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Die neuesten Entscheidungen auf "Rechtsprechung" ganz kurz


Rechtsbeschwerde gegen Berufung verwerfenden Beschluss wegen Nichterreichens der Beschwer

Setzt das Berufungsgericht den Beschwerdewert auf einen Betrag von bis zu € 600,00 fest und wird deshalb die Berufung als unzulässig verworfen, ist dagegen die Rechtsbeschwerde statthaft.

 

Zu prüfen wäre hier vom Berufungsgericht, ob das Erstgericht davon ausgegangen ist, dass die Beschwer über € 600,00 liegt und es von daher keiner gesonderten Zulassung nach § 511 Abs.2 Nr. 1 ZPO bedarf, weshalb in diesem Fall das Berufungsgericht die Entscheidung über die Zulassung nachholen muss. Das Rechtsbeschwerdegericht muss dies aber nicht prüfen, wenn ein Grund für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung iSv. § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO nicht vorliegt.

 

Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde richtet sich hier nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung). Dieser Zulassungsgrund ist in der Rechtsbeschwerde schlüssig darzulegen. Stellt die Rechtsbeschwerde (auch) auf die Höhe der Beschwer ab und nimmt eine solche von über € 600,00 an, so ist insoweit darzulegen, dass das Berufungsgericht sein Ermessen nach § 3 ZPO überschritten oder davon rechtsfehlerhaft Gebrauch gemacht hat. Fehlt es an entsprechenden Darlegungen, ist die Rechtsbeschwerde zwar statthaft, aber unzulässig.

 

 

BGH, Beschluss vom 12.09.2023 - VI ZB 72/22 -

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Einbahnstraße: Haftung bei Unfall zwischen rückwärts Einparkenden und aus einem Grundstück Ausfahrenden

Ein (unmittelbares) Rückwärtseinparken („Rangieren“) ist ebenso wie ein Rückwärtsfahren aus einem Grundstück auf die Straße kein unzulässiges Rückwärtsfahren auf Richtungsfahrbahnen gegen die Fahrtrichtung.

 

Ein Rückwärtsfahren in Einbahnstraßen ist aber unzulässig, wenn es erst dazu dient, zu einer freien oder freiwerdenden Parklücke zu gelangen; gleiches gilt auch dann, wenn das Rückwärtsfahren dazu dient, einem Fahrzeug die Ausfahrt aus einer Parklücke zu ermöglichen, um anschließend diese zu nutzen.

 

Zwar kann bei einem rückwärts aus einem Grundstück Fahrenden der erste Anschein dafür sprechen, dass ein Sorgfaltsverstoß gegen §§ 9 Abs. 5, 10 S. 1 StVO und mithin eine (Mit-) Verursachung des Unfalls vorliegt. Allerdings fehlt es an der erforderlichen Typizität für einen Anscheinsbeweis dann, wenn der Unfallgegner die Einbahnstraße unzulässig in entgegengesetzter Fahrtrichtung rückwärts befahren hat.

 

 

BGH, Urteil vom 10.10.2023 - VI ZR 287/22 -

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Räumungsklage: Beweislast bei ordentlicher Kündigung für eine Befristung des Mietverhältnisses

Ein nicht mietvertraglich befristetes Mietverhältnis kann vom Vermieter jederzeit ordentlich, d.h. mit der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden, sollte nicht eine andere Frist vereinbart sein. Der Mieter, der sich zur Abwehr der Kündigung und des darauf gestützten Räumungsverlangens auf eine Befristung des Mietverhältnisses beruft, muss diese Befristung darlegen und beweisen.

 

Liegen zwei Mitverträge gleichen Datums vor, wobei der die Befristung enthaltene Mietvertrag nur in Kopie vom Mieter vorgelegt wird, kann der Mieter den Beweis der Befristung nicht dadurch führen, dass er sich zum Bewies des vom Vermieter als Original vorgelegten, eine Befristung nicht enthaltenen Mietvertrages nicht erfolgreich auf eine Fälschung berufen. Einem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung der Fälschung muss das Gericht nicht nachgehen, da auch bei unterstellter Fälschung sich nicht ergeben würde, dass ein Mietvertrag mit einer Befristung existiert.   

 

Die Berufung des Klägers auf Zeugen, dass die Kopie einem Original entspricht, ist unbeachtlich, wenn die Zeugen nach seiner eigenen Angabe den Inhalt dieses Originals nicht gelesen haben.

 

 

OLG Dresden, Urteil vom 12.07.2023 - 5 U 255/23 -

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Zeugnisverweigerungsrecht: Zur Beschwerde, wenn dem nicht aus allen benannten Gründen stattgegeben wird

Zu unterscheiden ist bei dem Zeugnisverweigerungsrecht u.a. zwischen Angehörigen eines Zeugen, die Partei sind (Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) und solchen, die nicht Partei sind (Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO). Die Normen spiegeln unterschiedliche Konfliktlagen wieder.

 

Beruft sich ein Zeuge bei der Geltendmachung eines Zeugnisverweigerungsrechts sowohl auf § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als auch auf § 384 Nr. 2 ZPO, muss das damit befasste Gericht über beide Verfahrensgegenstände im Rahmen des Zwischenstreits durch Zwischenurteil entscheiden. Tenoriert das Erstgericht zwar, dass dem Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, lehnt es aber in den Entscheidungsgründen ein solche nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ab, ist der Zeuge diesbezüglich beschwert. Er kann in diesem Fall Beschwerde wie auch Anschlussbeschwerde (form und fristgerecht) einlegen. Legt er diese nicht ein, fällt der Weigerungsgrund des § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bei dem Beschwerdegericht (wenn eine Partei Beschwerde einlegt, der Zeuge aber weder Beschwerde noch Anschlussbeschwerde einlegt) nicht an und ist von diesem darüber nicht zu entscheiden.

 

Die Zeugnisverweigerung nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO greift weiter als jene nach § 384 Nr. 2 ZPO, da sie grundsätzlich für das gesamte Verfahren gilt, demgegenüber sich § 384 Abs.1 Nr. 2 ZPO nur auf die Beweisfrage bezieht.

 

 

BGH, Beschluss vom 20.07.2023 - IX ZB 7/22 -

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Informationspflicht zu Witterungsverhältnisse am Zielort durch Reiseveranstalter ?

Eine Information des Reiseveranstalters gegenüber dem Reisenden über übliche Witterungsverhältnisse am Zielort zu dem Buchungszeitraum ist nicht erforderlich. Der Reisende kann sich selbst via Internet (kostenfrei) über die dortigen Witterungsverhältnisse informieren.

 

Eine Beeinträchtigung der Sichtverhältnisse bei einer Rundfahrt (hier in Ecuador, Festland) infolge jahreszeitbedingten (Monsum-) Regens und Nebelbildung begründet keine Minderung des Reisepreises, wenn diese Witterungsverhältnisse örtlich und jahreszeitlich üblich sind und soweit deshalb nicht Programmpunkte entfallen müssen.

 

Eine Informationspflicht bei Buchung besteht für den Reiseveranstalter dann, wenn sich für den Reisezeitraum eine atypische, unvorhergesehene Wetterlage abzeichnet und auf die vereinbarte Reiseleistung auswirken kann (so die Durchführbarkeit geplanter Fahrten oder Wanderungen). Insoweit trifft den Reiseveranstalter eine eigene Erkundigungs- und Umweltbeobachtungspflicht.

 

 

OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.08.2023 - 16 U 54/23 -

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Rot der Fußgängerampel schützt nicht den aus Parkplatz Ausfahrenden

Derjenige, der aus einem Grundstück, einer Fußgängerzone oder einem verkehrsberuhigten Bereich auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat dabei eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. § 10 StVO (erhöhte Sorgfaltspflicht).

 

Der von einem Parkplatz auf die Straße Einfahrende wird auch dann nicht von seiner erhöhten Sorgfaltspflicht nach § 10 StVO entbunden, wenn sich auf der bevorrechtigten Straße eine Fußgängerampel befindet, deren Rotlicht den Verkehr sperrt. Die Fußgängerampel dient lediglich der Schutz des dortigen Fußgängerverkehrs, nicht aber (auch) zur Regelung der Verkehrsverhältnisse zur Einfahrt auf die Straße.

 

 

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 14.02.2023 - 7 U 63/22 -

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Rechtliches Gehör: Fehlende Auseinandersetzung mit eingeführten Privatgutachten

Legt eine Partei ein Privatgutachten vor und begründet unter Bezugnahme darauf, dass eine Brandursache eines Geschirrspülers anhand der vorhandenen Lichtbilder des Brandortes und von Zeugen bekundeten Erkenntnissen vor Ort ausreichend Indizien für die Brandursächlichkeit eines Produktfehlers bieten, stellt sich der Hinweis des Gerichts im klageabweisenden bzw. die Berufung zurückweisenden Urteil nicht als erforderliche Auseinandersetzung mit dem auf das Gutachten gestützten Vortrag der Partei dar und verletzt die Partei entscheidungserheblich in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG), die Geschirrspülmaschine sei zwischenzeitlich entsorgt und damit einer Begutachtung nicht zugänglich, weshalb sich die Brandursache nicht mehr feststellen ließe.  

 

Der Geschädigte muss nicht nachweisen, dass der Produktfehler auf eine von dem Hersteller zu verantwortende Verletzung der Sorgfaltspflicht zurückzuführen ist und auf welche Weise die (etwaige) Pflichtverletzung zur Fehlerentstehung geführt hat.

 

Der Beweis eines Produktfehlers wird nicht deshalb grundsätzlich ausgeschlossen, da der angeblich produktfehlerhafte Gegenstand nicht mehr vorhanden ist.

 

 

BGH, Beschluss 28.03.2023 - VI ZR 29/21 -

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Kaskoversicherung: Falsche Angaben zu Vorschäden und nicht dargelegte Vorschäden und ihre Reparatur

Eine arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus, wobei der Versicherungsnehmer vorsätzlich handeln muss, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Infolge des Verschweigens bekannter Vorschäden kann der Kaskoversicherer wegen Obliegenheitspflichtverletzung die versicherungsvertragliche Leistung verweigern, § 28 Abs. 3 S. 2 VVG.

 

Macht der Versicherungsnehmer einen fiktiven Schadensersatzanspruch auf Gutachtenbasis nach einem wirtschaftlichen Totalschaden in Form des (Netto-) Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes geltend, sind die Vorschäden nach Art und Umfang und eine mögliche Reparatur darzulegen und nachzuweisen. Erfolgt dies nicht, kann auch kein Mindestschaden nach § 287 ZPO geschätzt werden.

 

 

Hanseatische OLG Bremen, Hinweisbeschluss vom 14.06.2023 - 3 U 41/22 -

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Darlehensaufnahme unter fremden Namen und Rückzahlungsanspruch

1. Leitsatz BGH: Gemäß § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB sind gesetzliche Ansprüche nicht ausgeschlossen, wenn die Leistung in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies zwar nicht selbst erkannt hat, ihm aber in entsprechender Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis einer anderen Person von dieser irrigen Vorstellung des Unternehmers zuzurechnen ist.

 

2. Nimmt die Ehefrau unter dem Namen ihres Ehemanns ein Darlehen (unter Fälschung der Unterschrift) auf und ist diese bei den Eheleuten für die finanziellen Belange verantwortlich, wird die Kenntnis von dem Darlehen dem Ehemann zugerechnet. Es liegt kein Fall des § 241a Abs. 1 BGB vor, § 241a Abs. 2 BGB.

 

3. Der Ehemann kann von der das Darlehen auszahlenden Bank wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) auf Rückzahlung in Anspruch genommen werden, auch wenn er selbst den Darlehensbetrag nicht erhielt. Eine Entreicherung (§ 819 Abs. 1 BGB) kann von ihm nicht eingewandt werden, da er sich die Kenntnis (§ 818 Abs. 3 BGB) seiner Ehefrau von der Rückzahlungsverpflichtung wie im Fall des § 241a BGB zurechnen lassen muss. 

 

 

BGH, Urteil vom 26. September 2023 - XI ZR 98/22 -

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Ehrverletzende Äußerungen zwischen Wohnungseigentümern eine wohnungseigentumsrechtliche Angelegenheit ?

Eine ehrverletzende Äußerung zwischen Wohnungseigentümern ist nicht aufgrund ihrer gemeinschaftlichen Mitgliedschaft in einer Wohnungseigentümergemeinschaft eine wohnungseigentumsrechtliche Angelegenheit iSv. § 43 Nr. 1 WEG a.F. / § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG n.F.. Dies gilt auch dann, wenn die Äußerung im Zusammenhang mit einer Diskussion / einem Streit über Rechte und Pflichten aus dem Gemeinschaftsverhältnis erfolgt.

 

Etwas anderes gilt nur dann, wenn die ehrverletzende Äußerung im Rahmen einer Eigentümerversammlung der GdWE oder einer Beiratssitzung erfolgt. In diesem Fall ist die ehrverletzende Äußerung eine Angelegenheit nach § 43 Nr. 1 WEG a.F. / § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG n.F..

 

 

BGH, Urteil vom 22.09.2023 - V ZR 254/22 -

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Substanzschaden: Fiktiver Schadensersatzanspruch des Vermieters trotz Verkaufs

Nach Beendigung des Mitverhältnisses kann der Vermieter bei einem vom Mieter verursachten Substanzschaden Schadensersatz vom Mieter verlangen. Dies folgt aus der Obhutspflicht des Mieters nach § 538 BGB. Er kann Schadensersatz neben der Leistung nach seiner Wahl durch Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder durch Geldzahlung (§ 249 Abs. 2 BGB) verlangen.

 

Die fiktive Geltendmachung des Schadensersatzes, d.h. ohne dass eine Reparatur durchgeführt wird, ist ihm möglich. Dies gilt auch dann, wenn er vor der Geltendmachung des Schadensersatzes das Mietobjekt verkauft hat. Bei einem Verkauf ist der Vermieter nicht verpflichtet, einen Schaden in Höhe einer eventuellen Kaufpreisminderung infolge des Schadens zu verlangen bzw. auf einen solchen beschränkt.

 

 

LG Halle, Urteil vom 03.02.2023 - 1 S 91/21 -

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Fiktiver Schadensersatz des Vermieters trotz teilweiser Reparatur und Verkauf

Der Vermieter kann wegen unterlassener Schönheitsreparaturen und Rückbaukosten und sonstiger Schäden an der Mietsache vom Mieter anhand der voraussichtlich erforderlichen Kosten, aber (noch) nicht aufgewendeten (mithin fiktiven) Kosten seine Schadensersatzansprüche bemessen. Auch soweit der Vermieter Teile der Arbeiten, für die er Ersatz begehrt, bereits ausgeführt hat, kann er den gesamten Schaden ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen auf der Grundlage des von ihm eingeholten Kostenvoranschlags (und damit fiktiv) abrechnen.

 

Eine Überkompensation des Geschädigten wird dadurch ausgeschlossen, dass er nur die zur Erfüllung der Leistungspflicht erforderlichen Kosten beanspruchen kann. Auch ist zu beachten, dass der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung bildet.

 

Bei einem Substanzschaden an der Mietsache hindert eine Veräußerung des Mietobjekts den Vermieter nach Vertragsende nicht, seinen fiktiven Schadensersatzanspruch geltend zu machen, auch wenn er den Schaden nicht beseitigt noch beim Verkauf keinen geringeren Erlös erzielt.

 

Die abweichende Rechtsprechung des VII. Zivilsenats (zuständig für Werkvertragsrecht / Architektenrecht) ist nicht übertragbar auf andere Vertragstypen.

 

 

BGH, Urteil vom 19.04.2023 - VIII ZR 280/21 -

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Auffahrunfall durch Radfahrer und Haftungsabwägung

Bei einem Auffahrunfall eines Radfahrers auf einen Pkw haften grundsätzlich Halter, Fahrer und Haftpflichtversicherer des Pkw, §§ 7 17, 18 StVG (iVm. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG). Allerdings ist ein Mitverschulden des Radfahrers nach §§ 9 StVG, 254 BGB zu berücksichtigen. Die Haftungsabwägung hat nach den zu § 17 Abs. 1 StVG entwickelten Rechtsgrundsätzen zu erfolgen.  Diese Abwägung kann auch zum vollständigen Ausschluss einer Einstandsverpflichtung auf Seiten des Pkw führen.

 

Wird ein Pkw plötzlich stark abgebremst, da ein diesen überholender Fahrradfahrer (aus unbekannter Ursache) gegen die rechte vordere Seite des Pkw fährt und stürzt, ist das Abbremsen gerechtfertigt (§ 4Abs. 1 S. 2 StVO). Fährt in der Folge ein anderer Radfahrer, obwohl er bremst, auf den Pkw auf, so hat der Radfahrer entweder den nach § 4 Abs. 1 S. 1 StVO notwendigen Sicherheitsabstand nicht eingehalten oder war unaufmerksam. Dadurch verstieß dieser Radfahrer grob gegen Verkehrspflichten, was seine alleinige Haftung begründet.

 

 

OLG Schleswig, Urteil vom 27.04.2023 - 7 U 214/22 -

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Ungenehmigter Badewanneneinbau durch Mieter

Der Einbau einer Badewanne inklusive der Verlegung der Wasserleitungen sowie der Einbau eines Boilers stellen eine schuldhafte nicht unerhebliche Verletzung der vertraglichen Pflichten des Mieters dar, § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, insbesondere dann, wenn im Mietvertrag bestimmt ist, dass bauliche Veränderungen wie Um- und Einbauten sowie die Änderung der Installation der vorherigen Erlaubnis des Vermieters bedürfen.

 

Unter gewissen Umständen kann der Mieter zwar einen Anspruch auf Genehmigung von Veränderungen auf eigene Kosten haben, wenn diese zur Anpassung der Wohnung oder ihrer Einrichtungen z.B. an den technischen Fortschritt dienen. In der Regel sind aber Eingriffe in die Substanz, insbesondere bauliche Veränderungen der Mieträume, dem Mieter nicht gestattet.

 

Die benannten Maßnahmen begründen nach der Lebenserfahrung die Gefahr der Durchfeuchtung der Bausubstanz geschaffen, was selbst bei Einschaltung einer Fachfirma nicht ganz ausgeschlossen ist. Damit besteht auch kein Duldungsanspruch, der der Kündigung und damit der Räumungsklage entgegen stehen könnte.

 

 

AG Kreuzberg, Urteil vom 15.03.2022  - 13 C 285/18 -

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Videoverhandlung: Präsenter Beteiligter sieht Video und Richterbank nicht zeitgleich (Art. 103 GG)

Das Gericht kann den Beteiligten auf Antrag die Teilnahme in Form der „Videoübertragungstechnik“ erlauben, die „ohne Verlust an rechtsstaatlicher Qualität“ genutzt werden darf (BT-Drucks. 17/112, S. 10). 

 

Rechtliches Gehör wird u.a. durch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gewährt; Art. 103 Abs. 1 GG setze voraus, dass sich die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt über den gesamten Verfahrensstoff informieren können.

 

Wird einem Beteiligten erlaubt, mittels Videokonferenz an der Verhandlung teilzunehmen, § 91a Abs. 1 S. 1 FGO, muss das Geschehen vollständig übermittelt werden (darf sich also nicht auf einzelne Beteiligte beschränken) und jeder Beteiligte muss zeitgleich die anderen Beteiligten visuell und akustisch wahrnehmen können. Daran ermangelt es, wenn ein anwesender Beteiligter einen zugeschalteten Beteiligten nur sehen kann, wenn er sich selbst um 180° wendet.

 

Eine darauf beruhende Entscheidung ist aufzuheben, wenn das Rügerecht besteht, § 295 Abs. 1 ZPO iVm. § 155 S. 1 FGO. Ein Verzicht auf das Rügerecht liegt in einem Fall wie hier nicht vor, wenn die Partei nicht rechtskundig vertreten war.

 

 

BFH, Beschluss vom 18.08.2023 - IX B 104/22 -

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