Verwaltungsrecht


Die Corona-Allgemeinverfügung und der einstweilige Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO

Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 22.03.2020 - 1 B 17/20 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Man kann schon häufig Zweifel haben, ob die von den Ländern erlassenen Rechtsverordnungen bzw. Allgemeinverfügungen der Gemeinden und Landkreise zur Bekämpfung der Verbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) zu deren einzelnen Regelungen eine Rechtsgrundlage haben. Vorliegend hatten sich die Antragsteller gegen eine Allgemeinverfügung des Antragsgegners gewandt, mit der die Antragsteller (die Antragstellerin litt an einer Lungenerkrankung) zum Verlassen ihrer Nebenwohnung aufgefordert wurden. Der zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gem. § 80 Abs. 5 VwGO wurde abgewiesen.

 

Das OVG ging davon aus, dass im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung sich nicht feststellen ließe, ob die einen Verwaltungsakt darstellende Allgemeinverfügung offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig sei. Damit sei eine weitere Interessensabwägung erforderlich, bei der auf der einen Seite die Auswirkungen in Bezug auf das öffentliche Interesse  für den Fall einer Stattgabe des Antrages, auf der anderen Seite die Auswirkungen für den Betroffenen für den Fall der Ablehnung des Antrages und eines erfolgreichen Rechtsbehelfs in der Hauptsache gegenüber zu stellen seien. Im Rahmen dieser Abwägung sei das jeweilige Vorbringen der Parteien als wahr zu unterstellen, soweit es substantiiert sei und nicht ohne weiteres erkennbar unwahr (OLG Schleswig, Beschluss vom 13.09.1991 - 4 M 125/91 -). .

 

Rechtsgrundlage der Allgemeinverfügung könnte § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG sein, nach der die zuständige Behörde bei ansteckendem Krankheiten die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen habe, um eine Verbreitung zu verhindern. Die Art des Eingriffs läge im Ermessen der Behörde, was damit zu begründen sei, da dies im Vorfeld nicht festgelegt werden könne. Beschränkt würde das Ermessen durch die Notwendigkeit der Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit und das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Je größer und folgenschwerer möglicherweise eintretende Schäden seien, umso geringer seien die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit von deren Eintreten, wofür das Ziel des Gesetzes zur effektiven Gefahrenabwehr spräche (§§ 1 Abs. 1, 28 Abs. 1 IfSG; vgl auch VG Bayreuth, Beschluss vom 11.03.2020 - B 7 S 20.223 -).

 

Zulässig sei es auch, Schutzmaßnahmen nicht nur gegen Kranke pp. getroffen werden, sondern erforderlichenfalls auch gegen Dritte. Da es sich bei CIVUD-19 um eine übertragbare Krankheit handele, sei Abschnitt 5 des Gesetzes eröffnet, und es spräche vieles dafür, soweit notwendig auch zum Verlassen des Ortes der Nebenwohnung zur Sicherstellung der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung  mit erforderlich werdenden Notfallbehandlungen und zur Eingrenzung der Verbreitung zu zwingen. Eine abschließende Prüfung sei der Kammer „in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit“ nicht möglich. Es sei bekannt, dass derzeit und auf absehbare Zeit nicht genügend Intensivbetten und Pflegepersonal zur Verfügung stünden und die Sicherung der Leistungskapazität davon abhänge, dass sich nicht noch weitere auswärtig ansässige Personen (wobei es sich hier um eine Gemeinde mit vielen Ferienwohnungen handele) im Gebiet des Antragsgegners aufhielten.

 

Anmerkung dazu: Bedenklich ist, auf die Schwere der möglichen Einwirkung abzustellen, um damit die Wahrscheinlichkeit des Eintritts vernachlässigen zu können, und so einen Eingriff in ein Grundrecht (Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG) zu rechtfertigen. Das Leben gilt als ein besonders schützenswertes Rechtsgut. Doch würde es das Leben evtl. einer Person rechtfertigen können, die Freizügigkeit aller Bewohner Deutschlands einzuschränken ?  Abzustellen wäre auf eine Abwägung der jeweiligen betroffen Rechtsgüter / Grundrechte. Unter dieser Prämisse wäre gegen die Aussage nichts einzuwenden.

 

 

Bei dem Interesse der Antragsteller stellte die Kammer darauf ab, dass diesen noch eine Hauptwohnung zur Verfügung stünde. Sollten sich hier Komplikationen ergeben, müssten sich die Antragsteller an die zuständigen Behörden des Hauptwohnsitzes wenden. Individuelle Gründe, die hier einen Verweis auf die Hauptwohnung unzumutbar machen würden, sah die Kammer nicht. Dies sei z.B. dann der Fall, wenn die Rückreise zur Hauptwohnung selbst eine schwerwiegende gesundheitliche Gefahr darstelle oder aber diese Gefahr sich durch die Ankunft und den weiteren Verbleib in der Hauptwohnung ergäbe. Die Lungenerkrankung der Antragstellerin stelle keine außergewöhnliche Härte dar, die hier einen Aufschub vor dem geschilderten öffentlichen Interesse gebieten könne. Zwar sei verständlich, wenn die Antragsteller die lungenkranke Antragstellerin vor jeder Risikoerhöhung schützen wollen, doch würden sie sich in A-Stadt in einer Lage befinden, in der sich viele Familien mit nur einem Haushalt befänden. Auch dort müsste bei entsprechenden Vorerkrankungen dem Risiko mir bekannten Vorsorgemaßnahmen (Abstandhalten, Reinigung der Hände) begegnet werden. In der Wohnung selbst wären die Antragsteller keinem erhöhten Risiko ausgesetzt.

 

Anmerkung dazu: Die Abwägung der Kammer basiert auf dem zugunsten des öffentlichen Interesses angenommenen Ermessen der Behörde, bei dem die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Infektion zurücktreten entsprechend der Größe und Folgenschwere eines möglicherweise eintretenden Schadens. Es verwundert, dass dieser Grundsatz augenscheinlich nicht bei dem entgegenstehenden Interesse jedenfalls der Antragstellerin berücksichtigt wurde, die Lungenkrank ist und von daher zu einer besonderen Risikogruppe gehört, die gerade zu schützen wäre. Dabei mag es wohl sein, dass die Hauptwohnung ebenso sicher oder unsicher ist wie die Nebenwohnung; aber die Reise von der Nebenwohnung zur Hauptwohnung stellt sich als besonderer Gefahrenmoment dar, der hier von der Kammer nicht berücksichtigt wurde. Es handelt sich diesbezüglich nicht um einen Umstand, der jeden Haushalt betrifft, in dem eine Person wohnt, die zur Risikogruppe gehört. 

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Der Antrag wird abgelehnt.

 

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

 

Gründe

 

Der vorläufige Rechtsschutzantrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 21. März 2020 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO zulässig, jedoch nicht begründet.

 

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO iVm § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kann das Gericht in dem vorliegenden Fall des nach § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges die aufschiebende Wirkung des Widerspruches ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist.

 

Lässt sich nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, so ergeht die Entscheidung aufgrund einer weiteren Interessenabwägung, in der zum einen die Auswirkungen in Bezug auf das öffentliche Interesse in dem Fall, dass dem Antrag stattgegeben wird, der Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren indes erfolglos bleibt, und zum anderen die Auswirkungen auf den Betroffenen für den Fall der Ablehnung eines Antrags und des erfolgreichen Rechtsbehelfs in der Hauptsache gegenüberzustellen sind. Bei dieser Interessenabwägung ist jeweils die Richtigkeit des Vorbringens desjenigen als wahr zu unterstellen, dessen Position gerade betrachtet wird, soweit das jeweilige Vorbringen ausreichend substantiiert und die Unrichtigkeit nicht ohne weiteres erkennbar ist (OVG Schleswig, Beschluss vom 13. September 1991 – 4 M 125/91 –, Rn. 14, juris; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 11. September 2017 – 1 B 128/17 –, Rn. 28 - 29, juris).

 

Die Kammer kann vorliegend in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit der ergangenen Allgemeinverfügung im Hinblick auf das geforderte Verlassen des Ortes der Nebenwohnung feststellen.

 

Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung könnte jedenfalls ihre Rechtsgrundlage in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG finden. Danach trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Es handelt sich um eine Generalklausel, die die zuständigen Behörden zum Handeln verpflichtet (sog. gebundenen Entscheidung). Hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen – "wie" des Eingreifens – ist der Behörde ein Ermessen eingeräumt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um "notwendige Schutzmaßnahmen" handeln muss, nämlich Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-) Verbreitung der Krankheit geboten sind. Darüber hinaus sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt.

 

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der verfügten Beschränkungen ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen (§ 1 Abs. 1, § 28 Abs. 1 IfSG), sowie der Umstand, dass die betroffenen Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen unterschiedlich gefährlich sind. Es erscheint sachgerecht, einen am Gefährdungsgrad der jeweiligen Erkrankung orientierten, "flexiblen" Maßstab für die hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen (VG Bayreuth, Beschluss vom 11. März 2020 – B 7 S 20.223 –, Rn. 44 - 45, juris).

 

Sind Schutzmaßnahmen erforderlich, so können diese grundsätzlich nicht nur gegen die in Satz 1 genannten Personen, also gegen Kranke, Krankheitsverdächtige, ansteckungsverdächtige oder Ausscheider getroffen werden, sondern – soweit erforderlich – auch gegenüber anderen Personen (Bales/Baumann/Schnitzler, Infektionsschutzgesetz, Kommentar, 2. Aufl. § 28 Rn. 3). Es bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei der Erkrankung COVID-19 um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG handelt, so dass der Anwendungsbereich des 5. Abschnitts des Infektionsschutzgesetzes, der sich mit der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten befasst, eröffnet ist (vgl. hierzu den Steckbrief des RKI zur Coronavirus-Krankheit:

 

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/ nCoV_node.html). Wenn für bestimmte Krankheiten wie Masern oder Lungenpest spezielle Vorschriften in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen wurden, so bedeutet das keineswegs, dass eine neuartige bzw. neuerdings auf den Menschen übergegangene Infektionskrankheit von dem bereits im Wortlaut notwendigerweise weit weitgefassten Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen wäre (VG Bayreuth, Beschluss vom 11. März 2020 – B 7 S 20.223 –, Rn. 48, juris). Es spricht vieles dafür, der Anwendungsbereich der Vorschrift im Einzelfall – soweit notwendig – auch die Anordnung zum Verlassen des Ortes der Nebenwohnung zur Sicherstellung der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit erforderlich werdenden Notfallbehandlungen umfassen kann, auch um das Ausmaß der Folgen einer möglichen Verbreitung zu begrenzen, auch wenn damit erheblich in die Rechte der betroffenen Bürger eingegriffen wird. Eine abschließende Prüfung der dadurch aufgeworfenen Rechtsfragen ist der Kammer in der Kürze des zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

 

Es sind demnach in einer weitergehenden Interessenabwägung die Folgen gegenüberzustellen, die im Hinblick auf das öffentliche Interesse in dem Fall einträten, dass dem Antrag stattgegeben wird, der Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren indes erfolglos bleibt, und zum anderen die Auswirkungen auf den Betroffenen für den Fall der Ablehnung eines Antrags.

 

Gemessen an diesen Maßstäben überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung der sich aus der Allgemeinverfügung ergebenden unverzüglichen Rückreiseverpflichtung das private Aufschubinteresse an einem weiteren Verbleib am Zweitwohnsitz über den 22. März 2020 hinaus.

 

Vorliegend streiten auf Seiten des öffentlichen Interesses überragende Gründe der Abwehr von Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung und der Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der ärztlichen, insbesondere krankenhausärztlicher (Intensiv-)Versorgung für die Bevölkerung. Hierbei ist nicht allein in den Blick zu nehmen, dass die Antragsteller selbst möglicherweise (derzeit) nicht infiziert sind und daher kein Ansteckungsrisiko für andere ausgeht. Die aktuelle Infektionsgefahr ist bekanntermaßen insbesondere dadurch extrem risikobehaftet, dass bislang unentdeckt infizierte Personen sich im öffentlichen Raum bewegen und andere unwissentlich infizieren. Alltagskontakten etwa beim Einkaufen oder auf der Straße werden auch nach aller Lebenswahrscheinlichkeit Personen wie die Antragstellerin ausgesetzt sein, sodass allein dadurch eine potentielle Erhöhung des Infektionsrisikos durch jede weitere hier aufhältliche Person anzunehmen ist. Vorliegend geht es auch bei der hier streitigen Allgemeinverfügung um den Schutz vor den Folgen der exponentiellen Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CO-2.

 

Ebenso ist die Sicherung medizinischer Kapazitäten, die nach den Grundsätzen der Krankenhausplanung im Wesentlichen ausgelegt sind auf die in Schleswig-Holstein mit Erstwohnsitz ansässige Bevölkerung, ein überwiegender öffentlicher Belang von erheblichem Gewicht. Es dürfte allgemein bekannt sein, dass derzeit noch weder in ausreichendem Maß die in absehbarer Zeit notwendig werdenden Intensivbetten noch das ausreichende Pflegepersonal flächendeckend zur Verfügung steht. Die Sicherung der Leistungskapazität medizinischer Versorgung hängt mithin ebenfalls davon ab, dass sich nicht eine weitere Anzahl auswärtig ansässiger Personen im Gebiet des Antragsgegners aufhält. Dabei ist dieser Aspekt ebenfalls nicht individuell zu betrachten, sondern ist als genereller Maßstab unabhängig von der nicht bekannten tatsächlichen Anzahl hier noch aufhältlicher Zweitwohnungsinhaber zugrunde zu legen. Indes ist davon auszugehen, dass sich noch eine nicht unbeachtliche Anzahl solcher Zweitwohnungsbesitzer hier aufhalten, da jedenfalls bis Mitte der Woche aus der Presse entnommen werden konnte, dass ein Verbleib der bereits hier aufhältlichen auswärtigen Personen möglich sei. Im Gebiet des Antragsgegners gibt es besonders viele Ferienwohnungen, die als Nebenwohnung genutzt werden.

 

Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse setzt ein im Rahmen der Folgenabwägung überwiegendes privates Interesse voraus, dass im Einzelfall Umstände vorliegen, die so gewichtig sind, dass entgegen der gesetzgeberischen Anordnung in §§ 28 Abs. 3, 16 Abs. 8 IfSG eine vorläufige Aussetzung der Vollziehung angezeigt ist.

 

Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der begehrten Nutzung der Nebenwohnung grundsätzlich davon auszugehen ist, dass den Betroffenen eine weitere Wohnung, nämlich ihre Hauptwohnung, zur Verfügung steht. Sollten sich diesbezüglich Komplikationen ergeben, ist dies zunächst gegenüber den dort zuständigen Behörden darzulegen, um die ggf. notwendige Vorkehrungen zu treffen. Grundsätzlich ist es nicht unzumutbar, die Betroffenen auf die Nutzung ihrer Hauptwohnung zu verweisen. Im Ausnahmefall kann dies jedoch dann unzumutbar sein, wenn besondere individuelle Umstände hinzutreten, aufgrund derer die kurzfristige Nutzung der Hauptwohnung unverhältnismäßig ist und die Folgen für die Betroffenen einen gravierenden Eingriff in besonders gewichtige Individualrechtsgüter darstellt. Dies kann sich dann ergeben, wenn bereits die Rückreise zur Hauptwohnung eine schwerwiegende gesundheitliche Gefahr darstellt oder aber sich diese Gefahr durch die Ankunft und den weiteren Verbleib in der Hauptwohnung ergibt. Insoweit sind die in Ziffer 2 der streitgegenständlichen Verfügung genannten Gründe nicht abschließend.

 

Ein solches, überwiegendes Interesse ergibt sich nicht aus der Begründung des Antrags. Die geltend gemachte Lungenerkrankung der Antragstellerin stellt keine außergewöhnliche Härte dar, die es rechtfertigen würde, dem privaten Aufschubinteresse den Vorrang vor den geschilderten öffentlichen Interessen einzuräumen. Allein der Umstand, dass die Antragsteller ihre Wohnung in A-Stadt über ein gemeinschaftlich genutztes Treppenhaus betreten müssen, begründet noch nicht eine Situation, in der es unzumutbar wäre, die Wohnung dort aufzusuchen. Es ist zwar verständlich, wenn die Antragsteller die lungenkranke Antragstellerin vor jeglicher Risikoerhöhung schützen möchten, sie würden sich jedoch in A-Stadt in einer Lage befinden, in der sich viele Familien mit nur einem Haushalt befinden. Auch dort muss bei entsprechenden allgemeinen Vorerkrankungen einem Risiko mit den bekannten Vorsorgemaßnahmen, insbesondere mit Abstandhalten von anderen Personen und Reinigung der Hände zur Vermeidung einer nicht völlig auszuschließenden Schmierinfektion begegnet werden. In der Wohnung selbst wären die Antragsteller keinem erhöhten Risiko ausgesetzt.

 

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; der Streitwert wurde gem. § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 iVm § 52 Abs. 2 GKG festgesetzt.