Einkünftequalifikation im Einkommensteuerbescheid und
Rechtsbehelf
BFH, Beschluss vom
04.07.2023 - VI B 21/23 -
Kurze Inhaltsangabe:
Der BFH musste sich im Rahmen der Beschwerde der Kläger gegen ein Urteil eines Finanzgerichts klären, ob eine Beschwer der Kläger vorlag, was er verneinte. Das Finanzamt hatte
Einkommensteuer-Änderungsbescheide für die Jahre 2017 bis 2019 erlassen, deren Aufhebung die Kläger (erfolglos) begehrten. Im Rahmen der Änderung nahm das Finanzamt eine andere Qualifikation der
Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen vor, wogegen sich die Kläger wandten.
Dazu hielt der BFH fest, dass die Frage, ob die Steuerpflichtigen mit der Verpachtung (hier) der landwirtschaftliche genutzten Flächen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Vermietung
und Verpachtung erzielen würden, nach dem Grundsatz der Abschnittbesteuerung bei der Einkommensteuer als Jahresteuer (§ 2 Abs. 7 S. 1 u. 2 EStG) für jeden Veranlagungszeitraum neu zu entscheiden
sei. Es handele sich dabei um einen gem. § 157 Abs. 2 AO nicht selbständig anfechtbaren Teil der Einkommensteuerbescheide. Da diese Qualifizierung nicht zu einer höheren Einkommensteuer gegenüber
der ursprünglichen Steuerfestsetzung führte, fehle es an einer notwendigen Beschwer (vgl. BFH, Beschluss vom 05.07.2011 – X B 222/10 –).
Aus den Gründen:
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 28.02.2023 - 8 K 152/22 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Gründe
Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Kläger haben
den geltend gemachten Zulassungsgrund (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.
1. a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gehört unter anderem eine hinreichend genaue Bezeichnung der
vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) einerseits und aus der behaupteten
Divergenzentscheidung andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen (Senatsbeschlüsse vom 15.03.2011 - VI B 151/10, Rz 9 und vom 05.08.2022 - VI B 65/21,
Rz 13). Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder
vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind (z.B. Senatsbeschluss vom 26.11.2020 - VI B 29/20, Rz 22, m.w.N.).
b) Die Beschwerdebegründung entspricht diesen Anforderungen nicht.
aa) Die Kläger haben der Vorentscheidung den tragenden abstrakten Rechtssatz entnommen, dass ein Steuerpflichtiger gemäß § 350 der Abgabenordnung (AO) nur befugt sei, einen Einspruch
einzulegen, "wenn er geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder [dessen] Unterlassung beschwert zu sein".
Der vermeintlichen Divergenzentscheidung, dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28.09.2021 - VIII R 2/19 (BFHE 274, 443, BStBl II 2022, 169, dort Rz 25) haben die Kläger
den Rechtssatz entnommen, dass die Steuerpflichtigen gegen einen Einkommensteuerbescheid, "durch den sie zum damaligen Zeitpunkt nicht beschwert waren, hätten Einspruch einlegen müssen, um eine
steuerliche Benachteiligung in einem Einkommensteuerbescheid für einen nachfolgenden Veranlagungszeitraum zu verhindern".
Die Kläger legen jedoch nicht dar, dass das Urteil des FG und das BFH-Urteil vom 28.09.2021 - VIII R 2/19 (BFHE 274, 443, BStBl II 2022, 169) zu gleichen oder vergleichbaren
Sachverhalten ergangen sind. Dies ist auch nicht der Fall. Die angebliche Divergenzentscheidung des BFH erging zum Verbrauch einer (antragsgebundenen) Steuervergünstigung, die dem
Steuerpflichtigen nur einmal gewährt werden kann. Über eine derartige Konstellation hatte das FG im Streitfall indessen nicht zu entscheiden, worauf bereits die Vorinstanz in ihrem Urteil zu
Recht hingewiesen hat.
Die Kläger konnten sich durch die von ihnen erstrebte Aufhebung der angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheide für die Streitjahre (2017 bis 2019) und der hierzu ergangenen
Einspruchsentscheidung auch sonst keine Steuervorteile oder die Verhinderung von Steuernachteilen in anderen Veranlagungszeiträumen versprechen. Denn die Frage, ob die Klägerin mit der
Verpachtung ihrer landwirtschaftlich genutzten Flächen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder solche aus Vermietung und Verpachtung erzielt, ist nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung
bei der Einkommensteuer als Jahressteuer (§ 2 Abs. 7 Satz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes) für jeden Veranlagungszeitraum neu zu entscheiden. Die Einkünftequalifikation in den
angefochtenen Änderungsbescheiden, die ein gemäß § 157 Abs. 2 AO nicht selbständig anfechtbarer Teil der Einkommensteuerbescheide ist und die gegenüber den ursprünglichen
Steuerfestsetzungen für die Streitjahre zu keiner höheren Einkommensteuer geführt hat, entfaltet für die Folgejahre keinerlei Bindungswirkung. Ordnet das Finanzamt also ein Wirtschaftsgut, das
der Steuerpflichtige als Privatvermögen ansieht, dem (land- und forstwirtschaftlichen) Betriebsvermögen zu, folgt hieraus bei der Einkommensteuerfestsetzung nur dann eine Beschwer, wenn sich
dadurch für den jeweiligen Veranlagungszeitraum die Höhe der Steuer ändert (s. BFH-Beschluss vom 05.07.2011 - X B 222/10, Rz 9 ff., m.w.N.).
bb) Die Kläger haben auch nicht hinreichend dargelegt, dass die Vorentscheidung von dem BFH-Urteil vom 15.03.2012 - III R 96/07 (BFHE 237, 407, BStBl II 2012, 719) im Sinne
von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO abweicht. Insoweit fehlt ebenfalls jeglicher Vortrag dazu, dass das Urteil des FG und die vermeintliche Divergenzentscheidung zu
gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind. Dies trifft zudem auch hier nicht zu. Denn das BFH-Urteil vom 15.03.2012 - III R 96/07 (BFHE 237, 407, BStBl II 2012, 719)
betraf --anders als der Streitfall-- Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer, die sich in späteren Veranlagungszeiträumen zu Ungunsten des
Steuerpflichtigen auswirken konnten.
2. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.