Kurze Inhaltsanagbe:
Streitgegenständlich war die Frage, ob die die beklagte Gemeinde nach § 24 BauGB von einem Vorkaufsrecht Gebrauch machen durfte. Das Verwaltungsgericht (VG) hatte die von der Käuferin erhobene Klage gegen den auf Ausübung des Vorkaufrechts durch die Beklagte gerichteten Bescheid als unbegründet zurückgewiesen. Ihre Berufung gegen das Urteil war insoweit erfolgreich.
Zur Begründung des Vorkaufsrechts hatte die Beklagte ausgeführt, das Grundstück läge in einem Bereich, für den der Flächennutzungsplan eine Wohnbebauung vorsähe. Sie beabsichtige zur gegebenen Zeit einen Bebauungsplan aufzustellen, sobald sie die hierfür erforderliche Grundstücke erworben habe. Andernfalls würde die Gefahr bestehen, dass bei einer Baulandentwicklung Baulücken entstehen, die nicht dem allgemeinen Grundstücksmarkt zur Verfügung stünde. Mit Ausübung des Vorkaufsrechts solle auch Kontrolle über das zukünftige Preisniveau erzielt werden.
Entgegen dem VG ging der Hess. Verwaltungsgerichtshof (VGH) davon aus, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung nicht berechtigt gewesen sei, ihr gemeindliches Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BauBG auszuüben. Die Voraussetzung des § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB, dass die Ausübung dem Wohl der Allgemeinheit dienen müsse, läge nicht vor. Zwar sei die Ausübung des Vorkaufsrechts in einem Fall wie diesem (Kauf eines im Außenbereich belegenen unbebauten Grundstücks im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans, der eine Bebauung als Wohnbaufläche/Wohngebiet vorsehe) vor, doch müsse die Ausübung durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt sein.
Auch wenn an der Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BauGB keine überzogenen Anforderungen zu stellen wären, würde die Darstellung im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche/Wohngebiet nicht ausreichend sein. Erforderlich sei, dass die erworbene Fläche unmittelbar oder mittelbar für die Errichtung von Wohngebäuden oder deren infrastruktureller Ausstattung erworben würde. Der Ausübung seien auch zeitliche Grenzen gesetzt. So rechtfertige das Wohl der Allgemeinheit iSv. § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB die Inanspruchnahme nur, wenn die Gemeinde auch alsbald nach Ausübung des Vorkaufrechts die erforderlichen (weiteren) Schritte unternehme, um das städtebauliche Ziel der Bereitstellung von Wohnbauland zu verwirklichen. Das wiederum gebiete die alsbaldige Aufstellung eines Bebauungsplanes, da nur so der gesetzgeberischen Intention der Begegnung von Wohnraummangel entsprochen werden könne (BVerwG, Beschluss vom 25.01.2010 - 4 B 53.09 -).
Das rechtfertige die Ausübung des Vorkaufrechts nur wenn damit Flächen unmittelbar oder (als Tauschland) mittelbar für die Errichtung von Wohngebäuden bzw. deren infrastrukturelle Ausstattung erworben würden, nicht aber zur Bodenbevorratung oder um später möglicherweise Tauschgrundstücke im Rahmen der Verfolgung gänzlich anderer Zwecke zu haben. Nach der Intention des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BauGB zugrunde liegenden Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz/BauGB-Maßnahmegesetz 1990 (übernommen in das BauGB) sollte die Vorbereitung und Durchführung von Wohnbauvorhaben in Gebieten, die die Gemeinde durch Bebauungspläne entwickeln wolle, erleichtert werden.
Vorliegend habe die Gemeinde selbst nicht geltend gemacht, dass sie zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung als maßgeblicher Zeitpunkt oder danach planerisch tätig geworden sei und ernsthaft eine Ausweisung als Wohnbaufläche betreibe. Reine Absichtsbekundungen würden nicht ausreichen.
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 16. November 2018 - 3 K 4767/17.GI - abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2017 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu 5/6 und zu Klägerin zu 1/6 zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte nach den Vorschriften des Baugesetzbuches berechtigt gewesen ist, ihr gemeindliches Vorkaufsrecht auszuüben.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 24. März 2016 veräußerte eine Erbengemeinschaft, bestehend aus der Cousine und dem Cousin der Klägerin (im Folgenden: Verkäufer), u. a. das Grundstück Gemarkung Atzbach, Flur …, Flurstück … an die Klägerin. Bei dem Grundstück handelt es sich um eine landwirtschaftliche Fläche in unmittelbarer Ortsrandlange, die im Flächennutzungsplan der Beklagten als „Wohnbaufläche“ ausgewiesen ist.
Nachdem der Notar mit Schreiben vom 31. März 2016 gegenüber der Beklagten den Kaufvertrag angezeigt hatte, übte diese mit gleichlautenden Bescheiden vom 14. April 2016 gegenüber den Vertragsparteien ihr gemeindliches Vorkaufsrecht für das Grundstück aus. Zur Begründung führte sie aus, das Grundstück liege in einem Bereich, für den der Flächennutzungsplan eine Wohnbaufläche vorsehe. Sie beabsichtige zu gegebener Zeit für die Flächen einen Bebauungsplan aufzustellen, sobald sie die hierfür erforderlichen Grundstücke erworben habe. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass bei einer Baulandentwicklung mit Grundstücken, die sich nicht in ihrem Eigentum befänden, Baulücken entstünden, die nicht dem allgemeinen Grundstücksmarkt zur Verfügung stünden. Um den Bauwilligen Grundstücke zu angemessenen Preisen zur Verfügung stellen zu können, solle durch die Ausübung des Vorkaufsrechtes auch Kontrolle über das zukünftige Preisniveau erzielt werden.
Hiergegen legte der Bevollmächtigte der Klägerin am 19. Mai 2016 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2017 zurückwies.
Am 6. Juni 2017 hat die Klägerin Klage erhoben. Zwar liege das Grundstück im Bereich des Flächennutzungsplans, dies sei jedoch bereits seit den siebziger Jahren der Fall. Der Flächennutzungsplan gelte seit Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, konkrete Planungen der Beklagten habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Verkauf des Grundstücks Gemarkung Atzbach, Flur …, Flurstück Nr. … (fehlerhaft bezeichnet: …), …straße, L 179 der Urkundenrolle für das Jahr 2016 des Notars …, verhandelt am 24.03.2016) zuzustimmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 16. November 2018 - 3 K 4767/17.GI -, der Klägerin zugestellt am 20. November 2018, die Klage abgewiesen.
Auf Antrag der Klägerin vom 18. Dezember 2018, begründet mit Schriftsatz vom 21. Januar 2019, eingegangen am selben Tag, einem Montag, hat der Senat mit Beschluss vom 17. März 2020 - 3 A 2774/18.Z - die Berufung zugelassen.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 21. April 2020 die Berufung begründet und trägt im Wesentlichen vor, Voraussetzung für die Geltendmachung eines Vorkaufrechtes nach § 24 Abs. 1 BauGB sei zum einen ein rechtskräftiger Flächennutzungsplan - der vorliege -, zum anderen, dass die Ausübung des Vorkaufsrechtes durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt sei. Letzteres sei hier nicht der Fall. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB dürfe nur in Anspruch genommen werden, um in absehbarer Zeit Wohnraum zu schaffen. Allgemeine bodenpolitische Erwägungen, wie z. B. die Verschaffung von Bauland für Einheimische, reiche als Rechtfertigung für die Ausübung des Vorkaufsrechtes nicht aus. Für den Fall, dass es niemals zum Erlass eines Bebauungsplanes für das fragliche Gebiet komme, hätte die Klägerin auch keine Möglichkeit durchzusetzen, dass sie doch noch Grundstückseigentümerin werde. Wirke eine Veränderungssperre nur zeitlich begrenzt, dürfe auch durch ein Vorkaufsrecht die Planungsabsicht der Gebietskörperschaft nicht unbegrenzt gesichert werden. Die Beklagte habe im Übrigen das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt, so dass der angegriffene Bescheid auch deshalb fehlerhaft sei. Das Interesse der Klägerin, das Grundstück in der Familie zu halten, sei nicht berücksichtigt worden. Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass sie bereit und in der Lage sei, das Grundstück entsprechend den Vorgaben eines - noch zu erlassenden - Bebauungsplans zu bebauen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Verkauf des Grundstücks Gemarkung Atzbach, Flur …, Flurstück Nr. …, …straße, L 179 der Urkundenrolle für das Jahr 2016 des Notars …, verhandelt am 24. März 2016) zuzustimmen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, allgemein gültige Maßstäbe dafür, welche Anforderungen an die Allgemeinwohlrechtfertigung im Sinne des § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu stellen seien, ließen sich nicht bestimmen. Dies folge daraus, dass die nach § 24 Abs. 1 BauGB in Betracht kommenden unterschiedlichen Vorkaufstatbestände zu verschieden seien und deshalb rechtlich unterschiedlich behandelt werden müssten. So biete ein Bebauungsplan entsprechend seiner Funktion ein weitaus detaillierteres (parzellenscharfes) Bild der zukünftigen baulichen Nutzung als ein Flächennutzungsplan. Letztendlich sei eine Entscheidung im Einzelfall zu treffen, wobei an die Ausübung eines Vorkaufsrechts im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürften. Es müsse als genügend angesehen werden, wenn die das Vorkaufsrecht ausübende Gemeinde für das betreffende Grundstück eine dem Flächennutzungsplan entsprechende Verwendung anstrebe. Dies habe der Hessische Verwaltungsgerichtshof auch in seinem Beschluss vom 20. Juni 2003 - 3 UE 371/03 - entsprechend judiziert. Dem stehe auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen, die der Ausübung des Vorkaufsrechts zeitliche Grenzen auferlege. Das Bundesverwaltungsgericht habe lediglich entschieden, im Regelfall sei die alsbaldige Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans Voraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechtes. Ob auch andere Vorbereitungsmaßnahmen geeignet seien, die ernsthafte Verfolgung der vom Gesetzgeber angestrebten Ziele zu belegen, habe das Bundesverwaltungsgericht offengelassen. Die Beklagte betreibe eine Baulandentwicklungspolitik, die darauf abziele, Flächen erst dann zu überplanen, wenn sie sich im gemeindlichen Eigentum befänden. Damit sollten spekulative Motive unterbunden werden, um möglichst kostengünstig Bauland an Private verkaufen zu können. Auch werde hierdurch die unerwünschte Entstehung von Baulücken vermieden. Im August 2018 habe sie alle Eigentümer von Baulücken angeschrieben und angefragt, ob ein Verkauf des Grundstücks denkbar sei. Es sei auch lebensfremd anzunehmen, die Ortsrandlange werde nicht zeitnah arrondiert, zumal die fraglichen Grundstücke leicht zu erschließen seien. Sie betreibe nicht reine „Bodenbevorratung“, da auf Grund der Lage der Grundstücke die Entwicklung als Bauland für Wohnnutzung auf der Hand liege. Nach dem derzeit geltenden Flächennutzungsplan existierten im Gemeindegebiet zwei Wohngebietserweiterungsflächen. Zum einen im Ortsteil Atzbach „...straße“, wo sich das streitgegenständliche Flurstück befinde, und zum anderen zwischen den Ortsteilen Dorlar und Waldgirmes. In dem Gebiet zwischen Dorlar und Waldgirmes betreibe die Beklagte aktiv Flächenankauf. Es handele sich allerdings um ein langfristiges Vorhaben, das jederzeit scheitern könne. Sie müsse daher eine Alternative mitplanen, um kurzfristig Bauland bereitstellen zu können. Die in Privateigentum befindlichen Baulücken - sofern sie veräußert würden – würden derzeit zu überhöhten Preisen verkauft. Das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB greife - anders als die anderen Vorkaufstatbestände - in einem frühen Planungsstadium. Es könne daher nicht auf die unmittelbare „Verwirklichung“ der Planungen, sondern nur darauf ankommen, ob für den von der Gemeinde verfolgten Zweck eine hinreichende Realisierungschance bestehe. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei hier auch nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Bei dem gemeindlichen Vorkaufsrecht handele es sich in erster Linie um ein Instrument der Planungssicherung, bei dem zwar grundsätzlich auch widerstreitende private Belange im Rahmen einer entsprechenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen seien, jedoch nur gemessen an Ziel und Zweck der gesetzlichen Ermächtigung. Das überwiegende öffentliche Interesse an der Ausübung des Vorkaufsrechts sei regelmäßig indiziert, wenn das Wohl der Allgemeinheit zu bejahen sei.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die in der Gerichtsakte befindlichen Schriftstücke sowie den von der Beklagten eingereichten Verwaltungsvorgang (ein Aktenheft). Die Unterlagen sind insgesamt zum Gegenstand der Beratung gemacht worden.
Der Senat kann über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit diesem Vorgehen einverstanden erklärt haben (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist, soweit sie unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 14. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2017 begehrt, begründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beklagte war im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht berechtigt, ihr gemeindliches Vorkaufsrecht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB auszuüben, da das Wohl der Allgemeinheit dies gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht rechtfertigt.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB liegen hier unstreitig vor, wonach der Gemeinde ein Vorkaufsrecht bei dem Kauf von Grundstücken im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans zusteht, soweit es sich um unbebaute Flächen im Außenbereich handelt, für die nach dem Flächennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet dargestellt ist. Gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB darf das Vorkaufsrecht allerdings nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Diese Voraussetzung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erfüllt.
Zwar dürfen nach der einschlägigen Rechtsprechung und Kommentarliteratur, der der Senat folgt, an die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Allein die Darstellung der Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet im Flächennutzungsplan soll allerdings nicht genügen, vielmehr müssen die betroffenen Flächen unmittelbar oder mittelbar für die Errichtung von Wohngebäuden oder für deren infrastrukturelle Ausstattung erworben werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.02.1990 - 4 B 245.89 -, juris Rdnr. 9; BVerwG, Beschluss vom 25.01.2010 - 4 B 53.09 -, juris Rdnr. 8 m.w.N.; Bay. VGH, Urteil vom 03.02.2015 - 15 B 13.100 -, juris Rdnr. 17; Grziwotz in Spannowsky/Uechtritz, BauGB, Kommentar, 3. Aufl., 2018, § 24 Rdnr. 23; Koester in Schrödter, BauGB, Kommentar, 9. Aufl., 2019, § 24 Rdnr. 50a; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Band 2, 2015, § 24 Rdnr. 77; Paetow in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, Band II, 2012, § 24 Rdnr. 27). Der Ausübung des Vorkaufsrechts sind sind mithin auch zeitliche Grenzen gesetzt. Das Wohl der Allgemeinheit i.S.v. § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB rechtfertigt die Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers nach der Rechtsprechung des BVerwG nur, wenn die Gemeinde alsbald diejenigen (weiteren) Schritte unternimmt, die erforderlich sind, um das städtebauliche Ziel, Wohnbauland bereitzustellen, zu verwirklichen. Das BVerwG führt weiter aus, im Regelfall gebiete dies die alsbaldige Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplanes. Der Gesetzgeber habe die Befugnisse der Gemeinden erweitert, damit diese einem akuten Wohnraummangel begegnen könnten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.01.2010 - 4 B 53.09 -, juris Rdnr. 8 m.w.N.). Die Beantwortung der Frage, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt sei, habe sich an den Zielen zu orientieren, die mit den einzelnen Tatbeständen in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 BauGB verfolgt würden. Mit § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 (und 6) BauGB werde insbesondere das Ziel verfolgt, Flächen für den Wohnungsbau verfügbar zu machen. Dies schließe solche Grundstücke ein, die der infrastrukturellen Ausstattung des zu entwickelnden Wohngebiets dienen sollten (Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drs. 11/6508 S. 14). Daher rechtfertige das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechtes nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB nur, wenn damit Flächen - unmittelbar oder mittelbar (als Tauschland) - für die Errichtung von Wohngebäuden oder für deren infrastrukturelle Ausstattung erworben werden sollten. Dagegen stehe das Vorkaufsrecht der Gemeinde nicht als Instrument einer allgemeinen Bodenbevorratung („zur Vergrößerung ihres Eigentumsanteils“) oder zum Erwerb von Grundstücken zur Verfügung, die später möglicherweise als Tauschgrundstücke im Rahmen der Verfolgung gänzlich anderer Zwecke verwendet werden sollten. Das in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB geregelte Vorkaufsrecht sei durch das Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz/BauGB-Maßnahmegesetz 1990 - eingeführt und später in das BauGB übernommen worden. Mit ihm sollte die Vorbereitung und Durchführung von Wohnbauvorhaben in Gebieten, die die Gemeinde durch Bebauungspläne entwickeln wolle, erleichtert werden (BT-Drs. 11/6508 S. 11). Weitergehende Vorschläge (vgl. die Stellungnahme des Bundesrats BT-Drs. 12/4208 S. 7 und den Antrag des Bundesrats BT-Drs. 13/7886 S. 5, unter Hinweis auf Gewerbeflächen), ein umfassendes Vorkaufsrecht auch zu Zwecken der Baulandbevorratung zu schaffen, hätten sich nicht durchgesetzt (Beschlussfassung des Vermittlungsausschusses BT-Drs. 13/8019; vgl. insgesamt BVerwG, Beschluss vom 25.01.2010 - 4 B 53.09 -, juris Rdnr. 5 und 6).
Unter Anlegung dieser Maßstäbe, denen der Senat folgt, scheitert die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts durch die Beklagte daran, dass es in zeitlicher Hinsicht den soeben entwickelten Kriterien nicht genügt. Zwar meint die Beklagte, es liege auf der Hand, dass das streitige Grundstück als Baugrundstück für Wohnnutzung vorgehalten werde, auch sei es lebensfremd anzunehmen, die Ortsrandlange werde nicht zeitnah arrondiert werden, dies genügt jedoch in Anbetracht der von der Klägerin zu Recht angeführten langen Zeitspanne, die das Grundstück bereits im Geltungsbereich des Flächennutzungsplanes liegt, den Anforderungen an eine alsbaldige Sicherung als Wohnbauland nicht. Die Beklagte macht selbst nicht geltend, sie sei im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung oder danach planerisch tätig geworden und betreibe ernsthaft eine Ausweisung als Wohnbaufläche. Bei den von ihr in diesem Zusammenhang gemachten Aussagen handelt es sich um nicht weiter überprüfbare Absichtsbekundungen, die eine konkrete Planungstätigkeit nicht belegen.
Die Beklagte weist allerdings zu Recht darauf hin, dass der Senat in seiner Entscheidung vom 20. Juni 2003 (3 UE 371/03 juris Rdnr. 28 ff.) noch die Auffassung vertreten hat, die Gemeinwohlrechtfertigung sei regelmäßig bei der Ausübung eines Vorkaufsrechts zugunsten eines Flächennutzungsplans bereits dann anzunehmen, wenn eine den jeweiligen Darstellungen entsprechende Verwendungsabsicht bestehe, wobei das in § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannte Wohl der Allgemeinheit das Bestehen weitergehender Planungsabsichten als im Flächennutzungsplan dargestellt, nicht erfordere und eine Einschränkung des auf einem Flächennutzungsplan beruhenden Vorkaufsrechts über die Dauer des Planungsverfahrens nicht geboten sei.
Hieran hält der Senat nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Januar 2010 (a.a.O.) und nach erneuter Befassung mit der Rechtslage nicht mehr fest.
Der Senat ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 03.02.2015 - 15 B 13.100 -, juris Rdnr. 16 ff.) nunmehr der Auffassung, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts nur dann durch das Wohl der Allgemeinheit i.S.d. § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerechtfertigt ist, wenn damit im Einzelfall dem jeweils angegebenen, sich im gesetzlichen Zulässigkeitsrahmen bewegenden Verwendungszweck entsprochen wird. Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB daher nur dann, wenn damit Flächen für die Errichtung von Wohngebäuden oder für deren infrastrukturelle Ausstattung erworben werden sollen und erkennbar ist, dass die Gemeinde alsbald diejenigen Schritte vornehmen wird, die erforderlich sind, um dieses städtebauliche Ziel zu verwirklichen (vgl. Bay. VGH, a.a.O., Rdnr. 16). Der von der Beklagten gewählte Weg, erst dann planerisch tätig zu werden, wenn sie Eigentümerin mehr oder weniger sämtlicher Flächen im Plangebiet ist, ist mit der von dem Gesetzgeber gewollten Beschränkung auch in zeitlicher Hinsicht nicht vereinbar. Die Rechtfertigung zum Eingriff in die Privatautonomie der Betroffenen ist nicht gegeben, wenn die von dem Gesetzgeber vorgesehenen Rechtfertigungsgründe auf unabsehbare Zeit nicht erfüllt werden können oder sollen. Der Senat folgt insoweit der Argumentation der Klägerin, die Gemeinde könne anderenfalls ihr Vorkaufsrecht ausüben ohne gewährleisten zu müssen, dass und wann sie je von ihrem Planungsrecht Gebrauch machen wird.
Ist die Ausübung des Vorkaufsrechtes durch die Beklagte damit bereits wegen Verstoßes gegen § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB rechtswidrig, kommt es auf die weiter zwischen den Beteiligten diskutierte Frage, ob die Ausübung hier auch ermessensfehlerfrei erfolgt ist und insbesondere ob ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden hätte, da sich die Klägerin bereit erklärt hat, das Grundstück entsprechend den Vorgaben eines noch zu erlassenden Bebauungsplans zu bebauen, nicht mehr an.
Die Berufung ist zurückzuweisen, soweit die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten beantragt, dem Verkauf des Grundstücks zuzustimmen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass dem Verpflichtungsantrag der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, da, soweit sich die Ausübung des Vorkaufsrechtes gemäß den §§ 24, 28 BauGB als rechtswidrig darstellt, der Kaufvertragsabschluss zwischen Klägerin und Verkäufer keiner weiteren Zustimmung der Beklagten bedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO und entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO entsprechend.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 6.633,25 € festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 9.61 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht 25 % des Kaufpreises.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).