Steuerrecht


Bindungswirkung der vom unzuständigen Finanzamt erteilten verbindlichen Auskunft

FG Münster, Urteil vom 17.06.2019 - 4 K 3539/16 F -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Klägerin war Kommanditistin der Beigeladenen (einer GmbH & Co. KG). Nachdem die Beigeladene hatte nach Veräußerung eines Grundstücks eine Rücklage nach § 6b EStG gebildet. Da die Beigeladene über kein Ersatzwirtschaftsgut verfügte, plante die Klägerin im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft den Bau von Tiefgaragenplätzen und wollte zum Zwecke der Übertragung der Rücklage die Fristverlängerung auf sechs Jahre gem. § 6b Abs. 3 S. 3 EStG in Anspruch nehmen. Sie stellte deshalb im Juni 2008 bei dem für sie betreffend der einheitlichen und gesonderten Feststellung zuständige Finanzamt (FA) S. einen Antrag auf verbindliche Auskunft unter Darlegung der Umstände. Das FA S. erteilte unter Bezugnahme auf die Darstellung der Klägerin die gebührenpflichtige verbindliche Auskunft, dass die Rücklage, soweit sie auf die Klägerin entfällt, in deren Gesamthandsvermögen übertragen werden könne. Auch die vorgesehene buchhalterische Abwicklung entspräche den Richtlinien. Sofern die „formalen Voraussetzungen des § 6b Abs. 4 EStG eingehalten werden, werde die Übertragung anerkannt“. Die Beigeladene löste die Rücklage auf und buchte den auf die Klägerin entfallenden Betrag ertragsneutral unter Zuschreibung zum Gesellschafterdarlehen aus und führte die Rücklage in ihren Bilanzen fort.

 

Im Rahmen einer bei der Beigeladenen durchgeführten steuerlichen Außenprüfung wurde die steuerneutrale Übertragung der anteiligen Rücklage nicht anerkannt. Die Auskunft des örtlich unzuständigen FA S. entfalte keine Bindungswirkung, da die Umstellung des Wirtschaftsjahres bei der Beigeladenen nicht mitgeteilt worden sei und das zuständige FA, der Beklagte des Verfahrens, nicht beteiligt worden sei. Der Auflösungsbetrag sei daher steuerpflichtiger Gewinn der Klägerin. Der Beklagte daher seinen unter Nachprüfungsvorbehalt stehenden Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen den Gewinn der Beigeladenen hinsichtlich des Gewinnanteils der Klägerin, indem es die Rücklage nach § 6b EStG auch für die Klägerin zinswirksam auflöste. Der Einspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen. Hiergegen erhob die Klägerin Klage.

 

Das Finanzgericht (FG) stellte zunächst die Zulässigkeit der Klage fest und machte sodann Ausführungen zu einer Rücklage nach § 6b EStG. Im Hinblick auf den Zeitraum sei zwar die Rücklage, wenn sie am Schluss des vierten bzw. sechsten Jahres nach ihrer Bildung noch vorhanden sei, grundsätzlich gewinnerhöhend aufzulösen. Hier hätten die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Reinvestitionsfrist von vier auf sechs Jahre (bei der Klägerin) vorgelegen. Einzig kontrovers sei, ob die Rücklage bei der Beigeladenen gewinnneutral hätte aufgelöst werden und auf die Klägerin als Mitunternehmerin übertragen werden dürfen, bevor die Herstellung des Reinvestitionsgutes abgeschlossen war  und ohne auf Seiten der Beigeladenen eine Ergänzungsbilanz für die Klägerin zu bilden. Dies ergäbe sich, unbeschadet der materiell-rechtlichen Richtigkeit (BFH, Urteil vom 22.11.2018 - VI R 50/16 -) aus der verbindlichen Auskunft des FA S.

 

§ 89 Abs. 2 S. 1 AO sehe vor, dass Finanzämter auf Antrag verbindliche Auskünfte über eine steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn in Ansehung der steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse bestünde. Diese Auskünfte seien für die Besteuerung des Antragstellers verbindliche (§ 2 Abs. 1 S. 1 StAuskV) Verwaltungsakte, die nach § 133 BGB zu beurteilen seien. Sie würden mit Bekanntgabe wirksam, §§ 124 Abs. 1 S. 1 AO iVm. 122 AO) und eine Rechtswidrigkeit sei grundsätzlich ohne Bedeutung. Nur eine Nichtigkeit käme in Betracht (§§ 124 Abs. 3, 125 Abs. 1 AO), der einen besonders schwerwiegenden Fehler voraussetze und offenkundig sein müsse (BFH, Urteil vom 12.08.2015 - I R 45/14 -). Eine verbindliche Auskunft durch das FA S. in diesem Sinne sei zu bejahen.

 

Die Nichtangabe des Wirtschaftsjahres bei der Beigeladenen sei ohne Bedeutung, da lediglich die Verlängerung der Reinvestitionsfrist von vier auf sechs Jahre entscheidend gewesen sei, bei der hier datumsmäßig die Umstellung des Wirtschaftsjahres ohne Belang gewesen sei.

 

§ 2 Abs. 1 S. 1 StAuskV entfalte auch Bindungswirkung für die Klägerin in personeller Hinsicht. Es könne dahinstehen ob in Fällen eines mehrstufigen Feststellungsverfahrens der Antrag von der Beigeladenen als auch der Klägerin zu stellen gewesen sei (§§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 3 StAuskV, § 178 Abs. 2 S. 2 AO), wobei das FG von einer alleinigen Antragsbefugnis der Klägerin in Ansehung einer mitunternehmerbezogenen Sichtweise des § 6b EStG ausgeht, da die formelle Rechtmäßigkeit nicht die Bindungswirkung bzw. Wirksamkeit ausschließen würde (BFH, Urteil vom 12.08.2015 - I R 45/14 -).

 

Selbst wenn (was nicht unzweifelhaft sei) das FA S. örtlich nicht zuständig gewesen sein sollte, würde dies die Bindungswirkung nicht betreffen. Die Bindungswirkung würde nur im Falle der Nichtigkeit entfallen. Soweit in § 2 Abs. 1 S. 1 StAuskV und dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 89 ausdrücklich ausgeführt wird, dass Auskünfte unzuständiger Behörden keine Bindungswirkung entfalten würden, würde es schon in Ansehung von Art 80 Abs. 1 GG an einer tragfähigen Ermächtigungsgrundlage ermangeln. Es handele sich um einen solch fundamentalen Eingriff in die gesetzliche Regelung betreffend der Wirksamkeit von Verwaltungsakten, dass diese entweder im Gesetz selbst (§ 89 Abs. 2 AO) oder deutlich in die Ermächtigungsgrundlage hätte aufgenommen werden müssen. Auch würde die Bindungswirkung nicht deshalb entfallen, da das FA S. und nicht die Beklagte die verbindliche Auskunft erteilt habe; auch bei Steuerbescheiden, die von einer unzuständigen Behörde erlassen worden seien, könne eine Durchbrechung ihrer Bestandskraft nur bei Vorliegen entsprechender Rechtsgrundlagen erfolgen. Maßgebend sei alleine, dass sich die Verwaltungsakte auf sämtliche Steuerfestsetzungen beziehen würden. Dem entspräche auch § 2 Abs. 1 S. 1 StAuskV, da dort von der Bindung „für die Besteuerung des Antragstellers gesprochen würde.

 

 

Auch sei die verbindliche Auskunft nicht wieder aufgehoben worden. Auch eine konkludente Aufhebung sei nicht erfolgt, da das Verhalten der Betriebsprüfung dahin gegangen sei, dass die Auskunft von vornherein keine Wirksamkeit entfalte. 

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2008 vom 07.08.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.10.2016 wird dahingehend geändert, dass der auf die Klägerin entfallende Gewinn um die Auflösung der Rücklage nach § 6b EStG in Höhe von 76.073,63 EUR sowie die deswegen angesetzten Zinsen in Höhe von 19.872,91 EUR vermindert wird.

 

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig voll-streckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

 

Tatbestand

 

Streitig ist die erfolgswirksame Auflösung einer Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Wirtschaftsjahr 2007/2008 sowie die Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft.

 

Die Klägerin – eine GmbH & Co KG mit Sitz in U und mit abweichendem Wirtschaftsjahr (Abschlussstichtag 30.09.) – ist mit einer Beteiligung von im Streitzeitraum 5,799% Kommanditistin der Beigeladenen, die ihr Wirtschaftsjahr, das zunächst ebenfalls zum 30.09. endete, per Gesellschafterbeschluss aus April 2008 zum 31.12.2008 auf das Kalenderjahr umstellte (Rumpfwirtschaftsjahr vom 01.10.2008 bis zum 31.12.2008).

 

Die Beigeladene hatte im Anschluss an die gewinnbringende Veräußerung eines Grundstücks zum Ende des Wirtschaftsjahres 2003/2004 eine Rücklage nach § 6b EStG gebildet. Während die Beigeladene selbst über kein Ersatzwirtschaftsgut verfügte, auf das die Rücklage übertragen werden konnte, plante die Klägerin im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft im Jahr 2008 den Bau von Tiefgaragenstellplätzen und beabsichtigte, zum Zwecke der Übertragung der Rücklage die Fristverlängerung auf sechs Jahre nach § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG in Anspruch zu nehmen.

 

In diesem Zusammenhang stellte die Klägerin im Juni 2008 einen Antrag auf verbindliche Auskunft bei dem für sie betreffende einheitliche und gesonderte Feststellungen zuständigen Finanzamt S. Die Klägerin legte dar, dass bei der Beigeladenen jene Rücklage nach § 6b EStG aufzulösen sei, weil bei dieser – der Beigeladenen – kein Ersatzwirtschaftsgut vorhanden sei. Sie selbst – die Klägerin – plane aber, noch vor dem 30.09.2008 einen entsprechenden Bauantrag für eine Immobilie zu stellen; die Bauzeit werde weniger als zwei Jahre betragen. Der Auflösungsbetrag aus der Rücklage bei der Beigeladenen solle in der Bilanz der Klägerin fortgeführt und dann nach Fertigstellung auf die neue Immobilie übertragen werden. Weiter heißt es: „Wir [die Klägerin] möchten nun das Finanzamt darum bitten zu bestätigen, dass der anteilige § 6b Auflösungsbetrag bei der [Beigeladenen] im Betriebsvermögen der [Klägerin] noch zwei Jahre als Rücklage weitergeführt werden kann, […].“ Die Übertragung der Rücklage solle wie folgt abgewickelt werden. Aufseiten der Beigeladenen solle eine erfolgsneutrale Auflösung durch Buchung über das Gesellschafterverrechnungskonto erfolgen. Bei der Klägerin werde der Betrag spiegelbildlich erfolgsneutral auf das Rücklagekonto gebucht. Eine Ergänzungsbilanz bei der Beigeladenen sei nach ihrer – der Klägerin – Auffassung nicht erforderlich. Das leite sie aus R 6b.2 Abs. 6 Satz 2 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) ab. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Auskunftsantrag vom 11. Juni 2008 verwiesen (Bl. 8 f. der Gerichtsakte).

 

Das Finanzamt S erteilte hierauf – unter Bezugnahme auf die Sachverhaltsdarstellung der Klägerin – eine (gebührenpflichtige) verbindliche Auskunft des Inhalts, dass „die bei der [Beigeladenen] gebildete Rücklage nach § 6b EStG [kann], soweit sie auf den Mitunternehmer [die Klägerin] entfällt, auf begünstigte Anschaffungen der [Klägerin] in deren Gesamthandsvermögen übertragen werden“ kann. Auch die beabsichtigte buchhalterische Abwicklung entspreche den Erfordernissen von R 6b.2 Abs. 7 EStR. „Sofern die formalen Voraussetzungen des § 6b Abs. 4 EStG eingehalten werden, werde die Übertragung anerkannt.“ Wegen der Einzelheiten wird auf die Auskunft vom 11.07.2008 verwiesen (Bl. 10 f. der Gerichtsakte).

 

Am 29.09.2008 wurde der die Errichtung der Tiefgarage umfassende Bauantrag gestellt.

 

Die Beigeladene löste – mangels Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsgutes – die bei ihr gebildete Rücklage in der Bilanz zum Stichtag 30.09.2008 auf. Den auf die Klägerin entfallenden Betrag von 76.073,63 € (5,799 %), buchte die Beigeladene erfolgsneutral unter Zuschreibung zum Gesellschafterdarlehen aus. Die Klägerin führte die Rücklage in ihren Bilanzen fort.

 

Im Rahmen einer bei der Beigeladenen durchgeführten steuerlichen Außenprüfung gelangte der Prüfer (u.a.) zu der Erkenntnis, dass die steuerneutrale Übertragung der anteiligen Rücklage auf die Klägerin nicht anzuerkennen sei. Die Rücklage hätte auch weiterhin bei der Beigeladenen bilanziell ausgewiesen werden müssen. Der Gewinn hätte nach dem 30.09.2008 im Wege einer Ergänzungsbilanz für die Klägerin neutralisiert werden müssen. Ferner sei die Übertragung der Rücklage auf die Tiefgarage am 30.06.2010 – gemessen an den Wirtschaftsjahren der Beigeladenen – nach Ablauf der sechs Jahre (§ 6b Abs. 3 Satz 3 EStG) erfolgt. Die Auskunft des örtlich unzuständigen Finanzamts S entfalte keine Bindungswirkung, weil die Umstellung des Wirtschaftsjahres bei der Beigeladenen nicht mitgeteilt worden sei und das für die Gewinnfeststellung der Beigeladenen zuständige Finanzamt, der Beklagte, nicht beteiligt worden sei. Der Auflösungsbetrag sei daher steuerpflichtiger Gewinn für die Klägerin (Anteil an der Rücklage 76.073,63 €). Die Bemessungsgrundlage betreffend die Verzinsung sei entsprechend um 19.872,91 € zu erhöhen. Auf den Betriebsprüfungsbericht vom 26.06.2013, hier Tz. 2.5.3, wird Bezug genommen.

 

Hieran anschließend und dem entsprechend erhöhte der Beklagte unter Abänderung des bestehenden, unter Nachprüfungsvorbehalt stehenden Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen den Gewinn der Beigeladenen, der auf das zum 30.09.2008 endende Wirtschaftsjahr entfiel, hinsichtlich des Gewinnanteils der Klägerin (diesen auf 258.566,87 €), indem er die Rücklage nach § 6b EStG auch für die Klägerin zinswirksam auflöste.

 

Das von der Klägerin hiergegen geführte Einspruchsverfahren, zu dem die Beigeladene hinzugezogen war, blieb ohne Erfolg. Die Klägerin machte insbesondere geltend, dass die verbindliche Auskunft des zuständigen Finanzamts S bindend sei und dass das Vorhaben exakt nach dieser Auskunft durchgeführt worden sei. Der Beklagte hielt in der Einspruchsentscheidung gleichwohl daran fest, dass eine Übertragung einer Rücklage als solche nicht erfolgen könne. Dies ergebe sich auch aus R 6b.2 Abs. 8 Satz 3 EStR. Die verbindliche Auskunft stehe den Ergebnissen der Betriebsprüfung nicht entgegen. Sie treffe weder eine Aussage zur Problematik der Übertragung der Rücklage vor Herstellung des Ersatzwirtschaftsgutes noch zum zeitlichen Ablauf und zum zulässigen Übertragungszeitpunkt. Ferner hätte die Umstellung des Wirtschaftsjahres hinsichtlich der Reinvestitionsfrist angesichts R 6b.2 Abs. 8 Satz 3 EStR zu einer anderen Einschätzung durch das Finanzamt S geführt.

 

Im Klageverfahren verficht die Klägerin weiterhin, dass die verbindliche Auskunft des örtlich zuständigen Finanzamts S Bindungswirkung entfalte (Vertrauensschutz bzw. § 2 Abs. 1 Steuer-Auskunftsverordnung – StAuskV – i. V. m. § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO –). Dass die Rücklage noch vor Fertigstellung des Ersatzwirtschaftsgutes auf die Klägerin übertragen werden sollte, sei in der Antragstellung bereits deutlich gemacht und vom Finanzamt S (gerade) akzeptiert worden. Der Bauantrag für die Tiefgaragenstellplätze sei auf die verbindliche Auskunft hin noch vor dem 30.09.2008 gestellt worden.

 

Aber auch in der Sache sei die Übertragung vor der Fertigstellung des Ersatzwirtschaftsgutes zulässig. Eine zeitliche Einschränkung – wie sie in R 6b.2 Abs. 8 EStR enthalten sei – ergäbe sich aus dem Gesetz nicht. Das hinsichtlich der streitigen Thematik ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.11.2018 VI R 50/16 (BFHE 263, 44) überzeuge nicht. Im Rahmen der Berechnung der Sechs-Jahres-Frist sei die zeitliche Verkürzung des Übertragungszeitraums durch die Änderung des Wirtschaftsjahres bei der Beigeladenen ohne Bedeutung, weil ab dem Übertragungszeitpunkt ihre, der Klägerin, Wirtschaftsjahre maßgebend seien (gesellschafterbezogene Rücklage). Infolgedessen ende die Reinvestitionsfrist nicht schon am 31.12.2009, sondern erst am 30.09.2010. Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass der Beklagte mit der Übertragung der Rücklage nicht mehr zuständig sei, weil er nicht Betriebsfinanzamt der Klägerin (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 AO) sei.

 

Die Klägerin beantragt,

den Feststellungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 07.08.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.10.2016 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn aus der Auflösung der Rücklage nach § 6b EStG in Höhe von 76.073,63 € nebst den damit zusammenhängenden Zinsen in Höhe von 19.872,91 € nicht in die Besteuerungsgrundlagen einbezogen wird,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

 

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

 

Der Beklagte sieht im Hinblick auf den geltend gemachten Vertrauensschutz in tatsächlicher Hinsicht noch Aufklärungsbedarf. Im Übrigen verweist er auf die Bestätigung von R 6b.2 Abs. 8 EStR durch das BFH-Urteil vom 22.11.2018 VI R 50/16 (BFHE 263, 44).

 

Die Beigeladene hat sich nicht zum Verfahren geäußert.

 

Der seinerzeitige Berichterstatter hat am 03.05.2017 einen richterlichen Hinweis erteilt, auf den verwiesen wird, und das Verfahren mit Zustimmung der Beteiligten sodann durch Beschluss vom 22.05.2017 wegen des vor dem BFH anhängigen Verfahrens VI R 50/16 zum Ruhen gebracht. Mit Beschluss vom 30.04.2019 hat der Berichterstatter das Verfahren wieder aufgenommen. Auf den Beiladungsbeschluss vom 03.05.2019 wird Bezug genommen.

 

Der Senat hat in der Sache am 17.06.2019 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

                                                                              

Die Klage, über die trotz des (angekündigten) Ausbleibens der ordnungsgemäß geladenen Beigeladenen entschieden werden konnte (vgl. § 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –), ist zulässig und begründet.

                                      

I. Die Klägerin ist von der angefochtenen Feststellung i.S. des § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO „persönlich“ betroffen, mithin klagebefugt, weil – angesichts der gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise – nur für ihren Anteil an der Beigeladenen die Auflösung der Rücklage nach § 6b EStG im Streit steht (vgl. etwa BFH-Urteil vom 19.12.2012 IV R 41/09, BFHE 240, 73, BStBl II 2013, 313).

 

Das gilt unbeschadet dessen, dass es sich bei der Klägerin selbst auch um eine Personengesellschaft handelt. Denn korrespondierend zum zwei-/mehrstufigen Verwaltungsverfahren bei der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in doppel-/mehrstöckigen Personengesellschaften ist im Klageverfahren grundsätzlich nur die jeweils nächste Beteiligungsstufe klagebefugt (vgl. BFH-Beschluss vom 28.07.2008 IX B 131/08, BFH/NV 2008, 1696; BFH-Urteil vom 14.11.1995 VIII R 8/94, BFHE 179, 216, BStBl II 1996, 297). Gründe dafür, auch einzelne Obergesellschafter, also die Gesellschafter der Klägerin beizuladen, erkennt der Senat nicht. Zwar ist § 6b EStG eine mitunternehmerbezogene Steuervergünstigung. Sie wurde aber von der Klägerin durch eine Investition in ihrem Gesamthandsvermögen beansprucht, sodass auf der Ebene der Klägerin kein einzelner Gesellschafter von der Rücklage in besonderer Weise betroffen ist.

 

II. Der hier angefochtene geänderte Feststellungsbescheid sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin und die Beigeladene in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit sie eine zinswirksame Gewinnerhöhung durch die Auflösung der Rücklage zum 30.09.2008 enthalten. Soweit die Voraussetzungen der Rücklagenbildung kontrovers sind, widerspricht die derzeitige Feststellung der im Streitfall zu beachtenden verbindlichen Auskunft des Finanzamts S.

 

1. Ist eine Rücklage i.S. des § 6b Abs. 3 EStG am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden – wie im Streitfall die Rücklage bei der Beigeladenen –, so ist sie gem. § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen, soweit nicht ein Abzug von den Herstellungskosten von Gebäuden in Betracht kommt, mit deren Herstellung bis zu diesem Zeitpunkt begonnen worden ist; ist die Rücklage am Schluss des sechsten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, so ist sie in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen. Soweit eine nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gebildete Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst wird, ohne dass ein entsprechender Betrag nach § 6b Abs. 3 EStG abgezogen wird, ist der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 Prozent des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen.

 

2. Nach diesen Maßgaben ist im streitgegenständlichen Feststellungsbescheid keine zinswirksame Gewinnerhöhung vorzunehmen, weil die Voraussetzungen der Verlängerung der Reinvestitionsfrist von vier auf sechs Wirtschaftsjahre vorlagen.

 

Diesbezüglich ist im Streitfall nicht streitig, dass aufseiten der Beigeladenen im Ausgangspunkt eine Rücklage nach § 6b EStG bestand, die materiell-rechtlich mitunternehmerbezogen zu verstehen ist (s. nochmals BFH-Urteil vom 19.12.2012 IV R 41/09, BFHE 240, 73, BStBl II 2013, 313) und die bei der Beigeladenen in Ermangelung eines Reinvestitions-Wirtschaftsgutes grundsätzlich zum 30.09.2008 aufzulösen gewesen wäre. Desgleichen besteht dem Grunde nach kein Streit darüber, dass von der Klägerin die Herstellung eines Gebäudes unternommen wurde, dessentwegen die Verlängerung der Reinvestitionsfrist beansprucht werden kann und dass die Stellung eines entsprechenden Bauantrages zu einem rechtzeitigen Herstellungsbeginn im Sinne des § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG führt. Letzterer wurde, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nachgewiesen hat, noch am 29.09.2008 gestellt. Zweifel daran, dass sich dieser Bauantrag auf die Errichtung eines Gebäudes der Klägerin bezog, hat der Senat aufgrund der Vorlage der Baugenehmigung und nach der Erläuterung durch den Klägervertreter nicht; solche hat zu Recht auch der Beklagte nicht aufgeworfen. Denn dass die Klägerin dem Grunde nach eine „Tiefgarage“ im Anlageverzeichnis ausgewiesen hat, die die Klägerin hier als Reinvestitionsgut angibt, hatte bereits die Betriebsprüfung im Prüfungsbericht ausgewiesen. Ob der Klägerin tatsächlich und rechtlich nur die Tiefgarage oder ein Anteil am Gebäude zuzuordnen war und wie sich die Dinge gegebenenfalls nach Ablauf des 30.09.2008 entwickelt haben, bedarf hier keiner Beurteilung, weil all das der Verlängerung der Reinvestitionsfrist über diesen Zeitpunkt hinaus – und nur hierüber ist zu entscheiden – nicht entgegenstünde.

 

Im Streitfall war es, und darin liegt die eigentliche Kontroverse, entgegen der Einschätzung des Beklagten zulässig, die Rücklage bei der Beigeladenen gewinnneutral aufzulösen und auf die Klägerin als Mitunternehmerin zu übertragen, bevor die Herstellung des Reinvestitionsgutes abgeschlossen war und ohne aufseiten der Beigeladenen eine Ergänzungsbilanz für die Klägerin zu bilden. Das ergibt sich – unbeschadet der materiell-rechtlichen Richtigkeit (s. zu diesen Fragen BFH-Urteil vom 22.11.2018 VI R 50/16, BFHE 263, 44) – aus der verbindlichen Auskunft des Finanzamts S vom 11.07.2008.

 

a) Nach § 89 Abs. 2 Satz 1 AO können Finanzämter auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV ist die von der nach § 89 Abs. 2 Satz 2 und 3 AO zuständigen Finanzbehörde erteilte verbindliche Auskunft für die Besteuerung des Antragstellers bindend, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich abweicht.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei verbindlichen Auskünften nach § 89 Abs. 2 AO um Verwaltungsakte. Ob eine solche verbindliche Auskunft vorliegt und welchen Inhalt sie hat, ist, wie allgemein bei Verwaltungsakten, in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und folglich danach zu beurteilen, wie der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (vgl. nur BFH-Urteil vom 12.08.2015 I R 45/14, BFHE 251, 119).

 

Aus der Einordnung der verbindlichen Auskunft als Verwaltungsakt folgt, dass eine solche mit ihrer – im Streitfall nicht zweifelhaften – Bekanntgabe (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 122 AO) wirksam wird und dass eine Rechtswidrigkeit für die Bindungswirkung grundsätzlich ohne Bedeutung bleibt. Abweichend verhält es sich nur, wenn die Auskunft nichtig wäre (vgl. § 124 Abs. 3, § 125 Abs. 1 AO). Das wiederum kann nur angenommen werden, wenn der Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies außerdem bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (vgl. nur BFH-Urteil vom 12.08.2015 I R 45/14, BFHE 251, 119 m.w.N.).

 

b) Im Streitfall steht dem Grunde nach nicht in Frage, dass das Finanzamt S eine verbindliche Auskunft erteilen wollte und erteilt hat. Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Auskunft aufgrund ihres Charakters als Verwaltungsakt nach den dargelegten Maßgaben eine Bindungswirkung entfaltet, die im Streitfall zu beachten ist, bejaht der Senat.

 

aa) Zunächst geht der Aussagegehalt der verbindlichen Auskunft dahin, dass das Finanzamt S der von der Klägerin verfochtenen rechtlichen Einordnung der Ausübung der verlängerten Reinvestitionsfrist uneingeschränkt zugestimmt hat und zwar insbesondere hinsichtlich der steuerneutralen Übertragung der Rücklage auf die Klägerin bevor die Herstellung des Ersatzwirtschaftsgutes abgeschlossen ist und hinsichtlich der buchhalterischen bzw. bilanziellen Umsetzung. Insofern kann der Klägerin auch nicht entgegengehalten werden, dass die Ausübung des Wahlrechts in anderer Weise, namentlich durch die Erstellung einer (negativen) Ergänzungsbilanz, hätte erfolgen müssen. Die Auskunft geht gerade dahin, dass die Klägerin das Wahlrecht auf der Ebene der Beigeladenen ohne Ergänzungsbilanz und vor Herstellung des Ersatzwirtschaftsgutes ausüben kann.

 

Demgegenüber verfängt der Standpunkt des Beklagten nicht, dass nach dem Wortlaut der Auskunft nur die Übertragung „auf begünstigte Anschaffungen“ bestätigt worden sei, nicht aber eine Übertragung vor der Herstellung. Bei der Auslegung einer verbindlichen Auskunft ist entscheidend zu berücksichtigen, dass der Empfängerhorizont des Antragstellers als Adressat der Auskunft durch den von ihm gestellten Antrag in dem Sinne „vorgeprägt“ ist, dass er davon ausgeht und davon ausgehen darf, dass die Finanzverwaltung die dem Auskunftsantrag zugrunde liegende Auskunftsrichtung, hier die Bestätigung der isolierten und steuerneutralen Übertragung der Rücklage in die Bilanz der Klägerin ohne Ergänzungsbilanz bei der Beigeladenen, aufgreift und dass die Auskunft, wenn dem Begehren nicht gefolgt werden soll – der Auskunftsantrag also bei Licht besehen abgelehnt werden soll –, das mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringt. Der Wortlaut der hier vorliegenden Auskunft hingegen legt ein Verständnis im Sinne der klägerischen Anfrage mindestens nahe und konnte von der Klägerin daher (nur) so verstanden werden, dass sie die isolierte Übertragung der Rücklage auf dem von ihr beschriebenen Wege durchführen kann.

 

bb) Ferner ist festzustellen, dass der Auskunft im Sinne des § 89 Abs. 2 Satz 1 AO, § 2 Abs. 1 StAuskV ein genau bestimmter und noch nicht verwirklichter Sachverhalt zugrunde lag.

 

Die Auskunft des Finanzamts S nimmt hinsichtlich des Sachverhaltes ausdrücklich Bezug auf das Antragsschreiben der Klägerin. Darin hatte diese zum einen mit hinreichender Bestimmtheit dargelegt, dass eine Rücklage nach § 6b EStG bei der Beigeladenen bestehe. Diese Rücklage wollte die Klägerin zum 30.09.2008 auf sich selbst übertragen, weil sie plane, eine Immobilie herzustellen und aus diesem Anlass von der Fristverlängerung nach § 6b EStG Gebrauch zu machen. Sie hat ferner ausdrücklich und mit hinreichender Klarheit dargelegt, wie sie die von ihr verfochtene gewinnneutrale Übertragung der Rücklage in ihre eigene Bilanz aufseiten der Beigeladenen durchzuführen beabsichtige und zwar ohne eine Ergänzungsbilanz.

 

Dieser Sachverhalt war auch weder zum Zeitpunkt der Antragstellung am 12.06.2008, noch zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung am 11.07.2008 bereits im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV verwirklicht. Diese "Verwirklichung des Sachverhaltes" bezieht sich auf den der Auskunft zugrunde liegenden tatbestandsrelevanten Sachverhalt, der die fragliche steuerliche Rechtsfolge auslöst; bloße Vorbereitungshandlungen sind unbeachtlich (vgl. BFH-Urteil vom 12.08.2015 I R 45/14, BFHE 251, 119). Tatbestandsrelevant ist im Fall der Verlängerung der Reinvestitionsfrist die Herstellung eines neuen Gebäudes. Erster Schritt einer solchen Herstellung ist – wie auch die verbindliche Auskunft angibt – der Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung und dieser Antrag ist im Streitfall (erst) am 29.09.2008 gestellt worden. Die Vorbereitung des Baugenehmigungsantrags stellt sich demgegenüber als reine Vorbereitungshandlung dar.

 

Sind diese zeitlichen Vorgaben eingehalten, ist es darüber hinaus für die Bindungswirkung weder nach § 89 Abs. 2 Satz 1 AO noch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV von Bedeutung, ob die erteilte Auskunft für die Aufnahme der Tätigkeit konkret ursächlich war (vgl. BFH-Urteil vom 12.08.2015 I R 45/14, BFHE 251, 119).

 

Soweit der Beklagte gegen die Bindungswirkung der Auskunft einwendet, dass die Umstellung des Wirtschaftsjahres aufseiten der Beigeladenen von der Klägerin im Auskunftsantrag nicht mitgeteilt worden sei, trifft dies zu, ohne dass sich hieraus für die Entscheidung Folgerungen ergäben. Im Streitzeitraum ist allein von Bedeutung, ob die Voraussetzungen der Verlängerung der Reinvestitionsfrist von vier auf sechs Jahre vorliegen und wie die entsprechende steuerneutrale Umsetzung zu erfolgen hat. Diese Frage ist weder sachlich noch normativ mit der Frage verknüpft, zu welchem späteren Zeitpunkt die sechsjährige Reinvestitionsfrist abgelaufen ist. § 6b EStG sieht wie oben dargelegt vor, dass die Konsequenzen aus der fruchtlosen Auflösung der Rücklage im Wirtschaftsjahr der Auflösung – und nicht etwa rückwirkend – zu ziehen sind. Im Streitfall genügt es daher festzustellen, dass die Auflösung nicht zum 30.09.2008 zu erfolgen hat. Die Frage, auf wessen Wirtschaftsjahre es für die Bestimmung der sechsjährigen Reinvestitionsfrist ankommt, kann dabei ebenso offenbleiben wie die Frage, in welchem Verwaltungsverfahren – nach zulässiger Übertragung der Rücklage auf die Klägerin – überhaupt über die Auflösung der Rücklage zu entscheiden ist. Entsprechendes gilt im Übrigen für die Frage, wie die in die Auskunft aufgenommene Befristung bis zum 31.12.2009 zu verstehen ist.

 

Der Senat erkennt auch keinen Grund dafür, dass sich die unterbliebene Mitteilung der Umstellung des Wirtschaftsjahres inhaltlich auf die erteilte verbindliche Auskunft hätte auswirken können, soweit es die Beurteilung des Ablaufs des Wirtschaftsjahres bei der Beigeladenen zum 30.09.2008 betrifft.

 

cc) Die Bindungswirkung erfasst die Klägerin auch in personeller Hinsicht. Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV entfaltet eine Auskunft Bindungswirkung für die Besteuerung des Antragstellers, hier also der Klägerin. Für Fälle eines mehrstufigen Feststellungsverfahrens versteht der Senat das – auch mit Blick auf § 2 Abs. 2 Satz 1 StAuskV – dahin, dass die Auskunft bei dem oder den unmittelbaren Feststellungsbeteiligten – hier also der Klägerin – als bindend zugrunde zu legen ist.

 

Dem steht nicht entgegen, dass §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 3 StAuskV davon ausgeht, dass bei einem Sachverhalt, der mehreren Personen steuerlich zuzurechnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO), nur eine gemeinschaftliche Antragsbefugnis und sodann eine einheitliche Bindungswirkung besteht. Nicht nur erscheint dem Senat zweifelhaft, ob im Streitfall, in dem im Rahmen einer mitunternehmerbezogenen Sichtweise des § 6b EStG nur die Ausübung der Fristverlängerung durch die Klägerin in Rede steht, überhaupt in diesem Sinne ein „Sachverhalt“ vorliegt, der mehreren Personen steuerlich zuzurechnen ist. Unbeschadet dessen stellt eine etwa fehlende Antragsbefugnis der Klägerin zwar einen Grund dar, die Auskunftserteilung abzulehnen. Eine gleichwohl erteilte Auskunft verliert dessentwegen aber nicht ihre Bindungswirkung bzw. Wirksamkeit, da es sich allein um eine Frage der formellen Rechtmäßigkeit handelt (vgl. nochmals BFH-Urteil vom 12.08.2015 I R 45/14, BFHE 251, 119).

 

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die hier vorliegende verbindliche Auskunft denselben Inhaltsadressaten hat wie auch die einheitliche und gesonderte Feststellung, auf die sie sich inhaltlich bezieht, und zwar die Klägerin. Die Beigeladene selbst ist demgegenüber nicht Inhaltsadressatin der hier in Rede stehenden Gewinnfeststellung für die Klägerin, sondern letztere selbst und zwar unbeschadet des Umstandes, dass es sich um eine mehrstöckige Personengesellschaft handelt (vgl. BFH-Urteil vom 24.07.2013 I R 57/11, BFHE 243, 102, BStBl II 2016, 633). Infolgedessen ist auch von daher für die Wirksamkeit der Auskunft gegenüber der Klägerin die (unterbliebene) Beteiligung der Beigeladenen am Auskunftsverfahren ohne Bedeutung.

 

Diesem Verständnis entspricht im Übrigen auch § 1 Abs. 2 Satz 2 StAuskV, wonach bei einheitlicher Beantragung einer Auskunft in den Fällen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StAuskV (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO) ein Empfangsbevollmächtigter zu bestimmen ist, der für alle Verwaltungsakte und Mitteilungen in Empfang nehmen kann. Auch die verbindliche Auskunft richtet sich mithin inhaltlich nicht an die Personengesellschaft, über deren Gegenstand das Feststellungsverfahren durchzuführen ist, sondern an deren Gesellschafter.

 

dd) Der Bindungswirkung der Auskunft stünde es auch nicht entgegen, wenn das Finanzamt S für die verbindliche Auskunft – was aus Sicht des Senats im Streitfall keineswegs gewiss erscheint – örtlich nicht zuständig gewesen wäre. Einer abschließenden Beurteilung dieser Frage bedarf es hier abermals deswegen nicht, weil auch für den Fall behördlicher Unzuständigkeit die allein maßgebliche Wirksamkeit der Auskunft erst im Fall der Nichtigkeit entfiele (sinngemäß wie hier: Roser in: Gosch, AO/FGO, § 89 AO Rz. 41 ff.; Seer in: Tipke/Kruse, AO, 2008, § 89 Rn. 36 und 54, Söhn in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 89 AO, Rn. 268). Das gilt unbeschadet dessen, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV offenbar und der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 89 unter Nr. 3.6.5 Satz 4 ausdrücklich davon ausgehen, dass Auskünfte unzuständiger Behörden (von vornherein) keine Bindungswirkung entfalten. Sollte, was dem Senat bereits zweifelhaft erscheint, § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV tatsächlich so zu verstehen sein, dass er die gesetzlichen Regelungen zur Wirksamkeit von Verwaltungsakten (vgl. § 124 ff. AO) einschränken soll, würde es insoweit nach Einschätzung des Senats an einer, nicht zuletzt wegen Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes erforderlichen, tragfähigen Ermächtigungsgrundlage fehlen. Eine solche kann insbesondere nicht in § 89 Abs. 2 Satz 5 AO gesehen werden, der das Bundesministerium der Finanzen (u.a.) zur näheren Bestimmung der „Reichweite der Bindungswirkung“ einer verbindlichen Auskunft ermächtigt. Denn damit ist schon nach dem Wortlaut allein die Frage des Umfangs einer bestehenden Bindungswirkung angesprochen. Eine sich nach den allgemeinen gesetzlichen Regelungen ergebende Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft dem Grunde nach, die aufgrund ihres Charakters als Verwaltungsakt besteht, kann das nicht infrage stellen. Im Übrigen wäre nicht zuletzt aus Gründen der Rechtsklarheit zu erwarten gewesen, dass ein solch fundamentaler Eingriff in die gesetzlichen Regelungen betreffend die Wirksamkeit von Verwaltungsakten – wenn er schon nicht im formellen Gesetz, also in § 89 Abs. 2 AO, selbst vorgenommen wird – mit einer der Gewichtigkeit des Eingriffs entsprechenden Deutlichkeit in die Ermächtigungsgrundlage aufgenommen wird.

 

Der Klägerin kann in diesem Zusammenhang auch nicht entgegengehalten werden, dass der Beklagte deshalb nicht an die verbindliche Auskunft gebunden sei, weil nicht er, sondern ein anderes Finanzamt die Auskunft erlassen habe. Entsprechendes lässt sich bereits aus der Entscheidung des BFH im Urteil vom 12.08.2015 I R 45/14 (BFHE 251, 119) entnehmen, nach der eine Auskunft eines vor einem Wohnsitzwechsel zuständigen Finanzamtes dem später zuständigen Finanzamt entgegengehalten werden konnte. Im Übrigen verhält es sich insofern nicht anders als bei Steuerbescheiden, die von örtlich unzuständigen Behörden erlassen worden sind. Auch sie entfalten insofern Bindungswirkung, als eine Durchbrechung ihrer Bestandskraft auch durch die zuständige Behörde nur bei Vorliegen einer entsprechenden Rechtsgrundlage erfolgen kann. Maßgebend ist allein, dass sich die Verwaltungsakte auf die nämliche Steuerfestsetzung beziehen. Nichts anderes gilt für den Verwaltungsakt „verbindliche Auskunft“. Dem wiederum entspricht denn auch § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV, wenn dort die Bindung „für die Besteuerung des Antragstellers“ angesprochen ist und nicht „für das die Auskunft erteilende Finanzamt“.

 

ee) Ob die verbindliche Auskunft demgegenüber materiell-rechtlich unzutreffend ist, bedarf im Streitfall erneut deswegen keiner abschließenden Beantwortung, weil derartiges allein unter den Voraussetzungen einer Nichtigkeit (§ 125 AO) der Fall sein könnte. Dabei ist betreffend die inhaltliche (Un-)Richtigkeit bei der Prüfung der Nichtigkeit zusätzlich im Blick zu behalten, dass die verbindliche Auskunft aufgrund ihrer Zielsetzung, gerade in Fällen zugunsten des Steuerpflichtigen rechtswidriger Auskünfte Rechtssicherheit schaffen soll (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 StAuskV). Vor diesem Hintergrund genügt es daher darauf zu verweisen, dass das Finanzgericht (FG) Münster im Urteil vom 13.05.2016 7 K 716/13 E (EFG 2016, 1164, aufgehoben durch BFH-Urteil vom 22.11.2018 VI R 50/16, BFHE 263, 44) von der Zulässigkeit der von der Klägerin verfochtenen und in der Auskunft zugrunde gelegten „isolierten“ Übertragung der Rücklage nach § 6b EStG (vor Fertigstellung des Reinvestitions-Wirtschaftsgutes) ausgegangen ist.

 

ff) Schließlich bleibt festzustellen, dass die hier in Rede stehende verbindliche Auskunft vonseiten der Finanzverwaltung auch nicht wieder aufgehoben worden ist. Nicht nur fehlt es an einer ausdrücklichen Aufhebung der Auskunft. Auch eine konkludente Aufhebung kann dem Verhalten der Betriebsprüfung und des Beklagten nicht untergeschoben werden, wenn und weil ihr Standpunkt dahin ging und geht, dass die Auskunft im Streitfall (von vornherein) keine Wirksamkeit entfalte; dies gilt insbesondere mit Blick auf Nr. 3.6.5 Satz 4 AEAO zu § 89 AO.

 

III. Den neuen auf die Klägerin entfallenden Gewinn der Beigeladenen zu errechnen, wird dem Beklagten aufgegeben (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

 

IV. Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 4 FGO. Die Revision war mit Blick auf die dargelegte Verwaltungsauffassung zur Auswirkungen der Unzuständigkeit der die verbindliche Auskunft erteilenden Behörde zuzulassen, § 115 Abs. 2 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.