Denkmalschutz


Denkmalschutz und der Streit um Lenin: Genehmigungsbedürftigkeit einer Lenin-Statue in der Nähe eines Baudenkmals (§ 9 Abs. 1 Buchst. b DSchG NRW) ?

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.03.2020 - 10 B 305/20 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Der Antragsteller wollte eine 2,15m hohe Leninstatue auf einem Grundstück in H. aufstellen. Die Antragsgegnerin verhängte einen Baustopp gem. § 27 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz NRW (DSchG NRW): Hintergrund war, dass sich in unmittelbarer Nähe der Statue, die der Antragsteller errichten wollte, ein Baudenkmal befand. Das Erscheinungsbild desselben würde durch die Leninstatue beeinträchtigt, weshalb die Errichtung der Statue einer Genehmigung nach § 9 Abs. 1 Buchst. b) BSchG NRW bedürfe. Die Antragsgegnerin ordnete nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung an. Der Antragsgegner legte gegen die Verfügung und die Anordnung der sofortigen Vollziehung Rechtsmittel ein. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden  Wirkung der zwischenzeitlich gegen die Verfügung selbst eingelegten Klage wurde von der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Hiergegen wandte sich der Antragsteller erfolgreich. Das VG Gelsenkirchen stellte die aufschiebende Wirkung wieder her; die dagegen von der Antragsgegnerin eingelegte Beschwerde wurde vom Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen.

 

Beide Instanzen  gingen davon aus, dass die Voraussetzungen des § 9 DSchG NRW nach der im Rahmen der summarischen Prüfung im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht vorlägen.

 

Entscheidend sei, ob die Leninstatue an ihrem geplanten Aufstellungsort das Erscheinungsbild des Baudenkmals offensichtlich beeinträchtigen würde.

 

Nach § 9 Abs. 1 DSchG NRW bedürfe es einer denkmalrechtlichen Erlaubnis, wenn in der (hier angenommenen) engeren Umgebung von Baudenkmälern Anlagen errichtet, verändert oder beseitigt würden, die das Erscheinungsbild des Denkmals beeinträchtigen würden. Nach der Entscheidung des OBG NRW vom 08.03.2012 - 10 A 2037/11 - sei erforderlich, dass durch die zu errichtende Anlage das Erscheinungsbild des Denkmals beeinträchtigt würde. Dies wurde vom VG Gelsenkirchen verneint. Fraglich sei nach Auffassung des OVG bereits, ob mangels konkreter Ausführungen in der Begründung für die Unterschutzstellung des Baudenkmals dessen Beziehung zu seiner näheren Umgebung überhaupt von Bedeutung sein könne. Aber auch in Bezug auf die Verhältnisse des Baudenkmals ( ein dreigeschossiges Gebäude) zu der Leninstatue sowie deren Abstand zu dem Baudenkmal würden keinen Anhalt dafür geben, dass die Statue das Baudenkmal beeinträchtigen, d.h. den Denkmalwert herabsetzen könnte.

 

 

Die Begründung der Antragsgegnerin, die Figur von Lenin sei als eine Person zu bewerten, die für Gewalt, Unterdrückung, menschliches Leid und Terror stünde und damit im Widerspruch zu den Werten einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, würde dies keine nachvollziehbare Verbindung zu der vermeintlich zu schützenden Aussage des Baudenkmals herstellen können. Die Darlegung der Antragsgegnerin zu einer „Aufmerksamkeitskonkurrenz“ und auf „geistige und emotionale Effekte“ verweist, die „das innere Auge von der weiteren Umgebungswahrnehmung ablenken und den Blick des Betrachters von dem Denkmal nachhaltig abwenden“ könnten, würden die Ziele des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege und damit auch die Aufgaben der Behörde verkannt. Nach dem DSchG NRW diene der Denkmalschutz nicht dazu, das Denkmal in den Fokus der Aufmerksamkeit eines (zufälligen) Betrachters zu stellen, weshalb es auch an einer Handhabe fehle, die nähere Umgebung generell von alle, freizuhalten, was seien Aufmerksamkeit wecken könnte. 

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

 

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

 

Gründe

 

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

 

Das Verwaltungsgericht hat die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers vorgenommen, weil die für sofort vollziehbar erklärte Ordnungsverfügung der Antragstellerin bei summarischer Prüfung offensichtlich rechtswidrig sei. Die Aufstellung der 2,15 m hohen Lenin-Statue auf dem Grundstück S. 2 in H. bedürfe keiner denkmalrechtlichen Erlaubnis nach § 9 DSchG NRW, sodass der mit der Ordnungsverfügung ausgesprochene Baustopp nicht auf den von der Antragsgegnerin allein herangezogenen § 27 Abs. 1 DSchG NRW gestützt werden könne, wonach derjenige, der eine erlaubnisbedürftige Handlung ohne Erlaubnis durchführe, auf Verlangen der Unteren Denkmalbehörde die Arbeiten sofort einstellen müsse.

 

Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt keine andere Entscheidung.

 

Insbesondere zeigt die Antragsgegnerin nicht auf, weshalb die rechtliche Wertung des Verwaltungsgerichts, die Lenin-Statue werde an ihrem geplanten Aufstellungsort das Erscheinungsbild des auf dem Grundstück S. 2 aufstehenden Baudenkmals offensichtlich nicht beeinträchtigen, unrichtig sein könnte. Das Verwaltungsgericht hat den Sachverhalt unter den Tatbestand des § 9 Abs. 1 Buchstabe b DSchG NRW, wonach derjenige einer denkmalrechtlichen Erlaubnis bedarf, der in der engeren Umgebung von Baudenkmälern oder ortsfesten Bodendenkmälern Anlagen errichten, verändern oder beseitigen will, wenn hierdurch das Erscheinungsbild des Denkmals beeinträchtigt wird, in nicht zu beanstandender Weise subsumiert. Es hat sich dabei hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale "Erscheinungsbild" und "beeinträchtigt" an dem von dem Senat in seinem Urteil vom 8. März 2012 im Verfahren 10 A 2037/11 entwickelten Verständnis dieser Begriffe orientiert. Dem setzt die Antragstellerin mit ihrem Beschwerdevorbringen nichts Erhebliches entgegen. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es bereits fraglich sei, ob mangels konkreter Ausführungen in der Begründung der Unterschutzstellung des Baudenkmals dessen Beziehung zu seiner näheren Umgebung für seinen Denkmalwert überhaupt von Bedeutung sein kann. Im Übrigen fehlt aber auch in Anbetracht der Dimensionen des dreigeschossigen Baudenkmals einerseits und der Lenin-Statue andererseits sowie des Abstandes ihres geplanten Aufstellungsortes zum Baudenkmal weiterhin jeder Anhalt für die Annahme, die Lenin-Statue könnte das Erscheinungsbild des Baudenkmals beeinträchtigen, indem es dessen Denkmalwert herabsetzt. Soweit die Antragsgegnerin die historische Figur Lenin als eine Person bewertet, die für Gewalt, Unterdrückung, menschliches Leid und Terror und damit im Widerspruch zu den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe, stellt sie keine nachvollziehbare Verbindung zu der hier vermeintlich zu schützenden Aussage des Baudenkmals her. Wenn sie in diesem Zusammenhang erneut den Begriff der "Aufmerksamkeitskonkurrenz" bemüht und meint, "geistige und emotionale Effekte" könnten "auch das innere Auge von der weiteren Umgebungswahrnehmung ablenken und den Blick des Betrachters von dem Denkmal nachhaltig abwenden", verkennt sie die Ziele des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege und die Aufgaben der mit der Umsetzung dieser Ziele betrauten Behörden. Die Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen dienen nicht dazu, das jeweilige Denkmal in den Fokus der Aufmerksamkeit eines zufälligen Betrachters – etwa eines beliebigen Passanten – zu rücken und bieten dementsprechend keine Handhabe, die nähere Umgebung des Denkmals generell von allem freizuhalten, was seinerseits Aufmerksamkeit wecken könnte.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus dem § 154 Abs. 2 VwGO.

 

Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf die §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

 

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

 

 

Anmerkung: Entscheidung zur Beschwerde zum Beschluss des VG Gelsenkirchen vom 05.03.2020 - 16 L 250/20 -.