Fiktive Schadensberechnung und nachträgliche Umsatzsteuer
OLG Koblenz,
Urteil vom 22.6.2017 - 1 U 1155/16 -
Kurze Inhaltsangabe:
Der Kläger hatte Schadensersatzansprüche auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens gegen die Beklagte nach Beendigung eines Mietverhältnisses geltend. Der Klage wurde in einem
vorangegangenen Verfahren in Höhe von € 5.870,00 nebst Zinsen entsprochen und darüber hinaus die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, dass die Beklagte bei tatsächlicher Durchführung
der Reparaturen die anfallende Umsatzsteuer zu zahlen habe.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Das OLG hält fest, dass grundsätzlich der Schadensersatzanspruch auch die Umsatzsteuer umfasst. Anderes ist
nur dann der Fall, wenn entweder der Geschädigte Vorsteuerabzugsberechtigt ist, oder aber die Umsatzsteuer bei Geschädigten (mangels eigener Zahlung) nicht angefallen ist, § 249 Abs. 2 S. 2 BGB.
Damit kann allerdings der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Geschädigte im Fall des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB (wie er bei einer fiktiven Geltendmachung der Reparaturkosten wie hier auf der
Grundlage eines Gutachtens vorliegt) verlangen, dass ihm im Falle der tatsächlichen Durchführung der Reparatur die dann anfallende Umsatzsteuer erstattet wird. Allerdings sei in diesem Fall der
Erstattungsanspruch rechnerisch auf den Betrag beschränkt, der aus der fiktiven der Umsatzsteuer die fiktiv abgerechneten Kosten einschließlich darauf entfallender Umsatzsteuer übersteigen,
müsste der Geschädigte zu einer konkreten Abrechnung auf der Grundlage der Schadensabrechnung berechnet werden kann. Würden die konkreten Reparaturkosten einschließlich tatsächlich entstandenen
Reparaturkosten übergehen. Der Geschädigte müssen sich an der gewählten Art der Schadensberechnung festhalten lassen; eine Kombination von abstrakter und konkreter Abrechnung zur
Schadensberechnung sei unzulässig (im Anschluss an BGH, Urteil vom 24.01.2017 – VI ZR 146/16 -).
Aus den Gründen:
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten
gegen das Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 23.8.2016, Az. 9 O 191/15, wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass Ziffer 3 des Tenors wie folgt
textlich neu gefasst wird:
Die Beklagte wird verurteilt,
an den Kläger vorgerichtliche Gebühren der Rechtsanwälte Dr. … und Partner, … i.H.v. 650,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13.8.2015
zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt
die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das angegriffene Urteil
und das Senatsurteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Der Kläger beansprucht von
der Beklagten nach Beendigung des Mietverhältnisses die Zahlung von Schadensersatz (14.432,50 € nebst Zinsen) gemäß sachverständiger Schadensschätzung, wegen der Mitnahme der Heiztherme, der
Mitnahme von Heizkörpern und Lampen, nicht bodengleich verschlossener Wasserleitungen, nicht geschlossener Lampenausschnitte und Dübellöcher, nicht entfernter Werbung, fehlender
Rolladenbänder, eines funktionslosen Rolladenbandes, nicht entfernter Dichtungsmasse (Silikon, PU-Schaum), sowie hinterlassenem Abfall und Dreck. Ferner begehrt er die Feststellung, dass die
Beklagte im Falle der Durchführung der Reparaturarbeiten auch verpflichtet ist, die anfallende Umsatzsteuer zu zahlen und macht schließlich, ausgehend von einem Gegenstandswert von 17.174,68
€, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.100,51 € nebst Zinsen geltend.
Durch das dem
Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 24.8.2016 zugestellte Urteil vom 23.8.2016, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage in Höhe eines
Betrages von 5.870,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.8.2015 (Zeitpunkt der Rechtshängigkeit) entsprochen und bezogen hierauf die
Verpflichtung der Beklagten festgestellt, bei tatsächlicher Durchführung der Reparaturen die anfallende Umsatzsteuer zu zahlen, sowie, ausgehend von diesem Betrag, vorgerichtliche
Gebührenansprüche in Höhe von 650,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13.8.2015 (Zeitpunkt der Rechtshängigkeit) zuerkannt. Im Übrigen wurde
die Klage abgewiesen. ...
Hiergegen richtet sich die am
22.9.2016 eingelegte und mit am 24.11.2016 binnen verlängerter Frist bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten, mit der sie die vollständige
Abweisung der Klage erstrebt.
Die Beklagte rügt die
Verletzung materiellen Rechts. Im Schwerpunkt stützt sie ihre Auffassung, keinen Schadensersatz zu schulden, darauf, dass der Kläger keinen Schaden erlitten habe.
Die Beklagte
beantragt,
das Urteil des Landgerichts
Koblenz, 9 O 191/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das
angegriffene Urteil, wobei er der Darstellung, die Räume seien bei Mietbeginn nicht nutzbar gewesen, entgegentritt und hinsichtlich des Zustandes, in dem die gemieteten Räume zurückgegeben
wurden, auf Vertragsverletzungen verweist.
II.
Die zulässige Berufung hat
keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat
zutreffend im tenorierten Umfang eine Schadensersatzpflicht der Beklagten aus Verletzung vertraglicher Haupt- und Nebenleistungspflichten bejaht. …
Die Bemessung des Schadens
auf der Grundlage der Kostenschätzung des Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren begegnet auch hier keinen Bedenken.
2. Die Feststellung, dass
sich die Schadensersatzpflicht der Beklagten für den Fall, dass tatsächlich Reparaturarbeiten zur Beseitigung der von der Beklagten hinterlassenen Beschädigungen durchgeführt werden, auch auf
die Erstattung der insoweit anfallenden Umsatzsteuer erstreckt, ist zutreffend. Der Geschädigte soll bei einer Schadensberechnung auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten bei späterer
tatsächlicher Durchführung der Reparatur nicht um die Erstattung der Umsatzsteuer, die zur Herstellung des Zustandes erforderlich ist, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende
Umstand nicht eingetreten wäre, gebracht werden (vgl. § 249 Abs. 1, 2 S. 2 BGB). Allerdings ist die erstattungsfähige Umsatzsteuer der Höhe nach auf den Betrag begrenzt, der sich aus den bei
der Schadensberechnung zu Grunde gelegten fiktiven Reparaturkosten an Umsatzsteuer errechnet. Nur in diesem Umfang entspricht eine tatsächlich später anfallende Umsatzsteuer der vom Kläger
gewählten fiktiven Berechnungsweise der zur Wiederherstellung des Mietobjektes im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Aufwendungen. Übersteigen die konkreten Kosten der tatsächlich
vorgenommenen Reparatur einschließlich der Nebenkosten, wie tatsächlich angefallener Umsatzsteuer, den aufgrund der fiktiven Schadensabrechnung zustehenden Betrag, kann der Geschädigte die
höheren Kosten nur erstattet verlangen, wenn er zu einer konkreten Schadensberechnung auf der Grundlage der tatsächlich aufgewandten Reparaturkosten übergeht. Denn der Geschädigte muss sich
jeweils an der gewählten Art der Schadensabrechnung festhalten lassen; eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 24.1.2017 - VI ZR
146/16 - Rn. 7, juris).
3. Einer rein textlichen
Korrektur bedarf der Urteilstenor zu Ziffer 3.
III.
Die Revision gegen das Urteil
wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt
aus § 97, Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.