Gerichte sind häufig auf Gutachten von Sachverständigen aus den verschiedensten Bereichen angewiesen. Ihre Bearbeitung selbst ist den Gerichten entzogen. Kommt es hier allerdings zu Verzögerungen
bei der Gutachtenerstellung, kann dies auch dem gerichtlichen Beschleunigungsgebot zuwiderlaufen und bei einer Verzögerungsrüge einer Partei zu einer Haftung des Gerichts nach § 198 GVG führen.
Die Gerichte tun von daher gut daran, wenn sie dem Sachverständigen eine Frist zur Erstellung des Gutachtens setzen. Hält der Sachverständige die Frist nicht ein, kann er sich zum einen neben dem
das Beschleunigungsgebot verletzenden Gericht haftbar machen, besteht zum anderen nach einem Beschluss des OLG Koblenz die Möglichkeit, gegen den Sachverständigen ein Ordnungsgeld gem. §
411 Abs. 2 ZPO festzusetzen. Voraussetzung für die Festsetzung des Ordnungsgeldes ist jedoch neben der Fristsetzung und ihrer Überschreitung durch den Sachverständigen, dass dem Sachverständigen
eine Nachfrist mit Androhung eines Ordnungsgeldes gesetzt wird. Gleichzeitig weist aber das OLG Koblenz auch darauf hin, dass sich dann die Verhängung eines Ordnungsgeldes vernietet, wenn der
Sachverständige seine verspätete Vorlage des Gutachtens ausreichend entschuldigt, wobei nach Auffassung des OLG Koblenz eine Aufarbeitung von Rückständen durch den Sachverständigen ausreichend
sein soll.
Dass die Mitteilung des Sachverständigen zur Aufarbeitung von Rückständen als Entschuldigung ausreichen soll, ein Ordnungsgeld nicht zu verhängen bzw. einen Ordnungsgeldbeschluss wieder
aufzuheben, ist nicht verständlich. Der Sachverständige hat bei Auftragserteilung dem Gericht m.E. unverzüglich mitzuteilen, dass sich - im Hinblick auf die Bearbeitung anderer Aufträge
- die Bearbeitung verzögern kann. In diesem Fall könnte das Gericht einen anderen Sachverständigen beauftragen, insbesondere dann, wenn eine Partei mit der Verzögerung nicht einverstanden
sein sollte. Man bedenke in diesem Zusammenhang, dass es häufig um Geldforderungen geht, die mit 5 oder 8-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sind: Die Partei, die eventuell zur
Zahlung verurteilt wird, hat schon vor diesem finanziellen Hintergrund regelmäßig ein reges Interesse an einer baldigen Abklärung.
Insoweit darf auch auf die Entscheidung des BGH vom 04.11.2010 – II ZR 32/10 hingewiesen werden, in der der BGH in Bezug auf einen Schadensersatzanspruch wegen Verzögerung des Rechtsstreites u.a.
ausführte:
„Soweit das Berufungsgericht im Hinblick auf die erheblichen Zeitverluste, die im Zusammenhang mit der letztlich erfolglosen Beauftragung des Sachverständigen Prof. Ba.
aufgetreten sind, den Umgang des Landgerichts mit dem Sachverständigen als unangemessen nachsichtig gerügt und eine pflichtwidrige Verfahrensverzögerung von mindestens 14 Monaten festgestellt
hat, sind die diesbezüglichen Ausführungen, die auch vom beklagten Land nicht angegriffen werden, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das - nicht unter § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB fallende -
Verhalten des Landgerichts war nicht mehr vertretbar.“
Dem Gerichtssachverständigen ist die Bedeutung seines Gutachtens für den Rechtstreit bekannt. Er hat seine Arbeiten entsprechend dem Beschleunigungsgebot der ZPO zügig zu bearbeiten. Stellen sich
Hindernisse (wie Krankheit) ein, hat er diese dem Gericht mitzuteilen. Kann er die Bearbeitung wegen vorrangiger anderer Arbeiten („Aktenrückstände“) nicht zügig durchzuführen, so muss er dies
ebenfalls zeitnah dem Gericht mitteilen; da er dies regelmäßig bereits bei Auftragserteilung weiß, muss er mithin das Gericht unverzüglich über die zeitlichen Umstände informieren. Es wäre nicht
einsichtig, das Gericht nach § 198 GVG haften zu lassen, da der Sachverständige aus ihm und nicht dem Gericht und den Parteien bekannten Gründen, die Bearbeitung nicht aufnehmen kann. Und schon
gar nicht wäre verständlich, wenn ein Anspruch aus § 198 GVG deshalb nicht verwirklicht werden könnte, da der Sachverständige keine Zeit zur Bearbeitung findet, da regelmäßig das Gericht und
nicht die Parteien den Sachverständigen bestimmt.