Steuerrecht - Abgabenordnung


Gestaltungmissbrauch bei Schenkung an Söhne und deren sofortige Weiterveräußerung der Immobilie ?

BFH, Urteil vom 23.04.2021 - IX R 8/20 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Klägerin erwarb 2011 eine Immobilie. In 2012 übertrug sie diese unentgeltlich auf ihre zwei Kinder zu je 50%, die am selben Tag die Immobilie an einen Dritten veräußerten: die Verkaufsverhandlungen wurden ausschließlich von der Klägerin geführt. Der Erlös aus dem Verkauf floss den Kindern der Klägerin zu je 50% zu. Da die für eine steuerfreie Veräußerung der Immobilie durch die Klägerin noch nicht abgelaufen war, besteuerte das Finanzamt den Gewinn zwischen dem Ankauf und dem Verkauf nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG bei der Klägerin; es ging bei der kostenfreien Übertragung auf deren Kinder von einem Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 Abs. 1 AO aus. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Revision führte zur Stattgabe der Klage.

 

Nach Ansicht des BFH habe sich nicht der Tatbestand des privaten Veräußerungsgeschäfts iSv. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG verwirklicht; in der direkt) vor der Weiterveräußerung vorgenommenen schenkungsweisen Übertragung der Immobilie auf ihre zwei Kinder läge kein Gestaltungsmissbrauch der Klägerin iSv. § 42 Abs. 1 AO.

 

Mit der schenkungsweisen Übertragung der Immobilie auf ihre Kinder habe die Klägerin keinen Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erzielt. Die nachfolgende Veräußerung habe nicht sie, sondern hätten ihre Kinder vorgenommen, die auch den Veräußerungserlös erhielten.

 

In dieser Vorgehensweise läge auch kein Gestaltungsmissbrauch iSv. § 42 Abs. 1 AO. Die unentgeltliche Übertragung eines Grundstücks innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG unterfalle dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 S. 3 EStG und stelle auch bei der zeitlichen Nähe keinen Gestaltungsmissbrauch dar. Nach § 42 Abs. 1 S.1 AO soll verhindert werden, dass das Steuergesetz nicht umgangen wird. Läge ein solcher Fall vor, würde der Steueranspruch so entstehen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstehen würde.

 

§ 23 Abs. 1 S. 3 StG sei eine Regelung zur Verhinderung der Steuerumgehung und damit eine spezielle Missbrauchsvorschrift iSv. § 42 Abs. 1 S. 2 AO. Danach soll für den Fall des unentgeltlichen Erwerbs dem Einzelrechtsnachfolger für die Zwecke des § 23 EStG die Anschaffung oder die Überführung des Wirtschaftsguts in dessen Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zugerechnet werden. Vom Rechtsvorgänger verwirklichte Besteuerungsmerkmale würden dem unentgeltlich erwerbenden Rechtsnachfolger zugerechnet. Damit sei das private Veräußerungsgeschäft bei demjenigen zu besteuern, der die Veräußerung vorgenommen und den Veräußerungserlös erhalten habe. Die Regelung in § 23 Abs. 1 S. 3 EStG sei eine gesetzgeberische Reaktion darauf gewesen, dass bis zu dessen Inkrafttreten nur bei Kauf und Verkauf eine Besteuerung des Spekulationsgewinns erfolgen konnte, weshalb der BFH hier die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs für möglich erachtete (vgl. BFH, Urteil vom 12.07.1988 - IX R 149/83 -). Dies sei vom Gesetzeber in § 23 Abs. 1 S. 3 EStG umgesetzt worden.

 

Vorliegend sei der Tatbestand des § 23 Abs. 1 S. 3 EStG erfüllt. Dies habe zur Folge, dass die Kinder der Klägerin einen jeweils einen hälftigen Veräußerungserlös versteuern müssen.

 

Es lägen hier auch keine Umstände vor, die im Einzelfall in der Gestaltung der Übertragung auf nahestehende Personen und einem damit im Zusammenhang stehenden, von vornherein geplanten Verkauf ausnahmsweise doch zur Anwendung des § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AO(Gestaltungsmissbrauch) führen könnten.

 

Voraussetzung wäre eine unangemessene rechtliche Gestaltung, die bei dem Steuerpflichtigen zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führe; dies greife dann nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse erheblich seien.

 

Es sei hier bereits vom FG getroffenen Feststellungen zur Schenkung sowie zur darauf erfolgten Veräußerung ließen keine unangemessene Vereinbarung erkennen. Nach der Schenkung hätten die Beschenkten uneingeschränkt über die Immobilie verfügen dürfen. Sie seien insbesondere nicht vertrag gebunden gewesen, an den Erwerber zu veräußern, mit dem ausschließlich die Klägerin die Verkaufsverhandlungen geführt habe. Die Kinder seien auch nicht zur Abführung des Verkaufserlöses an die Klägerin verpflichtet worden. Zudem sei durch die Veräußerung ein steuerbarer Veräußerungsgewinn nicht vermieden worden, der jetzt bei den Kindern zu erfassen sei.

 

 

Der BFH verkennt nicht, dass die Gestaltung gleichwohl steuerliche Wirkungen zeigte. So dürfte der Steuersatz bei den Kindern niedriger liegen und sich der auf sie jeweils entfallende Betrag zu einer geringeren Progression als bei der Klägerin führen. Wenn die Klägerin ihren Kindern Geld zuführen wollte und dies aus einer Veräußerung der Immobilie entnehmen wollte, so wäre nach Abzug der Steuern der auf sie entfallende Erlös geringer gewesen, als er jetzt ach der Gestaltung wohl war. Der BFH verweist darauf, dass der bei den Kindern zu versteuernde Veräußerungsgewinn niedriger besteuert würde als bei der Klägerin. Einem Steuerpflichtigen sei es aber nicht verwehrt, die rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine geringere steuerliche Belastung ergäbe. Das Bestreben, Steuern zu sparen, mache für sich allein eine Gestaltung nicht unangemessen iSv. § 42 Abs. 1 AO (z.B. BFH, Urteil vom 29.11.1982 - GrS 1/81 -). Der zulässige Steuervorteil ergäbe sich hier nur daraus, dass das Gesetz die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks akzeptiere mit der Folge, dass nicht der Schenker, sondern der Beschenkte nach dessen persönlichen Verhältnissen den Veräußerungsgewinn versteuern müsse.

 

Aus den Gründen:

 

 

Tenor

 

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 21.03.2019 - 6 K 551/17 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 24.08.2015 aufgehoben.

 

Die Einkommensteuer 2012 wird unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 2012 des Beklagten vom 16.03.2015 auf den Betrag festgesetzt, der sich ohne Ansatz sonstiger Einkünfte der Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 97.591 € ergibt.

 

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen. Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

Tatbestand

 

I.

 

Die Beteiligten streiten um die Besteuerung eines Gewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und --damit zusammenhängend-- um das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

 

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag im Jahr 2011 das Grundstück A-Straße in B. Der Kaufpreis betrug … €. Unter dem …2012 übertrug die Klägerin das Eigentum an ihrem Grundstück unentgeltlich jeweils zu hälftigem Miteigentum auf ihren volljährigen Sohn und ihre volljährige Tochter (Beigeladene zu 1. und 2.). Mit notariell beurkundetem Vertrag vom selben Tag verkauften die Beigeladenen das Grundstück an Z. Der Kaufpreis betrug … €. Er wurde nach § 3 des Vertrags je zur Hälfte an die Beigeladenen ausgezahlt. Die Verkaufsverhandlungen mit Z waren allein von der Klägerin geführt worden.

 

In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr (2012) erklärte die Klägerin keinen Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) überprüfte im Rahmen einer betriebsnahen Veranlagung die Angaben der Klägerin. Das FA sah in der Schenkung an die Beigeladenen einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO; der Veräußerungsgewinn sei der Klägerin zuzurechnen. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 05.03.2014 setzte das FA daher sonstige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft in Höhe von 97.591 € an. Die Klägerin legte gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2012 erfolglos Einspruch ein. Am 04.04.2014 und am 16.03.2015 erließ das FA aus nicht streitigen Gründen geänderte Einkommensteuerbescheide für das Streitjahr.

 

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 21.03.2019 - 6 K 551/17 als unbegründet ab. Die Erfassung des privaten Veräußerungsgeschäfts bei der Klägerin entspreche der Besteuerung einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung. Es habe ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO vorgelegen. Die Klägerin sei bei der Verkaufsanbahnung tätig geworden, habe aber unmittelbar vor dem Verkauf an die von ihr gefundenen Käufer --statt an diese zu verkaufen-- das Grundstück auf ihre Kinder übertragen. Dadurch habe sie die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei sich vermieden. § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG sei nicht als spezielle Missbrauchsvorschrift anzusehen, die einer Anwendung des § 42 AO vorgehe. Die Wahl der unangemessenen rechtlichen Gestaltung habe bei der Klägerin im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil in Höhe von 14.186 € geführt. Die Klägerin habe für die gewählte Gestaltung auch keine außersteuerlichen Gründe nachgewiesen, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich seien.

 

Mit ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt und gegen das Gebot rechtlichen Gehörs verstoßen. Der Veräußerungsgewinn sei vom FG fehlerhaft ihr und nicht den Beigeladenen zugerechnet worden. Ein Gestaltungsmissbrauch liege nicht vor. Für § 42 AO sei kein Raum, wenn der Steuerpflichtige einen vom Gesetz vorgezeichneten Weg gewählt habe. Dies sei hinsichtlich einer unentgeltlichen Rechtsnachfolge und Weiterveräußerung durch den Beschenkten nach § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG der Fall. Ihr habe zudem jegliche Missbrauchsabsicht gefehlt. Es stehe ihr frei, ihre Verhältnisse im Rahmen des rechtlich Möglichen so einzurichten, dass sich für sie eine möglichst geringe steuerliche Belastung ergebe.

 

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG Nürnberg vom 21.03.2019 - 6 K 551/17 aufzuheben und die Einkommensteuer unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2012 vom 16.03.2015 und der Einspruchsentscheidung vom 24.08.2015 auf den Betrag herabzusetzen, der sich ergibt, wenn im Veranlagungszeitraum 2012 bei der Klägerin keine sonstigen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 97.591 € angesetzt werden,

hilfsweise für den Fall, dass der Bundesfinanzhof (BFH) die Sache nicht für spruchreif halten sollte, die Sache an einen anderen Senat des FG zur anderweitigen Entscheidung zurückzuverweisen.

 

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Das FG habe zutreffend entschieden, dass ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorliege und der Veräußerungsgewinn bei der Klägerin zu erfassen sei. Bei § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG handele es sich nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht um eine steuerliche Umgehungsvorschrift, die der Anwendung des § 42 AO vorgehe. § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG begründe kein Wahlrecht, bei welchem Steuerpflichtigen der Veräußerungsgewinn zu versteuern sei und erlaube auch nicht ein unbeschränktes Verschieben von Veräußerungsgewinnen. Die zwischen den Erwerb und die Veräußerung geschaltete Schenkung sei unangemessen, wenn sie lediglich dazu diene, ein steuerbares Veräußerungsgeschäft zu vermeiden. Es seien vom FG keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe festgestellt worden.

 

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

 

II.

 

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

 

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwirklicht hat. Sie hat das streitgegenständliche Grundstück nicht veräußert (s. unten 1.). Auch ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts, der zur Entstehung des Steueranspruchs aus der Veräußerung des Grundstücks bei der Klägerin führen könnte, liegt nicht vor (s. unten 2.).

 

1. Die Klägerin hat das im Jahr 2011 angeschaffte Grundstück nicht veräußert, sondern es nach den bindenden Feststellungen des FG unter dem …2012 unentgeltlich im Wege der Schenkung auf die Beigeladenen übertragen. Dass die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung von Rechtsgeschäften zwischen nahestehenden Personen der Annahme einer unentgeltlichen Übertragung entgegenstehen, lässt sich den Feststellungen des FG nicht entnehmen. Da die Klägerin das Grundstück nicht veräußert hat, ist ihr auch kein Veräußerungsgewinn i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG entstanden.

 

2. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO), der zur Entstehung des Steueranspruchs aus der Veräußerung des Grundstücks bei der Klägerin führen könnte, liegt ebenfalls nicht vor.

 

Die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks an einen Dritten, der das Grundstück sodann innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG veräußert, unterfällt dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG und stellt daher ungeachtet der zeitlichen Nähe zwischen Übertragung und Weiterveräußerung grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO dar.

 

a) Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand der Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Anderenfalls entsteht nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs i.S. des § 42 Abs. 2 AO so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

 

aa) Unterfällt ein Sachverhalt einer Regelung i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO, bestimmen sich die Rechtsfolgen allein nach dieser Vorschrift. Daneben kommt die Annahme eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nach § 42 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 AO und die daran anknüpfende Rechtsfolge in § 42 Abs. 1 Satz 3 AO grundsätzlich nicht in Betracht (so auch Anwendungserlass zur Abgabenordnung --AEAO-- zu § 42 Nr. 1; Drüen in Tipke/Kruse, § 42 AO Rz 10 ff.; ders. in Der AO-Steuer-Berater 2009, 209; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz 25, 292; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl., § 42 Rz 90; Stöber in Gosch, AO § 42 Rz 53, 56; Hey, Deutsches Steuerrecht --DStR--, Beihefter zu Heft 3/2014, S. 8, 9; Mosler/Münzner/Schulze, DStR 2021, 193, 196).

 

bb) Bei § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG handelt es sich um eine Regelung, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient und damit um eine spezielle Missbrauchsverhinderungsvorschrift i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO.

 

(1) Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG ist für den Fall des unentgeltlichen Erwerbs dem Einzelrechtsnachfolger für die Zwecke des § 23 EStG die Anschaffung oder die Überführung des Wirtschaftsguts in das Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen. Die Vorschrift regelt die Entstehung des Veräußerungsgewinns bei vorangegangenem unentgeltlichen Erwerb. Vom Rechtsvorgänger verwirklichte Besteuerungsmerkmale werden dem unentgeltlichen Rechtsnachfolger aufgrund Gesetzes persönlich zugerechnet (vgl. KKB/Bäuml, § 23 EStG, 6. Aufl., Rz 292; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 40. Aufl., § 23 Rz 40; Blümich/Ratschow, § 23 EStG Rz 112; BeckOK EStG/Trossen, 9. Ed. [01.01.2021], EStG § 23 Rn. 231; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff --KSM--, EStG, § 23 Rz B 84). Dies bewirkt, dass das private Veräußerungsgeschäft bei demjenigen besteuert wird, der die Veräußerung vorgenommen und den Veräußerungserlös tatsächlich erhalten hat.

 

(2) § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG dient nach seinem Sinn und Zweck der Verhinderung von Missbräuchen. Mit der Vorschrift soll verhindert werden, dass ein nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG steuerverstricktes Wirtschaftsgut durch unentgeltliche Übertragung mangels Veräußerung aus der Steuerverhaftung ausscheidet und beim Rechtsnachfolger mangels Anschaffung nicht steuerverstrickt wird bzw. im Fall der Entnahme mangels Anschaffung nicht in die Steuerverhaftung eintritt. Denn § 23 Abs. 1 EStG setzt sowohl die Anschaffung als auch die Veräußerung des betroffenen Wirtschaftsguts voraus. Anschaffung ist indes (nur) der entgeltliche Erwerb eines Wirtschaftsguts, Veräußerung die entgeltliche Übertragung des zuvor angeschafften Wirtschaftsguts auf einen Dritten (vgl. Kube in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 23 Rz 11, 14; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz 86, 91; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 23 Rz 31, 50; Blümich/Ratschow, § 23 EStG Rz 90, 120; BeckOK EStG/Trossen, a.a.O., EStG § 23 Rz 208, 248; KKB/Bäuml, § 23 EStG, a.a.O., Rn 221, 246; Günther, Finanz-Rundschau 2020, 895, 901 f.). Durch die unentgeltliche Übertragung auf einen Dritten könnte ohne die Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG die Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft umgangen werden.

 

(3) Auch aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich, dass es sich um eine spezielle Missbrauchsverhinderungsvorschrift handelt.

 

Nach früherer Rechtsprechung des BFH war der unentgeltliche Erwerb keine Anschaffung i.S. des § 23 EStG. Folglich war die spätere Veräußerung kein Spekulationsgeschäft im Sinne der Vorschrift. Die Rechtsprechung hatte jedoch in Fällen, in denen ein Grundstück nach der Anschaffung unentgeltlich im Wege der Schenkung auf einen Dritten übertragen wird und dieser das Grundstück innerhalb der Spekulationsfrist veräußert, die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs für möglich erachtet (vgl. Senatsurteil vom 12.07.1988 - IX R 149/83, BFHE 154, 93, BStBl II 1988, 942, unter II.3.a, und BFH-Urteil vom 04.10.1990 - X R 153/88, BFH/NV 1991, 239). Diese Rechtsprechung ist mit der Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG hinfällig geworden (so Kube in Kirchhof/Seer, a.a.O., § 23 Rz 13; Carlé in Korn, § 23 EStG Rz 63; Risthaus, Der Betrieb 1999, 1032, 1035; Wendt, Der Ertrag-Steuer-Berater --EStB-- 1999, 57, 60).

 

Mit § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die die von der früheren Rechtsprechung des BFH als rechtsmissbräuchliche Gestaltung erfassten Sachverhalte regelt. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der Vorschrift um eine spezielle Missbrauchsverhinderungsvorschrift. Der Gesetzgeber hat zu erkennen gegeben, dass durch die unentgeltliche Übertragung die Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nicht umgangen werden soll, indem vor einer Veräußerung das betroffene Wirtschaftsgut z.B. auf eine nahestehende Person übertragen wird, die dann den Veräußerungsvorgang verwirklicht (vgl. BeckOK EStG/Trossen, a.a.O., EStG § 23 Rz 232; Wernsmann in KSM, EStG, § 23 Rz B 83). Daher wird in der Gesetzesbegründung auch ausdrücklich auf die Vermeidung möglicher Missbrauchsfälle und die mit der Anwendung des § 42 AO verbundenen Schwierigkeiten hingewiesen. Diese Schwierigkeiten sollen mit der Einfügung der Vorschrift vermieden werden, indem im Fall der Schenkung stets auf die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger abgestellt wird (vgl. BTDrucks 14/23, S. 180; Wendt, EStB 1999, 57, 60).

 

cc) Im Streitfall ist auch der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG erfüllt. Die Klägerin und die Beigeladenen haben mit der unentgeltlichen Übertragung des Grundstücks und der anschließenden Veräußerung genau die Voraussetzungen erfüllt, die mittels Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG zur Entstehung jeweils eines hälftigen Veräußerungsgewinns bei den Beigeladenen führen.

 

b) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob außergewöhnliche Umstände im Zuge der Vertragsanbahnung oder unübliche Elemente der Vertragsgestaltung im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Übertragung eines Grundstücks auf nahestehende Personen und eine damit im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang vorgenommene, von vornherein geplante Grundstücksveräußerung im Einzelfall dazu führen können, dass der Veräußerungsvorgang --unabhängig von der Erfassung dieses Sachverhalts unter § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG-- ausnahmsweise mit Blick auf § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO --oder ggf. nach Maßgabe anderer Rechtsvorschriften und -grundsätze-- nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann. Denn derartige Sachverhaltsumstände hat das FG nicht festgestellt; insbesondere liegt im Streitfall --entgegen der Auffassung des FG-- kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts vor.

 

aa) Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 AO liegt ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nach Absatz 2 Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse erheblich sind.

 

bb) Den Feststellungen des FG lässt sich nicht entnehmen, dass die vertraglichen Regelungen zur Schenkung des Grundstücks an die Beigeladenen sowie die Veräußerung des Grundstücks an Z unangemessene Vereinbarungen enthielten. Die Beigeladenen konnten nach den Feststellungen des FG über das geschenkte Grundstück nach der Übertragung frei verfügen. Sie waren insbesondere nicht vertraglich gebunden, an die Erwerber zu veräußern, mit denen ausschließlich die Klägerin zuvor Verkaufsverhandlungen geführt hatte. Die Beigeladenen waren auch nicht verpflichtet, den Veräußerungserlös an die Klägerin abzuführen. Zudem ist in der Folge der Übertragung an die Beigeladenen das Entstehen eines steuerbaren Veräußerungsgewinns nicht vermieden und ein gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil nicht erzielt worden. Vielmehr ist der Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bei den Beigeladenen entstanden und auch dort zu erfassen.

 

cc) Auch der Umstand, dass der Veräußerungsgewinn bei den Beigeladenen niedriger besteuert wird als bei der Klägerin, führt nicht zur Annahme eines Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Einem Steuerpflichtigen ist es nicht verwehrt, die rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine geringere steuerliche Belastung ergibt. Das Bestreben, Steuern zu sparen, macht für sich allein eine Gestaltung noch nicht unangemessen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 29.11.1982 - GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272, unter C.III.,; Senatsurteile vom 17.12.2003 - IX R 56/03, BFHE 205, 70, BStBl II 2004, 648, unter II.1.a, und vom 07.12.2010 - IX R 40/09, BFHE 232, 1, BStBl II 2011, 427, Rz 10; s.a. AEAO zu § 42 Nr. 2.2 Satz 2). Vorliegend ergibt sich ein "Steuervorteil" allein daraus, dass die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks von Gesetzes wegen akzeptiert wird mit der Folge, dass ein Veräußerungsgewinn nicht vom Schenker, sondern vom Beschenkten nach dessen persönlichen Verhältnissen versteuert werden muss.

 

3. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, kann sein Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

 

Weder hat die Klägerin den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts verwirklicht noch ist ihr die von den Beigeladenen verwirklichte Veräußerung persönlich zurechenbar. Vielmehr haben die Beigeladenen den Veräußerungsgewinn erzielt, sodass er auch bei diesen jeweils hälftig steuerlich zu erfassen ist.

 

4. Weil die Revision bereits mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg hat, kommt es auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr an (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 03.12.2019 - VIII R 23/16, BFH/NV 2020, 853, Rz 31, m.w.N.).

 

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 139 Abs. 4 FGO. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Es entspricht nicht der Billigkeit, dem FA die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, denn diese haben weder Sachanträge gestellt noch anderweitig das Verfahren wesentlich gefördert (vgl. BFH-Urteil vom 26.04.2018 - IV R 33/15, BFHE 261, 333, BStBl II 2020, 645, Rz 39, m.w.N.).