Vermietung und Verpachtung: Werbungskostenabzug und Bemessung der
ortsüblichen Miete iSv. § 21 Abs. 2 EStG
BFH, Urteil vom 10.05.2016 – IX ZR
44/15 -
Kurze Inhaltsangabe:
Wird eine Wohnung unter dem marktüblichen Mietzins (z.B. an Angehörige) vermietet, ist nach § 21 Abs. 2 EStG die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen teil
aufzuteilen und dementsprechend und hat in dem entsprechenden Verhältnis Auswirkung auf die Abziehbarkeit der Werbungskosten. Als verbilligte Überlassung wird in § 21 Abs. 2 EStG eine Überlassung
benannt, die unter 66% des ortsüblichen Marktzinses liegt.
Der BFH musste sich in seiner Entscheidung damit auseinandersetzen, wie der ortsübliche Marktzins im benannten Sinne zur Feststellung der möglichen Unterschreitung und damit als Grundlage der
Bewertung des Werbungskostenabzugs zu ermitteln ist. Das Finanzamt hatte eine Deckung mit 62,28% der Marktmiete angenommen. Einspruch und Klage blieben diesbezüglich ohne Erfolg. Sowohl das
Finanzamt als auch das Finanzgericht haben auf die ortsübliche Kaltmiete abgestellt und die Betriebskosten unberücksichtigt gelassen.
Dem folgte der BFH nicht und hat das Urteil unter Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Finanzgericht aufgehoben. Es wies darauf hin, dass unter ortsüblicher Miete die Miete für Wohnungen
vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten zu verstehen sei. Die Entgeltlichkeitsquote sei daher vom Finanzgericht unter
Berücksichtigung dieser Kriterien neu zu bestimmen und auf der entsprechenden Grundlage dann die Höhe des Werbungskostenabzugs aus Vermietung und Verpachtung zu ermitteln.
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 22. Juni 2015 4 K 2268/14 E aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten um den Werbungskostenabzug bei verbilligter Vermietung nach § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielten im Streitjahr 2011 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer in L. gelegenen Wohnung. Die Wohnung war an die Mutter des
Klägers vermietet. Die im Jahr 2011 vereinnahmte Kaltmiete betrug 2.900,04 €. Nebenkostenvorauszahlungen wurden in Höhe von 1.829,27 € geleistet. Die Kläger erklärten in
ihrer Anlage V Einnahmen in Höhe von 3.024 € sowie Werbungskosten in Höhe von 11.228 €.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 2011 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die von den Klägern ermittelten
negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 8.204 € im Einkommensteuerbescheid 2011 vom 18. März 2013 nicht.
Der dagegen eingelegte Einspruch hatte teilweise Erfolg. Das FA berücksichtigte in der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2014 negative Vermietungseinkünfte in Höhe von
./. 2.378 €. Zur Begründung führte es aus: Die Werbungskosten für die Vermietung der Wohnung könnten nur in Höhe von 62,28 % von 11.183 € = 6.965 €
berücksichtigt werden. Denn die von der Mutter des Klägers gezahlte Kaltmiete in Höhe von 2.900,04 € habe nur 62,28 % der ortsüblichen Kaltmiete in Höhe von 4.656 €
betragen. Da die Überschussprognose für einen Zeitraum von 30 Jahren negativ sei, seien die Werbungskosten anteilig aufzuteilen. Zudem könne ein Teil der Kosten nicht
anerkannt werden.
Das Finanzgericht (FG) wies die von den Klägern dagegen erhobene Klage ab. Zur Begründung führte es aus, das FA habe zu Recht die geltend gemachten Werbungskosten bei den
Einkünften aus Vermietung nur in Höhe von 62,28 % berücksichtigt. Das Entgelt für die Überlassung der Wohnung habe 62,28 % der ortsüblichen Marktmiete betragen. Die
durchgeführte Überschussprognose sei negativ ausgefallen. Vergleichsmiete i.S. des § 21 Abs. 2 EStG sei die ortsübliche Kaltmiete, nicht die Warmmiete. Betriebskosten
seien nicht in die Vergleichsrechnung einzubeziehen.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie bringen vor, bei der Berechnung nach § 21 Abs. 2 EStG seien die Warmmieten und nicht die
Kaltmieten zugrunde zu legen. Da die ortsübliche Kaltmiete auf der Grundlage des Mietspiegels für die Wohnung 4.080 € betrage, liege unter Berücksichtigung der Betriebskosten
in Höhe von 1.829,67 € die Entgeltlichkeitsquote bei 80,03 % und damit über 75 % der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Werbungskosten seien daher in vollem Umfang
abzugsfähig.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 22. Juni 2015 4 K 2268/14 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 18. März 2013 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2014 dahingehend abzuändern, dass aus der Vermietung der Wohnung Werbungskosten in Höhe von insgesamt 11.183 € zu berücksichtigen
sind.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das FA führt aus, richtigerweise sei auf die Warmmiete abzustellen. Allerdings betrage die Entgeltlichkeitsquote nur 72,92 %. Denn die ortsübliche Miete für die Wohnung
betrage unter Berücksichtigung des ortsüblichen Mietspiegels nicht 4.080 €, sondern sei vielmehr auf der Grundlage der Feststellungen des FG mit 4.656 € anzusetzen.
Daher sei nur in Höhe der Differenz von knapp 10 % der Werbungskostenabzug noch zu gewähren. Allerdings habe das FG keine Feststellungen zu der im Mietspiegel enthaltenen
Mietpreisspanne getroffen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat rechtsfehlerhaft im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG für die Berechnung der Entgeltlichkeitsquote die ortsübliche Kalt- anstelle der Warmmiete zugrunde gelegt.
Dabei ist unter ortsüblicher Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung die ortsübliche Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung --BetrKV-- (vom
25. November 2003, BGBl I 2003, 2346) umlagefähigen Kosten zu verstehen (vgl. u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juli 2000 IX R 6/97, BFH/NV
2001, 305, m.w.N.; R 21.3 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008; Oberfinanzdirektion --OFD-- Frankfurt/M. vom 22. Januar 2015, ofix HE EStG/21/23, unter 1.; OFD
Karlsruhe vom 1. Februar 2013, ESt-Kartei BW § 21 EStG Fach 6 Nr. 3.1; Blümich/Schallmoser, EStG, § 21 Rz 543; Eggers in Korn, § 21 EStG
Rz 135; Schmidt/Kulosa, 34. Aufl., § 21 Rz 159; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 21 Rz 77; Kanzler/Kraft/Bäuml, § 21 EStG
Rz 156; Pfirrmann in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, § 21 EStG Rz 206).
2. Das Urteil des FG kann daher keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Sache ist allerdings nicht spruchreif. Das FG hat Feststellungen zur ortsüblichen Miete nachzuholen.
Dazu hat es die ortsübliche Kaltmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung unter Einbeziehung der Spannen des örtlichen Mietspiegels zuzüglich der nach der
BetrKV umlagefähigen Kosten festzustellen. Auf dieser Grundlage hat es die Entgeltlichkeitsquote und damit die Höhe des Werbungskostenabzugs im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung
und Verpachtung neu zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646).
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem FG vorbehalten (§ 143 Abs. 2 FGO).