Nachbarrecht


Behinderung des natürlichen Abflusses von Niederschlagwasser auf das Nachbargrundstück

BGH, Urteil vom 09.05.2019 - III ZR 388/17 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Der Kläger verlangte von der beklagten Gemeinde, dass diese einen Rückstau von von der Gemeindestraße abfließendes Wasser auf seinem Grundstück verhindert. Nach seiner Behauptung seien die Böden oberhalb seines Grundstücks (Felder) bei stärkeren Regen nicht mehr in der Lage, anfallendes Wasser aufzunehmen, welches dann über sein Grundstück und die Gemeindestraße auf tiefer gelegene Felder abfließe. Er habe schon zur Vorsicht das Fußbodenniveau seines Bungalows 15cm über den Scheitelpunkt des Straßenniveaus anlegen lassen. Doch nach einem Sommerhochwasser 2011 habe die Gemeinde bei der Beseitigung der  Schäden an der Straße deren Gradiente  um 14,5cm erhöht und damit faktisch einen Damm errichtet, der den Abfluss von Niederschlagwasser auf die benachbarten Felder (unterhalb der Straße) verhindere, was bei Extremregen wie 2011 dann zu einer Überflutung seines Grundstücks führen würde.

 

Landgericht (LG) und Oberlandesgericht (OLG), letzteres durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO, wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Beschlusses des OLG und Zurückverweisung an dieses.

 

Die Rechtsbeziehung der Parteien beurteile sich nach §§ 903ff, 1004 BGB iVm. § 37 Wasserhaushaltsgesetz (WHG). Der bisherige Sach- und Streitstand ließe nach dem im Revisionsverfahren mangels Prüfung durch LG und OLG zugrunde zu legenden Vortrag des Klägers den geltend gemachten vorbeugenden (verschuldensunabhängigen) Abwehranspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht verneinen. Ein Eigentümer könne such grundsätzlich gegen Einwirkungen auf sein Grundstück (auch durch wild abfließendes Niederschlagwasser), die von einem Nachbargrundstück ausgehen, grundsätzlich mit dem auf Unterlassung gerichteten Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zur Wehr setzen, wobei mit dem vorbeugenden Unterlassungsanspruch auch künftige Störungen abgewehrt werden könnten, wenn die erstmalige Beeinträchtigung ernsthaft drohe. Lasse sich die drohende Beeinträchtigung nicht anders verhindern, könne er auch der Betroffene auch ein aktives Eingreifen in Form „geeigneter Maßnahmen“, wie hier beantragt, verlangen. Soweit das OLG die Annahme vertreten habe, der Unterlieger sei in Ermangelung landesrechtlicher Vorschriften berechtigt, Niederschlagwasser abzuwehren, während spiegelbildlich der Oberlieger dies für den Fall der dadurch bedingten Beeinträchtigung seines Grundstücks hinzunehmen habe, auch wenn dort das Niederschlagwasser nicht primär angefallen sei, beruhe dies auf einer Verkennung von § 37 Abs. 1 S. 1 WHG. Danach dürfe wild abfließendes Wasser auf ein tiefer liegendes Grundstück nicht zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks behindert werden. Die Beklagte sei als Störerin iSv. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB anzusehen, weil sie bei der Planung und Ausführung der Sanierung der Straße § 37 Abs. 1 S. 1 WHG nicht beachtet habe. Hier hätte die Beklagte die anerkannten Regeln der Straßenbautechnik und der Wasserwirtschaft zu beachten gehabt. Dazu würden auch die Vorschriften des Wasser- und Nachbarrechts über Veränderungen des Ablaufs wild abfließenden Wassers gehören (BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 397/13 -; BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - III ZR 269/05 -). Niederschlagwasser gehöre zum wild ablaufenden, nicht in einem Bett fließenden Oberflächenwasser (s. § 37 Abs. 4 WHG), solange es nicht (wie hier nicht vorliegend) gem. § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WHG aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließen würde und damit dem Regime der Abwasserbeseitigung nach §§ 54ff WHG unterfalle. Eine künstliche Veränderung des natürlichen Ablaufs wild abfließenden Wassers zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks sei verboten. Auszugehen sei vom natürlichen Geländegefälle, wobei vorliegend der Zustand vor der Sanierung der Straße entscheidend sei. Entscheidend sei der natürliche Abflusszustand im Zeitpunkt der Geltendmachung des Abwehranspruchs durch den Nachbarn. Deshalb sei auch dann ein natürlicher Ablauf gegeben, wenn der natürliche Ursprungszustand in der Vergangenheit durch künstliche Eingriffe verändert worden sei oder über einen längeren Zeitraum widerspruchslos hingenommen worden sei. Entscheidend sei, ob der vorhandene Zustand in seiner Gesamtheit rechtmäßig bestünde und damit zugleich das natürliche Gefälle mitbestimme.

 

Der Nachteil iSv. § 37 Abs. 1 S. 1 WHG sei objektiv grundstücksbezogen festzustellen. Die Nutzbarkeit des betroffenen Grundstücks müsse gegenüber dem bisherigen Zustand eingeschränkt sein, wobei dies von einigem Gewicht und spürbar sein müsse und das Grundstück erheblich beeinträchtigen müsse. Nur drohende Nachteile würden allerdings nicht ausreichen; sie müssten tatsächlich eintreten oder zumindest mit Sicherheit zu erwarten sein, wobei ausreichend sei, wenn sich die Wasserzufuhr nur bei stärkeren Regen nachteilig auswirke. Lediglich dann, wenn eine Beeinträchtigung des betroffenen Grundstücks nur bei ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen (Katastrophenregen) zu erwarten sei, sei ein Nachteil zu verneinen, da sich in einem solchen Fall weniger die durch Rückstau geschaffene latente Gefahr verwirkliche,  sondern die in einem Katastrophenregen zum Ausdruck kommende höhere Gewalt. Höhere Gewalt aber können den Anspruch nicht begründen. Es würde aber ebenfalls insoweit eine Rolle spielen, ob ein (drohendes) Schadensereignis nicht gleichwohl mit wirtschaftlich zumutbaren Mitteln abgewendet werden könne (BGH, Urteil vom 19.01.2006 - III ZR 121/05 -).

 

 

§ 907 BGB sei wegen der spezielleren Regelung in § 37 WHG nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 12-11-1999 – V ZR 229/98 – zu § 21 HessNachbG). Die wassernachbarrechtlichen Vorschriften würden insoweit sondergesetzlich und abschließend bestimmen, was als unzulässige Einwirkung iSv. § 907 BGB anzusehen sei.

 

Aus den Gründen:

 

 Tenor

 

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock - 3. Zivilsenat - vom 4. Januar 2017 aufgehoben.

 

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

 

Der Kläger nimmt die beklagte Gemeinde aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau darauf in Anspruch, "durch geeignete Maßnahmen" zu verhindern, dass sich abfließendes Niederschlagswasser von einer Gemeindestraße auf sein Grundstück zurückstaut.

 

Der Kläger ist seit 2005 gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer eines im Gebiet der Beklagten belegenen Grundstücks. Dieses liegt zwischen landwirtschaftlichen Flächen im Südosten und der Gemeindestraße "S.    F.    " im Nordwesten. Jenseits der Straße schließen sich in nordwestlicher Richtung weitere Felder an. Ob ein von Südosten nach Nordwesten verlaufendes Gefälle besteht, ist zwischen den Parteien ebenso streitig wie die Bodenbeschaffenheit.

 

Der Kläger behauptet, bei stärkeren Regenfällen seien die Böden der oberhalb seines Grundstücks belegenen Felder insbesondere im Winter regelmäßig nicht mehr in der Lage, anfallendes Wasser aufzunehmen, das dann über sein Grundstück und die Gemeindestraße auf die tiefer gelegenen nordwestlichen Felder abfließe. Um sich vor Hochwasser zu schützen, habe er das Fußbodenniveau des von ihm errichteten Bungalows rund 15 cm über dem Scheitelpunkt des Straßenniveaus anlegen lassen. Aus diesem Grund sei sein Eigentum von starken Hochwassern Ende Januar/Anfang Februar 2006 und im Sommer 2011 kaum betroffen gewesen. Allerdings habe die Beklagte im Zuge der Beseitigung der bei dem Sommerhochwasser 2011 entstandenen Schäden an der Straße "S.    F.    " entgegen einer anders lautenden Zusicherung die Gradiente der Straße im Jahr 2012 um 14,5 cm erhöht. Faktisch sei dadurch ein Damm errichtet worden, der den Abfluss des Niederschlagswassers auf die benachbarten Felder behindere. Zwar sei es seitdem noch nicht zu einer Überflutung seines Grundstücks gekommen, dies sei jedoch nur den günstigen Witterungsbedingungen geschuldet.

 

Die Beklagte behauptet, die Grundstücke diesseits der Straße lägen seit jeher tiefer als der Straßenkörper. Im Zuge der Straßenerneuerung sei das ursprünglich vorhandene Entwässerungsrohr durch ein größeres ersetzt worden, das den Abfluss von Niederschlagswasser ausreichend gewährleiste. Die Straße sei überdies mit einem Gefälle in Richtung der auf der anderen Straßenseite gelegenen Straßengräben und Felder versehen worden. Niederschlagswasser könne nicht in Richtung der Wohngrundstücke fließen.

 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

 

Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom Senat zugelassenen Revision.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

 

I.

 

Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der Kläger könne den geltend gemachten Anspruch weder auf § 1004 in Verbindung mit § 907 oder § 823 BGB noch auf einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch stützen. Durch die (behauptete) Veränderung der Straßengradiente habe die Beklagte nicht in unzulässiger Weise auf das Grundstück des Klägers eingewirkt. Die Beklagte sei als Unterliegerin in Ermangelung anderweitiger landesrechtlicher Bestimmungen grundsätzlich berechtigt, das von höher liegenden Grundstücken auf ihr Grundstück abfließende wilde Niederschlagswasser abzuwehren. Der Kläger sei als Oberlieger spiegelbildlich verpflichtet, einen Rückstau des abfließenden wilden Niederschlagswassers hinzunehmen, selbst wenn sein eigenes Grundstück nicht dasjenige sei, auf dem das Niederschlagswasser primär angefallen sei. Nichts anderes ergebe sich daraus, dass die Rückstaugefahr nach der Behauptung des Klägers durch den Ausbau der Gemeindestraße entstanden sei. Die Rücksichtnahme auf den Unterlieger führe nicht dazu, dass der Oberlieger an der Bewirtschaftung seines Grundstücks gehindert sei. Auch der Unterlieger sei mit Blick auf das auf sein Grundstück fließende Niederschlagswasser nicht gehindert, dieses nach seinem Gutdünken zu bewirtschaften. Die Anlegung einer Straße mit erhöhter Gradiente werde durch das Recht auf eigenständige Bewirtschaftung des Unterlieger-Grundstücks gedeckt. Die veränderte wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks der Beklagten entspreche der Planfeststellung und damit einer rechtmäßig geänderten wirtschaftlichen Nutzung des Unterlieger-Grundstücks. Bei dieser Sachlage stelle sich das geänderte Abflussverhalten von wildem Niederschlagswasser nicht als "künstliche Veränderung des Wasserlaufs" zum Nachteil des Klägers und eine der Beklagten zurechenbare Störung dar, sondern als mittelbare Folge einer zulässigen Grundstücksnutzung. Die Beklagte sei nicht Störerin im Sinne des § 1004 BGB. Es handele sich um Niederschlagswasser, das nicht auf dem Grundstück der Beklagten anfalle. Die Störung gehe von den oberhalb gelegenen Grundstücken aus. In Bezug auf das von fremden Grundstücken abgeleitete Niederschlagswasser treffe die Beklagte nach § 40 Abs. 3 Satz 2 Landeswassergesetz Mecklenburg-Vorpommern keine originäre Beseitigungspflicht. Danach sei nur derjenige zur Beseitigung des Niederschlagswassers verpflichtet, bei dem es anfalle. Außerdem fehle es an der von § 907 BGB vorausgesetzten "sicheren" Gefährdung des klägerischen Grundstücks.

 

II.

 

Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

 

Auf der Grundlage des für die Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Sachvortrags des Klägers ist ein gegen die Beklagte gerichteter Anspruch auf Vornahme von Maßnahmen zur Verhinderung einer zusätzlichen Belastung seines Grundstücks mit wild abfließendem Niederschlagswasser nicht auszuschließen.

 

1. Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten bestehen nicht. Die Beklagte erhebt im Revisionsrechtszug insoweit mit Recht keine Einwendungen mehr, mit denen sie allerdings nicht gemäß § 17a Abs. 5 GVG ausgeschlossen wäre, da die Vorinstanzen über ihre entsprechende vor dem Landgericht erhobene Rüge nicht gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab entschieden haben (vgl. Senatsurteil vom 25. Februar 1993 - III ZR 9/92, BGHZ 121, 367, 370 ff).

 

2. Die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien beurteilen sich nach §§ 903 ff, § 1004 BGB in Verbindung mit § 37 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), der die frühere landesrechtliche Vorschrift des § 80 Abs. 2 bis 5 des Wassergesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 30. November 1992 (GVBl. S. 669, im Folgenden: WG Mecklenburg-Vorpommern) ersetzt hat (vgl. Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts, BT-Drs. 16/12275, S. 82; Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, 11. Aufl., § 37 Rn. 8). Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand lässt sich der geltend gemachte vorbeugende (verschuldensunabhängige) Abwehranspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht verneinen. Da das Berufungsgericht vom Tatsachenvortrag des Klägers abweichende Feststellungen nicht getroffen hat, ist dieser im Revisionsverfahren als richtig zu unterstellen. Auf der Grundlage der Behauptungen des Klägers ist der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte begründet.

 

a) Der Eigentümer eines Grundstücks kann sich gegen Einwirkungen hierauf - auch durch wild abfließendes Niederschlagswasser -, die von einem Nachbargrundstück ausgehen und sein Eigentum (§ 903 BGB) beeinträchtigen, grundsätzlich mit dem auf Unterlassung gerichteten Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Wehr setzen (zB Senatsurteil vom 18. April 1991 - III ZR 1/90, BGHZ 114, 183, 185 f). Mit dem vorbeugenden Unterlassungsanspruch können auch künftige Störungen abgewehrt werden, sofern die erstmalige Beeinträchtigung ernsthaft droht (vgl. BGH, Urteile vom 17. September 2004 - V ZR 230/03, NJW 2004, 3701, 3702 und vom 19. Juni 1951 - I ZR 77/50, BGHZ 2, 394, 395). Lässt sich die drohende Beeinträchtigung nicht anders verhindern, kann unter Umständen auch ein aktives Eingreifen des Anspruchsgegners in Form "geeigneter Maßnahmen" - wie vom Kläger beantragt - geboten sein (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juni 2015 - V ZR 168/14, NJW-RR 2016, 24 Rn. 27 und vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037).

 

Inhalt und Umfang des Anspruchs im Einzelnen ergeben sich aus der gesetzlichen Regelung des Nachbarrechts, das durch den Ausgleich der einander widerstreitenden Interessen der Nachbarn gekennzeichnet ist und sich nicht nur im Bürgerlichen Gesetzbuch selbst findet (§§ 906 ff BGB), sondern auch in den die allgemeinen nachbarrechtlichen Bestimmungen ändernden und sie ergänzenden Rechtsvorschriften enthalten ist. Die jeweilige Eigentümerstellung wird durch die Zusammenschau aller sie regelnden gesetzlichen Vorschriften bestimmt, die zugleich ihren Inhalt wie ihre Schranken ausmachen. In dem hiernach gegebenen Rahmen kann sich der Eigentümer gegen die Beeinträchtigungen seines Eigentums zur Wehr setzen (Senat aaO S. 186 mwN).

 

b) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Unterlieger sei in Ermangelung landesrechtlicher Vorschriften berechtigt, das Niederschlagswasser abzuwehren, während der Oberlieger dies "spiegelbildlich" auch für den Fall der Beeinträchtigung seines Grundstücks durch einen Rückstau des Wassers hinzunehmen habe, selbst wenn das Niederschlagswasser dort nicht primär angefallen sei, beruht darauf, dass die Vorinstanz § 37 Abs. 1 Satz 1 WHG verkannt hat.

 

Nach dieser Bestimmung darf der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers auf ein tiefer liegendes Grundstück nicht zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks behindert werden. Mit dem hier maßgeblichen Inhalt ist die Vorschrift am 1. März 2010 in Kraft getreten (Art. 24 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 aaO; siehe i.Ü. zuvor auch § 80 Abs. 2 WG Mecklenburg-Vorpommern) und betrifft solche Fallgestaltungen, in denen die tatbestandliche Ablaufbehinderung - wie hier die vom Kläger behauptete Erhöhung der Straßengradiente im Jahr 2012 - nach diesem Zeitpunkt vorgenommen worden ist (Senatsurteil vom 26. Januar 2017 - III ZR 465/15, NJOZ 2018, 29 Rn. 8).

 

c) Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Klägervortrag ist die Beklagte als Störerin im Sinne von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB anzusehen, weil sie bei der Planung und Ausführung der Sanierung der Straße "S.    F.    " § 37 Abs. 1 Satz 1 WHG nicht hinreichend beachtet hat.

 

aa) Bei der Planung und dem Bau von Straßen hat der Träger der Straßenbaulast die anerkannten Regeln der Straßenbautechnik und der Wasserwirtschaft zu beachten. Zu diesen gehören auch die Vorschriften des Wasser- und Nachbarrechts über Veränderungen des Ablaufs wild abfließenden Wassers (Senatsurteil vom 23. April 2015 - III ZR 397/13, NVwZ 2015, 1317 Rn. 17 und Senatsbeschluss vom 29. Juni 2006 - III ZR 269/05, NVwZ-RR 2006, 758 Rn. 8 mwN).

 

(1) Zum wild ablaufenden, das heißt ungefassten, nicht in einem Bett fließenden Oberflächenwasser gehört grundsätzlich auch Niederschlagswasser (siehe § 37 Abs. 4 WHG), solange es nicht - wie es hier nicht der Fall ist - nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließt und daher dem Regime der Abwasserbeseitigung nach den §§ 54 ff WHG unterfällt (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Aufl., § 37 Rn. 12; zur - hier nicht einschlägigen - landesrechtlichen Regelung vgl. § 40 WG Mecklenburg-Vorpommern).

 

(2) Verboten ist eine künstliche Veränderung des natürlichen Ablaufs von wild abfließendem Wasser zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks. Ausgangspunkt ist insoweit das natürliche Geländegefälle. Maßgeblich sind hier die vorhandenen Geländeverhältnisse vor der Sanierung der Straße "S.   F.   ". Der natürliche Abflusszustand ist nach den Rechtsverhältnissen zu beurteilen, die im Zeitpunkt der Geltendmachung von Abwehransprüchen des Nachbarn bestehen (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 2017 aaO Rn. 16 zu Art. 63 BayWG; Grziwotz, Nachbarrecht, 3. Teil Rn. 281; Drost, Das Wasserrecht in Bayern, Art. 63 Rn. 4 [Stand: Januar 2009]). Ein natürlicher Ablauf ist daher auch dann gegeben, wenn der natürliche Ursprungszustand in der Vergangenheit durch künstliche Eingriffe verändert worden ist, sofern dies mit Einwilligung der Betroffenen erfolgt oder über einen längeren Zeitraum widerspruchslos hingenommen worden ist. Es ist darauf abzustellen, ob der vorhandene Zustand in seiner Gesamtheit rechtmäßig besteht und damit zugleich den Zustand des natürlichen Gefälles mitbestimmt (Senat und Drost jew. aaO). Der natürliche Ablauf richtet sich also nach den vorhandenen Boden- und Geländeverhältnissen, auch wenn diese zuvor nach der vorstehenden Maßgabe (künstlich) verändert wurden (Niesen in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl., § 37 Rn. 9).

 

(3) Ob ein "Nachteil" im Sinne des § 37 Abs. 1 Satz 1 WHG vorliegt, ist objektiviert grundstücksbezogen (und nicht nur subjektiv) zu beurteilen. Die Nutzbarkeit des betroffenen Grundstücks muss gegenüber dem bisherigen Zustand eingeschränkt sein; es muss eine "Belästigung" für den Grundstückseigentümer entstanden sein, die von einigem Gewicht und spürbar ist, und dadurch sein Grundstück erheblich beeinträchtigt werden (Senatsurteil vom 13. Mai 1982 - III ZR 180/80, NVwZ 1982, 700, 701). Nur drohende Nachteile reichen nicht aus, sie müssen tatsächlich eintreten oder doch mit Sicherheit zu erwarten sein (Senatsurteil vom 17. Januar 2017 aaO Rn. 11). Ausreichend ist aber, dass sich die Wasserzufuhr nur bei stärkerem Regen nachteilig auswirkt (Grziwotz aaO Rn. 285; vgl. auch Senatsurteil vom 13. Mai 1982 aaO).

 

Ein Nachteil in diesem Sinn ist allerdings zu verneinen, wenn eine Beeinträchtigung des betroffenen Grundstücks nur bei einem ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen (Katastrophenregen) zu erwarten ist (vgl. dazu etwa Senatsurteile vom 5. Juni 2008 - III ZR 137/07, NVwZ-RR 2008, 672 Rn. 10; vom 19. Januar 2006 - III ZR 121/05, BGHZ 166, 37 Rn. 7 und vom 22. April 2004 - III ZR 108/03, BGHZ 159, 19, 22 f). Ebenso wie beispielsweise bei der Anlagenhaftung gemäß § 2 Abs. 3 Haftpflichtgesetz oder der Haftung aus enteignendem Eingriff verwirklicht sich in einem solchen Fall weniger die durch den Rückstau von Niederschlags- oder sonstigem wild abfließendem Wasser geschaffene latente Gefahr, sondern die in einem Katastrophenregen zum Ausdruck kommende höhere Gewalt (Senatsurteile vom 5. Juni 2008; vom 19. Januar 2006 und vom 22. April 2004; jeweils aaO). Ein Nachteil, der letztlich nicht mehr auf dem Eingriff des Anspruchsgegners, sondern auf den Wirkungen höherer Gewalt beruht, kann einen Unterlassungsanspruch nicht begründen. Bei der Beurteilung wird es indes ebenfalls eine Rolle spielen, ob ein (drohendes) Schadensereignis nicht gleichwohl mit wirtschaftlich zumutbaren Mitteln abgewendet werden kann (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 2006 aaO Rn. 8).

 

bb) Dies zugrunde gelegt, ist es nach dem bisherigen Sach- und Streitstands nicht ausgeschlossen, dass sich die Straßenbaumaßnahmen der Beklagten im Sinne des § 37 Abs. 1 Satz 1 WHG nachteilig auf das klägerische Grundstück ausgewirkt haben.

 

(1) Ein Verstoß gegen § 37 Abs. 1 Satz 1 WHG kann darin liegen, dass durch Straßenbaumaßnahmen der Abfluss des Wassers auf die Nachbargrundstücke verstärkt wird (zB Senatsurteil vom 6. Dezember 1973 - III ZR 49/71, BeckRS 1973, 30381350 unter II.3.b zu § 81 Abs. 2 Wassergesetz für Baden-Württemberg vom 25. Februar 1960, Gesetzbl. S. 17). Ebenso darf der Straßenbaulastpflichtige etwa im Zusammenhang mit dem Ausbau einer Straße einen den natürlichen Wasserabfluss verhindernden Damm nicht errichten (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2006 aaO zu einem Lärmschutzwall). Nichts anderes kann für die behauptete Erhöhung der Gradiente einer zu sanierenden Straße um 14,5 cm gelten, sofern sie dazu führt, dass hierdurch das Oberlieger-Grundstück durch den Rückstau des abfließenden Wassers im vorstehend genannten Sinn beeinträchtigt wird.

 

(2) Eine bei einem heftigen Regen zu erwartende im Vergleich zu dem Zustand vor der Sanierungsmaßnahme stärkere Überschwemmung eines Grundstücks, insbesondere der darauf errichteten und bislang von Überflutungen nicht oder nicht nennenswert betroffenen Gebäude, stellt einen deutlich spürbaren Nachteil im Sinne von § 37 Abs. 1 Satz 1 WHG dar, der das Grundstück erheblich beeinträchtigt, sofern dies nicht nur in extremen Ausnahmefällen, sondern regelmäßig wiederkehrend zu befürchten ist. Zugleich liegt darin eine ernsthaft drohende Beeinträchtigung im Sinne von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dass die bestehende Gefahr sich verwirklicht, braucht der Betroffene nicht abzuwarten.

 

§ 907 BGB ist wegen der spezielleren Regelung in § 37 WHG nicht anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1999 - V ZR 229/98, NJW-RR 2000, 537, 538 mwN zu § 21 HessNachbG). Die wassernachbarrechtlichen Vorschriften bestimmen insoweit sondergesetzlich und abschließend, was als unzulässige Einwirkung im Sinne von § 907 BGB anzusehen ist (BGH aaO).

 

cc) Einem Anspruch des Klägers lässt sich nach bisherigem Sach- und Streitstand ein etwaiges die Gemeindestraße "S.   F.   " betreffendes Planfeststellungsverfahren nicht entgegenhalten. Es besteht derzeit kein Anlass für die Annahme, der Kläger könnte angesichts eines planfestgestellten Vorhabens, in dem er seine Rechte hätte geltend machen und gegebenenfalls durchsetzen können, mit zivilrechtlichen Ansprüchen gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ausgeschlossen sein (vgl. dazu Senatsurteil vom 21. Januar 1999 - III ZR 168/97, BGHZ 140, 285, 296, 300 f; BGH, Urteile vom 30. Oktober 2009 - V ZR 17/09, NJW 2010, 1141 Rn. 18 und vom 10. Dezember 2004 - V ZR 72/04, BGHZ 161, 323, 329 ff; siehe auch Senatsurteil vom 23. April 2015 aaO Rn. 11). Zwar ist in dem Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts davon die Rede, die veränderte wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks der Beklagten entspreche der "Planfeststellung". Feststellungen dazu, wann und in welchem Zusammenhang und mit welchem Gegenstand ein Planfeststellungsverfahren stattgefunden hat und welchen Inhalt ein etwaiger Planfeststellungsbeschluss hatte, hat das Berufungsgericht aber nicht getroffen. Tatsächliche Anhaltspunkte ergeben sich auch weder aus dem Parteivortrag noch sind sie sonst ersichtlich.

 

d) Zu den von der Beklagten bestrittenen Behauptungen des Klägers, dass die Sanierungsmaßnahmen an der Straße "S.    F.   " zu einer Erhöhung der Gradiente von 14,5 cm geführt haben und dass eine solche Erhöhung geeignet ist, einen so erheblichen Rückstau von Niederschlagswasser auf das klägerische Grundstück zu bewirken, dass es bei künftig auftretendem Starkregen und/oder Tauwetter absehbar zu Schäden, insbesondere am Wohnhaus, kommen kann, hat das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, bislang keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Dies ist unter Berücksichtigung des Sachvortrags beider Parteien und der Streithelferin der Beklagten nachzuholen.

 

III.

 

Das Berufungsurteil ist daher gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen zu treffen sind, ist der Senat an einer eigenen Sachentscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO gehindert.