Videoüberwachung: Geldentschädigungsanspruch
des Mieters ?
LG Berlin, Hinweisbeschluss vom
02.10.2019 - 65 S 1/19 -
Kurze Inhaltsangabe:
Mit zunehmendem Sicherungsbedürfnis des Vermieters vor Schädigungen seines Eigentums und des Mieters vor möglichen Einbrüchen weitet sich der Einsatz von Videoüberwachungen sowohl im Bereich
gewerblich genutzter Immobilien wie auch in der Wohnnutzung dienenden Immobilien aus. Auch wenn häufig Mieter die Überwachungen als zusätzlichen Schutz auch der eigenen Sphäre begrüßen, sehen
sich andere Mieter (insbesondere bei Wohnraum) in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt.
Vorliegend waren Videokameras im Innenbereich des Hauseingangs und im ersten Innenhof des Mietobjekts installiert. Betroffen von der Überwachung waren auch der Außenbereich der Wohnung der
klagenden Mieterin als auch Teile des Zugangs zu ihrer Wohnung. Die Mieterin machte einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen der von ihr in der Überwachung gesehenen Verletzung ihres
Persönlichkeitsrechts geltend. Im Laufe des Verfahrens des auch auf Unterlassung Anbringung der Videokameras gerichteten Antrags wurden diese von dem Vermieter entfernt und insoweit der
Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klage auf Geldentschädigung wurde vom Amtsgericht abgewiesen. Mit seinem Hinweisbeschluss (§ 522 ZPO) teilte das Landgericht der klagenden
Mieterin, die Berufung gegen die amtsgerichtliche Entscheidung eingelegt hatte, mit, dass beabsichtigt sei, die Berufung zurückzuweisen.
Der Anspruch auf Geldentschädigung beruhe auf § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des BGH begründe eine schuldhafte Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts eine Geldentschädigung des Betroffenen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handele und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen
werden könne.
Für die schwere des Eingriffs sei auf die gesamten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Dabei sei auf die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs abzustellen, mithin auf das Ausmaß der Verbreitung
der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten und auf die Nachhaltigkeit und Fortdauer dieser Verletzung, ferner auf Anlass und
Beweggrund des Handelnden und den Grad seines Verschuldens (BGH, Urteil vom 17.12.2013 - VI ZR 211/12; BGH, Urteil vom 15.09.2015 - VI ZR 175/14 -). Zu berücksichtigen sei auch ein erwirkter
Unterlassungstitel; die daraus mögliche Vollstreckung könne den Entschädigungsanspruch beeinflussen und sogar ausschließen. Dies deshalb, da die Geldentschädigung im Falle der Verletzung des
Persönlichkeitsrechts ihre sachliche Rechtfertigung darin finde, dass ohne diese häufig die Verletzungshandlung ohne Sanktion bliebe und damit „der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern
würde“.
Dass hier ein schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mieterin durch die Kameras vorläge, sei zutreffend vom Amtsgericht angenommen worden. Allerdings beträfe dieser
rechtswidrige Eingriff nicht den Kern desselben, auch wenn mit dem Zugang zur Wohnung ein verfassungsrechtlich besonders geschützter privater Rückzugsbereich der Mieterin betroffen sei. Ziel der
Überwachung sei nicht eine gezielte, generelle Überwachung der (auch eventuell ahnungslosen) Mieter gewesen und eine Verbreitung oder Veröffentlichung habe weder stattgefunden noch sei dies zu
befürchten gewesen.
Der erwirkte Unterlassungstitel belege, dass die mit dem rechtswidrigen Eingriff erfolgte Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht sanktionslos geblieben sei, wie das Entfernen der Kameras belege.
Die Heimlichkeit der Installation und Überwachung der Kameras und der Zeitraum bis zu ihrer Entfernung würden hier die Geldentschädigung nicht rechtfertigen können.
Aus den Gründen:
Tenor
Die Kammer
beabsichtigt, die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung gegen das Teilurteil des Amtsgerichts Neukölln vom 14.11.2018, Az. 13 C
375/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts
erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Gründe
I.
Das angefochtene
Urteil des Amtsgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529
ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO. Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht einen Anspruch der Kläger gegen die
Beklagten auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von mindestens 601,00 € verneint. Die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB iVm Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG liegen nicht vor.
Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet eine schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden
Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung
einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das
Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines
Verschuldens zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, NJW 2014, 2029, [2033f.], mwN; Urt. v.
15. September 2015 - VI ZR 175/14, NJW 2016, 789, [793], mwN, jew. nach beck-online). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch ein
erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen; der Titel und die mit ihm verbundenen Vollstreckungsmöglichkeiten können den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar
ausschließen. Denn die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung findet ihre sachliche Rechtfertigung in dem Gedanken, dass ohne einen solchen
Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (BGH, Urt. v. 15.
September 2015 - VI ZR 175/14, NJW 2016, 789, [793], nach beck-online).
Nach diesen
Grundsätzen ist die Zahlung einer Geldentschädigung nicht erforderlich, die vom Amtsgericht vorgenommene Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls nicht zu beanstanden.
Das Amtsgericht hat
das Gewicht des Eingriffs der Beklagten in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin infolge der Installation der Kameras im Innenbereich des Hauseingangs und im ersten Innenhof des Mietobjektes
zutreffend als schwerwiegend gewürdigt. Eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist jedoch nur notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für den Anspruch auf eine
Geldentschädigung. Bedeutung und Tragweite des Eingriffs erfordern die Zahlung einer solchen nach den hier gegebenen Umständen nicht.
Der rechtswidrige
Eingriff richtet sich nicht gegen die Grundlagen der Persönlichkeit der Klägerin, er trifft nicht ihren Kern. Die Videoüberwachung war auf den Außenbereich der Wohnung, Teile des Zugangs zur
Wohnung – dem verfassungsrechtlich besonders geschützten privaten Rückzugsgebiet der Klägerin - beschränkt. Ziel war nicht eine gezielte, generelle Überwachung der (ahnungslosen) Mieterschaft,
eine Verbreitung oder gar Veröffentlichung fand weder statt noch war sie zu befürchten. Inzwischen steht sogar fest, dass mit den Kameras keine Aufzeichnungen vorgenommen wurden.
Die mit dem
rechtswidrigen Eingriff verbundenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen bleiben auch nicht etwa sanktionslos, denn die Klägerin (und der Kläger) haben einen – inzwischen rechtskräftigen –
Unterlassungstitel erwirkt; die Kameras wurden bereits im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens entfernt, der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Heimlichkeit der
Überwachung/Installation der Kameras und der Zeitraum bis zu ihrer Entfernung rechtfertigen – wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – keine andere Bewertung der Gesamtumstände. Die
Klägerin setzt letztlich ihre eigene – abweichende – Würdigung an die des Amtsgerichts, ohne dass – unter Berücksichtigung der eingangs dargestellten, vom Amtsgericht zugrunde gelegten Maßstäbe
des Bundesgerichtshofs – Fehler ersichtlich wären oder konkret vorgebracht würden.
Ohne Erfolg bezieht
die Klägerin sich auf den Beschluss der Kammer vom 8. Dezember 2014 (65 S 384/14, juris). Die Kammer hat auch dort einen Anspruch auf eine Geldentschädigung im Zusammenhang
einer Videoüberwachung (und –aufzeichnung) verneint und - den eingangs dargestellten Anforderungen des Bundesgerichtshofs entsprechend – die Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer
Gesamtwürdigung gewichtet, in dem Fall die zahlreichen Hinweisschilder einbezogen, die auf die Videoüberwachung aufmerksam machen sollten. Werden die vom Bundesgerichtshof entwickelten
Anforderungen zugrunde gelegt, kann ein einzelner Umstand – wie die (fehlende) Heimlichkeit der Überwachung - die Gesamtwürdigung aller Umstände nicht entfallen lassen. Dies lässt sich der
Entscheidung der Kammer im Übrigen mitnichten entnehmen.
II.
Hierzu besteht
Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.
Es wird darauf
hingewiesen, dass sich die Gerichtsgebühren im Fall der Rücknahme der Berufung ermäßigen.