Keine Kostenerstattung für Privatgutachten für „Sachkundigen“
in einem Prozess
BGH, Beschluss vom 01.02.2017 –
VII ZB 18/14 -
Kurze Inhaltsangabe mit Anmerkung:
Zur Unterstützung des eigenen Sachvortrages (z.B. in Bezug auf eine fachspezifische Marterie) oder zur Stellungnahme auf ein (für die Partei negatives), vom Gericht eingeholtes
Sachverständigengutachten werden häufig von den Parteien Gutachten zur Stützung der eigenen Ansicht eingeholt. Holt eine Partei ein Privatgutachten ein, so kommt es auch vor, dass die andere
Partei ebenfalls ein Gutachten einholt. Muss aber die im Rechtsstreit unterlegende Partei nach § 91 ZPO stets die so bei der anderen Partei entstandenen Gutachterkosten tragen ? Die
Rechtsprechung dazu ist beinahe unübersichtlich. Nunmehr hat der BGH zu einem Fall Stellung bezogen, in dem ein Bauunternehmer in Ansehung eines von der Beklagten vorgelegten
Privatgutachten auch ein solches einholte. Diese dem klagenden. Bauunternehmen entstandenen Kosten wurden als nicht erstattungsfähig behandelt.
Die Beklagten hatten im Laufe des Verfahrens zwei von ihnen vorgerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten zu Mängeln und fehlenden Ausführungsarbeiten vorgelegt. Das klagende Bauunternehmen
beauftragte daraufhin selbst einen Sachverständigen, um dieses den Privatgutachten der Beklagten entgegenzuhalten. Der Rechtspfleger hatte die dem Bauunternehmen entstandenen Kosten bei der
Kostenfestsetzung berücksichtigt. Die Beschwerde der Beklagten dagegen war erfolgreich. Das zugelassene Rechtsbeschwerdeverfahren des klagenden Bauunternehmens blieb erfolglos.
Der BGH folgt dem Beschwerdegericht in dessen Ansicht, dass grundsätzlich die Kosten von Privatgutachten nicht erstattungsfähig sind. Lediglich dann, wenn sie sachbezogen wären und die eigene
Sachkunde der Partei nicht ausreiche, ihrer Darlegungslast zu genügen, einen gebotenen Beweisantrag zu stellen oder Angriffe des Gegners abzuwehren, könne eine Erstattungsfähigkeit im Einzelfall
angenommen werden.
Vorliegend käme es nicht darauf an, ob das vom Bauunternehmen vorgelegte Gutachten als gewichtig anzusehen wären. Dies selbst dann nicht, wenn das Gutachten die Rechtsposition des klagenden
Bauunternehmens im Rechtstreit positiv beeinflusst haben sollte, da die Frage der Erstattungsfähigkeit nicht damit verbunden sei, ob es den Rechtsstreit beeinflusst habe. Entscheidend sei, ob die
Partei die Einholung eines Gutachtens zum Zeitpunkt der Einholung und der Kosten dafür als sachdienlich ansehen durfte und ob die Partei selbst in der Lage gewesen wäre, auch ohne Gutachten
substantiiert Stellung zu nehmen. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, dass ein Gutachten bei Gericht als gewichtiger angesehen würde als Parteivortrag, sei zu verneinen; das Gericht
sei verpflichtet, Sachvortrag (egal ob Parteivortrag oder durch Gutachten unterstützten Parteivortrag) zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen.
Das klagende Bauunternehmen könne sich hier nicht auf eine „Waffengleichheit“ berufen, da das klagende Bauunternehmen aus eigener Sachkunde und ohne Hilfe eines Sachverständigen in der Lage sei,
zu den streitigen Punkten Stellung zu nehmen und so die Privatgutachten der Beklagten hätte widerlegen können.
Anmerkung: Die Entscheidung des BGH wurde kritisiert, da Gerichte (was sicherlich zutreffend ist) regelmäßig mehr Gewicht auf ein vorgelegtes Sachverständigengutachten als auf
Parteivortrag legt. Da aber nach Art. 103 GG auch die Gegenargumente zu hören und zu beachten sind, hat es eventuell selbst ein Gutachten einzuholen. Ob gegen eine darauf beruhende Bewertung, die
negativ für die sachkundige Partei ausgeht, diese mit einem eigenen Gutachten ihre Berufung stützen kann, stand nicht zur Entscheidung. Dogmatisch richtig ist, dass grundsätzlich der Sachkundige,
anders als der Laie, die Grundlagen kennt und selbst beurteilen kann.
Aus den Gründen:
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichtes Köln vom 24. März 2014 in Richtung des Beklagten zu 1 wird zurückgewiesen.
Die im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 trägt der Kläger. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung
vorbehalten.
Gründe
I.
Der Kläger ist Inhaber eines Bauunternehmens. Im Dezember 2000 beauftragten die Beklagten den Kläger mit der Errichtung eines Wohnhauses. Der Kläger nahm die Beklagten wegen der
Zahlung eines Restwerklohns in Höhe von 36.002,15 € nebst Zinsen in Anspruch. Im Laufe des Prozesses führten die Beklagten zwei von ihnen bereits vorprozessual eingeholte
Sachverständigengutachten, die sich über Mängel des Bauwerks sowie fehlende Fertigstellungsarbeiten verhielten, in den Prozess ein. Daraufhin beauftragte der Kläger seinerseits
einen Sachverständigen, um dessen Stellungnahme den von den Beklagten eingeholten Gutachten entgegenzusetzen. Für dieses Gutachten wandte der Kläger 5.550,35 € netto auf.
Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens begehrt der Kläger, die für seinen Sachverständigen aufgewandten Kosten von 5.550,35 € netto in der Kostenausgleichung zu
berücksichtigen.
Das Landgericht hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. Dezember 2012 die Kosten für den Privatsachverständigen des Klägers berücksichtigt und einen Erstattungsanspruch des
Klägers gegen die Beklagten in Höhe von 3.675,34 € festgesetzt. Gegen diese Entscheidung haben die Beklagten Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat den
Kostenfestsetzungsbeschluss dahin abgeändert, dass der Kläger verpflichtet ist, den Beklagten 345,13 € zu erstatten. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger, den Beschluss des Beschwerdegerichtes aufzuheben und die Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Landgerichtes zurückzuweisen.
Im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist über das Vermögen der Beklagten zu 2 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Klägers in Richtung des Beklagten zu 1 hat keinen Erfolg. Hinsichtlich der
Beklagten zu 2 ist das Rechtsbeschwerdeverfahren unterbrochen, § 240 ZPO.
1. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die Kosten für ein im Laufe des Rechtsstreits auf Veranlassung einer Partei erstelltes Privatgutachten seien in aller Regel nicht erstattungsfähig. Anderes gelte, wenn das
Gutachten prozessbezogen sei und zudem die eigene Sachkunde der Partei für ein klares Urteil in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreiche, so dass sie sich berechtigterweise außer
Stande sehe, ihrer Darlegungslast zu genügen, einen gebotenen Beweis anzutreten oder Angriffe des Gegners sachkundig abzuwehren.
Auf dieser Grundlage sei es nicht gerechtfertigt, die Gutachterkosten des Klägers als erstattungsfähig anzusehen. Der Kläger sei als Inhaber des die Baumaßnahme ausführenden
Bauunternehmens als sachkundige Partei anzusehen. Zu Recht hätte die Beklagtenseite wiederholt und unwidersprochen darauf hingewiesen, dass der Kläger als Betreiber eines
Bauunternehmens in der Lage sei, sich mit dem beklagtenseits außergerichtlich eingeholten Gutachten inhaltlich auseinanderzusetzen. Dies gelte auch, soweit es um die Beurteilung
des kostenmäßigen Umfangs der noch ausstehenden Fertigstellungsarbeiten sowie der Mängelbehebung gehe.
Im Hinblick auf die Sachkunde des Klägers sei es unerheblich, dass das eingeholte Privatgutachten für die Entscheidung des Gerichtes eine Rolle gespielt haben möge. Es sei dem
Kläger unbenommen, sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen, was aber für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten unerheblich sei. In diesem Zusammenhang könne es
deshalb auch keine Rolle spielen, dass Ausführungen eines Sachverständigen als gewichtiger angesehen werden könnten.
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.
a) § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten erstatten muss, soweit
sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähige notwendige Kosten
solche, die für Maßnahmen anfallen, die eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei als sachdienlich ansehen darf. Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf
den Zeitpunkt der Veranlassung der die Kosten auslösenden Maßnahme abzustellen. Zu den erstattungsfähigen Kosten können ausnahmsweise die Kosten für die Einholung eines
Privatsachverständigengutachtens gehören, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 - VII ZB 60/11, NJW 2013, 1820 Rn. 24 = BauR 2013, 990;
Beschluss vom 26. Februar 2013 - VI ZB 59/12, NJW 2013, 1823 Rn. 4 f.; Beschluss vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140 Rn. 10).
Holt eine Partei ein privates Sachverständigengutachten unmittelbar prozessbezogen ein, wird die Frage, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die
kostenauslösende Maßnahme als sachdienlich ansehen durfte, in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in den Fällen bejaht, in denen die Partei infolge fehlender Sachkenntnis
ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war. Dazu gehören auch Fälle, in denen die Partei ohne Einholung eines Privatgutachtens
ein ihr nachteiliges Gerichtssachverständigengutachten nicht zu erschüttern vermag (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 - VII ZB 60/11, aaO Rn. 25; Beschluss vom 20. Dezember 2011
- VI ZB 17/11, aaO Rn. 13).
b) Nach den vom Beschwerdegericht festgestellten Tatsachen, die die Rechtsbeschwerde nicht angreift, hat das Beschwerdegericht auf der Grundlage der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zu Recht eine Erstattungsfähigkeit des vom Kläger eingeholten Sachverständigengutachtens verneint. Der Kläger war danach aufgrund seiner eigenen Sachkunde ohne
weiteres in der Lage, zu dem Inhalt der beklagtenseits eingeholten Gutachten, die die Beurteilung des kostenmäßigen Umfangs der noch ausstehenden Fertigstellungsarbeiten sowie der
Mängelbehebung betrafen, vorzutragen. Spezialkenntnisse, die der Kläger als Bauunternehmer nicht hatte, waren hierfür nicht erforderlich.
Soweit die Rechtsbeschwerde meint, der Kläger sei nach dem verfahrensrechtlichen Grundsatz der "Waffengleichheit" berechtigt gewesen, sich seinerseits sachverständiger Hilfe zu
bedienen, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Die beklagtenseits eingeholten Sachverständigengutachten dienten dazu, eine "Waffengleichheit" zur Sachkunde des Klägers
herzustellen. Damit waren beide Parteien gleichermaßen in die Lage versetzt, zur Fertigstellung und Mangelhaftigkeit des Bauwerkes vorzutragen. Der Kläger benötigte seinerseits
kein privates Gutachten, um den Einwendungen in dem Privatsachverständigengutachten der Beklagtenseite entgegenzutreten.
c) Soweit die Rechtsbeschwerde weiter meint, die Erstattungsfähigkeit des vom Kläger eingeholten Privatgutachtens müsse bejaht werden, weil das Gutachten den Verlauf des
Rechtsstreits zugunsten des Klägers beeinflusst habe, teilt der Senat diese Auffassung ebenfalls nicht.
Der Umstand, dass das Privatgutachten den Rechtsstreit beeinflusst hat, ist für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten unerheblich. Entscheidend ist allein, wie unter a)
oben ausgeführt, ob die Partei im Zeitpunkt der Einholung des Privatsachverständigengutachtens die Aufwendung dieser Kosten als sachdienlich ansehen konnte.
d) Soweit das Beschwerdegericht die Frage aufwirft, ob die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines privaten Sachverständigengutachtens deshalb zu bejahen sei, weil diesem im Rahmen
des Rechtsstreits ein höheres Gewicht zukomme als sonstigem Parteivortrag, ist diese Frage zu verneinen.
Das Gebot aus Art. 103 Abs. 1 GG, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet die Gerichte, die entscheidungserheblichen Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in
die Erwägungen miteinzubeziehen (BGH, Beschluss vom 6. April 2016 - VII ZR 16/15 Rn. 11). Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob eine Partei aufgrund eigener oder durch ein
privates Sachverständigengutachten vermittelter Sachkunde im Prozess vorträgt.
3. Die Kostenentscheidung in Bezug auf den Beklagten zu 1 folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; im Übrigen bleibt sie vorbehalten.