Kündigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und
Feststellungsanspruch auf Auflösung und Gewinnbeteiligung
BGH, Urteil vom 22.01.2019 - II ZR
59/18 -
Kurze Inhaltsangabe:
Der Kläger hatte die als „B… G… H… Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer“ firmierende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) am 29.12.2011 gekündigt. Seine Klage auf Feststellung der
Auflösung der Gesellschaft und der Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen wurde vom Berufungsgericht als unzulässig abgewiesen. Auf seine vom BGH zugelassene Revision hob der BGH das Urteil
auf und verwies den Rechtstreit insoweit an das Berufungsgericht zurück.
Der BGH verwies darauf, dass der Antrag des Klägers auf Feststellung der Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen ein Rechtsverhältnis der Parteien iSv. § 256 Abs. 1 ZPO betreffen würde. Dem Kläger
sei schon deshalb ein schutzwürdiges Interesse zuzubilligen, da die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs mangels Auseinandersetzung der Gesellschaft und Erstellung einer
Schlussabrechnung (§ 734 BGB) nicht vorlägen (BGH, Urteil vom 07.04.2008 - II ZR 181/04 -). Auch die Erwägung des Landgerichts, das Feststellungsbegehren sei deckungsgleich mit einem weiteren,
später rechtshängig gewordenen Rechtsstreit vor dem Landgericht, mit dem der Kläger im Wege der Stufenklage gegen die Beklagten die Gewinnermittlung und Liquiditätsschlussrechnung zum 29.12.2011
fordert, sei fehlerhaft.
Ebenfalls fehle dem Kläger entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht das Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO für die von ihm begehrte Feststellung der Auflösung der
Gesellschaft. Auch hier habe er ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Gesellschaft infolge seiner Kündigung vom 29.12.2011 mit sofortiger Wirkung aufgelöst sei. Das rechtliche
Interesse an einer Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses sei immer gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder
Unsicherheit drohe und das Urteil geeignet wäre, diese Gefahr zu beseitigen (so BGH, Urteile vom 25.07.2017 - II ZR 235/15 - und vom 25.10.2004 - II ZR 413/02 -). Die Beklagten hätten das
Recht des Klägers durch Bestreiten des Abschlusses eines Gesellschaftsvertrages in Abrede gestellt, weshalb das Recht des Klägers, eine Liquidationsbilanz zu fordern nicht zweifelsfrei feststehen
würde. Mit der vom Kläger begehrten Feststellung wäre geklärt, dass die Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgelöst worden sei. Auch wenn die die Parteien in der mündlichen Verhandlung
vor dem Berufungsgericht unstreitig gestellt, dass die Gesellschaft mittlerweile beendet sei, nicht aber sei von den Beklagten unstreitig gestellt worden, dass die Gesellschaft aufgelöst
worden sei, vielmehr behauptet, eine Gesellschaft zwischen den Parteien läge nicht vor, weshalb ihre Auflösung nicht in Betracht käme, hilfsweise einen Ausschluss des Klägers behauptet und nur
weiter hilfsweise die Auflösung der Gesellschaft aufgrund der Kündigung des Klägers unstreitig gestellt.
Im weiteren Verfahren sei zu beachten, dass dem Antrag auf Feststellung der Gewinnbeteiligung mit einer Quote von 1/3 nicht per se § 308 Abs. 1 ZPO entgegenstünde. Sollte das
Berufungsgericht eine Gewinnbeteiligung des Klägers zu dem benannten Bruchteil nicht feststellen können und sich wegen § 308 Abs. 1 ZPO (Bindung an die Anträge) an einer anderen Feststellung zu
anderen einem Bruchteil gehindert sehen, habe es auf eine sachgemäße Antragstellung hinzuwirken. Es entspräche ersichtlich dem Interesse des Klägers, seine ihm am Gewinn der Gesellschaft
zustehende Beteiligung feststellen zu lassen.
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Revision des Klägers
wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 24. Januar 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist.
Die Sache wird zur neuen
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger und der Beklagte zu 1
sind Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Beide Beklagten sind Rechtsanwälte und waren Anfang 2009 mit einem weiteren Gesellschafter in einer Sozietät verbunden. Nach dessen Ausscheiden kam es
nach einem Gespräch zwischen den Parteien am 10. März 2009 zu einer Zusammenarbeit, deren Einzelheiten streitig sind. In der Folgezeit traten die Parteien unter der Bezeichnung
"B. G. H. Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer" auf. Es wurde ein Briefkopf verwandt, in dessen Fußzeile
die Parteien sowie der Zeuge B. als Gesellschafter der GbR bezeichnet werden. Am 14. Dezember 2010 erhielt der Kläger von dem Beklagten zu 1 eine Überweisung in
Höhe von 15.000 € mit der Bezeichnung "Entnahme".
Im Frühjahr 2011 kam es zu
Streitigkeiten zwischen den Parteien. Der Kläger verlangte die Vorlage der Gewinnermittlungen für die Jahre 2009 und 2010, welche er für das Jahr 2009 erhielt. Der Beklagte zu 1 lud zu einer
Gesellschafterversammlung am 19. August 2011 u.a. mit dem Tagesordnungspunkt "Ausschluss des (Schein-)Gesellschafters
H. G. ", d.h. des Klägers, ein. Mit Schreiben vom 22. August 2011 teilten die Beklagten dem Kläger mit,
sein Ausschluss aus der Sozietät sei auf der Gesellschafterversammlung einstimmig beschlossen worden. Danach traten die Beklagten unter der Bezeichnung "B. und
H. Rechtsanwälte" auf.
Mit Schreiben vom 29. Dezember
2011 kündigte der Kläger den Vertrag über die Sozietät mit sofortiger Wirkung, um die Auflösung der Sozietät herbeizuführen. Zugleich forderte er die Beklagten auf, an der Ermittlung des ihm
zustehenden Auseinandersetzungsguthabens mitzuwirken.
Das Landgericht hat
festgestellt, dass der in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Sozietät vom 19. August 2011 gefasste Beschluss, den Kläger aus der Gesellschaft auszuschließen, nichtig ist, sowie,
dass die Sozietät infolge der Kündigung des Klägers vom 29. Dezember 2011 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist. Den Antrag, festzustellen, dass der Kläger an dem bis zur Auflösung der
Gesellschaft erzielten Gewinn der Sozietät neben den Beklagten zu gleichen Teilen beteiligt ist, hat es als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der
Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich der Anträge auf Feststellung der Auflösung der Sozietät und der Gewinnbeteiligung zu
gleichen Teilen als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger diese Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat
Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat -
soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der auf Feststellung der
Gewinnbeteiligung gerichtete Klageantrag sei mangels Feststellungsinteresses des Klägers unzulässig. Es gelte der Vorrang der Leistungsklage. Der Kläger sei nach seiner Kündigung vom 29. Dezember
2011 in der Lage, von den Beklagten die Liquidation der Gesellschaft nebst Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz sowie Auszahlung eines Überschusses zu verlangen. Er verfolge gegen die
beiden Beklagten auch ein entsprechendes Leistungsbegehren in einem beim Landgericht Hamburg noch an-dauernden Rechtsstreit, in dem er seinen Anteil am Abrechnungsüberschuss im Sinne
von § 734 BGB ohne weiteres klären lassen könne. Es sprächen auch keine Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit dafür, dem Kläger ausnahmsweise ein schutzwürdiges
Feststellungsinteresse zuzubilligen.
Auch für den Antrag auf
Feststellung der Sozietätsauflösung fehle dem Kläger das Feststellungsinteresse. Ihm drohe keine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit. Er habe sich für sein Feststellungsinteresse auf das
anwaltliche Schreiben der Beklagten vom 4. Januar 2012 gestützt, mit dem er zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert worden sei. Das Schreiben habe sich nach seinem
eindeutigen Wortlaut aber nicht auf die Behauptung bezogen, die gemeinsame Sozietät sei aufgelöst, sondern auf die Behauptung, die aus beiden Beklagten bestehende Sozietät sei aufgelöst. Zudem
fehle es an einem "ernstlichen Bestreiten" der Auflösung. Die Beklagten hätten von Beginn an vorgetragen, dass zwischen ihnen und dem Kläger keine Sozietät im Sinne einer GbR begründet worden
sei, und die Auflösung der Gesellschaft aufgrund der Kündigung des Klägers unstreitig gestellt. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Beklagten über den 29. Dezember 2011 hinaus der Fortsetzung
der gemeinsamen Sozietät berühmt hätten.
II. Diese Ausführungen halten
revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO erfüllt. Mit der vom Berufungsgericht
gegebenen Begründung lässt sich ein Feststellungsinteresse des Klägers für seine Klageanträge nicht verneinen.
1. Der auf die Feststellung der
Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen gerichtete Antrag betrifft ein Rechtsverhältnis der Parteien i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO. An dessen Feststellung ist dem Kläger schon deshalb ein
schutzwürdiges Interesse zuzubilligen, weil die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs mangels Auseinandersetzung der Gesellschaft und Erstellung einer Schlussabrechnung
(§ 734 BGB) nicht vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2008 - II ZR 181/04, ZIP 2008, 1276 Rn. 14). Des Weiteren ist das vom Kläger hier verfolgte Feststellungsbegehren
auch nicht deckungsgleich mit dem in einem weiteren, später rechtshängig gewordenen Rechtsstreit vor dem Landgericht gegen die Beklagten im Wege der Stufenklage verfolgten Leistungsbegehren auf
Gewinnermittlung und Liquiditätsabschlussrechnung zum 29. Dezember 2011.
2. Ebenfalls rechtsfehlerhaft
hat das Berufungsgericht dem Kläger das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für die begehrte Feststellung der Auflösung der Sozietät abgesprochen. Der
Kläger hat entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Sozietät infolge seiner Kündigung vom 29. Dezember 2011 mit sofortiger Wirkung
aufgelöst worden ist.
a) Nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs ist ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtsposition
des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH, Urteil vom 25. Juli 2017 - II ZR 235/15, ZIP 2017,
1902 Rn. 16; Urteil vom 28. April 2015 - II ZR 63/14, ZIP 2015, 1220 Rn. 20). Eine solche Gefahr besteht in der Regel schon dann, wenn der Beklagte das Recht des Klägers
ernstlich bestreitet (BGH, Urteil vom 25. Juli 2017 - II ZR 235/15, ZIP 2017, 1902 Rn. 16; Urteil vom 25. Oktober 2004 - II ZR 413/02, ZIP 2005, 42, 44).
b) Die Beklagten haben das Recht
des Klägers bestritten, weil sie den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags in Abrede gestellt haben und ihre Pflicht zur Erstellung der Liquidationsbilanz damit nicht zweifelsfrei feststeht. Mit
der vom Kläger begehrten Feststellung wäre geklärt, dass die Sozietät zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgelöst worden ist. Zwar haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem
Berufungsgericht unstreitig gestellt, dass die "Sozietät mittlerweile beendet ist". Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts und dem in Bezug genommenen Tatbestand des
landgerichtlichen Urteils haben die Beklagten aber eine Auflösung der Gesellschaft nicht unstreitig gestellt, sondern vielmehr streitig vorgetragen, eine Gesellschaft zwischen den Parteien liege
nicht vor, weshalb auch ihre Auflösung nicht in Betracht komme, hilfsweise einen wirksamen Ausschluss des Klägers aus der Sozietät behauptet und nur weiter hilfsweise die Auflösung der
Gesellschaft aufgrund der Kündigung des Klägers unstreitig gestellt.
III. Das Berufungsurteil ist
danach, soweit es angefochten ist, aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist in diesem Umfang, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Für das weitere Verfahren weist
der Senat auf Folgendes hin:
Mit der vom Berufungsgericht
gegebenen Begründung kann der Antrag auf Feststellung der Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen nicht zurückgewiesen werden. Einer anderen Bemessung als mit der vom Kläger beantragten
Gewinnbeteiligungsquote von 1/3 steht § 308 Abs. 1 ZPO nicht per se entgegen. Sollte das Berufungsgericht eine Gewinnbeteiligung des Klägers zu einem Bruchteil nicht
feststellen können und sieht es sich wegen § 308 Abs. 1 ZPO an einer anderen Feststellung der Höhe der Gewinnbeteiligung gehindert, hat es auf eine sachdienliche
Antragstellung hinzuwirken. Es entspricht erkennbar dem Interesse des Klägers, seine ihm am Gewinn der Sozietät zustehende Beteiligung feststellen zu lassen.