Schadensersatz


Verzugsschaden: Wann können keine Anwaltsgebühren geltend gemacht werden ?

BGH, Urteil vom 25.11.2015 – IV ZR 169/14 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Der Beklagte schuldete dem Kläger die Rückzahlung eines Darlehens bis zum 31.12.2012 (einem Montag). An dem 31.12.2012 erteilte der Beklagte seiner Bank einen Online-Überweisungsauftrag (am einem 31.12. wird in Banken ebensowenig wie an einem 24.12. gearbeitet; sogen. „Bankfeiertage“). Am 2.1.2013 beauftragte der Kläger seinen Anwalt, der mit Mail vom gleichen tag den Beklagten zur Zahlung bis zum 3.1.2013 aufforderte. Der Beklagte überließ in Kopie seinen Überweisungsauftrag. Die Gutschrift bei dem Kläger erfolgte am 4.1.2013 mit Wertstellung zum 2.1.2013.

 

Das Landgericht hat die auf Erstattung die Anwaltsgebühren gerichtete Klage abgewiesen, das OLG Karlsruhe hat ihr stattgegeben. Auf die zugelassene Revision erfolgte die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.

 

Der BGH geht in der Sache von einem Schuldnerverzug des Beklagten aus. Offen bleibe könne (weiterhin), ob mit der Zahlungsbewirkung oder erst mit dem Zahlungseingang ein Verzug ausgeschlossen wird, da jedenfalls auch der Zahlungsauftrag erst zum 2.1.2013 angenommen werden könne. Da der 31.12 ein „Bankenfeiertag“ sei und am 1.1. eines Jahres ein allgemeiner Feiertrag sei, wäre der Zahlungsauftrag erst zum 2.1.2013 anzunehmen, weshalb jedenfalls Verzug vorläge.

 

Allerdings hänge der Schadensersatzanspruch auf Erstattung von Anwaltsgebühren gem. § 286 Abs. 1 BGB von weiteren Voraussetzungen ab als z.B. die Verzinsungspflicht nach § 288 Abs. 1 BGB. Hier wäre erforderlich, dass aus der ex-ante-Sicht einer vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Person in dieser Situation die Einschaltung eines Anwalts zur Wahrung und Durchsetzung der eigenen Rechte erforderlich und zweckmäßig war (BGHZ 127, 348, 350f).  Diese Voraussetzung war nach Ansicht des BGH im Streitfall nicht erfüllt.

 

 

Selbst wenn am 2.1.2013 die Gutschrift auf dem Konto des Klägers noch nicht erfolgt war, hätte er auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls von einer Mandatierung Abstand nehmen müssen.  Eine vernünftig und wirtschaftlich denkende Person hätte hier die Möglichkeit gesehen, dass der Beklagte die Zahlung jedenfalls bereits veranlasst hat. So habe der Beklagte noch am 27.12.2012 unter Angabe des Kontos mitgeteilt, dass die Zahlung erfolgen würde. Da der 29.12. ein Samstag, der 30.12. ein Sonntag, der 31.12. ein bankenfreier Tag und der 1.1. wieder ein Feiertag gewesen sind, in Ansehung der Höhe der Überweisung mit € 50.000,00 auch mit einer manuellen Überprüfung der Überweisung gerechnet werden musste, hätte der Kläger mangels anderweitiger Anhaltspunkte nicht davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte seiner eigenen Ankündigung nicht folgen würde.

 

Aus den Gründen: 

Tenor

 

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. April 2014 aufgehoben.

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 7. August 2013 wird zurückgewiesen.

 

Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

 

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren nur noch über die Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten.

Zugrunde liegt eine Darlehensforderung des Klägers über 50.000 €; dieses Darlehen war zum 31. Dezember 2012 zurückzuzahlen. Mitte und Ende Dezember 2012 kündigte der Beklagte in zwei E-Mails an den Kläger die Rückzahlung zum Jahresende an. Am 31. Dezember 2012, einem sogenannten Bankfeiertag, erteilte er seiner Bank im Wege des Online-Bankings einen entsprechenden Überweisungsauftrag. Am 2. Januar 2013 mandatierte der Kläger seine Prozessbevollmächtigten, die den Beklagten mit E-Mail vom selben Tag zur Zahlung bis spätestens zum 3. Januar 2013 aufforderten. Der Beklagte stellte dem Kläger daraufhin eine Kopie seines Überweisungsträgers zur Verfügung. Nach der Behauptung des Klägers wurde der Darlehensbetrag seinem Konto erst im Laufe des 4. Januar 2013 mit Wertstellung zum 2. Januar 2013 gutgeschrieben. Seine Prozessbevollmächtigten stellten für ihre vorgerichtliche Tätigkeit 1.761,08 Euro in Rechnung, die er zahlte und nunmehr vom Beklagten ersetzt verlangt.

Das Landgericht hat die auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280, 286, 249 BGB angenommen.

Der Beklagte sei mit Ablauf des 31. Dezember 2012 gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verzug geraten. Hierfür komme es nicht darauf an, ob die Geldschuld des Beklagten nach der bis 2008 im deutschen Recht vorherrschenden Ansicht als qualifizierte Schickschuld oder mit Blick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 3. April 2008 (EuGH, NJW 2008, 1935) als modifizierte Bringschuld anzusehen sei. Auch im ersten Fall wäre die Leistung nur rechtzeitig gewesen, wenn der Überweisungsauftrag vor Fristablauf bei der Bank eingegangen und der Überweisungsvertrag durch Annahme seitens der Bank rechtzeitig abgeschlossen worden wäre, was wegen des Bankfeiertags am 31. Dezember 2012 nicht der Fall gewesen sei. Bei Annahme einer Bringschuld wäre die Leistung erst erbracht gewesen, als der Kläger das Geld erlangte.

Der Kläger könne die Rechtsanwaltskosten als durch den Verzug adäquat verursachten Schaden ersetzt verlangen, weil er es am 2. Januar 2013 für erforderlich und zweckmäßig habe halten dürfen, sich zur Durchsetzung seiner Forderung anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Denn er habe nicht damit rechnen müssen, dass das Geld erst am 2. Januar 2013 bei seiner Bank eingeht und nicht mehr am selben Tag seinem Konto gutgeschrieben wird. Der Beklagte habe nicht nur die rechtzeitige Absendung des Geldes vor Fristablauf am Leistungsort geschuldet. Vielmehr sei aufgrund der Rechtsprechung des EuGH für die Rechtzeitigkeit der Leistung auch außerhalb der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats vom 29. Juli 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (im Weiteren: erste Zahlungsverzugsrichtlinie) nicht mehr auf die Erbringung der Leistungshandlung, sondern auf den Erhalt der Leistung abzustellen. Die Erfordernisse der Rechtssicherheit und -klarheit sowie das Bedürfnis nach einer stimmigen Systematik der BGB-Vorschriften sprächen auch auf der Ebene des nationalen Rechts für eine einheitliche Auslegung. Eine Differenzierung zwischen Unternehmern und Verbrauchern sei in der Sache nicht geboten.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Beklagte seiner Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens bis zum 31. Dezember 2012 nicht rechtzeitig nachgekommen ist, weil er jedenfalls nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2012 geleistet hat. Ein Schuldner erbringt seine Leistung in einer den Schuldnerverzug ausschließenden Weise, wenn er das nach dem Schuldverhältnis seinerseits Erforderliche tut und dem Gläubiger die Leistung in Annahmeverzug begründender Weise anbietet (Staudinger/Löwitsch/Feldmann, BGB Bearbeitung 2014 § 286 Rn. 120). Im Streitfall hat der Beklagte das zur Rückzahlung des Darlehens seinerseits Erforderliche frühestens am 2. Januar 2013 bewirkt. Der von ihm veranlassten Überweisung lag allerdings, anders als das Berufungsgericht annimmt, kein Überweisungsvertrag, sondern ein Zahlungsauftrag im Sinne des § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB zugrunde, der nach § 675n Abs. 1 Satz 1 BGB erst mit seinem Zugang bei der Bank wirksam wird. Dieser Zahlungsauftrag gilt jedoch wegen § 675n Abs. 1 Satz 2 BGB der Bank des Beklagten erst am 2. Januar 2013 als zugegangen. Weder der 31. Dezember 2012 noch der 1. Januar 2013 waren Geschäftstage im Sinne des § 675n Abs.1 Satz 4 BGB, weil die Bank des Beklagten nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts an diesen Tagen keine Vorkehrungen für die Bearbeitung eines elektronisch erteilten Überweisungsauftrags vorgehalten hat.

Einer weitergehenden Klärung der Frage, wann ein Schuldner einer Geldforderung im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB geleistet hat, bedarf es in diesem Zusammenhang nicht.

Den Eintritt des Schuldnerverzugs hat der Beklagte auch zu vertreten. Angriffe gegen die Annahme des Berufungsgerichts, er hätte wissen müssen, dass bis zum Ablauf des 31. Dezember 2012 wegen des Feiertags weder der Zahlungsauftrag bearbeitet noch der Darlehensbetrag dem klägerischen Konto gutgeschrieben wird, erhebt die Revision nicht.

2. Der Schadensersatzanspruch auf den Ersatz von verzugsbedingten Anwaltskosten gemäß § 286 Abs. 1 BGB hängt aber - anders als zum Beispiel die Verzinsungspflicht nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB - von weiteren Voraussetzungen ab. Ein Schädiger hat nur solche Rechtsverfolgungskosten des Geschädigten zu ersetzen, die auf Maßnahmen beruhen, die aus der ex-ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person in der Situation des Geschädigten nach den Umständen des Falles zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sind (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012  VIII ZR 277/11, WuM 2012, 262 Rn. 4; Urteil vom 8. November 1994  VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350 f. jeweils m.w.N.).

Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch in diesem Zusammenhang nicht auf die im Schrifttum umstrittene und vom Bundesgerichtshof bislang offen gelassene (BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 - VIII ZR 129/09, NJW 2010, 2879 Rn. 36) Frage an, wie die Rechtzeitigkeit der Leistung im Falle der Bezahlung einer Geldschuld durch Überweisung außerhalb des Anwendungsbereichs der ersten Zahlungsverzugsrichtlinie generell zu beurteilen ist.

Es kann insofern weiter offen bleiben, ob im Hinblick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 3. April 2008 (EuGH NJW 2008, 1935) davon auszugehen ist, dass für die Rechtzeitigkeit der Leistung auch außerhalb des Anwendungsbereiches der ersten Zahlungsverzugsrichtlinie nicht mehr auf die Erbringung der Leistungshandlung, sondern auf den Erhalt der Leistung abzustellen ist (so z.B. Palandt/Grüneberg, 74. Aufl. § 270 Rn. 5; Staudinger/Bittner, BGB Bearbeitung 2014 § 270 Rn. 3 f; Herresthal, NZM 2011, 833, 838; ders. ZGS 2008, 259, 264; a.A. für die Voraussetzungen des Verzugs u.a. MünchKomm-BGB/Krüger, 6. Aufl. § 270 Rn. 17; Schwab, NJW 2011, 2833, 2834 f.; gegen jede Ausdehnung einer richtlinienkonformen Auslegung auf den richtlinienfreien Bereich dagegen: Hirsch, Schuldrecht Allgemeiner Teil 8. Aufl. § 4 Rn. 91; Klimke, VersR 2010, 1259, 1262).

Selbst wenn der geschuldete Geldbetrag objektiv zur Vermeidung eines Verzugseintritts seinem Konto bereits am 2. Januar 2013 hätte gutgeschrieben sein müssen, so durfte der Kläger doch die Mandatierung seiner Anwälte schon an diesem Tage abweichend vom Regelfall (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. September 2015 - IX ZR 280/14, juris Rn. 9 m.w.N.) aufgrund der konkreten Umstände des Streitfalls noch nicht für erforderlich und zweckdienlich halten. Insoweit kam es aus seiner Sicht nicht auf komplizierte rechtliche Überlegungen dazu an, ob aus dem noch nicht erfolgten Geldeingang am 2. Januar 2013 zwingend auf einen Verzug geschlossen werden konnte. Vielmehr durfte er schon deshalb noch nicht davon ausgehen, dass er zur Durchsetzung seiner Forderung nunmehr anwaltlicher Hilfe bedurfte, weil eine vernünftige, wirtschaftlich denkende Person in seiner Lage auch die Möglichkeit berücksichtigt hätte, dass der Beklagte die Zahlung jedenfalls bereits veranlasst hatte.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Beklagte zweimal, zuletzt am 27. Dezember 2012 unter Angabe des Kontos, auf das die Überweisung erfolgen werde, per E-Mail die Rückzahlung des Darlehens angekündigt. Der 29. Dezember 2012 war ein Samstag, der 30. Dezember 2012 ein Sonntag, der 31. Dezember ein so genannter Bankfeiertag und der 1. Januar 2013 ein gesetzlicher Feiertag. Angesichts dieser Abfolge von arbeitsfreien Tagen zum Jahresende sowie der Höhe des überwiesenen Betrages von 50.000 €, bei der auch mit einer manuellen Überprüfung der Überweisung gerechnet werden musste, durfte der Kläger am 2. Januar 2013 mangels entgegenstehender Anhaltspunkte noch nicht davon ausgehen, dass der Beklagte seiner eigenen Ankündigung keine Folge geleistet hatte. Er hätte in Rechnung stellen können, dass unter Umständen auch ein noch am 28. Dezember 2012 erteilter Zahlungsauftrag nicht fristgerecht im Sinne von § 675s BGB ausgeführt worden war (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 154/14, NJW 2015, 2666 Rn. 8 f. zu der Frage, wann die Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses unter Berücksichtigung der arbeitsfreien Tage um den Jahreswechsel 2012/2013 schuldhaft verzögert worden ist). Er hätte deshalb noch weiter abwarten müssen, ehe er Anwaltskosten in Höhe der streitigen Forderung auslöste. Ein zusätzlicher Schaden wäre ihm hierdurch nicht entstanden, da ihm in jedem Falle für die Dauer des Verzuges des Beklagten ein Zinsanspruch gemäß § 288 Abs. 1 BGB zustand.