Prozessrecht


Akteneinsichtsgesuch des Nebenintervenienten und Zweifel an Zulässigkeit des Beitritts

Akteneinsichtsgesuch des Nebenintervenienten und Zweifel an Zulässigkeit des Beitritts

Kurze Inhaltsangabe mit Kommentierung

 

Die Bedeutung der Nebenintervention wird häufig verkannt. Für den Nebenintervenienten besteht die Möglichkeit, wenn auch abhängig vom Vortrag der Partei, der er in dem Rechtsstreit beitritt, Einfluss auf das gerichtliche Verfahren zu nehmen, auch Rechtsmittel einzulegen. Der Kreis derer, die einem Rechtsstreit als Nebenintervenient beitreten dürfen, ist allerdings limitiert. Dies verdeutlicht auch der Beschluss des OLG Frankfurt, mit dem der Antrag des dem Rechtsstreit durch Nebenintervention Beitretenden auf Akteneinsicht zurückgestellt wurde.

 

Grundsätzlich hat derjenige, der dem Rechtsstreit im Rahmen einer Nebenintervention beitritt (§  66 ZPO) wie auch die Parteien selbst ein Recht auf Einsicht in die Gerichtsakte, § 67 iVm.  § 299  ZPO). Dieses Recht steht ihm auch zu, wenn noch keine Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention erfolgte, § 71 Abs. 2 iVm. § 299 Abs. 1 ZPO. Dies wird auch vom OLG in seinem Beschluss festgehalten. Offen ließ das OLG die Frage, ob dies auch für vor dem erklärten Beitritt mitgeteilte geheimhaltungsbedürfte Informationen gelte. Denn vorliegend sei erst mit der Entscheidung über die Zulässigkeit des Beitritts über das Akteneinsichtsgesuch zu entscheiden und dieses zurückzuweisen, wenn die Voraussetzungen der Nebenintervention offensichtlich nicht vorlägen.

 

Vom OLG wird zutreffend ausgeführt, dass für die zulässige Nebenintervention ein rechtliches Interesse am Obsiegen der unterstützten Partei Voraussetzung sei, § 66 ZPO. Dieses rechtliche Interesse erfordere, dass die Entscheidung oder deren Vollstreckung mittelbar oder unmittelbar auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Nebenintervenienten rechtlich einzuwirken vermag (BGH, Beschluss vom 18.11.2015 - VII ZB 57/12 -). Erfasst würden durch § 66 ZPO insbesondere Fälle der Rechtskrafterstreckung auf den Nebenintervenienten, der Vollstreckbarkeit und Tatbestandswirkung bezüglich des Nebenintervenienten, der Vorgreiflichkeit (z.B. bei einem Verfahren zwischen Kaufvertragsparteien bei Beitritt des evtl. sekundär haftenden beurkundenden Notars), der akzessorischen Haftung, der Prozessstandschaft des materiell Berechtigten, des befürchteten Regresses beim Nebenintervenienten oder von Regressansprüchen des Nebenintervenienten.

 

Nicht gedeckt sind durch § 66 ZPO ist damit ein rein tatsächliches oder wirtschaftliches Interesse. Dazu, so das OLG, gehöre der bloße Wunsch des Nebenintervenienten, der Rechtsstreit möge zugunsten einer Partei entschieden werden, und die Erwartung, das Gericht würde im Falle einer günstigen Entscheidung an seinem Standpunkt auch in einem künftigen eigenen Rechtsstreit festhalten.  Dies gelte auch dann, wenn in beiden Fällen dieselben Ermittlungen angestellt werden müssten oder über die gleiche Rechtsfrage zu entscheiden wäre.

 

Im vorliegenden Verfahren sei von der Nebenintervenientin, die in keiner Rechtsbeziehung zum Kläger und in einer rechtlich vom vorliegenden Rechtsstreit unabhängigen Beziehung zur Beklagten stünde, geltend gemacht worden, selbst ein einstweiliges Verfügungsverfahren gegen die Beklagte zu betreiben, und das vorliegende Verfahren sei „faktisch präjudiziell“. Damit würde die Nebenintervenientin nur auf ein nicht ausreichendes tatsächliches Interesse abstellen.

 

Nicht ersichtlich ist aus den Beschlussgründen, ob eine der Parteien des Rechtsstreits den Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention stellte, § 71 Abs. 1 ZPO. Ohne einen solchen Antrag würde sich die Prüfung des Gerichts auf die Prüfung der Prozesshandlungsvoraussetzungen (Partei-, Prozessfähigkeit, gesetzliche Vertretung, Postulationsfähigkeit und Vollmacht) zu beschränken haben. Das rechtliche Interesse wie auch eine Rechtsmissbräuchlichkeit des Beitritts sind nur auf Rüge zu prüfen (Althammer in Zöller, ZPO, 34. Aufl. § 66 Rn. 14; Bünnigmann in Anders/Gehle, ZPO 81. Auf. § 71 Rn. 4).

 

 

Beachtlich ist an der vorliegenden Entscheidung des OLG, dass dieses das in § 71 Abs. 3 ZPO normierte Recht des Nebenintervenienten einschränkt, d.h. das Akteneinsichtsgesuch bis zur (rechstkräftigen) Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention zurückstellt. dass die Nebenintervenientin bis zum rechtskräftigen Ausspruch der Unwirksamkeit der Nebenintervention im Hauptverfahren zuzuziehen ist, mithin auch die Rechte des Nebenintervenienten (und damit das Recht auf Akteneinsicht) nach § 299 Ab. 1 ZPO hat, da mit Parteien iSv. § 299 Abs. 1 ZPO die Prozessbeteiligten gemeint sind, zu denen auch der Nebenintervenient gemeint ist, was so ersichtlich auch vom OLG verstanden wird.  Gleichwohl ist der Entscheidung zuzustimmen. Das OLG verweist darauf, dass bei Fehlen der Voraussetzungen für eine Nebenintervention sich diese und das Akteneinsichtsgesuch darin erschöpfen würden, die Voraussetzungen des § 299 Abs. 2 ZPO für Akteneinsichtsgesuche durch Dritte zu unterlaufen und/oder statt eines Gesuchs über den Gerichtsvorstand mit abweichenden Rechtsschutzmöglichkeiten zum umgehen. Diesem beugt das OLG durch das Zurückstellen des Antrages vor, da danach das Gesuch dann positiv zu entscheiden wäre, wenn über die Zulässigkeit der Nebenintervention entscheiden wird.  Fraglich ist dies allerdings für den Fall, dass die Entscheidung über die Nebenintervention auch in der Endentscheidung ergehen kann, und - bei Feststellung der Zulässigkeit - die Nebenintervenientin an der Ausübung ihres Rechts nach Art. 103 GG (rechtliches Gehör) gehindert worden wäre. Zwar bezieht sich hier das OLG darauf, dass nach der derzeitigen Begründung der Nebenintervention nach § 66 ZPO nicht von einer zulässigen Nebenintervention auszugehen sei, doch würde dies nicht einen weiteren, die Voraussetzungen evtl. belegenen Vortrag der Nebenintervenientin ausschließen. Grundsätzlich ist das Zurückstellen bis zu einer (rechtskräftigen) Entscheidung über die Nebenintervention sicherlich richtig, da die Gerichtsakte nur parteiöffentlich ist, nicht allgemein zugänglich ist (wie sich auch aus § 299 ZPO erschließt). Allerdings dürfte dann die Entscheidung über die Zulassung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zusammen oder zeitgleich mit der Endentscheidung im Verfahren ergehen.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

I. Über das auf § 299 I ZPO gestützte Akteneinsichtsgesuch der Nebenintervenientin soll erst mit der Entscheidung des Senats über die Zulässigkeit der Nebenintervention entschieden werden.

II. Der Senat geht davon aus, dass bislang kein Akteneinsichtsgesuch nach § 299 II ZPO gestellt ist, das im Übrigen nicht an den Senat, sondern an den Gerichtsvorstand zu richten wäre.

….

 

Gründe

 

Die Entscheidung über den Antrag der Nebenintervenientin auf Akteneinsicht ist bis zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention zurückzustellen.

 

Zwar steht dem Nebenintervenienten nach §§ 71 III, 299 I ZPO grundsätzlich bereits vor der Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention ein Akteneinsichtsrecht zu. Inwieweit dieses im Hinblick auf vor seinem Beitritt mitgeteilte geheimhaltungsbedürftige Informationen eingeschränkt werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn das Akteneinsichtsgesuch ist jedenfalls dann erst mit der Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention zu bescheiden und bei unverändertem Sachstand mit der Nebenintervention zurückzuweisen, wenn die Voraussetzungen der Nebenintervention offensichtlich nicht dargetan sind (offengelassen (für Rechtsmissbrauch) in OLG Düsseldorf Beschl. v. 20.7.2020 - 2 U 33/18, GRUR-RS 2020, 20223 Rn. 10, beck-online). Denn dann erschöpfen sich Nebenintervention und Akteneinsichtsgesuch darin, die Voraussetzungen des § 299 II ZPO für Akteneinsichtsgesuche Dritter zu unterlaufen und/oder die Verfolgung des Einsichtsgesuchs über den Gerichtsvorstand mit ihren abweichenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu umgehen.

 

So verhält es sich hier. § 66 ZPO setzt ein rechtliches Interesse am Obsiegen der unterstützten Partei voraus. Für die Bejahung des Interesses ist es erforderlich, dass die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder bei der Vollstreckung mittelbar oder unmittelbar auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Nebenintervenienten rechtlich einzuwirken vermag (BGH, NJW 2016, 1018 Rn. 13; BeckOK ZPO/Dressler, 46. Ed. 1.9.2022, ZPO § 66 Rn. 7). Erfasst sind insbesondere Fälle der Rechtskrafterstreckung, der Gestaltungswirkung, der Vollstreckbarkeit und Tatbestandswirkung bzgl. des Nebenintervenienten, der Vorgreiflichkeit, der akzessorischen Haftung, der Prozessstandschaft des materiell Berechtigten, des befürchteten Regresses beim Nebenintervenienten oder von Regressansprüchen des Nebenintervenienten.

 

Ein rein tatsächliches oder wirtschaftliches Interesse genügt jedoch nicht. Hierzu gehört der bloße Wunsch eines Nebenintervenienten, der Rechtsstreit möge zu Gunsten einer Partei entschieden werden, und die Erwartung, dass die damit befassten Gerichte auch in einem künftigen eigenen Rechtsstreit mit einer Partei an einem einmal eingenommenen Standpunkt festhalten und zu einer ihm günstigen Entscheidung gelangen. Ebensowenig genügt der denkbare Umstand, dass in beiden Fällen dieselben Ermittlungen angestellt werden müssen oder über gleichgelagerte Rechtsfragen zu entscheiden ist (BGH aaO).

 

 

Im Streitfall steht die Nebenintervenientin in keiner Rechtsbeziehung zum Kläger und in einer rechtlich vom hiesigen Rechtsstreit unabhängigen Beziehung zur Beklagten. Sie gründet ihre Nebenintervention nur darauf, selbst ein einstweiliges Verfügungsverfahren gegen die Beklagte zu betreiben, bei der es um die Ablehnung von Werbeanzeigen im Zusammenhang mit der Zulassung von KFZ, insbesondere der Zuteilung von Wunschkennzeichen gehe. Sie meint, das hiesige Verfahren sei für ihr Verfahren „faktisch präjudiziell“ und stellt damit nur auf ein - wie ausgeführt nicht ausreichendes - tatsächliches Interesse ab