Steuerrecht - Einkommensteuer


Keine Besteuerung des Arbeitszimmers bei ansonsten steuerfreier Veräußerung der Eigentumswohnung

BFH, Urteil vom 01.03.2021 - IX R 27/19 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Klägerin war Eigentümerin einer mit notariellen Vertrag vom 29.66.2012 erworbenen und selbst bewohnten Eigentumswohnung, und veräußerte diese mit notariellen Vertrag vom 11.07.2017. Unstreitig war, dass im Hinblick auf die Haltedauer an sich der Veräußerungsgewinn nicht steuerpflichtig war. Allerdings unterhielt die Klägerin in der Wohnung ein (steuerlich von der Finanzverwaltung in den Vorjahren auch mit dem Höchstbetrag von € 1.250,00 anerkanntes) Arbeitszimmer, welches ca. 10% der Grundfläche der Wohnung ausmachte. Im Hinblick hierauf berechnete das Finanzamt einen von der Klägerin aus dem Veräußerungsgeschäft zu versteuernden Gewinn. Nachdem der dagegen durch die Klägerin eingelegte Einspruch vom Finanzamt (FA) zurückgewiesen wurde, erhob die Klägerin Klage, dem das Finanzgericht stattgab. Die Revision des FA wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) zurückgewiesen.

 

Die Streitfrage betraf § 22 Nr. 2 iVm. § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EstG, ob ein Gewinn aus der Veräußerung der Eigentumswohnung in Bezug auf den Bereich des Arbeitszimmers steuerlich zu berücksichtigen ist. Das FA berief sich auf das BMF-Schreiben vom 05.10.2000 (BStBl. I 2000, 1382 Rn. 21). Dass sich dem Rechtsstreit auf Seiten des FA anschließende Bundesministerium der Finanzen (BMF) verwies darauf, dass der als häusliches Arbeitszimmer genutzte Teil der Wohnung bei Veräußerung der selbst bewohnten Eigentumswohnung nicht den eigenen Wohnzwecken nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EstG zuzuordnen sei und damit hier auch nicht von der Besteuerung des darauf entfallenden Veräußerungsgewinns ausgenommen sei.

 

Zu den Einkünften nach § 22 Nr. 2 EStG zählen auch private Veräußerungsgeschäfte iSv. § 23 EstG. Eine Rückausnahme bilden Veräußerungsgeschäfte über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte wie z.B. Erbbaurechte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt oder (i) die im Zeitraum zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder (ii) im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Kalenderjahren zu eigenen Wohnzwecken geeignet war und genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 S.1 1 Nr. 1 S. 3 EstG).

 

Vom BFH wurde darauf hingewiesen, dass seien Rechtsprechung zum Begriff der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in einer dem Dualismus der Einkunftsarten wieder Geltung verschaffenden Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG wieder Geltung verschaffenden Ausnahmeregelung (BT-Drucks. 14/265, S. 181) sehr weit gefasst werde. Danach sei ausreichend, wenn der Steuerpflichtige das Gebäude zumindest auch selbst nutze, weshalb eine gemeinsame Nutzung mit Familienangehörigen oder einem Dritten nutze. Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ liege aber dann nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlasse, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. Aber auch ein zeitweiliges Bewohnen würde zu „eigenen Wohnzwecken“ erfolgen, wenn zwar der Steuerpflichtige die Wohnung nur zeitweise bewohne, sie ihm aber in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung stünde (z.B. Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt würden); sei deren Nutzung auf Dauer angelegt, käme es darauf an, on der Steuerpflichtige noch eine oder mehrere Wohnung(en) habe und wie oft er sich darin aufhalte (BFH, Urteil vom 27.06.2017 - IX R 37/16 -).   

 

Nach diesen Grundsätzen läge eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch dann vor, wenn sich in der im Übrigen selbst bewohnten Eigentumswohnung ein häusliches Arbeitszimmer befände (anders als im BMF-Schreiben aaO. ausgeführt). Weder der Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG noch die Gesetzesbegründung gäben Anhaltspunkte dafür, bei Vorliegen eines häuslichen Arbeitszimmers dieses von der Begünstigung ausnehmen zu wollen.

 

„Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ sei eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit und die Eigengestaltung der Haushaltsführung und es häuslichen Wirkungskreises gekennzeichneter Lebenssachverhalt, die in gewisser Weise auch mit der Betätigung in einem häuslichen Arbeitszimmer verknüpft seien. Eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmers sei zudem nicht überprüfbar und deshalb nicht vollständig auszuschließen, weshalb ein häusliches Arbeitszimmer bereits angenommen würde, wenn dieses nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke (und unter 10% für Wohnzwecke) genutzt würde.  

 

 

Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/23, S. 180 und BT-Drucks. 12/265, S. 181 „soweit“) auch berücksichtigt, dass sich die Befreiung nicht auf die gesamte Wohnung beziehen müsse, wenn z.B. eine Fremdvermietung eines Zimmers in der Wohnung erfolge. Hätte er auch das häusliche Arbeitszimmer von der Befreiung ausnehmen wollen, hätte es nahegelegen, dies auch mit aufzunehmen. Zudem habe der Gesetzgeber die Besteuerung im Falle der Aufgabe des Wohnsitzes (z.B. wegen Arbeitsplatzwechsels) für nicht gerechtfertigt angesehen (BT-Drucks. 14/23, S. 180), was dann auch für das häusliche Arbeitszimmer gelten müsse, was im Falle des Wohnsitzwechsels in dieser Wohnung wegfalle.

 

Aus den Gründen:

 

 Tenor

 

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 23.07.2019 - 5 K 338/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

Tatbestand

 

I.

 

Streitig ist, ob ein Gewinn aus der Veräußerung einer Eigentumswohnung als sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr (2017) geltenden Fassung (EStG) zu berücksichtigen ist, soweit er auf den Bereich des häuslichen Arbeitszimmers entfällt.

 

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielte im Streitjahr als Lehrerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; bei der Ermittlung dieser Einkünfte machte sie --wie auch in früheren Veranlagungszeiträumen-- Aufwendungen für ein in ihrer Eigentumswohnung liegendes häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend, die von dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) jeweils mit dem Höchstbetrag in Höhe von 1.250 € anerkannt worden sind. Die Klägerin hatte die Eigentumswohnung mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 29.06.2012 erworben und sodann mit Vertrag vom 11.07.2017 veräußert.

 

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin einen aus dieser Veräußerung resultierenden, anteilig auf die Grundfläche des häuslichen Arbeitszimmers entfallenden Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.918 €. Das FA folgte der Berechnung im Wesentlichen und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 15.10.2018 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.941 €.

 

Der Einspruch der Klägerin wurde als unbegründet zurückgewiesen.

 

Der Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 46 veröffentlichten Urteil statt und setzte die Einkünfte aus der Veräußerung der Eigentumswohnung mit 0 € an. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Veräußerungsgewinn sei zwar grundsätzlich gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerpflichtig, da die Klägerin das Objekt innerhalb des Zehnjahreszeitraums veräußert habe. Der Veräußerungsgewinn sei aber nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen, auch soweit er auf das häusliche Arbeitszimmer innerhalb der selbst genutzten Wohnung entfalle. Für die Ausnahme von der Besteuerung sei es nicht schädlich, wenn die Klägerin ihre Eigentumswohnung vor der Veräußerung mit einem unwesentlichen Teil (ca. 10 % der Wohnfläche) zu ausschließlich beruflichen Zwecken als häusliches Arbeitszimmer genutzt habe. Die Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § 23 Abs. 1 EStG stelle darauf ab, dass ein einzeln veräußerbares "Wirtschaftsgut" veräußert werde. Nur die Eigentumswohnung als solche, nicht hingegen das häusliche Arbeitszimmer erfülle den Begriff des Wirtschaftsguts, da das Arbeitszimmer nicht losgelöst von der Eigentumswohnung veräußerbar sei.

 

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 EStG). Es trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, der Besteuerungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sei erfüllt, da die Veräußerung der Eigentumswohnung auch das häusliche Arbeitszimmer umfasst habe. Das häusliche Arbeitszimmer sei nahezu ausschließlich beruflich und nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden. Die vom FG angeführte Voraussetzung, dass es sich bei dem häuslichen Arbeitszimmer um ein eigenständiges Wirtschaftsgut handeln oder man ein solches durch eine Teilung herstellen können müsse, um eine Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vorzunehmen, sei weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung erkennbar. Folge man dem FG, wäre bei dem veräußerten Gesamtwirtschaftsgut "Wohnung", das nicht in selbständige Wirtschaftsgüter aufteilbar sei, die Veräußerung insgesamt deshalb zu versteuern, weil das in Rede stehende Gesamtwirtschaftsgut "Wohnung" nicht im Ganzen zu Wohnzwecken genutzt werde.

 

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG aus der Veräußerung des Objekts Y-Straße in Z mit 10.941 € anzusetzen.

 

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Sie schließt sich der Auffassung des FG an.

 

Das dem Rechtsstreit beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat keinen Antrag gestellt. Es unterstützt das Begehren des FA und führt im Wesentlichen aus, ein für die Arbeitnehmertätigkeit als häusliches Arbeitszimmer genutzter Gebäudeteil sei --unabhängig von der Qualifizierung als einzeln veräußerbares Wirtschaftsgut-- bei der Veräußerung der selbst bewohnten Eigentumswohnung nicht den eigenen Wohnzwecken nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zuzuordnen und damit auch nicht von der Besteuerung ausgenommen. Die Veräußerung des Gebäudeteils "häusliches Arbeitszimmer" erfülle daher den Veräußerungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.

 

Entscheidungsgründe

 

II.

 

Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das --für die Erzielung von Überschusseinkünften genutzte-- häusliche Arbeitszimmer der Klägerin nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen ist.

 

1. Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Die Freistellung bewirkt eine Rückausnahme von der ausnahmsweisen, den Grundsatz der im Dualismus der Einkunftsarten verankerten Nichtsteuerbarkeit von Wertveränderungen privater Wirtschaftsgüter durchbrechenden Steuerbarkeit privater Veräußerungsgeschäfte (vgl. dazu Blümich/Ratschow, § 23 EStG Rz 10; BeckOK EStG/Trossen, 9. Ed. [01.01.2021], EStG § 23 Rz 6).

 

a) Das Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" setzt in beiden Alternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen bewohnt wird.

 

aa) Die Senatsrechtsprechung hat den Begriff der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in der dem Dualismus der Einkunftsarten wieder Geltung verschaffenden Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG --entsprechend deren Zweck, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes zu vermeiden (BTDrucks 14/265, S. 181)-- stets sehr weit gefasst (Senatsurteil vom 18.01.2006 - IX R 18/03, BFH/NV 2006, 936, unter II.1.b, Rz 11) und eigenständig ausgelegt. Ausreichend ist, dass der Steuerpflichtige das Gebäude zumindest auch selbst nutzt; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 2006, 936, unter II.1.a, Rz 10; vom 25.05.2011 - IX R 48/10, BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868, unter II.1.a, Rz 12; vom 27.06.2017 - IX R 37/16, BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, unter II.1.a, Rz 12; vom 21.05.2019 - IX R 6/18, BFH/NV 2019, 1227, unter II.1.a, Rz 16; vom 03.09.2019 - IX R 8/18, BFHE 266, 173, BStBl II 2020, 122, unter II.3.a, Rz 22; vom 03.09.2019 - IX R 10/19, BFHE 266, 507, BStBl II 2020, 310, unter II.1.a, Rz 10; vgl. auch BMF-Schreiben vom 05.10.2000, BStBl I 2000, 1383, Rz 22). Eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" liegt hingegen nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen (Senatsurteil in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, unter II.1.a, Rz 12, m.w.N.).

 

bb) Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden (Senatsurteil in BFHE 266, 173, BStBl II 2020, 122, unter II.3.a, Rz 22, m.w.N.). Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält (Senatsurteil in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, unter II.1.b, Rz 13).

 

b) Nach diesen Grundsätzen liegt eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch hinsichtlich eines in der --im Übrigen selbst bewohnten-- Eigentumswohnung befindlichen häuslichen Arbeitszimmers vor (a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1383, Rz 21; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 23 EStG Rz 130 "Häusliches Arbeitszimmer"; Schmidt/Weber-Grellet, 39. Aufl., § 23 Rz 18).

 

Weder der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG noch die Gesetzesbegründung und der Gesetzeszweck bieten einen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber ein häusliches Arbeitszimmer von der Begünstigung ausnehmen wollte.

 

aa) Das Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" umschreibt --nach seinem Grundverständnis-- einen durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gekennzeichneten Lebenssachverhalt (vgl. Senatsbeschluss vom 28.05.2002 - IX B 208/01, BFH/NV 2002, 1284, unter II.2.a, Rz 13). Diese Eigenschaften sind in gewisser Weise auch mit der Betätigung in einem häuslichen Arbeitszimmer verknüpft und sprechen deshalb dafür, dass dieses --zumindest zeitweise-- zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmers ist nicht überprüfbar und daher nicht vollständig auszuschließen. Entsprechend versteht die Rechtsprechung den Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers dahin, dass ein solches bereits dann vorliegt, wenn der jeweilige Raum nahezu ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt wird (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.07.2015 - GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265). Für ein in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebundenes Arbeitszimmer verbleibt somit schon nach dem Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers regelmäßig eine jedenfalls geringfügige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. Auch bei einer nahezu ausschließlichen Nutzung des in die häusliche Sphäre eingebundenen Arbeitszimmers für betriebliche/berufliche Tätigkeiten kann daher unterstellt werden, dass es im Übrigen --also zu weniger als 10 %-- zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Der Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers zu eigenen Wohnzwecken ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich; denn § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG enthält in Bezug auf dieses Merkmal keine Bagatellgrenze. Dem entsprechend genügt bereits eine geringe Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, um (typisierend) davon auszugehen, dass ein häusliches Arbeitszimmer stets auch zu eigenen Wohnzwecken im Sinne der Norm genutzt wird.

 

Aus dem in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 1. Alternative EStG normierten Kriterium der Ausschließlichkeit folgt nichts anderes; denn dieses Merkmal bezieht sich nur auf die zeitliche, nicht auf die räumliche Nutzung des Wirtschaftsguts --hier Wohnung einschließlich Arbeitszimmer-- (ebenso Blümich/Ratschow, § 23 EStG Rz 55; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rz B 53). Aus dem systematischen Vergleich von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 1. Alternative EStG mit der 2. Alternative des Satzes 3, die eine Ausschließlichkeit gerade nicht vorsieht, folgt, dass die Ausschließlichkeit einen Gesamtnutzungszeitraum abdecken soll, der kürzer oder länger als in der 2. Alternative sein kann. In der 2. Alternative ist der Zeitraum hingegen genau bestimmt, so dass das Wort "ausschließlich" entbehrlich war.

 

bb) In der Gesetzesbegründung wird lediglich auf die Selbstnutzung und deren Aufgabe (z.B. wegen Arbeitsplatzwechsels) Bezug genommen (BTDrucks 14/23, S. 180 und 14/265, S. 181). Den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 14/23, S. 180 und 14/265, S. 181: "soweit") lässt sich zudem entnehmen, dass sich --etwa im Falle der Fremdvermietung eines Zimmers in der Wohnung-- die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken für die Gewährung der anteiligen Steuerbefreiung nicht auf das gesamte Objekt erstrecken muss. Wenn der Gesetzgeber ein häusliches Arbeitszimmer unter diesen Prämissen von der Begünstigung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG hätte ausnehmen wollen, hätte es nahegelegen, dies ausdrücklich zu regeln.

 

 

cc) Bestätigung findet diese Auslegung im bereits angeführten Gesetzeszweck des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Wenn der Gesetzgeber die Besteuerung im Fall einer Aufgabe des Wohnsitzes (z.B. wegen eines Arbeitsplatzwechsels) für nicht gerechtfertigt hält (BTDrucks 14/23, S. 180), trifft diese Erwägung auf das häusliche Arbeitszimmer als Teil des im Zuge des Wohnsitzwechsels veräußerten Wohneigentums gleichermaßen zu. Auch insofern liegen eigene Wohnzwecke vor, die allein von fremden Wohnzwecken (wie der Fremdvermietung eines Zimmers in der Wohnung) abzugrenzen sind.

 

dd) Kein anderes Ergebnis folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (dortiger Beschluss vom 06.07.2010 - 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318) und des Großen Senats des BFH zum häuslichen Arbeitszimmer (mit seinem Beschluss in BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265). Diese ist zu dem im Streitfall nicht gegenständlichen Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug (§ 9 Abs. 5 Satz 1 EStG, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) ergangen und trifft daher keine Aussagen zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken " auf der Ebene der Steuerbarkeit von Objekten im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.

 

2. Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin die in Rede stehende Eigentumswohnung insgesamt --einschließlich des häuslichen Arbeitszimmers-- zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG genutzt.

 

a) Das FG hat zunächst zu Recht entschieden, dass im Streitfall die Tatbestandsmerkmale eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erfüllt sind, da die Klägerin ihre Eigentumswohnung innerhalb des Zehnjahreszeitraums angeschafft und wieder veräußert hat. Dabei kann offenbleiben, ob das getätigte Veräußerungsgeschäft bei Eigentumswohnungen (§§ 1 ff. des Wohnungseigentumsgesetzes) unter Alternative 1 (Grundstücke; in diese Richtung Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 14.01.1988 - Breg 2 Z 160/87, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1988, 592, betreffend das bayerische Unschädlichkeitszeugnisgesetz: "unterliegt ... grundsätzlich den auf Grundstücke anzuwendenden Vorschriften") oder Alternative 2 (grundstücksgleiches Recht; so HHR/Musil, § 23 EStG Rz 89 "Wohnungseigentum und Teileigentum") des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG fällt, da die Rechtsfolge in beiden Fällen identisch ist.

 

b) Im Ergebnis zutreffend hat das FG auch die Nichtsteuerbarkeit des Veräußerungsgeschäfts gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG bejaht. Denn die Klägerin hat die Eigentumswohnung einschließlich des Arbeitszimmers im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nach den dargestellten Grundsätzen ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Damit gelangt die Freistellungsregelung zur Anwendung. Anders als das FG meint, bedarf es vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung, ob das häusliche Arbeitszimmer ein Wirtschaftsgut i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist.

 

 

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.