nicht angenommen werden, wenn zum Zeitpunkt der Buchung (hier: Januar 2021 für November/Dezember 2021 nach Thailand)
diese Beeinträchtigung bereits bekannt ist. Ausreichend für den Ausschluss der Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung ist aber auch bereits, dass bei der Buchung Umstände vorliegen, die der
Durchführung der Reise zwar nicht zwingend entgegenstehen, aber doch so gravierend sind, dass nicht jeder Reisende die damit verbundenen Risiken auf sich nehmen möchte. Es kommt auch nicht darauf
an, ob zum Zeitpunkt der Buchung die Weiterentwicklung der Situation noch nicht absehbar ist, wenn jedenfalls eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es innerhalb kürzester Zeit zu
gravierenden Veränderungen kommt.
Nach § 707a Abs. 2 S. 1 BGB muss die eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts in ihrem Namen den Namenszusatz „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder (abgekürzt) „eGbR“ als
Rechtsformzusatz führen. Eine Vorgabe, an welcher Stelle des Gesellschaftsnamens der Zusatz aufzunehmen ist, enthält das Gesetz nicht.
Da mit der gesetzlichen Anordnung eine Information des Rechtsverkehrs über die Gesellschafts- und Haftungsverhältnisse bezweckt ist, kommt es nur darauf an, ob durch die Stellung des Zusatzes
diese Informations- und Aussagekraft beeinträchtigt wird.
Bei „…eGbR K2-Straße…“ trennen der Name (…) und die Ortsangabe (K2-Straße…) die Rechtsform, ohne dass Zweifel an dieser entstehen können.
Nach dem auch auf einen Prozessvergleich anwendbaren § 779 Abs. 1 BGB ist ein Vergleich unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt der
Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre. Voraussetzung ist ein Irrtum aller beteiligten Parteien.
Eine Anfechtung wegen Irrtums scheidet aus, wenn es sich lediglich um einen Motiv- oder Kalkulationsirrtum handelt, § 119 Abs. 1 BGB. Ist Grund der Anfechtung ein (angenommener oder wirklicher)
Fehler eines vom Gericht zu einem streitigen Punkt eingeholten Gutachten, so liegt lediglich ein unbeachtlicher Motivirrtum vor.
§ 123 Abs. 1 BGB greift bei einem fehlerhaften Gutachten nur, wenn nachgewiesen würde, dass der Sachverständige arglistig täuschte oder bewusst falsche Angaben machte und zudem die Gegenseite
nachweislich die arglistige Täuschung kannte oder hätte kennen müssen.
Soweit sich im Einzelfall ein Unterschied zwischen dem gem. §§ 218 ff BewG ermittelten Wert und dem gemeinen Wert ergibt, ist dies aufgrund der typisierenden und pauschalierenden Wertermittlung
des Bewertungsgesetzes, verbunden notwendigerweise mit Ungenauigkeiten, hinzunehmen. Verfassungsgemäß ist dies solange, wie ein Verstoß gegen das Übermaßverbot im Einzelfall durch
verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift oder durch eine Billigkeitsmaßnahmen abgewendet werden kann. Das Übermaßverbot greift, wenn der vom Finanzamt Nach §§ 218 ff BewG festgestellte Wert
um 40% oder mehr den niedrigeren gemeinen Wert übersteigt.
Dem Steuerpflichtigen ist bei verfassungskonformer Auslegung der Bewertungsvorschriften die Möglichkeit einzuräumen, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Wert
nachzuweisen.
Der Vollzug des Grundsteuerwertfeststellungsbescheides ist auszusetzen, wenn der Nachweis für einen niedrigeren gemeinen Wert möglich erscheint.
BFH, Beschluss vom 27.05.2024 - II B 78/23 (AdV) -
§ 4a GmbHG bestimmt, dass der Sitz der GmbH der Ort im Inland ist, der im Gesellschaftsvertrag bestimmt ist. Damit ist eine Sitzverlegung des Satzungssitzes ins Ausland ausgeschlossen. Ein
Beschluss zur Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland kann deshalb nicht im Handelsregister gewahrt werden.
Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20.03.2024 - 7 W 10/24 -
Die Annahme eines Getrenntlebens der Eheleute in der gemeinschaftlichen Wohnung (§ 1597 BGB) hat objektive und subjektive Voraussetzungen.
Objektive Voraussetzung: Es ist ein der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung herzustellen, was verlangt, dass die Eheleute innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt wohnen
und schlafen und so die Trennung nach außen sichtbar wird. Es darf der Haushalt nicht mehr gemeinschaftlich geführt werden, was gelegentliche und nicht regelmäßige Gefälligkeiten (keine
Intensität), also für ein eheliches Zusammenleben unwesentliche Leistungen, nicht ausschließt. Ebenso sprechen ein höflicher und freundschaftlicher, vernünftiger Umgang miteinander nicht gegen
das Getrenntleben; dies gilt insbesondere, wenn gemeinsame Kinder im Haushalt leben (was mithin gemeinsame Mahlzeiten mit diesen nicht ausschließt).
Subjektive Voraussetzung: Es ist eine Prognose erforderlich, dass die eheliche Gemeinschaft nicht wieder hergestellt werden soll, wobei ausreichend ist, wenn zumindest ein Ehegatte klar bekundet,
dass er nicht mehr bereit ist, die eheliche Gemeinschaft wieder herzustellen.
Der Zeitpunkt, zu dem die objektiven und subjektiven Voraussetzungen vorliegen, ist der Trennungszeitpunkt.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.03.2024 - 1 UF 160/23 -
Dem Träger der Straßenbaulast obliegt die Erhaltung der Verkehrssicherheit der Straßen; ein Verstoß dagegen kann einen Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung begründen (§ 839 Abs. 1
BGB iVm. Art 34 GG). Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf Straßenbäume.
Es ist ausreichend, wenn in regelmäßigen Zeitabständen die Straßenbäume auf ihre Standfestigkeit geprüft werden. Als gefährdet angesehene Bäume oder Teile von Bäumen sind zu beseitigen; kann dies
nicht zeitnah erfolgen, ist der entsprechende Straßenabschnitt einstweilen für den Verkehr zu sperren.
Bei (auch orkanartigen) Sturm ist eine Sperrung der Straße wegen der Gefahr des Umsturzes von (auch gesunden) Bäumen oder Astbruch nicht notwendig. Der Verkehrssicherungspflichtige muss nur
diejenigen Gefahren ausräumen bzw. vor ihnen warnen, die für den Benutzer bei erforderlicher Sorgfalt nicht rechtzeitig erkennbar sind oder auf die er sich nicht rechtzeitig einrichten kann, was
bei einem aufkommenden (orkanartigen) Sturm nicht der Fall ist.
OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 28.06.2023 - 11 U 170/22 -
Nach der Konzeption des § 2229 BGB gilt jedermann, der das 16. Lebensjahr vollendet habe, solange als testierfähig, bis das Gegenteil zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist.
Verbleiben nach der notwendigen Ermittlung zur Feststellung der für eine Entscheidung notwendigen Tatsachen (so auch im Rahmen eines Sachverständigengutachtens) Zweifel, gehen diese Zweifel zu
Lasten desjenigen, der sich auf eine fehlende Testierfähigkeit beruft.
Wird post-mortem eine Testierunfähigkeit aus einen zeitnah vor der Erstellung des Testaments angenommenen pathologischen Zustand gefolgert, können auch von einem Sachverständigen nicht
auszuräumende Unsicherheiten dazu führen, dass die notwendige volle Überzeugung vom Bestehen einer Testierunfähigkeit nicht gewonnen werden kann.
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24.04.2024 - 8 W 60/23 -
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die sich auf mehrere Häuser verteilt, können durch Vereinbarung gem. § 10 Abs. 1 S. 2 WEG weitgehend verselbständigte Untergemeinschaften je Haus gebildet
werden.
Individuelle Rechte des Erwerbers gegen den Bauträger können vom Erwerber solange selbst verfolgt werden, solange dadurch nicht schützenswerte gemeinschaftsbezogene Interessen der
Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers beeinträchtigt werden. Die GdWE ist aber von vornherein für die Geltendmachung und Durchsetzung solcher Rechte alleine zuständig,
die ihrer Natur nach gemeinschaftsbezogen sind und ein eigenständiges Vorgehen der einzelnen Wohnungseigentümer nicht zulassen würden (Minderungsrechte und kleiner Schadensersatz). Die GdWE kann
im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung des Gemeinschaftseigentums die auf ordnungsgemäße Herstellung desselben gerichteten Rechte durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen.
Das gilt auch bei bei Mehrhausanlagen gebildeten und weitestgehend verselbständigten Untergemeinschaften je Haus, und zwar auch dann, wenn die Mängel nur den einer Untergemeinschaft zugeordneten
Teil einer Anlage betreffen. Ansonsten wäre eine effektive Rechtsverfolgung beeinträchtigt.
Im selbständigen Beweisverfahren (§ 485 ZPO) ist ein Gegenantrag grundsätzlich statthaft, wenn er sich im Rahmen des dem Beweisantrag zugrundeliegenden Sachkomplex hält und vor Beendigung
des selbständigen Beweisverfahrens gestellt wird, soweit es nicht (trotz noch nicht abgeschlossenen Verfahren) ersichtlich durch den Gegenantrag zu einer Verzögerung kommt.
Der Gegenantrag ist (auch wenn er nach Vorstehendem zulässig wäre) zurückzuweisen, wenn er aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht durchführbar ist. Die ist z.B. der Fall, wenn der
Antragsteller und Berechtigte bei einer durch den Gegenantrag notwendigen Maßnahme (wie eine zerstörerische Untersuchung / Bauteilöffnung) eine Wohnung des Berechtigten betroffen ist, § 144
Abs. 1 S. 3 ZPO.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.04.2024 - 8 W 7/24 -
Ein Grund für die Annahme der Befangenheit eines Richters iSv. § 42 ZPO liegt vor, wenn dieser geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen; erforderlich
(aber auch ausreichend) ist dafür das Vorliegen eines Sachverhalts, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung und Würdigung aller Umstände berechtigten Anlass zu
Zweifeln an der Unvoreingenommenheit des Richters gibt.
Auch wenn nicht jede abgeschlossene geschäftliche oder berufliche Beziehung des Richters zu einem Prozessbeteiligten einen Befangenheitsgrund darstellt, rechtfertigt nach oben genannten
Grundsätzen ein früheres Anstellungsverhältnis des Richters in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten einer Partei die Annahme seiner Befangenheit, wenn dieses erst kurze Zeit (hier: weniger als
6 Monate) vor der Befassung des Richters mit dem Rechtsstreit beendet wurde. In diesem Fall kommt es auf ein zeitliches Überschneiden des Mandatsverhältnisses zu der Kanzlei mit der dortigen
Anwaltstätigkeit des Richters nicht an.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2024 - 1 W 32/23 -