Kurze Inhaltsangabe:
Über die Antragstellerin (AS) wurde in den sozialen Medien seit ihrer Teilnahme an einer TV-Show berichtet, seit 2016 auf einer bestimmten Internetseite verschiedene, meist negative Berichte veröffentlicht. Nach Mutmaßung der AS wird die Internetseite von dem Antragsgegner (AG) betrieben. Die AS plante am 01.09.2020 die Veröffentlichung eines Buches. Im Vorfeld dazu schrieb der AG am 28.08.2020 den Verlag an und kündigte diesem für den Fall der Veröffentlichung Konsequenzen an. Darauf beendete der Verlag noch im August 2020 die Zusammenarbeit mit der AS; das Buch ist bisher nicht erschienen. In der Mail des AG an den Verlag hieß es, es sei nicht wahr dass ein B… D…. nicht ernstgenommen worden sei und die Polizei ihr (der AS) immer wieder sagen würde, es gäbe keinen Handlungsbedarf, es sei auch nicht wahr, dass die AAS von ihr bekannten Personen verfolgt, beleidigt und bedroht würde, vielmehr beschimpfe die AS ihn (den AG) mit faschistischen Äußerungen in den sozialen Medien mit Termine wie „Lügenpresse“ und habe gegen einen Moderator Morddrohungen geäußert. Auf Facebook teilte der AG mit, selbst ein Buch geschrieben zu haben.
Die AS behauptete, sie habe von den den Streitgegenstand des Verfügungsverfahrens bildendenden Ankündigungen des AG seit dem 13.04.2021 Kenntnis, da eine Teilnehmerin der Facebook-Gruppe ihr diese habe zukommen lassen.
Am 21.05.2021 beantragte die AS bei dem LG Frankfurt (Oder) den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der sie dem AG untersagen lassen wollte, insgesamt 5 Äußerungen zu verbreiten und ferner den AG untersagen lassen wollte, sich auf der Internetseite über sie zu äußern. Das LG wies den Antrag ab, da ein Teil der beanstandeten Äußerungen Meinungsäußerungen darstellen würden und noch nicht die Grenze der unzulässigen Schmähkritik erreicht hätten, i Übrigen es sich zwar um eine Tatsachenbehauptung handele, hier aber - da die Behauptung bereits 2020 aufgestellt worden sei - der Verfügungsgrund fehle.
Die zulässige Beschwerde der AS gegen den den Erlass der einstweiligen Verfügung ablehnenden Beschluss des LG wurde vom OLG zurückgewiesen.
Für eine einstweilige Verfügung sei eine Eildürftigkeit / Dringlichkeit erforderlich. Für drei der beanstandeten Äußerungen könne dies nicht angenommen werden. Damit würde es an einem Verfügungsgrund fehlen. Diese Äußerungen seien im August 2020 getätigt worden, mithin ca. neun Monate vor dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Eine für die Dringlichkeit sprechende Vermutung sei damit durch das Verhalten der AS widerlegt, da sie mit der Rechtsverfolgung zu lange zugewartet habe (BGH, Beschluss vom 01.07.1999 - IZB 7/99 -). Voraussetzung für die erforderliche Dringlichkeit sei, dass die objektiv begründete Gefahr bestünde, dass durch eine Veränderung des Status quo eine Rechtsverwirklichung der AS in einem möglichen Hauptsachverfahren vereitelt oder erschwert würde und die einstweilige Verfügung zur Abwendung einer Gefährdung der Gläubigerinteressen zur vorläufigen Sicherung im Eilverfahren dringlich geboten sei. Das lange Zuwarten manifestiere, dass die AS selbst die Angelegenheit nicht für eilbedürftig halte (KG, Urteil vom 09.02.2001 - 5 U 9667/00 -; OLG Hamburg, Beschluss vom 20.03.2008 – 7 W 19/08 -). Es könne auf sich beruhen, ob entsprechend der Rechtsprechung zu Wettbewerbssachen eine Frist von einem Monat zwischen Verstoß und Antragstellung erforderlich sei (so auch teilweise angenommen für Verfügungen nach §§ 935, 940 ZPO) oder bei Anträgen (wie hier) nach §§ 935, 940 ZPO sechs bis acht Wochen der Dringlichkeit nicht entgegenstehen, könne auf sich beruhen, da die AS zeitnah von den Mails des AG vom 28.08.2020 Kenntnis erlangt habe, da sonst ihr Buch zum 01.09.2020 wie beabsichtigt erschienen wäre.
Gründe, die gegen die Annahme der fehlenden Dringlichkeit sprechen könnten (wie Verhandlungen der Parteien über die Verbreitung der Äußerungen mit der begründeten Hoffnung, dass damit der drohenden bzw. behaupteten Rechtsgutverletzung abgeholfen werden könne, OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2018 - 3 W 2064/18 -), wären von der AS vorzutragen und glaubhaft zu machen gewesen, was nicht erfolgt sei.
Die Dringlichkeit habe auch nicht dadurch wideraufleben können, dass der AG die ihm übersandte Unterlassungserklärung, in der die beanstandeten Behauptungen aufgenommen worden seien, auf der streitgegenständlichen Internetseite veröffentlicht habe. Es habe sich damit nur die seit August 2020 bestehende konkrete Gefahr der jederzeitigen Wiederholung verwirklicht. Es hätten sich hier auch nicht Umstände geändert, da der Text der gleiche gewesen sei, weshalb die AS auch nicht schwerer als 2020 betroffen gewesen sei (im Gegenteil, in 2020 habe dies die Veröffentlichung des Buches verhindert).
Soweit darüber hinaus der Antrag wegen Meinungsfreiheit abgewiesen worden sei, sei dies auch nicht zu beanstanden. Die Meinungsäußerung unterscheide sich von einer Tatsachenbehauptung dadurch, dass die subjektive Beziehung zwischen Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund stünde, hingegen für die Tatsachenbehauptung die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch sei. Ein Tatsachenbehauptung sei einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich, was bei Meinungsäußerungen nicht der Falls sei, die durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sei und sich von daher nicht als wahr oder unwahr erweisen könne. Für die Ermittlung des Aussagegehalts sei auf den allgemeinen Sprachgebrauch im betreffenden Kontext zurückzugreifen.
Enthalte eine Äußerung sowohl Tatsachenbehauptungen wie auch Meinungsäußerungen/Werturteile, sei ein Herausgreifen einzelner Elemente unzulässig. Entscheidend sei, ob die Tatsachenbehauptung so substanzarm ist, dass die Äußerung insgesamt durch die Elemente der Stellungnahm, des Dafürhaltens und Meinens geprägt sei. Bei Zweifel sei insgesamt von einer Meinungsäußerung auszugehen, wobei Wahrheit oder Unwahrheit dann im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der schutzwürdigen Belange vorzunehmen sei (BGH, Urteil vom 17.11.2009 – VI ZR 226/08 -).
Die Meinungsäußerung sei durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet, unabhängig davon, ob sie wertlos oder wertvoll, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational sei. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen würden darunter fallen. Nur dann, wenn nicht die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Herabsetzung einer Person im Vordergrund stünde, würde die als Schmähung anzusehende Äußerung hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurücktreten.
Für den Antrag, dem AG zu untersagen, sich überhaupt auf der Internetseite über sie zu äußern, sei kein Raum. Es könne ihm nicht untersagt werden, sich in öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen im Rahmen der rechtlichen Grenzen (wie aufgezeigt) wertend über die AS (auch der Internetseite) zu äußern.
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. Mai 2021, Az. 13 O 115/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner auf Unterlassung vermeintlich ehrenverletzender Äußerungen in Anspruch.
Seitdem die Antragstellerin im Jahr 2015 an einer TV-Show mit dem Titel „…“ teilgenommen hatte, wird in den sozialen Medien über sie berichtet. Im Internet wird unter anderem seit 2016 die Seite www. … .com betrieben, auf der verschiedene - zumeist negativ berichtende - Artikel über die Antragstellerin veröffentlicht werden. Die Antragstellerin vermutet, der Antragsgegner betreibe diese Seite.
Die Antragstellerin plante am 1. September 2020 ein von ihr verfasstes Buch mit dem Titel „…“ beim Verlag … GmbH zu veröffentlichen. Im Vorfeld dieser Veröffentlichungen schrieb der Antragsgegner am 28. August 2020 den Verlag an und kündigte Konsequenzen für den Fall der Veröffentlichung des Buches an. Daraufhin beendete der Verlag noch im August 2020 die Zusammenarbeit mit der Antragstellerin, das Buch ist bisher nicht erschienen. In der entsprechenden E-Mail an den Verlag heißt es unter anderem:
„Es ist nicht wahr, dass die benannte Person B… D… von der Justiz nicht ernstgenommen wurde und die Polizei immer wieder zu ihr sagen soll, es gäbe keinen Handlungsbedarf“
„es ist nicht wahr, dass ihre Autorin von ihr bekannten Personen verfolgt, beleidigt und bedroht wurde“
„Nachweislich beschimpft mich ihre Autorin mit faschistischen Äußerungen in den sozialen Medien mit Begriffen wie „Lügenpresse“. Zudem äußert sie gegen einen Moderator Morddrohungen.“
Zudem kündigte der Antragsgegner auf Facebook unter dem Titel „…“ an, selbst ein Buch geschrieben zu haben. Die Antragstellerin behauptet, sie habe von diesen Ankündigungen am 13. April 2021 Kenntnis erlangt. Eine Teilnehmerin der entsprechenden Facebook-Gruppe habe ihr diese zukommen lassen und mitgeteilt, dass der Antragsgegner der Verfasser sei. In diesen Ankündigungen befinden sich die folgenden Textpassagen:
„Hier erzähle ich über meine Arbeit als Journalist und wie ich von einer TV-Teilnehmerin seit 6 Jahren bedroht, gejagt und gedemütigt werde“,
„In meinem Buch kommen Menschen zu Wort, die das angebliche Opfer kannten. Studioinhaber, die von Steinwürfen nichts wussten. Polizisten, denen ein Überfall bis zurück ins Jahr 2001 nicht bekannt war. Versicherungen, die keinen Autovandalismus registrierten und Nachbarn, die keine Täter vor dem Haus gesehen haben wollen. Ein Buch über einen Menschen, der sich selbst zu wichtig nimmt.“
Die Antragstellerin hat am 21. Mai 2021 bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit dem sie dem Antragsgegner untersagen lassen wollte, die genannten fünf Äußerungen zu verbreiten. Zudem wollte sie dem Antragsgegner insgesamt untersagen lassen, sich auf der genannten Internetseite über sie zu äußern. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat mit Beschluss vom 26. Mai 2021 den Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Die Kammer ist davon ausgegangen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Äußerung zu a) aa), a) bb) sowie b) aa) und b) bb) um Meinungsäußerungen handle, die unter den Schutz der freien Meinungsäußerung fallen, weil die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik nicht erreicht sei. Hinsichtlich der Äußerung zu a) cc) handle es sich zwar um eine Tatsachenbehauptung. Insoweit fehle es jedoch an einem Verfügungsgrund, weil diese Behauptung bereits in 2020 aufgestellt worden sei.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der das Landgericht nicht abgeholfen und dem Senat zu Entscheidung vorgelegt hat.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hinsichtlich der mit den Anträgen zu a) geltend gemachten Ansprüche fehlt es jedenfalls an einem Verfügungsgrund. Ob der Antragstellerin insoweit ein Verfügungsanspruch zukommt, bedarf deshalb keiner Entscheidung. Hinsichtlich der mit den Anträgen zu b) und c) geltend gemachten Ansprüche fehlt es an einem Verfügungsanspruch.
1.)
Die Antragstellerin kann dem Antragsgegner die in den Anträgen zu a) genannten Äußerungen nicht im Wege der einstweiligen Verfügung untersagen lassen. Insoweit fehlt es an dem für den Erlass einer Untersagungsverfügung erforderlichen Verfügungsgrund.
Die für den Rechtsschutz einer einstweiligen Verfügung erforderliche Eilbedürftigkeit bzw. Dringlichkeit kann hinsichtlich der ersten drei Äußerungen nicht festgestellt werden, weil der Antragsgegner diese Äußerungen bereits im August 2020 getätigt hatte, somit etwa neun Monate, bevor der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt wurde. Die zugunsten der Antragstellerin bestehende Vermutung der Dringlichkeit ist insoweit durch ihr eigenes Verhalten widerlegt und insbesondere dadurch entfallen, dass diese mit der Rechtsverfolgung zu lange gewartet hat (BGH, Beschluss vom 01. Juli 1999 – I ZB 7/99 –, juris). Denn eine einstweilige Verfügung setzt voraus, dass die objektiv begründete Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des Status quo die Rechtsverwirklichung der Antragstellerin in einem möglichen Hauptsacheverfahren vereitelt oder erschwert werden könnte, sie ist nur dann zu erlassen, wenn sie zur Abwendung einer Gefährdung des Gläubigerinteresses zur vorläufigen Sicherung im Eilverfahren dringlich geboten und notwendig ist. Als besondere Form des Rechtschutzinteresses und damit als Prozessvoraussetzung ist das Vorliegen eines Verfügungsgrundes von Amts wegen zu prüfen, wobei es der Antragstellerin obliegt, das Vorliegen des Verfügungsgrundes mit den Beweismitteln des § 294 ZPO hinreichend glaubhaft zu machen.
Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass ein Verfügungsgrund dann nicht besteht, wenn eine Antragstellerin trotz ursprünglich bestehenden Sicherungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor sie die einstweilige Verfügung beantragt, weil sie durch ihre Untätigkeit manifestiert, dass sie die Angelegenheit nicht für eilbedürftig hält (KG, Urteil vom 09.02.2001 - 5 U 9667/00 OLG Hamburg, Beschluss vom 20. 03.2008 - 7 W 19/08 Rn. 8 jeweils juris; Zöller-G. Vollkommer, ZPO, 33. Aufl. 2018, § 935 Rn. 10, § 940 Rn 4). Ob auf Unterlassungsverfügungen der vorliegenden Art die von einem Teil der Rechtsprechung im Wettbewerbsrecht für die Annahme einer solchen Selbstwiderlegung zugrunde gelegte Monatsfrist zwischen Kenntnis vom Verstoß und Antragstellung (Hanseatisches OLG, Beschluss vom 12.02.2007 - 5 U 189/06 - juris Beschluss vom 07.02.2007 - 5 U 140/06 - juris) auch bei einstweiligen Verfügungen nach §§ 935, 940 ZPO zu Grunde zu legen ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2018 - 3 W 2064/18 – juris KG, Beschluss vom 02.11.2015 - 10 W 35/15 - juris), oder ob in diesen Fällen aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände noch Fristen von 6 bis 8 Wochen dringlichkeitsunschädlich sein können (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.08.2010 - 4 U 106/10 - juris Beschluss vom 25.02.2009 - 4 U 204/08 - juris Hanseatisches OLG, Urteil vom 21.03.2019 - 3 U 105/18 - juris), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine Dringlichkeit der Rechtsverfolgung nach Ablauf mehrerer Wochen nach Kenntnisnahme von der Rechtsverletzung nicht mehr gegeben ist, da die Betroffene durch ihre Untätigkeit manifestiert, dass sie die Angelegenheit nicht für eilbedürftig hält. Im vorliegenden Fall muss die Antragstellerin nach ihrem eigenen Sachvortrag von den Emails des Antragsgegners vom 28. August 2020 - somit neun Monate vor Antragstellung - zeitnah Kenntnis erlangt haben, sonst wäre ihr Buch - wie geplant - zum 1. September 2020 erschienen. Sie hat auch nicht geltend gemacht, dass sie von diesem Schreiben erst sehr viel später Kenntnis erlangt hat. Das monatelange Zuwarten der Antragstellerin zeigt, dass sie seinerzeit der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen keine besondere Dringlichkeit beigemessen hat.
Die Antragstellerin hat auch keine Umstände vorgetragen und glaubhaft gemacht, aus denen sich eine so wesentliche Verlängerung der Frist, aufgrund derer von einer dringlichkeitsschädigenden Selbstwiderlegung auszugehen ist, ergeben könnte. Insbesondere ist nicht dargetan, dass etwa Verhandlungen der Parteien über die Verbreitung der Äußerungen stattgefunden haben, aus denen sich die begründete Hoffnung ergeben konnte, dass der drohenden oder behaupteten Rechtsverletzung abgeholfen wird (OLG Schleswig, Beschluss vom 07.10.2014 - 5 W 37/14 - juris OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2018 - 3 W 2064/18 - juris). Vielmehr besteht der Zustand der gegenseitigen Kommentare und Vorwürfe bereits seit mehreren Jahren, seit 2016 existiert auch die streitgegenständliche Internetseite. Insoweit ist nicht ersichtlich, ob es in der Wartezeit überhaupt Kontaktaufnahmen der Antragstellerin zu dem Antragsgegner in Bezug auf die gegenständlichen Äußerungen gab und ob ihr dieser überhaupt geantwortet hat.
Eine Dringlichkeit konnte auch nicht dadurch wieder „aufleben“, dass der Antragsgegner die ihm vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin übersandte Unterlassungserklärung auf der streitgegenständlichen Internetseite veröffentlicht und die Äußerungen damit wiederholt hat. Durch diese Veröffentlichung realisierte sich nämlich die bereits seit August 2020 bestehende konkrete Gefahr der jederzeitigen Wiederholung, deren Beseitigung die Antragstellerin während des Ablaufs von mehr als neun Monaten nicht für dringlich erachtet hatte.
Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn sich in der Zwischenzeit wesentliche Umstände geändert hätten oder wenn sich die jetzt veröffentlichten Äußerungen von den ursprünglichen zu Lasten der Antragstellerin wesentlich unterschieden. Die neuen Veröffentlichungen entsprechen jedoch denen aus 2020 und belasten die Antragstellerin nicht schwerer als in 2020. Es ist eher das Gegenteil der Fall, denn die früheren Äußerungen haben seinerzeit das Erscheinen des Buches der Antragstellerin verhindert und ihr damit geschadet, eine Veröffentlichung ihres Buches in einem Buchverlag steht aktuell nicht unmittelbar bevor.
2.)
Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner auch keinen Anspruch auf Unterlassung der mit dem Antrag b) beanstandeten Äußerungen entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB. Wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei den maßgeblichen Äußerungen nicht um dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptungen, sondern um Meinungsäußerungen, die als solche zulässig sind und die Grenze der Formalbeleidigung oder Schmähkritik nicht erreichen.
Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen unterscheiden sich darin, dass bei Meinungsäußerungen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, wohingegen für Tatsachenbehauptungen die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist. Für die Einstufung als Tatsachenbehauptung kommt es wesentlich darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist, was bei Meinungsäußerungen ausscheidet, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen. Für die dafür vorzunehmende Ermittlung des Aussagegehalts einer Äußerung ist darauf abzustellen, wie sie unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsrezipienten verstanden wird. Dazu muss die Äußerung vom Wortlaut ausgehend in dem Zusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist; sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (zum Ganzen: BGH, NJW 2009, 1872, 1873; 2006, 830, 836; 2005, 279, 280 f.; Palandt/Sprau, a. a. O., § 824, Rn. 3; jeweils m. w. N.). Bei alledem sind fernliegende Deutungen ebenso auszuscheiden wie nicht tragfähige Annahmen einer verdeckten Äußerung (statt vieler: BVerfG, NJW 2008, 1654, 1655, m. w. N.); andererseits behält auch eine Behauptung in „verdeckter Gestalt“ als Verdachtsäußerung, Vermutung oder Möglichkeit ihren Charakter als Tatsachenbehauptung, wenn der Äußernde das Mitgeteilte als wahr suggeriert und dem Zuhörer als Schlussfolgerung nahelegt (BGH, NJW 2006, 601, 602 f.; 2004, 598, 599; Senat, Urteil vom 05.03.2012, 1 U 8/11; Urteil vom 12.06.2002, 1 U 6/02; Palandt/ Sprau, a. a. O., § 824, Rn. 5).
Bei Mischtatbeständen, d. h. bei Äußerungen, die sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Elemente der Meinungsäußerung oder Werturteils enthalten, ist ein Herausgreifen einzelner Elemente nicht zulässig; für die vorzunehmende Abgrenzung ist vielmehr entscheidend, ob der Tatsachengehalt so substanzarm ist, dass die Äußerung insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt ist, oder ob die Äußerung überwiegend durch den Bericht tatsächlicher Vorgänge ihre Prägung erfährt und beim Adressaten als Darstellung in die Wertung eingekleideter Vorgänge, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind, verstanden wird (BVerfG, NJW 1983, 1415, 1416; BGH, NJW 2010, 760, 762; 2006, 830, 836; Palandt/Sprau, a. a. O., § 824, Rn. 4); in Zweifelsfällen, in denen eine Trennung des wertenden vom tatsächlichen Gehalt den Sinn der Äußerung aufheben oder verfälschen würde, ist insgesamt von einer Meinungsäußerung auszugehen, wobei die Wahrheit oder Unwahrheit des Tatsachenkerns dann im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der schutzwürdigen Belange der streitenden Parteien zu berücksichtigen ist (BGH, NJW 2010, 760, 762; 2009, 915, 916; Palandt/Sprau, a. a. O.).
Nach diesen Grundsätzen ergibt sich für die streitgegenständlichen Äußerungen das eingangs genannte Ergebnis. Unter Würdigung der Umstände zielt die erste Äußerung des Antragsgegners nicht auf die Beschreibung eines tatsächlichen, konkret fassbaren Handelns der Antragstellerin im Zusammenhang mit der gegenseitigen Berichterstattung über den jeweils anderen. Unter den Begriffen „bedroht, gejagt und gedemütigt“ kann ein objektiver Erklärungsadressat keine tatsächlichen, dem Beweis zugänglichen Vorgänge erkennen. Vielmehr wertet der Antragsgegner damit die Gesamtheit des Verhaltens der Antragstellerin, somit ihre öffentlichen Auftritte und Äußerungen und beschreibt die (negative) Wirkung, die er diesen beimisst. Entsprechendes gilt auch für die zweite Äußerung, die im Hinblick auf die Antragstellerin lediglich die Aussage enthält, dass diese ein „angebliches Opfer“ ist und „sich selbst zu wichtig nimmt“. Auch diese beide Äußerungen stellen keinen dem Beweis zugänglichen Sachverhalt dar, sondern sind vom Meinen, Werten und Dafürhalten geprägt. Konkrete - unwahre - Tatsachen werden damit nicht beschrieben, somit auch nicht behauptet.
Das Landgericht hat die genannten Äußerungen auch zutreffend nicht als Diffamierung oder Schmähkritik gewertet. Insoweit sind die streitgegenständlichen Äußerungen des Antragsgegners vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Dabei genießen Meinungen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankäme, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational ist. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat eine solche Äußerung als Schmähung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten. Gleiches gilt für Formalbeleidigungen und Anprangerungen. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik allerdings eng auszulegen. Danach macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen bzw. gleichsam an den Pranger stellen soll (BGH, NJW 2009, S. 1872). Wertungen können demnach nur dann rechtswidrig sein, wenn die Aussage entweder die Intim- oder Privatsphäre oder eine andere besonders geschützte Sphäre betrifft oder wenn der betreffenden Person ein besonderer Schaden droht, der außer Verhältnis zur Verbreitung der Wahrheit steht.
Bei der Beurteilung, ob die Grenze zum Schmähkritik erreicht wird, muss insbesondere berücksichtigt werden, in welchem Kontext die Äußerung gefallen ist und ob sie für den Empfänger in den Rahmen einer sachthemenbezogenen Auseinandersetzung eingeordnet werden kann. Bei Äußerungen im Rahmen der öffentlichen medialen Auseinandersetzung muss beachtet werden, dass allein die bloße „Unangemessenheit“ oder „Unnötigkeit“ für ein Verbot nicht ausreichend sein kann. Rechtsschutz gegenüber solchen Äußerungen kann vielmehr nur gegeben sein, wenn die Unhaltbarkeit der Äußerung auf der Hand liegt oder sich ihre Mitteilung als missbräuchlich darstellt (vgl. BVerfG NJW 2013, 3021). Im vorliegenden Fall ordnen sich die streitgegenständlichen Meinungen in eine offenbar seit Jahren bestehende Situation wechselseitiger öffentlicher Auseinandersetzungen ein, an dem - jedenfalls nach öffentlichen Angaben der Antragstellerin - auch andere „Täter“ beteiligt sind (krimineller Täterkreis). Die Gegenseitigkeit dieser Situation ergibt sich auch aus dem Umstand, dass nach dem Beschwerdevorbringen auch die Antragstellerin bereits (offenbar erfolgreich) auf Unterlassung in Anspruch genommen wurde, wobei sie darauf verzichtet, zu der genannten Entscheidung des Landgerichts Hannover vom 28. April 2021 näher vorzutragen und die Beiziehung der Verfahrensakte im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz auch nicht geboten ist. In dieser Konstellation der gegenseitigen öffentlich erhobenen „Angriffe“ und Vorwürfe muss das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin hinter dem Recht auf freie Meinungsäußerung des Antragsgegners zurückstehen und sie muss die angegriffenen Äußerungen, die weder ihre Privatsphäre betreffen noch erkennbare Auswirkungen auf ihr berufliches Fortkommen haben, hinnehmen. Das berechtigte Interesse besteht gerade darin, sich im öffentlichen Kampf der unterschiedlichen Meinung frei äußern zu können und seine Meinungen verbreiten zu dürfen und schützt schließlich auch die Antragstellerin, insbesondere auch als Buchautorin.
3.)
Für den mit dem Antrag zu c) geltend gemachten Anspruch der Antragstellerin, dem Antragsgegner untersagen zu lassen, sich überhaupt auf der genannten Internetseite über sie zu äußern, ist nach den unter 2.) dargestellten Erwägungen keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Es kann dem Antragsgegner nicht untersagt werden, sich in der öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzung - im Rahmen der rechtlichen Grenzen - wertend über die Antragstellerin zu äußern. Dass er sich dabei der genannten Internetseite bedient, die offenbar öffentlich ist, kann ihm ebenfalls nicht untersagt werden. Dass es der Antragsgegner war, der diese Seite eröffnet hat er und sie weiter betreibt sowie rechtlich dafür verantwortlich ist, beliebt im vorliegenden Verfahren eine nicht näher belegte Vermutung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.